ADB:Lang, Karl Heinrich Ritter von

Empfohlene Zitierweise:

Artikel „Lang, Karl Ritter von“ von Franz Muncker in: Allgemeine Deutsche Biographie, herausgegeben von der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, Band 17 (1883), S. 606–613, Digitale Volltext-Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=ADB:Lang,_Karl_Heinrich_Ritter_von&oldid=- (Version vom 26. Dezember 2024, 21:55 Uhr UTC)
Allgemeine Deutsche Biographie
>>>enthalten in<<<
[[ADB:{{{VERWEIS}}}|{{{VERWEIS}}}]]
<<<Vorheriger
Lang, Joseph
Nächster>>>
Lang, Kaspar
Band 17 (1883), S. 606–613 (Quelle).
Karl Heinrich von Lang bei Wikisource
Karl Heinrich von Lang in der Wikipedia
Karl Heinrich von Lang in Wikidata
GND-Nummer 118726285
Rohdaten, Werke, Deutsche Biographie, weitere Angebote
fertig
Fertig! Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle Korrektur gelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.
Kopiervorlage  
* {{ADB|17|606|613|Lang, Karl Ritter von|Franz Muncker|ADB:Lang, Karl Heinrich Ritter von}}    

{{Normdaten|TYP=p|GND=118726285}}    

Lang: Karl Heinrich Ritter von L., wurde am 7. Juli 1764 in dem fürstlich öttingischen Dorfe Balgheim bei Nördlingen geboren. Sein Vater, Constantin L. (1732 geboren), Pfarrer daselbst, wurde wenige Wochen darauf nach dem nur eine Stunde entfernten Dorfe Deggingen versetzt. Er war ein gelehrter Theologe, besonders in den lateinischen und in den orientalischen Sprachen wohl beschlagen; seine Familie, seit einigen Generationen in öttingischen und wallersteinischen Diensten, befand sich in behaglichen Verhältnissen, die aber sein früher Tod (1770) schmerzlich störte. Von den acht Kindern, die der Wittwe blieben, war Karl das dritte. Er wurde dem jüngsten Bruder seines Vaters übergeben, der als fürstlicher Pfarrer und Superintendent nach einander in den Dörfern Bühl, Hohenaltheim und Trochtelfingen wirkte. Frühzeitig mußte so der Knabe lernen, auf eignen Füßen zu stehen und durch dienstfertiges Bezeigen gegen seine Pflegeeltern und ihren kränklichen Sohn sich in ihrer Gunst zu erhalten. Der Keim zu verächtlicher und gehässiger Betrachtung der Menschen und menschlichen Dinge ward jetzt schon unmerklich in seine Brust gesenkt. Während er mit vier Jahren bereits von der Mutter lesen gelernt hatte, wurde von dem Oheim sein Unterricht vernachlässigt. Doch gab er sich eifriger Lectüre hin, sogar lateinischer Bücher, die er ohne Kenntniß der Grammatik mittelst eines Lexikons nothdürftig zu enträthseln strebte. Erst seit seinem zwölften Jahre erhielt er methodischen Unterricht im Lateinischen von einem Verwandten. Ihm folgte L. um Ostern 1778 nach Oettingen. Er besuchte daselbst das Gymnasium, stand aber als jüngster Schüler der obersten Classe auch hier lang allein, fast nur auf sich selbst angewiesen. Neben dem Griechischen zog ihn namentlich die Geschichte und von der deutschen Litteratur die neuesten Dichtungen Wieland’s an. Um einer Schulstrafe zu entgehen, floh er um Weihnachten 1780 zurück zu seinem Oheim nach Hohenaltheim, dem Sommerschloß des Fürsten von Wallerstein, in dessen Bibliothek er als Amanuensis Beschäftigung erhielt. Die wenigen Stunden, die der angestrengte Dienst ihm frei ließ, nützte er emsig aus, um sich in den alten Sprachen wie in der neueren Litteratur fortzubilden. Noch brachte er einige Monate bei Verwandten in der Umgegend zu, um sich auf das juristische Studium vorzubereiten; dann bezog er 1782 die Nürnberger Universität Altdorf, wo er am 26. April immatriculirt wurde. An leichtsinnigen und übermüthigen Streichen ließ er es hier nicht fehlen; doch studirte er dabei ernstlich Jurisprudenz und erwarb sich auch in der Geschichte und in den neueren Sprachen und Litteraturen manches Wissen. Ostern 1785 kehrte er nach Oettingen zurück. Durch die Gunst des geheimen Rathes von Ruesch, Präsidenten der fürstlichen Regierung, wurde er sogleich als Accessist bei derselben angestellt, am 1. Mai 1786 zum Regierungsprotokollisten und am 29. Dec. 1787 zum Regierungssecretär befördert. Auf den Wunsch des Präsidenten verfertigte er 1786 einen kleinen Abriß der öttingischen Geschichte und Statistik, als Preisbuch für die katholischen Schulkinder des Ländchens bestimmt, „Beiträge zur Kenntniß der natürlichen und politischen Verfassung des öttingischen Vaterlandes, zum Unterricht und Vergnügen der Jugend“. In demselben Jahre begründete er ein öttingisches Wochenblatt. Er redigirte die beiden ersten Jahrgänge und stattete sie mit naturhistorischen Beiträgen, Nachrichten aus der vaterländischen Geschichte und humoristischen Aufsätzen in der Manier Möser’s aus. Angeblich [607] wegen der Chicanen seiner Vorgesetzten erbat und erhielt er am 17. Juni 1788 seine Entlassung aus fürstlichen Diensten und fuhr wenige Tage darauf nach Wien. Bald bot sich ihm eine Hofmeisterstelle im Hause eines ungarischen Magnaten dar, auf dessen Gütern am Fuße der Karpathen nahe der galizischen Grenze er den Herbst und Winter verlebte. Hier legte er auch den Grund zu seiner späterhin weiter ausgebildeten Kenntniß der slavischen Sprachen. Aber schon anfangs 1789 kehrte er als Privatsecretär des württembergischen Gesandten Baron von Bühler nach Wien zurück. Er hatte freie Zeit genug, die Genüsse durchzukosten, welche die lustige Kaiserstadt ihm für Sinne und Geist bot. Daneben trieb er historisch-archivalische Studien und versuchte, durch die Arbeit eines gleichstrebenden Freundes angeregt, die Lösung der von Joseph II. gestellten Preisfrage „Was ist der Wucher“? Er reichte sein Elaborat bei den Preisrichtern nicht ein, sondern ließ es erst 1791 zu Nördlingen unter dem Titel „Ein Votum über den Wucher von einem Manne sine voto“ drucken. In der von der Kritik durchgehends wohlwollend aufgenommenen Schrift gab L. eine philosophisch-juristische Begriffserklärung des Wuchers und stellte, immer auf geschichtlichem Boden fußend, die Ursachen seines Entstehens wie die Mittel, ihn zu verringern, dar. Im December 1789 unternahm er im Auftrage des Gesandten eine Reise nach Essek und Belgrad. Davon zurückgekehrt, ging er Ende Februars 1790 als Courier mit der Nachricht vom Tode Josephs II. nach Württemberg. Von Frankfurt aus, worüber ihn der Rückweg führte, dehnte er seine Fahrt rheinabwärts bis Amsterdam aus. Vergebens hoffte er eine Stelle im österreichischen Staatsdienste zu finden; dagegen berief ihn der Fürst von Wallerstein zu seinem geheimen Hofsecretär. Schmerzlich nahm er von dem lieben Wien Abschied. In Wallerstein waren ihm vornehmlich die staatsrechtlichen und reichsgerichtlichen Angelegenheiten übertragen; daneben setzte er seine archivalischen Studien fort. Als Courier des Fürsten wohnte er 1790 der Kaiserkrönung Leopolds II. zu Frankfurt bei: er sah in den pompösen Ceremonien, mit denen das dem Untergang längst verfallene deutsche Reich seine höchste Würde verlieh, nichts als „alttestamentliche Judenpracht“. Auch in Wallerstein litt es den unruhigen Gesellen nicht lange. Am 16. April 1792 erhielt er auf Verlangen seinen Abschied. Noch einmal bezog er eine Universität, jetzt Göttingen, um sich eingehender den geschichtlichen Studien zu widmen. Am 21. Mai wurde er immatriculirt. Er hörte einige juristische Collegien, durchforschte aber vor allem die historischen Urkunden der reichen Bibliothek. In lebhaftem Verkehr stand er mit Professoren (besonders Spittler) und Studenten. Eifrig sammelte er für sein (1793 erschienenes) Buch „Historische Entwickelung der deutschen Steuerverfassungen seit der Karolinger bis auf unsere Zeiten“, für welches er schon zu Wallerstein die Schätze des fürstlichen Archivs ausgebeutet hatte. Seine gründliche, quellenmäßige Darstellung erweiterte er zu einer klar und frisch geschriebenen Geschichte des gesammten deutschen Finanzwesens, aller jener Auflagen und Dienstbarkeiten, die dem Unterthanen aus seiner Kriegspflicht gegen den Grund- und Bannerherrn im Laufe der Jahrhunderte erwuchsen. Auch diese Arbeit fand den Beifall der Fachgenossen. Ein weiteres, rechtsgeschichtliches Schriftchen, „Commentatio de dominii utilis natura, indole atque historia“, wurde im Juni 1793 als Lösung der juristischen Preisaufgabe gekrönt. Nunmehr kühner geworden, übersandte L. eine, während seines Aufenthaltes in Oettingen bereits angefertigte historisch-topographische Beschreibung der streitigen Ansbacher und Oettinger Grenzorte nebst einem Exemplar seiner Preisschrift an den dirigirenden preußischen Minister der fränkischen Fürstenthümer, Freiherrn von Hardenberg. Er erreichte seinen Zweck. Vom December 1793 an weilte er zwei Jahre auf dem Schloß des Ministers zu Nörten bei Göttingen, beschäftigt, das bedeutende Familienarchiv zu ordnen [608] und eine Geschichte des Hardenbergischen Geschlechtes zu entwerfen. Letztere wurde jedoch von den Familienmitgliedern, deren Vorfahren darin in einem wenig schmeichelhaften Lichte erschienen, nicht zum Drucke zugelassen.

Doch hatte der Minister inzwischen Lang’s diplomatische und archivalische Brauchbarkeit schätzen gelernt. Er ernannte ihn daher im November 1795 zum geheimen Archivar zu Bayreuth und Plassenburg. L. begab sich sofort in seine neue Heimath und ließ sich vorerst in Bayreuth nieder, siedelte aber bald darauf, frisch vermählt mit der schönen Tochter eines Bayreuther Beamten, nach Kulmbach über am Fuß der Plassenburg, wo das Archiv aufbewahrt lag. Hier verlor er im ersten Wochenbett seine junge Frau, und noch zweimal, da er ein neues Eheband knüpfte, traf ihn der gleiche Schlag. Er arbeitete meist auf der Plassenburg, dazwischen auch in Bayreuth, ja selbst in Ansbach. Als eine Art von Anhang zu seiner Geschichte der Steuern gab er 1796 zu Göttingen heraus „Historische Prüfung des vermeintlichen Alters der deutschen Landstände“. 1798 ließ er zu Göttingen den ersten Band eines größeren Werkes erscheinen „Neuere Geschichte des Fürstenthums Bayreuth“; 1801 folgte ein zweiter, 1811 zu Nürnberg ein dritter Band. Lang’s Arbeit unterschied sich von allen ähnlichen Versuchen vor ihm. Statt bloser Genealogien und chronikhafter Compilationen über die Markgrafen und ihr Hof- und Kriegsleben unternahm er es, eine Geschichte des Bayreuther Landes, seiner Regierung, Verfassungen und Sitten zu schreiben. Um aber hiebei möglichst gewissenhaft zu verfahren, beschränkte er seinen Stoff auf einen kurzen Zeitraum, den er auf das gründlichste aus gedruckten und ungedruckten Quellen kannte. Er behandelte nur die Zeit von 1486 bis 1603, von der definitiven Trennung der beiden fränkischen Fürstenthümer von der brandenburgischen Kur bis zum Aussterben der fränkischen Linie der Hohenzollern. Bei aller Akribie im einzelnen wußte L. übersichtlich darzustellen; sein Vortrag war klar und anregend; seine historische Anschauung sprach er mit rücksichtslosem Freimuth aus. Daß er den Ton von Johannes Müller’s schweizerischer Geschichte, ohne innerlich davon ergriffen zu sein, äußerlich nachahmte und, den Ideen Friedrich Schlegel’s folgend, seine geschichtliche Entwicklung allzu künstlich nach philosophischen Principien zu regeln suchte, machte der Verfasser sich später selbst zum Vorwurf. –

Als seine Bayreuther Geschichte ans Licht trat, weilte L. bereits seit einigen Monaten außer Landes. Seit dem 18. Decbr. 1797 befand er sich im speciellen Dienste Hardenberg’s als Legationssecretär bei der preußischen Gesandtschaft auf dem Friedenscongreß in Rastatt. Hier ward ihm neue Gelegenheit, den sittlichen und politischen Verfall des Reiches aus nächster Nähe zu schauen. Um die Unwissenden über die Größe der Verluste auf dem linken Rheinufer aufzuklären, verfaßte er daselbst 1798 seine verdienstlichen „Tabellen über Flächeninhalt, Menschenzahl, Einkünfte und bevorstehenden Verlust der deutschen Reichslande“. Auf seine Bitte berief ihn Hardenberg endlich am 8. Octbr. 1798 als wirklichen Kriegs- und Domainenrath an die Kammer von Ansbach zurück. Im Januar 1799 trat er sein neues Amt an. Außer der Direction der Archive zu Ansbach und Plassenburg waren ihm besonders die Grenzstreitigkeiten und ein großer Theil des Stiftungswesens übertragen. Durch seine Reorganisation des letzteren erwarb er sich bleibendes Verdienst. Dagegen blieb sein Versuch, gemeinschaftlich mit Hänlein, dem Vicepräsidenten der Kriegs- und Domainenkammer, das nach dem dritten Band 1797 eingegangene „Staatsarchiv der königl. preuß. Fürstenthümer in Franken“ fortzusetzen, ohne rechten Erfolg: von dem „Neuen Staatsarchiv“ erschien nur ein Heft 1800. Hardenberg bediente sich seiner noch immer gern zu persönlichen und diplomatischen Aufträgen. Bei ihm weilte L. im Vorfrühling 1801 in Berlin; mit ihm war er 1802 und [609] 1803 zu wiederholten Malen in München, wo die Grenze zwischen den pfalzbairischen und preußisch-fränkischen Ländern aufs neue festgestellt ward. Die Anschuldigung, als ob Baiern dabei übervortheilt worden sei, wies er auf Hardenberg’s Wunsch in einer Flugschrift „Christliche Vermahnung eines Capuzinerbruders zu Deggendorf an den Meister Pangraz“ (1805) zurück. Zwei Jahre lang (bis zum Herbst 1805) leitete er sodann als preußischer Commissär die praktischen Geschäfte der Grenzregulirung auf der Ostseite der fränkischen Länder.

Bald nach seiner Rückkehr ging in Folge des Schönbrunner Vertrags das Fürstenthum Ansbach an Baiern über. L. gab nunmehr den preußischen Dienst auf (April 1806) und unterstützte mit Rath und That den bairischen Commissär Graf Thürheim bei der Civilübergabe der fränkischen Provinz. Als Thürheim’s Abgeordneter nahm er ferner von den früher reichsunmittelbaren Fürstenthümern seiner Heimath im Ries für die Krone Baiern Besitz. Im November 1806 wurde er darauf zum Director der Kriegs- und Domainenkammer befördert und hatte als solcher die Eintheilung des neugewonnenen Landes in Landgerichte festzustellen. Bei Errichtung des Civilverdienstordens der bairischen Krone am 19. Mai 1808 verlieh ihm der König das Ritterkreuz derselben; seine Erhebung in den Adel war damit verknüpft.

Auch während dieser aufgeregten Jahre hatte seine publicistische Thätigkeit nicht ganz geruht. 1806, während er unter der Last der französischen Einquartirung seufzte, verfaßte er die „Annalen des Fürstenthums Ansbach unter der preußischen Regierung von 1792 bis 1806“, in knappster Form dargestellt, ein Zeugniß seiner Verehrung Hardenberg’s. Einzelne Mißbräuche, die sich beim Uebergang der neuen Besitzthümer an Baiern eingestellt hatten, deckte er in den „Annalen der öttingischen Finanzverwaltung“ auf. Nach amtlichen Materialien begann er in Gemeinschaft mit seinen Amtsgenossen Büttner und Schulz eine „Historische und statistische Beschreibung des Rezatkreises“; 1809 und 1810 erschienen davon zwei Hefte, welche die Landgerichte Ansbach und Dinkelsbühl behandelten.

Mit seinen Vorgesetzten wußte er sich nicht lange in gutem Einvernehmen zu erhalten. Im October 1810 wurde er darum als erster Archivar an das Landesarchiv nach München versetzt. Grollend weigerte er sich, die Stelle anzutreten. Er zog sich nach Erlangen zurück und vergrub sich daselbst in die Geschichte der bairischen Stämme. Endlich nach mehrfachen Verhandlungen mit dem Ministerium wurde er zum Director des dermaligen Landesarchivs und des neu zu errichtenden Reichsarchivs ernannt. Nun siedelte er (im Januar 1811) nach München über. Der Minister Graf Montgelas kam ihm freundlich und artig entgegen, bewirkte gleich im Mai 1811 seine Aufnahme in die Akademie der Wissenschaften, ließ ihn aber zunächst amtlich unbeschäftigt. Erst als sich L. wieder auf einige Monate in seinen Schmollwinkel nach Erlangen zurückbegab, wurde er im März 1812 im Ministerium des Aeußern zum Chef des Reichsheroldenamtes mit dem Rang eines geheimen Referendars ernannt und mit dieser Stelle im April 1812 die Direction des Reichsarchivs, das im ganzen nach seinen Vorschlägen angelegt wurde, verbunden. Seine wissenschaftliche Thätigkeit richtete sich nun durchaus auf die bairischen Verhältnisse in Gegenwart und Vergangenheit. In den Denkschriften der Akademie von 1811–1813 veröffentlichte er seine beiden Abhandlungen über „Die Vereinigung des baierischen Staates aus den einzelnen Bestandtheilen der ältesten Stämme, Gauen und Gebiete historisch entwickelt“, eine historisch-topographische Beschreibung der bajoarischen, alemannischen und fränkischen Länder und Ländchen, aus denen das derzeitige Königreich Baiern bestand. L. führte darin zuerst für Baiern den anderweitig schon früher befolgten Grundsatz durch, daß sich aus dem Umfang unserer gegenwärtigen Bischofssprengel noch [610] auf die Grenzen der alten Gaue schließen lasse. In kleineren Schriften bestritt er nicht ohne Humor die Fabel von den dreißig Söhnen des Grafen Babo von Abensberg (1813), theilte Bemerkungen zu Heinrich Zschokke’s „Bairischen Geschichten“ mit, eine achtungsvolle, doch ziemlich scharfe Kritik des gefeierten Autors (1813), vertheidigte die Regierung Ludwigs des Baiern und die bairische Politik überhaupt gegen die Angriffe in der Wiener Litteraturzeitung (1813), unterzog die ersten sechzehn Bände der „Monumenta Boica“ einer herb tadelnden Recension (1815) und erhärtete in hochmüthig-grobem Ton gegen „des Herrn von Pallhausen Garibaldische Geschichten“ seine Behauptung, daß der Nordgau ursprünglich nicht zu Baiern gehörte (1815). Ebenfalls kürzere Ausschnitte aus der vaterländischen Historie behandelte er 1815 in dem „Bruchstück einer bairischen Handelsgeschichte aus der Regierungszeit Herzog Ludwigs des Strengen vom J. 1263 bis 1294“ und 1821 in der seit Jahren vorbereiteten, von der Kritik sehr beifällig aufgenommenen „Geschichte des bairischen Herzogs Ludwig des Bärtigen zu Ingolstadt“. Gegen die Schmähschrift des Grafen Karl August Reisach von Steinberg „Baiern unter der Regierung des Ministers Montgelas“ (Deutschland 1813) verfaßte er auf den Wunsch des Angegriffenen 1814 seine Apologie „Der Minister Graf von Montgelas unter der Regierung König Maximilians von Baiern“. Um das Verdienst Montgelas’, des Wohlthäters von Baiern, des Begründers der bürgerlichen Freiheit, ins volle Licht zu setzen, versäumte L. nicht, die Mißstände unter der Regierung des Kurfürsten Karl Theodor rücksichtslos aufzudecken. Seinen litterarischen Gegner ließ er die ganze Schärfe und Wucht seiner durchaus persönlichen Polemik fühlen. Zu anderen Arbeiten regte ihn seine amtliche Stellung an. Als Vorstand des Reichsheroldenamtes gab er 1815 ein „Adelsbuch des Königreichs Baiern“ heraus, das er 1820 durch ein Supplement vervollständigte. Das Werk, in seiner Art das erste in Baiern, verband mit einem wohlgeordneten Verzeichniß der in Baiern lebenden Adeligen kurze Angaben über die Geschichte ihres Geschlechtes und diente lange als brauchbares Hilfsbuch auch für streng wissenschaftliche Zwecke. Auf manchen Fund stieß L. bei der Durchsicht der Archive, deren Urkunden er katalogisirte und regestenartig zu bearbeiten anfing. So ließ er 1815 aus den Papieren des Jesuitenordens in oberdeutschen Archiven drucken „Reverendi in Christo patris Jacobi Marelli S. J. amores“, um durch Enthüllung des unsittlichen Treibens einzelner Ordensmitglieder gegen die Wiedereinführung der Jesuiten in die Schulen zu wirken. Nachdrucker und Uebersetzer bemächtigten sich alsbald des Büchleins. Vier Jahre später (1819) stellte er aus den damals schon gesammelten Daten seine „Geschichte der Jesuiten in Baiern“ zusammen. Parteilos und rein sachlich gehalten, konnte dieselbe oft sogar farblos erscheinen. L. verzichtete nicht selten darauf, ein übersichtliches historisches Bild zu entwerfen und häufte dafür nur chronikartige Notizen, auf engen Raum zusammengedrängt, an einander. Die Benützung eines umfangreichen, noch undurchforschten Materials machte jedoch seine Arbeit stofflich werthvoll. Die Reihe dieser geschichtlichen Publicationen schlossen zunächst seine durchaus auf archivalische Forschungen gegründeten „Bairischen Jahrbücher von 1179–1294“ ab, welche als Fortsetzung des von J. G. von Lori 1782 herausgegebenen „Chronologischen Auszugs der Geschichte von Baiern“ 1816 erschienen und 1824 mit einigen Berichtigungen und Zusätzen neu aufgelegt wurden.

Ehe L. dieses Buch zum Druck brachte, änderten sich seine äußeren Umstände wiederum. Noch im October 1814 war er zum Mitglied der Staatscommission ernannt worden, welche die bairische Verfassung gemäß der seit 1808 völlig veränderten Lage der Dinge umarbeiten sollte. Aber auch diese neue Aufgabe, zu der er sich anfangs selbst gedrängt hatte, sowie der ganze Aufenthalt [611] in München wurde ihm bald überdrüssig. Auf sein Ansuchen wurde er im Herbst 1815 als Kreisdirector nach Ansbach zurück versetzt. Doch that er auch hier nicht lange gut. Wiederholt forderte er den Unwillen des Königs und der Minister, die an Montgelas’ Stelle traten, heraus und verlangte endlich unzufrieden seine Demission. Darauf wurde er am 10. April 1817 mit Belassung seines vollen Gehaltes in den Ruhestand versetzt. Den Rest seines Lebens verbrachte er in gelehrter Muße auf seinem Landhause bei Ansbach. Längere Reisen nach den verschiedensten Theilen Baierns, nach Mittel- und Norddeutschland, Böhmen, Schwaben und der Schweiz unterbrachen fast alljährlich die Stille seiner Einsamkeit. Am meisten fesselte ihn Wien wieder, bei dessen Besuch (1819) er noch einmal den verlockenden Zauber empfand, den die Kaiserstadt einst auf den Jüngling ausgeübt hatte. Von hier aus machte er daher sogar den vergeblichen Versuch, etwa als bairischer Agent am österreichischen Hofe in den Staatsdienst, den er vor zwei Jahren verlassen, zurückzutreten.

Noch in der Zeit seines Privatlebens wurde ihm manche gesellschaftliche und wissenschaftliche Auszeichnung zu Theil. Die Frankfurter Gesellschaft für Deutschlands ältere Geschichtskunde und die Berliner Akademie nahmen ihn 1819 und 1822 zum correspondirenden Mitglied auf. Für seine landschaftlichen Anlagen bei Ansbach übersandte ihm der landwirthschaftliche Verein 1823 eine goldene Ehrenmünze, und 1829 bei der ersten Versammlung der Landräthe des Rezatkreises wurde er zum Präsidenten gewählt. Im historischen Vereine des Rezatkreises, der vornehmlich auf sein Betreiben 1830 gegründet wurde, bekleidete er fortwährend die Stelle eines Secretärs. In den Jahresberichten dieses Vereins veröffentlichte er eine Reihe ausführlicher Arbeiten historisch-statistischer Natur über die fränkischen Fürstenthümer überhaupt, über die Stadt und Markgrafschaft Ansbach speciell und über die sonstigen Bestandtheile des Rezatkreises. Mehrere Aufsätze ähnlichen Inhaltes überließ er wissenschaftlichen Zeitschriften, dem „Archiv für Geschichte des Obermainkreises“, dem „Archiv für Bayreuther Geschichte“ etc.

Bedeutender waren die größeren Werke, die er fast vollendet von München mitgebracht hatte. Von 1822 bis 1828 gab er vier Bände heraus „Regesta sive rerum Boicarum autographa ad annum usque 1300“. Geschieden nach den drei Stämmen der Baiern, Schwaben und Franken theilte L. hier Auszüge der in den bairischen Archiven aufbewahrten ältesten Urkunden zur bairischen Geschichte mit. Auch hier beschränkte er sich auf einen eng umgrenzten Zeitraum – nach seinem Tod erst wurde das Werk für die späteren Jahrhunderte fortgeführt –, um in den einzelnen Angaben desto erschöpfender und genauer sein zu können. Seine Arbeit könnte auch in jeder Hinsicht als ein grundlegendes, quellenmäßiges Hilfsbuch gelten, wenn L. diese gewissenhafte Strenge nicht da und dort aus kleinlichen persönlichen Rücksichten verletzt hätte. Die Beschäftigung mit Regesten blieb ihm stets eine Lieblingsarbeit. Er entwarf (1822) einen – nicht weiter beachteten – Plan, wie ein ähnliches Regestenwerk für den brandenburgisch-preußischen Staat anzulegen wäre; er theilte (1833) in einem höchst anerkennenden Sendschreiben an Johann Friedrich Böhmer Zusätze zu dessen Regesten der römischen Könige und Kaiser (1831) mit. Noch nach seinem Tode erschienen 1837 seine „Regesta circuli Rezatensis“.

Gleichfalls zum Theil nach früheren Vorarbeiten verfaßte er den Artikel „Ansbach“ für die Encyclopädie von Ersch und Gruber (1820) mit einem compendiarischen Ueberblick über die Geschichte der beiden preußischen Fürstenthümer in Franken. Seine Abhandlungen über die früheren Bestandtheile des bairischen Staates arbeitete er zu zwei Büchern über Baierns Gaue und Baierns alte Grafschaften und Gebiete (1830 f.) um, nun auch mit Einschluß der seit [612] 1813 neu erworbenen bairischen Besitzungen am Rhein und Main. Einen sehr werthvollen Beitrag hatte L. schon 1827 zum 29. Bande der von Karl Ernst Schmidt redigirten Zeitschrift „Hermes“ gegeben, eine ausführliche Uebersicht über die bairischen Historiographen seit Aventin und eine sorgfältige Bibliographie und eingehende Kritik der neuesten Erscheinungen auf dem Gebiet der bairischen Geschichte seit 1821. Verschiedene Pläne, die nicht zur Ausführung gelangten, stiegen ihm dazwischen auf, einer „Bairischen Historiographie“, worin er im Verein mit andern Mitarbeitern eine Reihe von Biographien und Monographien aus der bairischen Geschichte zu liefern gedachte (1820), einer „Hohenzollerischen Specialgeschichte“ (1822) u. dgl. Auch der Polemik entsagte er noch nicht. Unter dem Titel „Alte Liebe rostet nicht. Betrachtungen aus den altbaierischen Geschichten von einem Neubaiern“ (1832) begegnete er dem Mißtrauen, welches man in München gegen die fränkischen Provinzen äußerte, mit einer drastischen Aufzählung aller jener Fälle, in welchen seit Thassilo II. die Altbaiern ihren Fürsten die Treue gebrochen haben. 1834 ließ er als ein „Hilfs- und Lesebüchlein“ für die Landtagsabgeordneten unter dem Titel „Acta apostolorum“ Auszüge aus der Sammlung der bairischen Landtagsverhandlungen in den Jahren 1429–1513 von Franz von Krenner drucken. 1834 und 1835 gab er zwei Hefte einer „Litterarhistorischen Zeitschrift“ heraus, worin er neben kurzen, ziemlich allgemein gehaltenen Miscellen aus der Geschichte die bedeutenderen historischen Werke der letzten Jahre theils ausführlich recensirte und excerpirte, theils kürzer besprach. –

Lang’s geschichtliche und statistische Arbeiten, so frisch und klar sie zum größeren Theil geschrieben sind, fanden meist doch nur bei den Fachleuten Eingang. Bei allen Schichten der gebildeten Bevölkerung jedoch wurde sein Name bekannt und berühmt durch die satirischen Schriften, in denen er seit seiner Pensionirung die Verhältnisse des bairischen Staats- und Gesellschaftslebens geiselte. Von 1817 bis 1833 gab er elf Fahrten der „Hammelburger Reise“ heraus, denen er 1819 noch das „Hammelburger Conversationslexikon, Ankündigung und erstes Probeheft“ einreihte. Seit Jahrzehnten schon zog ihn der grotteske Humor eines Rabelais und Fischart und die drastische Komik eines Abraham a Santa Clara an. In ihrer Manier suchte er nun die jüngsten Vorgänge im politischen, socialen und geistigen Leben unter der Form von Reiseabenteuern, die er in utopischen Ländern erlebt, zu parodiren. Besonders auf die bairischen Verhältnisse war die Satire gemünzt. Das positive Wollen des Verfassers war durchaus löblich; von aufklärerischen Ideen genährt und von liberaler Gesinnung durchdrungen richtete er sich gegen den Obscurantismus der Reactionsperiode. Sein Spott traf zwar manchmal auch den unrechten Ort, streifte aber meistens wirkliche Schäden und trug nicht wenig dazu bei, daß vorhandene Mißgriffe corrigirt, drohende von vorn herein vermieden wurden. Mit seinen Vorbildern aus dem 16. Jahrhundert konnte sich L. freilich weder in der großartigen Kraft noch in der kecken Laune der Satire messen. Seine zahllosen Anspielungen auf Personen und Vorgänge der unmittelbaren Gegenwart vermochten wohl die Zeitgenossen zu reizen, daß sie mit Gier lasen, was ihnen selbst als „dummes Zeug“ vorkam, und so wanderten Lang’s Flugschriften, trotz des Eifers der Nachdrucker für den Autor eine reiche Erwerbsquelle, durch ganz Deutschland und sogar über die Grenzen des Reiches hinaus. Aber die Satire bleibt zu sehr an den Verhältnissen der damaligen Zeit haften; dem Witz, vorwiegend nur Wortwitz, fehlt es an unmittelbarer Frische und an zündender Kraft; der Verfasser weiß mit seinen endlosen, oft recht gezwungenen Seitensprüngen nie ein Ziel zu finden. Den modernen Leser werden darum diese Producte eines selten reinen und natürlichen Humors meist ermüden, ja [613] langweilen. Am ersten noch fühlen wir uns mit L. einverstanden, wenn er auf Augenblicke die Ironie preisgibt und einen ernsteren Ton anschlägt.

In demselben Stil wie die „Hammelburger Fahrten“, der aber jetzt vielleicht bedeutender ausgeprägt war, gab L. 1822–25 in drei Theilen heraus „Birmanisches Strafgesetzbuch, übersetzt und mit den nöthigen sowie einigen unnöthigen Anmerkungen versehen von Michael Tobias Zaunschlieser, Exrechtspracticanten des Land- und Criminalgerichts Scherzburg“, eine glückliche Parodie der bairischen Criminalgesetzgebung.

Auch das letzte Werk Lang’s, das mehr als alle andern seinen Namen auf die Nachwelt gebracht hat, seine Autobiographie, ist zum großen Theil als Satire aufzufassen. Er führte die Darstellung seines Lebens bis auf das Jahr 1826. Erst sieben Jahre nach seinem Tode trat das Buch in die Oeffentlichkeit: „Memoiren des Karl Heinrich Ritters von Lang. Skizzen aus meinem Leben und Wirken, meinen Reisen und meiner Zeit“ (2 Theile, Braunschweig 1842, wieder abgedruckt München 1881). Diese Memoiren sind eine interessante und piquante Lectüre; aber ihnen fehlt der höhere Reiz einer edleren sittlichen Auffassung der Welt. Der Verfasser, allzu scharfsichtig für Mängel, ist fast blind gegen Verdienst und Tüchtigkeit. Hardenberg und Montgelas ausgenommen, weiß er ziemlich über alle Männer, mit denen er je verkehrte, vorwiegend Uebles und Unwürdiges zu berichten. Seinen Memoiren fehlt der Reiz der Wahrheit. Thatsächliche Mißstände, die er schildert, übertreibt er bis zur Caricatur; aber auch Charaktere, deren Andenken die Geschichte reiner bewahrt hat, erscheinen bei ihm mit häßlichen Flecken beschmutzt. Nichts war irriger, als daß man diese Fälschungen in seinen Memoiren eine Zeit lang als Enthüllungen der historischen Wahrheit betrachtete. Einsam, ohne Weib und Kind, von keiner beseligenden Liebe erwärmt, schrieb L. seine Biographie im Dienst der Eigenliebe: um sich und sein oft zweideutiges Verfahren zu rechtfertigen oder zu entschuldigen, entstellte er das Bild der Zustände wie der Personen, die ihn umgaben. – Er starb am 26. März 1835 auf seinem Landhause bei Ansbach.

Lang’s Geschichte des vorletzten Markgrafen von Brandenburg-Ansbach (Anbach 1848). Vorbericht. Karl Theodor Heigel, Die Memoiren des Ritters von Lang (Augsburger allgemeine Zeitung vom 14. und 15. Mai 1878, Beilage).
  NODES