Die Ataraxie (altgriechisch ἀταραξία ataraxía „Unerschütterlichkeit“, auch Ataraxis [ἀτάραξις], von ἀτάρακτος atáraktos „unerschütterlich“) ist die Bezeichnung der Epikureer und Pyrrhoneer für das Ideal der Seelenruhe. Sie bezeichnet als seelischen Zustand die Affekt­losigkeit und Gelassenheit gegenüber Schicksalsschlägen und ähnlichen Außeneinwirkungen, die das Glück des Weisen, die Eudaimonie, gefährden.

Ataraxie im Alltag

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Bereits die Lebensbedingungen des antiken Menschen waren durch einen schwer erträglichen Alltag geprägt. Laut den Erzählungen Homers und Hesiods waren Leid und Schmerz, Gewalt, Krieg, maßlose Neigungen und unmenschliches Handeln charakteristische Merkmale. Im Gegensatz dazu stand das menschliche Bedürfnis, ein angenehmes Leben (Eudaimonie) führen zu wollen. Durch die Entwicklung einer gelassenen Einstellung (Ataraxie) folgte man diesem Bedürfnis.[1] Daher bezeichnet in der griechischen Antike Ataraxie eine erwünschte, ideale Lebenseinstellung, das unberechenbare Handeln der Götter bzw. Ereignisse des Schicksals gelassen und ruhig akzeptieren zu können, wie von Epiktet (50–138 n. Chr.) u. a. erwähnt.[2] Die antiken Dichter empfahlen ihren Zeitgenossen gelegentlich, das Leben so zu nehmen, wie es kommt, ohne sich von falschen Hoffnungen oder Furcht vor den Göttern in die Irre führen zu lassen.[3]

Ataraxie in der epikureischen Ethik

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Das höchste Ziel (télos oder summum bonum) menschlichen Daseins besteht laut der Ethik Epikurs in der gelassenen Lust (hedoné oder voluptas). Letztere beziehe sich – so Malte Hossenfelder – vor allem auf die „Gesundheit des Körpers und ... Ruhe der Seele, ...“ Beide werden aber durch die Furcht vor den Göttern und dem Tod, der Maßlosigkeit der Begierden und von körperlichen Schmerzen bedroht. So muss sich der Weise sowohl von äußeren als auch inneren Einflüssen, die seine Seelenruhe (Ataraxie oder tranquillitas animi) bedrohen, von Begierde, Lüsten, Trauer und Furcht befreien und so zur innerlichen Autarkie gelangen.

Folge man „nüchternen Überlegungen“ über die Götter, über den Tod, über eigene Bedürfnisse und körperliche Schmerzen, so könne dies gelingen, denn

  • die Götter kümmern sich nicht um die Welt,
  • der Tod spielt für Menschen keine Rolle, denn wenn er eintritt, sind sie nicht mehr da,
  • natürliche Bedürfnisse, die Unlust vermeiden, wie z. B. Hunger, Durst, Freundschaft, sind erfüllbar,
  • die meisten Schmerzen sind gering ausgeprägt und dauern nur kurz.

So sei der Mensch in der Lage, ein bescheidenes, autarkes Leben voller Ataraxie, d. h. Unerschrockenheit und Gelassenheit zu führen.[4]

Die Stoa verschmolz ihren Begriff der „Apathie“ (Apatheia) mit dem Konzept der Ataraxie. Der lateinische Ausdruck tranquillitas animi bei Cicero und Seneca erfasst sowohl die Apathie als auch die Ataraxie.[5]

Ataraxie in der pyrrhonischen Skepsis

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Für das Ziel der wegen der spärlichen Überlieferung nur schwer greifbaren Lehre des Pyrrhon von Elis ist neben dem stoischen Terminus Apatheia auch der Begriff der Ataraxie überliefert. In der neupyrrhonischen Skepsis, die uns vor allem in den Schriften des Sextus Empiricus entgegentritt, bezeichnet die Ataraxie zwar eigentlich das Ziel der Ethik, das jedoch nicht direkt erstrebt werden kann, da jedes Streben danach, ja schon jede dogmatische Lehre über das Wesen der Ataraxie eben eine Erschütterung und damit Zerstörung der Seelenruhe bedeuten würde. Daher sagen die Neupyrrhoneer, die Ataraxie folge der Urteilsenthaltung (epoché) „wie der Schatten“. Man gelange „zufällig“ zur Seelenruhe, indem man sich in allen Entscheidungen des Urteils enthalte und so dem Hin- und Hergerissensein entkomme.[6]

Literatur

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  • Christoph Horn: Antike Lebenskunst: Glück und Moral von Sokrates bis zu den Neuplatonikern. 3. Auflage, Beck, München 2014, ISBN 3406669077.
  • Malte Hossenfelder: Stoa, Epikureismus und Skepsis (= Geschichte der Philosophie, Bd. 3: Die Philosophie der Antike). 2. Auflage, Beck, München 1995, ISBN 3-406-30841-4.
  • Wolfgang Röd (Hrsg.): Geschichte der Philosophie. Band 3. Beck, München 1985 (mehrere Stellen, siehe Register)
  • Andreas Urs Sommer: Die Kunst der Seelenruhe. Anleitung zum stoischen Denken München: C. H. Beck, 2. Auflage 2010, ISBN 978-3-406-59194-5 (zu den modernen Adaptionen des antiken Ataraxie-Konzeptes).
  • Gisela Striker: Ataraxia: Happiness and Tranquility. In: The Monist, Nr. 73, 1990, S. 97–110

Einzelnachweise

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  1. Vgl. Günter Dietz: Das Versöhnungs- und Friedensprogramm Homers als Euhegesie. in: Kick, Dietz (Hrsg.): Frieden als Balance in Psychotherapie und politischem Handlungsraum: Prozessdynamische Perspektiven. Münster 2013, S. 17.
  2. Vgl. Andreas Nießeler: Vom Ethos der Gelassenheit. Würzburg 1995, S. 16.
  3. Vgl. Jacob Burckhardt: Gesammelte Werke. Darmstadt 1956, Band 6, S. 320f., 363–374.
  4. Vgl. Malte Hossenfelder: Epikur. In: Ferdinand Pöhlmann (Hg.): Philosophie: Werke aus drei Jahrtausenden. Stuttgart 2016, S. 180.
  5. Forschner: Ataraxie. In: Walter Kasper (Hrsg.): Lexikon für Theologie und Kirche. 3. Auflage. Band 1. Herder, Freiburg im Breisgau 1993, Sp. 1123.
  6. Malte Hossenfelder: Stoa, Epikureismus und Skepsis. München 1995, S. 23 f. und 150 f.
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