Flechten (Technik)

regelmäßiges Ineinanderschlingen mehrerer Stränge aus biegsamem Material
(Weitergeleitet von Flechtwerk)

Flechten (von lateinisch plectere, u. a. über althochdeutsch flehtan[1]) ist das Verbinden dünner und biegsamer Materialien (Flechtelemente) von Hand oder maschinell durch regelmäßiges Verkreuzen oder Verschlingen zu einem Geflecht(Flechtwerk).[2][3] Mit dem Begriff Flechtwerk oder Geflecht bezeichnet man einerseits Geflochtenes allgemein, andererseits eine Matte oder einen Zaun, aber auch das Füllen eines Fachwerks mit geflochtenen Zweigen zur Herstellung einer Flechtwerkwand.[4]

Ein geflochtenes Band mit drei Strängen

Das Flechthandwerk ist als Immaterielles Kulturerbe in Deutschland anerkannt. Die Deutsche UNESCO-Kommission hat das Flechthandwerk im Dezember 2016 in das Bundesweite Verzeichnis des immateriellen Kulturerbes aufgenommen.[5]

Einsatzbereiche

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Geflochtenes Sechseckmuster bei einem Reisstrohhut

Zum Flechten eignen sich viele Materialien, daher findet diese Methode in sehr unterschiedlichen Bereichen Verwendung. Flechten kann sowohl per Hand als auch maschinell erfolgen. Zur Erklärung sind einige Beispiele hier genannt:

  • das Flechten von drei Haarsträhnen oder -strähnchen zu einem Zopf
  • das Flechten von Lederstreifen oder -schnüren zu Riemen etwa für Gürtel
  • Video: Korbflechten mit ungeschälten, also „grauen“ Weiden, 1974
    das Korbflechten und das Flechten von Matten, also das Herstellen von Flechtwerk durch Ineinanderschlingen von biegsamem Material vor allem von Bast, Rattan und Binsen sowie Reisigzweige, die in Mitteleuropa insbesondere von Korbweide und anderen Flechtweiden stammten. Diese Unterbedeutung umfasst auch das rechteckige Verflechten, etwa wenn Binsenmatten oder Weidenzäune hergestellt wurden.
  • in der Schmiedekunst das Verflechten gleicher oder Verschmieden gleicher Stahlstränge im glühenden Zustand
  • das Ineinanderschlingen von Teigsträngen etwa beim Hefezopf oder der Brezel
  • maschinelles Flechten von mehreren Fäden zu Schnüren oder Litzen, wobei man üblicherweise
    • bei einer geradzahligen Anzahl von Fäden von einem Rundgeflecht oder einer Schnur
    • bei ungeradzahligen von einem Flachgeflecht oder einer Litze spricht. (siehe Flechtmaschine) Aus isolierten Kupferlitzen werden vier- und mehrpolige Kabel, aus nichtisolierten besonders flexible Litzenkabel, flache Entlötlitze und aus Stahldraht sich auf Zug verengende Ziehstrümpfe gefertigt.
  • technische Produkte, wie z. B. Kletterseile; die Seile von Seilbrücken wurden seit mehr als 1000 Jahren in China oder Südamerika aus Leder oder Pflanzenfasern geflochten – wie die letzte noch bestehende Hängebrücke der Inkas aus Gras (Ichu-Gras), die Q’iswachaka.
  • Herstellung von sog. 3D-Geflechten mit variabler Querschnittskontur wie bei Plattings und Scoubidous, u. a. bei Faserverbundbauteilen oder Medizinanwendungen, wie Stents
  • Flechtwerkwände, die in Europa meist mit Lehmbewurf versehen wurden.
 
Arbeitsweise der kleinsten Flechtmaschine mit zwei Flügelrädern und drei Klöppeln

Typisch für Bugholzstühle von Thonet ist die geflochtene Sitzfläche aus Wiener Geflecht, auch Achteck- oder Wabengeflecht genannt. Dünne etwa 2,5 mm breite Rattanstreifen laufen gespannt in vier Richtungen (alle 45°) und sind in den senkrechten Bohrungen des Rahmens verknotet.

Die Geschichte der Teppichherstellung kennt den gezopften Teppich.

Als Volkstanz gibt es den so genannten Bandltanz, wobei die Tänzer jeweils ein Band halten und gegenläufig um einen Baum oder eine Stange tanzen und so die oben befestigten Bänder um diesen Baum flechten.

Geschichte

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Ornamentale Flechtbänder

Flechten gilt als eine der ältesten Textiltechnik der Menschheit. Wahrscheinlich ist Flechten älter als Weben, da ersteres ohne Werkzeuge, nur mit den Händen ausgeführt werden konnte und von großem funktionalem Wert war. Handgemachte Geflechte, darunter Seile und Körbe, aus Grabstätten im heutigen Peru werden auf 8600 bis 5780 v. Chr. datiert. Traditionelle chinesische und japanische Flechtbänder aus Seide, Kumihimo genannt, lassen sich bis in das 8. Jahrtausend v. Chr. zurückverfolgen.[6] Auch die Jäger und Sammler der europäischen Mittelsteinzeit stellten schon zwirngeflochtene Reusen, Matten und Spitzhüte her. Dazu wurden paarige Streifen von Eichen-, Linden- und Ulmenbast miteinander verzwirnt. Körbe und Siebe wurden in der Technik des Spiralwulstflechtens mit Binsenhalmen, Gras und Rinden hergestellt.[7] Umhang und Schuhwerk des Mannes vom Tisenjoch, vulgoÖtzi“, weisen ebenfalls gezwirnte Geflechte auf.

Auch das Zopfflechten lässt sich durch einen Fund beim Tassili n'Ajjer schon für das 4. Jahrtausend v. Chr. in Afrika nachweisen;[8] bis heute gilt die traditionelle Flechtkunst der Yoruba zu den anspruchsvollsten Frisiertechniken der Welt.[9] Matten und Teppiche, die aus langen Gewebestreifen geflochten waren, sind in fast allen Weltregionen spätestens im ersten vorchristlichen Jahrtausend nachweisbar. Im Alten Ägypten, in der Wari- und Chavin-Kultur sowie in frühen japanischen Kulturen wurden Geflechte, vor allem Flachgeflechte, nicht nur zu funktionalen, sondern auch zu dekorativen Zwecken verwendet. Darauf lassen auch Keramiken aus dem 4. Jahrtausend v. Chr. schließen, in denen Abdrücke geflochtener Bänder gefunden wurden.[6] Nachdem Flechten jahrtausendelang Handarbeit war, wurde 1748 das erste Patent für eine Flechtmaschine im englischen Manchester ausgestellt. 1767 entstand im deutschen Barmen die erste Flechtmaschine aus Eisen.[10]

Literatur

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  • Bruce W. Miller, Jim Widess: Das Buch vom Stuhlgeflecht: Bespannungen restaurieren. Rohr, Binsen, Holzspan, Rohleder, Papierflechtschnur und Korbmöbel. Verlag Vincentz Network GmbH & Co KG, 2005, ISBN 3-87870-572-7.
  • Kulturverein Dorfleben: Flechtkunst im Steirischen Vulkanland. Stainz bei Straden 2012 (online).
  • Susie Vaughan: Einfach Korbflechten. Verlag Ökobuch, 2005, ISBN 3-936896-14-3.
  • Hilary Burns: Weiden, Binsen, Peddigrohr: Flechten mit Naturmaterialien. Haupt Verlag AG, 2000, ISBN 3-258-06045-2.
  • Bryan Sentance: Atlas der Flechtkunst: ein illustrierter Führer durch die Welt der geflochtenen Objekte. Haupt, Bern 2001, ISBN 3-258-06326-5.
  • D. Brunnschweiler: BRAIDS AND BRAIDING. In: Journal of the Textile Institute Proceedings. Band 44, Nr. 9, September 1953, ISSN 1944-7019, S. P666–P686, doi:10.1080/19447015308687874.
  • Bernhard Lepperhoff: Die Flechterei, 1953, Verlag Leuze
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Commons: Braids – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien

Einzelnachweise

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  1. flechten. In: duden.de. Abgerufen am 6. Februar 2022.
  2. Meyers großes Taschenlexikon in 24 Bänden, 4., vollständig überarbeitete Auflage Bd. 10. Bibliographisches Institut & F.A. Brockhaus, Mannheim 1992, ISBN 3-411-11074-0, Bd. 7,S. 118.
  3. Monika Künti: Aus Streifen geflochten – Geschichte, Techniken, Projekte. Haupt Verlag Bern 2019, ISBN 978-3-258-60197-7, S. 34/35.
  4. Karl-Dieter Bünting (Hrsg.): Deutsches Wörterbuch. Isis, Chur (Schweiz) 1996, S. 388.
  5. unesco.de
  6. a b Sohel Rana, Raul Fangueiro: Braided Structures and Composites: Production, Properties, Mechanics, and Technical Applications. CRC Press, 2015, ISBN 978-1-4822-4501-1, S. 5–6 (eingeschränkte Vorschau in der Google-Buchsuche).
  7. Annemarie Feldtkeller, Helmut Schlichtherle: Flechten, Knüpfen und Weben in Pfahlbausiedlungen der Jungsteinzeit. In: Archäologie in Deutschland. Nr. 1, 1998, ISSN 0176-8522, S. 22–27, JSTOR:26311663.
  8. Camille Yarbrough: Female Style and Beauty in Ancient Africa. A Photo Essay. In: Iwan Van Sertima (Hrsg.): Black Women in Antiquity. 14. Auflage. Rutgers, 2010, ISBN 978-0-87855-982-4, S. 94 (eingeschränkte Vorschau in der Google-Buchsuche).
  9. Victoria Sherrow: Encyclopedia of Hair. A Cultural History. Greenwood Press, Westport, CT 2006, ISBN 0-313-33145-6, S. 411 (eingeschränkte Vorschau in der Google-Buchsuche).
  10. David Branscomb, David Beale, Royall Broughton: New Directions in Braiding. In: Journal of Engineered Fibers and Fabrics. Band 8, Nr. 2, 2013 (64.71.128.227 [PDF]).
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