Hymen

Schleimhautfalte an der Vaginalöffnung
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Mit dem Begriff Hymen (der oder das, altgriechisch ὑμήν hymḗn „Haut, Häutchen“; wird auch auf den griechischen Hochzeitsgott Hymenaios bezogen), im allgemeinen Sprachgebrauch Jungfernhäutchen genannt, bezeichnet auch als vaginale oder vulvinale Korona,[1] oder veraltet Scheidenklappe,[2] wird in der Anatomie ein dünner Schleimhautsaum bezeichnet, welcher sich direkt in der Vaginalöffnung (der Öffnung der Scheide) befindet und diese umrandet.

Bei einer Zerstörung des Hymens durch „Geschlechtsverkehr (Defloration), Geburt, Masturbation oder sonstiger Manipulation am Scheideneingang“[3] können kranzförmige narbige Reste, die als Carunculae hymenales bezeichnet werden, verbleiben. Die Carunculae hymenales sind laut Pschyrembel Online medizinisch ohne Bedeutung.[3]

Entwicklung

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Geschlechtsentwicklung in der Embryonalphase

In den frühen Stadien der fetalen Entwicklung weist die Vagina keinerlei Öffnung auf. Der Hymen entwickelt sich aus der dünnen Gewebeschicht, welche die Vagina vom Sinus urogenitalis trennt. Er stammt ebenso wie der untere Anteil der Vagina von den Sinovaginalhöckern ab und besteht aus Zellen des Sinus wie der Vagina. Der Hymen öffnet sich normalerweise schon vor der Geburt. Seine Größe und Form unterscheiden sich individuell sehr stark. Falls diese Öffnung des Hymens ausbleibt, liegt eine Hymenalatresie vor.

Erstmals anatomisch beschrieben wurde das Hymen durch Alessandro Achillini.[4]

Aussehen

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Verschiedene Hymenalformen bei Menschen weiblichen Geschlechts

Einige der üblichsten, hier lateinisch bezeichneten, Formen sind:

  • anular („ringförmig“): Der Hymen bildet einen Ring um die Vaginalöffnung.
  • cribriform: Der Hymen erstreckt sich über die gesamte Vaginalöffnung, weist aber viele kleine Löcher auf.
  • Parous Introitus: Bezieht sich auf die Öffnung, die nach der Geburt eines Kindes verbleibt, und bezeichnet lediglich Reste des Hymens an den Seiten der Vaginalöffnung.
  • ceptal: Der Hymen bildet ein oder mehrere Gewebebänder über die Vaginalöffnung.

Nur in Ausnahmefällen ist die Vaginalöffnung als eine besondere Form einer Gynatresie völlig vom Hymen verschlossen, was die Medizin als Hymenalatresie oder Atresia hymenalis (lat.: Hymen imperforatus, engl.: imperforate hymen oder hymenal atresia) bezeichnet. Da in diesen Fällen nach Einsetzen der Regelblutung das Menstruationsblut nicht abfließen kann, kommt es allmählich zur Bildung eines sogenannten Hämatokolpos bzw. einer Hämatometra (die Vagina bzw. Gebärmutter füllen sich mit Blut). Dies lässt sich mit einem kleinen chirurgischen Eingriff beheben: hierbei wird unter Lokalanästhesie der Hymen eröffnet. Selten ist der Hymen so stabil, dass ein chirurgischer Eingriff notwendig ist, um schmerzfreien Geschlechtsverkehr zu ermöglichen. Eine solche operative Hymenentfernung wird als Hymenektomie bezeichnet.

Angebliche Verletzungen beim Geschlechtsverkehr

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Die Vorstellung, dass das Hymen bei einem ersten vaginalen Intimverkehr (Defloration) immer einreißt, entspricht nicht der Realität.[5] Der Schleimhautsaum ist sehr dehnbar und hat ähnlich wie die Vagina eine Fähigkeit, sich stark zu weiten (beispielsweise bei der Geburt) und wieder zusammenzuziehen. Etwa drei von vier Frauen haben daher beim ersten vaginalen Intimverkehr keine Blutungen;[6][7] zudem stammen eventuelle Blutungen meist nicht vom Hymen, sondern von Verletzungen der vaginalen Schleimhaut.[6]

Da die natürlich vorkommenden Formen des Hymens sehr unterschiedlich sind (siehe Grafik) und die am häufigsten vorkommenden Formen beim Geschlechtsverkehr nicht einreißen, kann eine „Jungfräulichkeit“ durch Untersuchung des Hymens in der Regel nicht eindeutig festgestellt werden.[8] Nur bei den seltener vorkommenden, teilweise oder ganz geschlossenen Formen kann dies möglich sein.

Folglich sind Verletzungen des Hymens auch bei anderen Aktivitäten ungewöhnlich. Dazu zählen sportliche Betätigungen wie Radfahren, Gymnastik, Spagat, Stürze oder die Verwendung von Tampons.[9] Selbstbefriedigung führt ebenfalls in der Regel nicht zu Verletzungen des Hymens. Ob es beim Einführen eines Dildos oder Vibrators verletzt wird, hängt wieder vom individuellen Durchmesser der Öffnung, von der Festigkeit der Haut und von der Dicke des Gegenstands ab. In der medizinischen Literatur sind keine derartigen Fälle beschrieben.

Gutachten über das Hymen dienen vor deutschen Gerichten noch im Jahre 2012 als Beweismittel. Nach Ansicht der Gerichtsmedizinerin Anette Solveig Debertin von der Medizinischen Hochschule Hannover kommt es zu häufigen Fehlbeurteilungen: Seit 1999 widersprach sie in mehr als 50 % der Fälle dem Erstgutachten in einem Gerichtsverfahren; als Grund dafür nennt sie: Die meisten Ärzte wissen nicht genau, wie variabel ein Hymen aussehen kann. Daher werde die Bedeutung des Vaginalsaums zur Aufklärung von Sexualstraftaten stark überschätzt.[5] In Deutschland wird deshalb nur das Vorhandensein eines intakten, (teilweise) geschlossenen Hymens als Entlastungsbeweis anerkannt, ein „Fehlen“ hat jedoch keine Aussagekraft.[6] Eventuelle Verletzungen werden dabei wie auch andere Verletzungen im Genitalbereich individuell begutachtet.

Aus diesen Gründen wurde in Schweden 2009 als Ersatz für den Begriff Jungfernhäutchen (mödomshinna, wörtlich Jungfräulichkeitshäutchen) der Begriff vaginale Korona (slidkrans, wörtlich Scheidenkranz) eingeführt. Der schwedische Sprachrat nahm das neue Wort offiziell in die Wortliste der schwedischen Sprache auf. Er merkt dazu an, dass das bisherige Wort im doppelten Sinne falsche Assoziationen wecke, da das Hymen weder ein Häutchen sei noch Aufschluss über die sexuelle Erfahrung einer Frau gebe. Das neue Wort dagegen sei eine bessere Beschreibung des Hymens als Kranz am Scheideneingang, der ein Leben lang bestehen bleibe.[10][8]

In manchen Kulturen und Religionen, in denen großer Wert auf die Jungfräulichkeit von Frauen vor einer Ehe gelegt wird, gilt sichtbares Blut aus einem vermeintlich gerissenen Hymen (nach einem vermutet vollzogenen Geschlechtsakt in einer Hochzeitsnacht) als Beleg für voreheliche Jungfräulichkeit. Dies führt dazu, dass unter diesem Druck stehende Frauen unter Umständen einen chirurgischen Eingriff durchführen lassen, um den gewünschten Beweis der Jungfräulichkeit liefern zu können. Bei dieser sogenannten Hymenalrekonstruktion[5] wird der Hymenalsaum operativ aufgebaut, so dass er beim Vaginalverkehr einreißt und zu bluten beginnt; alternativ kann eine Kunststoffmembran mit Kunstblut eingesetzt werden.[5] In einer niederländischen Studie[11] wurden 68 Frauen über eine längere Zeit begleitet, die sich für eine „Hymenrekonstruktion“ interessierten. 48 % von ihnen hatten angegeben, Opfer von sexueller Gewalt geworden zu sein, die meisten hatten Angst davor, beim ersten Geschlechtsverkehr nicht zu bluten oder nicht „eng genug“ zu sein. Die Frauen wurden ausführlich beraten und aufgeklärt. Nur 2 von 19 Frauen, die tatsächlich operiert wurden, berichteten anschließend von einer Blutung.

Hymen bei anderen Säugetieren

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Bei den meisten Säugetieren ist der Hymen nur in Form einer kleinen Ringfalte an der Grenze zwischen Scheidenvorhof und Scheide ausgebildet.

Siehe auch

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Wiktionary: Defloration – Bedeutungserklärungen, Wortherkunft, Synonyme, Übersetzungen

Literatur

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  • Nina Brochmann, Ellen Støkken Dahl: Viva la vagina! Alles über das weibliche Geschlecht. 3. Auflage, S. Fischer, Frankfurt am Main 2020, ISBN 978-3-10-397338-9.
  • Susanne Donner: Nichts zu reißen. Unschuld. In: freitag.de. der Freitag Mediengesellschaft, 6. Dezember 2011, abgerufen am 1. März 2018.
  • Oliwia Hälterlein: Das Jungfernhäutchen gibt es nicht – Ein breitbeiniges Heft. MaroVerlag, MaroHeft #2, 2020[12]
  • Sheela L. Lahoti, Natalie McClain et al.: Evaluating the Child for Sexual Abuse. In: American Family Physician Journal. Band 63, Nr. 5. American Academy of Family Physicians, 1. März 2001, ISSN 1532-0650, ZDB-ID 019833962, S. 883–893, PMID 11261865 (englisch, aafp.org [PDF; 3,6 MB; abgerufen am 1. März 2018] : Beschreibung sinnvollen ärztlichen Vorgehens bei Verdacht auf sexuellen Missbrauch, Gegenüberstellung normaler anatomischer Verhältnisse und nach Schädigungen).
  • Hildrun Meyer: Eine Analyse mit Fokus auf Sexualdelikten und sexuellem Kindesmissbrauch. Klinisch-forensische Untersuchungen im Institut für Rechtsmedizin der Medizinischen Hochschule Hannover. Bibliothek der Medizinischen Hochschule, Hannover 2012, urn:nbn:de:gbv:354-20120412241 (130 S., gbv.de [PDF; 15,4 MB; abgerufen am 7. April 2021]).
  • Renate Möhrmann (Hrsg.): „Da ist denn auch das Blümchen weg“. Die Entjungferung – Fiktionen der Defloration (= Kröners Taschenausgabe. Band 471). Alfred Kröner Verlag, Stuttgart 2017, ISBN 978-3-520-47101-7.
  • Mithu M. Sanyal: Vulva: Die Enthüllung des unsichtbaren Geschlechts (= Wagenbachs Taschenbücherei.) K. Wagenbach, Berlin 2017, ISBN 978-3-8031-2769-3.
  • Sibylle Schreiber, Constanze Weimann et al.: Das Jungfernhäutchen - Falsche Vorstellungen und Fakten. Hrsg.: Terre des Femmes. Berlin 2011 (18 S., frauenrechte.de [PDF; 2,1 MB; abgerufen am 1. März 2018] Broschüre basierend auf der Broschüre Facts and Fiction about the Hymen (2007) der niederländischen Organisation Rutgers WPF).

Dokumentarfilm

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Commons: Hymen – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien
Wiktionary: Hymen – Bedeutungserklärungen, Wortherkunft, Synonyme, Übersetzungen

Einzelnachweise

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  1. Rosa Bömelburg: Vom Mythos ‚Jungfernhäutchen' zur vulvinalen Korona. Eine Broschüre in Leichter Sprache. Masterarbeit. Studiengang Angewandte Sexualwissenschaft, Hochschule Merseburg, 2019 (PDF)
  2. August Rauber, Friedrich Wilhelm Kopsch: Lehrbuch und Atlas der Anatomie des Menschen. In 6 Abteilungen. 13., vermehrte und verbesserte Auflage. Abteilung 4: Eingeweide. Thieme, Leipzig 1929, DNB 367688549 (409 S.).
  3. a b Carunculae hymenales, in Pschyrembel online.
  4. Paul Diepgen, Heinz Goerke: Aschoff/Diepgen/Goerke: Kurze Übersichtstabelle zur Geschichte der Medizin. 7., neubearbeitete Auflage. Springer, Berlin/Göttingen/Heidelberg 1960, S. 20.
  5. a b c d Susanne Donner: Nichts zu reißen. Das Jungfernhäutchen? Existierte nie. Trotzdem bleibt das Hymen für viele Frauen ein heikler Mythos. In: badische-zeitung.de. Badischer Verlag, 28. Dezember 2011, abgerufen am 1. März 2018.
  6. a b c Mythos Jungfernhäutchen, Dokumentation des Bayerischen Rundfunks in der ARD-Mediathek, abgerufen am 13. Dezember 2023.
  7. J. McCann, A. Rosas, S. Boos: Child and adolescent sexual assaults (childhood sexual abuse). In: Jason Payne-James, Anthony Busuttil, William S Smock (Hrsg.): Forensic medicine. Clinical and pathological aspects. Greenwich Medical Media, San Francisco / London 2003, ISBN 1-84110-026-9, S. 453–468, doi:10.1136/bmj.326.7388.556 (englisch, 832 S.).
  8. a b Mithu Sanyal: Vaginale Corona. Der Mythos. In: emma.de. EMMA Frauenverlags GmbH, 6. September 2010, abgerufen am 1. März 2018: „Auch wird die Corona keineswegs von dem Penis beim „ersten Mal“ durchstoßen - noch beim Sport und anderen körperlichen Aktivitäten zerrissen.“
  9. B. Stier, N. Weissenrieder: Jugendmedizin: Gesundheit und Gesellschaft. Springer-Verlag, 2006, ISBN 3-540-29718-9, S. 261.
  10. Schwedischer Sprachrat: Slidkrans. In: sprakochfolkminnen.se. Institutet för språk och folkminnen, 15. April 2014, archiviert vom Original (nicht mehr online verfügbar) am 1. März 2018; abgerufen am 1. März 2018 (nordsamisch).
  11. Bianca R. van Moorst, Rik H. W. van Lunsen, Dorenda K. E. van Dijken, Concetta M. Salvatore: Backgrounds of women applying for hymen reconstruction, the effects of counselling on myths and misunderstandings about virginity, and the results of hymen reconstruction. In: The European Journal of Contraception & Reproductive Health Care. Band 17, Nr. 2, 1. April 2012, ISSN 1362-5187, S. 93–105, doi:10.3109/13625187.2011.649866, PMID 22292534.
  12. Badische Zeitung: Lesung und Gespräch: "Das Jungfernhäutchen gibt es nicht" - Stadtgespräch (fudder) - Badische Zeitung. Abgerufen am 27. November 2020.
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