Biochemie und Pathobiochemie: Stoffwechsel und Stoffwechselwege



Die Caen Hill-Schleusen, Wiltshire, England.

Der Stoffwechsel

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Der Stoffwechsel bzw. Metabolismus (μεταβολισμός, metabolismós (griech.): Stoffwechsel) ist die Gesamtheit aller (bio)chemischen Reaktionen, die in einem Organismus ablaufen. Er ist in Stoffwechselwege gegliedert, die in komplexer Weise zusammenhängen. Nach der Zielrichtung kann man den Stoffwechsel in einen Anabolismus (Aufbau, Biosynthesen) und einen Katabolismus (Abbau zur Energieerzeugung oder Gewinnung von Bausteinen für andere Biosynthesen) unterteilen. Beispielsweise werden im Verdauungstrakt die großen Moleküle der Nahrung wie Proteine, Kohlenhydrate (z.B. Stärke) und Fette in kleinere Einheiten - Aminosäuren, Einfachzucker und Fettsäuren - zerlegt und aufgenommen. Im Körper können diese dann weiter zerkleinert und zur Energiegewinnung in die Glycolyse und/oder den Citratzyklus eingeschleust werden oder der Körper baut sich daraus wieder eigene Substanz in Form von Proteinen, Kohlenhydraten (z.B. Glycogen) oder Fetten auf. Zur besseren Kontrolle sind anabole und katabole Wege innerhalb der Zelle häufig räumlich voneinander getrennt (Kompartimentierung), so findet man beispielsweise die β-Oxidation der Fettsäuren in der mitochondrialen Matrix, die Fettsäurenbiosynthese jedoch im Zytosol. Teilen sich zwei gegenläufige Stoffwechselwege bestimmte Intermediate/Enzyme im gleichen Kompartiment, so kann eine Regulationsmöglichkeit z.B. dadurch realisiert werden, indem einige Reaktionen in modifizierter Form mit unterschiedlicher Gleichgewichtslage ablaufen, die auch auch von jeweils eigenen Enzymen katalysiert werden. So sind z.B. 3 der 10 Reaktionen der Glycolyse (Glucose-Abbau) in der Gluconeogenese (Glucose-Bildung) durch 4 andere Reaktionen ersetzt, die das Gleichgewicht in die anabole Richtung verschieben. Einige Stoffwechselwege haben sowohl katabole als auch anabole Eigenschaften, man bezeichnet sie als amphibol. Klassisches Beispiel ist der Citratzyklus. Die zentrale Drehscheibe des Stoffwechsels oxidiert einerseits C2-Körper (katabol), andererseits nimmt sie Kohlenstoff-Körper mit 4 bis 6 C-Atomen aus verschiedenen Stoffwechselwegen auf und liefert sie in andere katabole (Pyruvatbildung -> Acetyl-CoA -> Oxidation) und anabole Wege (z.B. Gluconeogenese oder Häm-Synthese).

Vergleicht man anabole und katabole Wege, so stellt man fest, dass Abbauprozesse meist einen oxidativen Charakter haben (den Molekülen werden Elektronen entzogen), Aufprozesse hingegen eher reduktiv sind (Elektronen werden zugeführt). Mit den Elektronen wird letztlich eine Form von chemischer Energie transferriert. Wichtige Elektronen-Carrier im Stoffwechsel sind z.B. NAD+ und NAD(P)+. Eine weitere wichtige und universale Energiewährung ist ATP. ATP liefert Energie für anabole Prozesse und zerfällt dabei in ADP und anorganisches Phosphat. Die Energie zur Regeneration von ATP aus ADP und Pi in der Atmungskette stammt ebenfalls aus den Elektronen, die durch die o.g. oxidativen Abbauprozesse gewonnen werden. Daraus ergibt sich die zentrale Bedeutung von Redoxreaktionen und dem Redoxgleichgewicht für den Stoff- und Energiehaushalt der Zelle.

Die Regulation des Stoffwechsels erfolgt auf verschiedenen Ebenen und auf vielfältige Weise über Hormone, Stoffwechselintermediate u.a.m., die dann u. a. die Enzyme beeinflussen, die wie Wasserschleusen den Substratfluss durch das Labyrinth der Stoffwechselwege regeln.

Der Intermediärstoffwechsel, der im Mittelpunkt dieses Buches steht ist der bereits skizzierte Stoffwechsel der kleineren organischen Moleküle. Dieser umfasst die Prozesse des Lebens auf einer sehr basalen Ebene. Im Mittelpunkt des Interesses steht der chemische Auf-, Ab- und Umbau dieser Moleküle ineinander, ihre Funktionen und Eigenschaften sowie die Choreographie der Reaktionschritte und ihre Regulation.

Aus dem Intermediärstoffwechsel rekrutieren sich die Bausteine der „großen Moleküle“ wie Nukleinsäuren und Proteine (informations- und funktionstragende Biopolymere) bis hin zu den Zellmembranen und den verschiedenen Zellorganellen mit ihren spezifischen Aufgaben. Der letztgenannte Themenkomplex fällt im Allgemeinen unter die Begriffe Molekularbiologie und Zellbiologie und wird in einem eigenen Buch besprochen.

Stoffwechselwege

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Stoffwechselwege sind kaskadenartige Reaktionsketten, in denen ein bestimmtes Molekül auf-, ab- oder umgebaut wird. Sie können linear, divergierend/konfluierend oder zirkulär organisiert sein. Über Kurzschlüsse (gemeinsame Substrate) sind viele Stoffwechselwege miteinander zu einem komplexen Netzwerk verbunden. Die Endprodukte können gespeichert, direkt genutzt oder in anderen Wegen weiterverstoffwechselt werden.

Der erste Schritt einer Reaktionskette ist häufig irreversibel (das chemische Gleichgewicht liegt weit auf der Seite der Produkte) und wird meist durch ein Schrittmacherenzym kontrolliert. Die restlichen Schritte können sofern sie reversibel sind in beide Richtungen ablaufen, ungünstige und auch irreversible Reaktionsschritte können unter Einsatz von Energie (ATP, GTP, UTP, CTP, NAD(P)H/H+) mit günstigeren Reaktionen umgangen werden. Auf diese Weise können manche Stoffwechselwege je nach Bedarf in beide Richtungen ablaufen. Das einfachste Beispiel ist der zweite Teil des Pentosephosphatweges, bei dem die Flussrichtung nur von den Substratzu- und abflüssen abhängt. Weitere prominente Beispiele sind die Glycolyse (Glucose-Abbau) / Gluconeogenese (Glucose-Neubildung), die Glycogenbiosynthese und -degradation oder die schon sehr unterschiedlichen Abläufe der Fettsäurenbiosynthese und Fettsäurenoxidation.

Die Feinabstimmung der Substratflüsse erfolgt z.B. durch Feedback-Hemmung durch die Produkte oder bei zirkulären Reaktionen dadurch, dass jedes Produkt gleichzeitig das Edukt des nächsten Schrittes ist.

Koordination des Gesamtstoffwechsels (die „Stoffwechsellage“)

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Anabolismus und Katabolismus des Gesamtorganismus werden vom vegetativen Nervensystem in Abhängigkeit von äußeren und inneren Faktoren eingestellt. Bei Aktivität (Kampf, Flucht, Hunger, Krankheit) dominiert der sympathische Teil des Nervensystems. Auf der Ebene des Stoffwechsels sorgt er u.a. dafür, dass dem Körper genug Energieträger (z.B. Glucose, Glycerin und Fettsäuren) für die Leistungserbringung zur Verfügung gestellt werden. Bei Ruhe, Nahrungsaufnahme, Ausscheidung, Wachstum und Regeneration dominiert der parasympathische Teil des Nervensystems und forciert die anabole Stoffwechsellage. An der Regulation des komplexen Wechselspiels von Aktivität und Erholung sind zahlreiche Hormone, Rezeptoren und Signaltransduktionskaskaden beteiligt (siehe dazu in den Büchern der Physiologie). Da am Ende vereinfacht gesagt jedoch nur zwei Konsequenzen stehen - anabole oder katabole Stoffwechsellage - erfolgt eine Integration der Informationen, indem viele Transduktionswege auf einer gemeinsamen Endstrecke münden, z.B. auf der Aktivierung oder Deaktivierung von Proteinkinasen, die wiederum bestimmte Schlüsselenzyme phosphorylieren oder dephosphorylieren.

Unter sympathischem Einfluss bei leerem Magen (vermittelt von Adrenalin, Noradrenalin, Glucagon) kommt es z.B. in der Leber und im Fettgewebe zu einer Hemmung der anabolen und Aktivierung der katabolen Wege* durch eine verstärkte Phosphorylierung folgender Enzyme:

Durch einen gemeinsamen Schalter (hier die Phosphorylierung) wird hier also der komplette Stoffwechsel auf Energiebereitstellung z.B. für die Muskeln umgeschaltet.

Der entgegengesetzte Effekt wird vom Wachstumshormon Insulin vermittelt. Insulin beendet über mehrere Zwischenschritte die Wirkung der Proteinkinasen und führt zur Dephosphorylierung. In der Folge kommt es zur Auffüllung der Reserven (Fett- und Glycogenbiosynthese) mit Senkung des Blutzuckerspiegels.

* Anm.: Katabol und anabol ist hier im Gesamtkontext (Stoffwechsellage) zu sehen. Glycolyse und Acetyl-CoA-Bildung sind für sich genommen zwar katabol, im oben beschriebenen Kontext liefern sie jedoch Substrat und Energie z.B. für die anabole Fettsynthese. Umgekehrt ist die Gluconeogenese aus z.B. Aminosäuren zwar anabol, geht aber hier zu Lasten der Körpersubstanz (Proteolyse).

Evolution

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Die grundlegenden Stoffwechselwege wie Glycolyse, Citratzyklus, Fettsäurenauf- und -abbau, Nukleotidstoffwechsel und Hämbiosynthese sind ausgesprochen alt. Sie finden sich in allen drei Domänen der Lebewesen in sehr ähnlicher Form und waren schon lange am arbeiten, als sich vor über 1,5 Milliarden Jahren die entwicklungsgeschichtlichen Wege von Bakterien, Archaeen und Eukaryonten (Amöben, Tiere, Pflanzen) trennten. Die Konservierung dieser Wege kann auch als Hinweis dafür gelten, dass die Evolution als „Problemlösungsprozess“ zu diesem Zeitpunkt bereits die energetisch günstigsten Reaktionsfolgen (wenig Reaktionsschritte, hohe Effizienz/Energieausbeute) selektioniert hat, mit denen Lebewesen ihren Bau- und Energiestoffwechsel bestreiten müssen.

Umgekehrt haben viele Lebewesen bestimmte Stoffwechselwege aufgegeben, was unter energetischen Gesichtspunkten vorteilhaft ist, solange die nicht mehr selbstgebildeten Stoffe ausreichend verfügbar sind. So muss der Mensch z.B. (altersabhängig) 8 bis 10 der 20 proteinogenen Aminosäuren, bestimmte mehrfach ungesättigte Fettsäuren und die meisten Vitamine mit der Nahrung aufnehmen.

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