Bestiarium

mittelalterliche Tierdichtung

Ein Bestiarium (Neutrum von lateinisch bestiarius ‚die Tiere betreffend, Tier-‘; von lateinisch bestia ‚[wildes] Tier‘)[1] ist eine mittelalterliche Tierdichtung, die moralisierend tatsächliche oder vermutete Eigenschaften von Tieren, auch Fabelwesen, allegorisch mit der christlichen Heilslehre verbindet. Die Beschreibung von Geschöpfen wie zum Beispiel des Drachen, des Einhorns, des Basilisken und des Caladrius finden sich in den Bestiarien zwischen den Darstellungen von Bären, Löwen und Elefanten. Bestiarien sind oft reich illustriert.

Folio 7r aus dem Rochester-Bestiarium (13. Jahrhundert, British Library, Royal MS 12 F XIII)

Geschichte

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Vorläufer der Bestiarien war der Physiologus aus dem 2. Jahrhundert, der im 12. und 13. Jahrhundert z. B. durch die Bestiarien Philippe de Thaons, Guillaume le Clercs und Gervaise de Fontenays wieder populär wurde.

Wirkungen

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Mit Richard de Fournivals in Prosa verfasstem „Bestiaire d’amour“, das die Liebe Fournivals zu einer Dame allegorisch schildert, entstand das erste weltliche Bestiarium.

Im 19. Jahrhundert wurde von Aloys Zötl, einem Färbermeister der Donaumonarchie aus Oberösterreich, ein reich gestaltetes Bestiarium geschaffen.

Im 20. Jahrhundert wurde die Form des Bestiariums frei wieder aufgegriffen, u. a. von Guillaume Apollinaire mit „Le bestiaire ou le cortège d’Orphée“ (1911) und Franz Blei mit dem „großen Bestiarium der modernen Literatur“ (1924). Heutzutage entwerfen viele Künstler ihre eigenen Bestiarien, mit detailliert gestalteten, oft phantastischen Tierzeichnungen.

In Pen-&-Paper-Rollenspielen werden Bücher über die in diesem Spiel auftretenden Kreaturen auch als Bestiarium bezeichnet.

Bestiarien

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Literatur

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  • N. Henkel, Chr. Hünemörder, W. Seibt, G. R. Mermier, W. P. Gerritsen, R. H. Robbins, Chr. Hannick, J. M. Plotzek: Bestiarium, -ius, Bestiarien. In: Lexikon des Mittelalters (LexMA). Band 1. Artemis & Winkler, München/Zürich 1980, ISBN 3-7608-8901-8, Sp. 2072–2080.
  • Franz Reitinger: Aloys Zötl oder die Animalisierung der Kunst. Wie aus einem Färber der Donaumonarchie ein Surrealist wurde. Mit einem Text von André Breton. Brandstätter, Wien 2004, ISBN 3-85498-358-1.
  • Matthias Bumiller: Bestiarium. Von Art, Natur & Eigenschaft allerley Thiere. Thorbecke, Ostfildern 2007, ISBN 978-3-7995-3537-3 (anhand alter Tierbücher erzählt Matthias Bumiller Wissenswertes und Kurioses über einheimische und exotische Tiere)
  • Michel Pastoureau: Das mittelalterliche Bestiarium. Aus dem Französischen von Birgit Lamerz-Beckschäfer. Primus, Darmstadt 2013, ISBN 978-3-86312-050-4.
  • Kerstin Borchhardt: Böcklins Bestiarium: Mischwesen in der modernen Malerei (= Bestiarium Böcklinarum: Mythos und Evolution im Werk Arnold Böcklins), Reimer, Berlin 2017, ISBN 978-3-496-01565-9 (Dissertation Universität Jena 2013, 310 Seiten, 32 ungezählte Seiten Bildtafeln, Illustrationen; 24 cm).
  • Annette Simonis: Das Kaleidoskop der Tiere. Zur Wiederkehr des Bestiariums in Moderne und Gegenwart. Aisthesis, Bielefeld 2017, ISBN 978-3-8498-1207-2.
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Commons: Bestiarien – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien
Wiktionary: Bestiarium – Bedeutungserklärungen, Wortherkunft, Synonyme, Übersetzungen

Einzelnachweise

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  1. Karl Ernst Georges: Ausführliches lateinisch-deutsches Handwörterbuch. 8., verbesserte und vermehrte Auflage. Hahnsche Buchhandlung, Hannover 1918 (zeno.org [abgerufen am 27. November 2019]).
  2. Ps.-Hugo von St-Victor: De bestiis et aliis rebus. In: Deutsche Nationalbibliothek. Deutsche Digitale Bibliothek, abgerufen am 27. November 2019.
  3. Ana Roldán: Bestiary Chapter III, 2013, abgerufen am 4. Februar 2016
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