Gesang der Jünglinge im Feuerofen, meist auch offiziell nur als Gesang der Jünglinge bezeichnet, ist ein zentrales Frühwerk des Komponisten Karlheinz Stockhausen. Das Werk war bedeutend für die Entwicklung der elektronischen Musik. Es entstand 1955–56 im Studio für Elektronische Musik am Westdeutschen Rundfunk in Köln. Es wurde zusammen mit Gottfried Michael Koenig realisiert und am 30. Mai 1956 in Köln uraufgeführt. Die 5-Kanal-Komposition dauert 13 Minuten. Die Vokalpartien sang der damals zwölfjährige Josef Protschka.[1] Das Werk ist Stockhausens damaliger Ehefrau Doris gewidmet.[2]

Das Werk wird häufig als frühes „Meisterwerk der elektronischen Musik“ bezeichnet.[3][4] Bedeutend ist insbesondere die Synthese von elektronischen/synthetischen Klängen mit der menschlichen Stimme, also mit gesungenen/natürlichen Klängen. Es wird damit oft als erste erfolgreiche Verknüpfung der zur damaligen Zeit in Deutschland avantgardistischen rein elektronisch erzeugten Musik und der in Frankreich entstandenen musique concrète gesehen. Zur Klangerzeugung werden Sinus- und Impulsgeneratoren und mit Tonbandtechnik nachbearbeitete Knabenstimmen verwendet.

Das Werk verarbeitet das biblische Thema Der Feuerofen aus dem Buch Daniel. Der Grad der Textverständlichkeit der nachbearbeiten Gesangspassagen wird als kompositorischer Parameter verwendet. Es ist ein frühes Beispiel für die Momentform.

Stockhausen hatte sein Stück zu einer Zeit für fünf Kanäle konzipiert, als Rundfunk und Schallplatte noch einkanalig (mono) ausgelegt waren. Als technisch avancierteste Studiotonbandmaschine stand ein Vierspurgerät zur Verfügung. Stockhausen wollte diese mit einer Einspurmaschine parallel laufen lassen, die Koordination erwies sich jedoch als unmöglich; daher mischte er die fünfte Spur zu der vierten Spur hinzu. Da das Band der fünften Spur unterdessen verloren gegangen war und erst zum Ende des 20. Jahrhunderts aus der vierten Spur rekonstruiert werden konnte,[5] muss Gesang der Jünglinge rezeptionsgeschichtlich als Vierkanalstück betrachtet werden.

Bei der Aufführung sind fünf Lautsprechergruppen um das Publikum verteilt im Raum. Die Raumbewegungen der Klänge bilden eine essentielle, auskomponierte Werkebene. Dass die fünfte Gruppe von der Decke, als „Stimme Gottes“ strahlen sollte, ist eine unbelegte Legende. Stockhausen hat Mono- und Stereo-Versionen des Werkes für Radio und Schallplatte erstellt.

Literatur

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chronologisch

  • Karlheinz Stockhausen: Musik und Sprache. In: Die Reihe, Nr. 6, 1958, S. 36–58.
  • Richard Toop: Stockhausen’s Electronic Works: Sketches and Worksheets from 1952–1967. In: Interface, Nr. 10, 1981, S. 149–97.
  • Bryan R. Simms: Music of the Twentieth Century: Style and Structure. Schirmer Books, New York 1986, ISBN 0-02-872580-8.
  • Pascal Decroupet, Elena Ungeheuer: Through the Sensory Looking-Glass: The Aesthetic and Serial Foundations of Gesang der Jünglinge. In: Perspectives of New Music, Band 36, Nr. 1, Winter 1998, S. 97–142.
  • Jerome Kohl: Guest Editor’s Introduction to ‚A Seventieth-Birthday Festschrift for Karlheinz Stockhausen (Part One)‘. In: Perspectives of New Music, Band 36, Nr. 1, Winter 1998, S. 59–64.
  • Georg Heike: Die Bedeutung der Phonetik in der Vokalkomposition von Stockhausen. In: Imke Misch, Christoph von Blumröder (Hrsg.): Internationales Stockhausen-Symposion 1998. Musikwissenschaftliches Institut der Universität zu Köln, 11. bis 14. November 1998. Tagungsbericht. Pfau-Verlag, Saarbrücken 1999, S. 206–16.
  • Sandrine Baranski: Analyse perceptive en vue de l’étude du rapport texte/musique dans ‚Gesang der Jünglinge‘ de Karlheinz Stockhausen. In: L’analyse perceptive des musiques électroacoustiques (= LIEN. Revue d’Esthétique musicale. Nr. IV). Edition Musiques & Recherches, 2006, S. 76–106 (französisch); musiques-recherches.be (PDF; PDF, 34 MB).
  • Rudolf Frisius: Karlheinz Stockhausen II: Die Werke 1950–1977. Gespräch mit Karlheinz Stockhausen, „Es geht aufwärts“. Schott Musik International, Mainz u. a. 2008, ISBN 978-3-7957-0249-6.
  • Karlheinz Stockhausen: Kompositorische Grundlagen Neuer Musik: Sechs Seminare für die Darmstädter Ferienkurse 1970. Hrsg. Imke Misch. Stockhausen-Stiftung für Musik, Kürten 2009, ISBN 978-3-00-027313-1.
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Einzelnachweise

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  1. Jörn Peter Hiekel, Christian Utz (Hrsg.): Lexikon Neue Musik. Metzler/Bärenreiter, Stuttgart / Kassel 2016, S. 575
  2. Karl Heinrich Wörner: Stockhausen. University of California Press, 1977, ISBN 978-0-520-03272-9, S. 228 (eingeschränkte Vorschau in der Google-Buchsuche).
  3. Simms: Music of the Twentieth Century. 1986, S. 391.
  4. Kohl: A Seventieth-Birthday Festschrift for Karlheinz Stockhausen. 1998, S. 61.
  5. Decroupet, Ungeheuer: The Aesthetic and Serial Foundations of Gesang der Jünglinge. 1998.
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