Überzählige Harnröhre

Fehlbildung
Klassifikation nach ICD-10
Q64.7 Sonstige angeborene Fehlbildungen der Harnblase und der Urethra
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ICD-10 online (WHO-Version 2019)

Eine überzählige Harnröhre (lateinisch Urethralduplicatur) ist eine sehr seltene Fehlbildung der Harnröhre (Urethra) mit Vorliegen einer vollständigen – oder häufiger – teilweisen Anlage einer zweiten Harnröhre (Akzessorischer Ductus paraurethralis).[1][2]

Meist existieren auch mehrere Mündungen der Harnröhre (Ostium urethrae externum), wobei eine Verdopplung am häufigsten vorkommt.[3]

Verbreitung

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Es handelt sich um eine sehr seltene, meist beim männlichen Geschlecht auftretende Fehlbildung. Bis zum Jahre 2000 wurde über etwa 200 Betroffene berichtet.[4] Ein Auftreten auch bei der weiblichen Harnröhre wurde beschrieben.[5]

Die Ursache der embryologischen Entwicklungsstörung ist bislang nicht bekannt.

Einteilung

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Urethralduplikation Typ 1 mit blind endender Urethra (a), Epispade Lokalisation der akzessorischen Urethra (b). Die akzessorische Urethra mündet am Loco typico, die funktionelle Urethra liegt hypospad.[2]
 
Urethralduplikation Typ IIa. Komplette Duplikation mit hypospader Mündung der Urethra (b) Hypospade Urethra erscheint kurz.[2]

Neben einer einfachen Einteilung nach Anzahl vorliegender Anlagen in „Duplikation“, „Trifurkation“ oder „Quatrupikation“ sind mehrere Typisierungen vorgeschlagen worden.[6]

Den Abbildungen liegt folgende Typisierung zugrunde:[2]

  • Typ 1 blind endende überzählige Urethra
    • (a) epispade Lokalisation der akzessorischen Urethra
    • (b) die akzessorische mündet an normaler Stelle (loco typico), die funktionelle Urethra hypospad
  • Typ 2 komplette Duplikatur, beide Harnröhren verlaufen innerhalb des Penisschaftes
    • (a) von normaler Länge
    • (b) von kurzer Länge
  • Typ 3 komplette Duplikation mit funktioneller Urethra und außerhalb des Penisschaftes mündender Harnröhre
  • Typ 4 Duplikatur mit partieller oder kompletter kaudaler Duplikation mit zweiter Harnblase und eigener Ableitung (epispad)

Mitunter werden die beschriebenen Typen 2+3 zu einem zusammengefasst.[7]

Die wohl verbreitetste Klassifikation ist die von Effmann aus dem Jahre 1976.[8]

  • Type I blind endend, unvollständige Gangbildung
    • (a) distale Öffnung ventral oder dorsal ohne Verbindung zur Urethra (häufigste Form)
    • (b) proximal aus der Urethra abgehend, blind endend
  • Type II Komplette durchgängige Doppelung
    • (a-1) zwei separate Urethrae ohne Verbindung untereinander aus der Harnblase entspringend
    • (a-2) zweiter Kanal entspringt der Urethra und läuft zu eigenem Meatus (parallel) oder Y-förmig von hypospad bis rektal mündend
    • (b) ein Meatus, 2 Urethren vereinigen sich zu einem Endstück
  • Type III Blasenduplikation mit gedoppelter Ableitung

Klinische Erscheinungen

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Je nach vorliegender Form (Typ) kann diese Harnröhrenanomalie entweder völlig frei von Symptomen bleiben, jedoch auch zu Harnwegsinfekten, zur Inkontinenz und zur Ablenkung oder Spaltung des Harnstrahles führen.[2]

Überzählige epispade Harnröhre

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Bei einer kompletten überzähligen Harnröhre besteht durch die fehlende Schließmuskelanlage (Fehlen des Musculus urethralis) eine Harninkontinenz. Ist nur eine inkomplette doppelte Harnröhre (auch Blindkanal genannt) vorhanden, treffen sich beide Harnröhren und ein doppelter Urinstrahl mit Kontinenz entsteht. Auch eine proximal blind endende Urethra ist häufig.

Überzählige hypospade Harnröhre

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Hierbei handelt es sich um eine doppelte ventrale Harnröhre, die entweder komplett oder inkomplett angelegt ist. Hierbei existiert ein breites Spektrum der möglichen Formen, möglich ist etwa ein Blindkanal oder eine in den Anus mündende zusätzliche Harnröhre.

Überzählige laterale Harnröhre

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Sowohl bei Jungen als auch bei Mädchen ist eine laterale Vervielfachung der Harnröhre möglich, wobei gegebenenfalls auch eine Verdoppelung der Genitalien auftreten kann. Ist dies der Fall, tritt sie häufig auch in Kombination mit einer abnormen Aufweitung (Diastase) der Schambeinfuge sowie mit einer Analastresie auf.

Überzählige sagittale Harnröhre

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Ausschließlich bei männlichen Individuen tritt eine sagittale Vervielfachung der Harnröhre auf. Dabei ist auch eine zusätzliche Epispadie oder Hypospadie möglich.[9]

Diagnose

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Die Diagnose ergibt sich mitunter als Zufallsbefund, häufiger aufgrund klinischer Hinweise.

Bildgebend erfolgt die Diagnosesicherung durch Miktionszystourethrogramm oder retrograde Urethrographie, Urethrozystoskopie oder auch intraoperativer Gabe von Kontrastmittel.

Differentialdiagnose

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Abzugrenzen sind angeborene oder erworbene Urethralfisteln.

Therapie

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Wenn nötig, kann eine Operation durchgeführt werden. Dabei wird die funktionell bessere Harnröhre erhalten und eventuelle Harnröhrendefekte werden korrigiert.[3]

Literatur

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  • A. K. Ebert, K. Adamczyk: Epispadie und Harnröhrenduplikatur. In: Der Urologe. Ausg. A. Band 54, Nummer 5, Mai 2015, S. 634–640, doi:10.1007/s00120-015-3792-5, PMID 25987327 (Review).
  • V. Zugor, M. Schreiber, A. P. Labanaris, J. Weissmüller, B. Wullich, G. E. Schott: Urethralduplikatur. Langzeitergebnisse einer seltenen Urethralfehlbildung. In: Der Urologe. Ausg. A. Band 47, Nummer 12, Dezember 2008, S. 1603–1606, doi:10.1007/s00120-008-1859-2, PMID 18806990.

Einzelnachweise

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  1. Willibald Pschyrembel: Klinisches Wörterbuch, 266., aktualisierte Auflage, de Gruyter, Berlin 2014, ISBN 978-3-11-033997-0, Stichwort Harnröhrenfehlbildungen
  2. a b c d e M. Cendron: Die überzählige Harnröhre. In: Joachim Wilhelm Thüroff, H. Schulte-Wissermann (Herausgeber): Kinderurologie in Klinik und Praxis, 2. Auflage, 2000, S. 347–351, 3. Auflage S. 470-420
  3. a b E. Stojkova Gafner: Urethrastrikturen und Anomalien. In: SIGUP - Schweizerische Interessengemeinschaft für Urologiepflege. Archiviert vom Original (nicht mehr online verfügbar) am 18. April 2018; abgerufen am 17. April 2018.  Info: Der Archivlink wurde automatisch eingesetzt und noch nicht geprüft. Bitte prüfe Original- und Archivlink gemäß Anleitung und entferne dann diesen Hinweis.@1@2Vorlage:Webachiv/IABot/sigup.ch
  4. M. Baid, A. Dutta: Urethral duplication in a 15-year-old: case report with review of the literature. In: Reviews in urology. Band 16, Nummer 3, 2014, S. 149–151, PMID 25337048, PMC 4191638 (freier Volltext) (Review).
  5. S. Solanki, M. N. Babu, V. Jadhav,. Gowrishankar, S. Ra: Female Urethral Duplication: Rare Anomaly with Unusual Presentation. In: Journal of surgical technique and case report. Band 7, Nummer 1, 2015 Jan-Jun, S. 1–3, doi:10.4103/2006-8808.184939, PMID 27512541, PMC 4959403 (freier Volltext).
  6. H. Erdil, A. Mavi, S. Erdil, E. Gumusburun: Urethral duplication. In: Acta medica Okayama. Band 57, Nummer 2, April 2003, S. 91–93, doi:10.18926/AMO/32817, PMID 12866749.
  7. Rare Diseases
  8. E. L. Effmann, R. L. Lebowitz, A. H. Colodny: Duplication of the urethra. In: Radiology. Band 119, Nummer 1, April 1976, S. 179–185, doi:10.1148/119.1.179, PMID 943804.
  9. J. L. Salle, H. Sibai, D. Rosenstein, A. E. Brzezinski, J. Corcos: Urethral duplication in the male: review of 16 cases. In: The Journal of urology. Band 163, Nummer 6, Juni 2000, S. 1936–1940, PMID 10799233.
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