Gottfried Heinrich Stölzel

deutscher Komponist und Musiktheoretiker des Barock

Gottfried Heinrich Stölzel (Stöltzel) (* 13. Januarjul. / 23. Januar 1690greg. in Grünstädtel; † 27. November 1749 in Gotha) war ein deutscher Kapellmeister, Komponist und Musiktheoretiker.[1]

Gottfried Heinrich Stölzel entstammte der weit verzweigten Familie Stölzel mit dem Ahnherrn Kaspar Stölzel, die ursprünglich aus Pöhla im Erzgebirge stammt. Zur Familie gehören auch der Musiker Heinrich Stölzel (1777–1844) und der Chemiker Carl Stölzel (1826–1896), beide aus dem Gothaer Stamm sowie der Dresdner Kupferstecher Christian Friedrich Stölzel (1751–1816) und dessen Sohn bzw. Schüler Christian Ernst Stölzel (1792–1837) aus dem Oberscheiber Stamm.

Stölzel war das zweite von neun Kindern des Schulmeisters und Organisten zu Grünstädtel Heinrich Stölzel (1657–1718) und dessen 1687 geheirateter Ehefrau Anna Katharina geborene Lange (1669–1719). Stölzels Vater hatte 1687 das Amt des Schulmeisters von dessen Vater Christian (1614–1687) übernommen, lebte aber dennoch mehr vom Bergbau.

Stölzel heiratete am 25. Mai 1719 in Gera Christiane Dorothea (1694–1750), die Tochter des Hofdiakonus und Magisters Johann Knauer. Aus der Ehe gingen zehn Kinder hervor, von denen drei im Kindesalter starben. Die anderen waren:

Stölzel lebte gemeinsam mit seiner Familie im Schulhaus des Dorfes. Von seinem Vater lernte Gottfried Heinrich das Spiel von Tasteninstrumenten und sang im Kinderchor der Gemeinde. Im Alter von 13 Jahren lernte er am Lyzeum in Schneeberg, wo er von Christian Umblaufft, einem Schüler des Thomaskantors Johann Schelle, Musikunterricht erhielt. 1705 wechselte er auf das Gymnasium in Gera, wo er vom gräflichen Kapelldirektor Emanuel Kegel Musikunterricht erhielt.

Stölzel nahm anschließend, ab 1707 in Leipzig ein Studium der Theologie auf. Einer seiner Lehrer dort war Melchior Hoffmann, der ihn durch kompositorische Anleitung und Aufführung seiner Werke förderte. In dieser Zeit entstanden persönliche Bekanntschaften mit Johann Friedrich Fasch und Johann Georg Pisendel. Nach einem kurzen Studienaufenthalt in Italien hielt er sich in Prag auf. 1710 gab er in Breslauer Adelsfamilien Musikunterricht und begann die Arbeit an mehreren Kompositionen. In der Breslauer Zeit, 1711 entstand nach eigenem Text seine erste Oper Narcissus. 1713 bis 1715 begab er sich erneut nach Italien (Venedig, Florenz und Rom), wo er mit Francesco Gasparini, Antonio Vivaldi und Giovanni Bononcini Kontakte pflegte und dadurch den Einstieg in die internationale Musikwelt fand.

1717 folgte er zur Zweihundertjahrfeier der Reformation einem Ruf nach Bayreuth zur Verfertigung von Kirchenmusik. Vom 1. Januar 1718 bis zum 30. September 1719 übernahm er die Position des Kapellmeisters am Hof des Grafen Heinrich XXV. in Gera, mit der umfangreiche Verpflichtungen verbunden waren. Dazu gehörte die Tätigkeit als Musiklehrer am Gymnasium.

Noch 1719, im Jahr seiner Hochzeit zog Stölzel mit seiner Ehefrau nach Gotha, wo Gottfried Heinrich von Herzog Friedrich II. zum herzoglich-sächsischen Hofkapellmeister ernannt worden war. Er war außerdem als Musiklehrer tätig, verfasste mehrere musiktheoretische Schriften und betätigte sich außerdem als Schriftsteller. Stölzel pflegte alle musikalischen Gattungen seiner Zeit und führte die Hofkapelle zu einer neuen Blüte. Er schuf Werke für die Höfe in Gera, Sondershausen und Zerbst. 1739 wurde er Mitglied der Correspondierenden Societät der musicalischen Wissenschaften.

Seit den 1730er Jahren übernahm Stölzel zahlreiche Aufträge für Kompositionen für den Hof in Sondershausen. Neben Werken aus Anlass feierlicher Begebenheiten der Fürstenfamilie handelte es sich vor allem um geistliche Vokalwerke.

Stölzel war ein produktiver Komponist. Sein kompositorisches Schaffen umfasst neben zahlreichen Orchesterwerken, Kammermusikwerken, Oratorien und Messen, Motetten und vier erhaltene Passionen auch weltliche Kantaten. Ein wichtiger Schaffensbereich waren gottesdienstliche, geistliche Kantaten. Er komponierte mehr als 550 Kirchenmusiken in acht Jahrgängen für das Kirchenjahr. Ein großer Teil seiner Werke ist verschollen.

1725 schuf er eine Fassung des Passionsoratoriums Der für die Sünde der Welt gemarterte und sterbende Jesus von Barthold Heinrich Brockes (Brockes-Passion), die am Karfreitag in der Schlosskirche von Schloss Friedenstein aufgeführt wurde. Um 1735 schickte Stölzel eine Abschrift der Passion nach Sondershausen, wo sie mehrfach aufgeführt wurde, durch Zufall erhalten blieb und 1997 erstmals wieder erklang.[2] Er schrieb eine Deutsche Messe, eine Lutherische Messe (Kyrie und Gloria) in deutscher Sprache, für vierstimmigen Chor, Streicher und Basso continuo.

Stölzels Passionsoratorium Ein Lämmlein geht und trägt die Schuld, das 1720 in Gotha entstand,[3] erklang am 23. April 1734 (Karfreitag) unter der Leitung von Johann Sebastian Bach in der Leipziger Thomaskirche.[4] Die Arie Dein Kreuz, o Bräutigam meiner Seelen aus diesem Oratorium wurde von Bach um 1740 zu der Arie „Bekennen will ich seinen Namen“ (BWV 200) in einem tiefgreifenden Bearbeitungsprozess umgeformt.[5]

Stölzels Kantatenjahrgang nach Benjamin Schmolcks Das Saiten-Spiel des Herzens wurde 1735/1736 von Johann Sebastian Bach in Leipzig aufgeführt.[6]

Das wohl bekannteste Werk Stölzels ist die Arie Bist du bei mir, die lange Johann Sebastian Bach zugeschrieben wurde (BWV 508), da sie ohne Komponistenangabe im Notenbüchlein für Anna Magdalena Bach von 1725 enthalten ist. Die Arie stammt aus Stölzels Oper Diomedes oder die triumphierende Unschuld, die am 16. November 1718 in Bayreuth aufgeführt wurde und deren Partitur verschollen ist.[7] Eine Kopie der Arie existierte im Archiv der Sing-Akademie zu Berlin und galt als Kriegsverlust, bis sie im Jahr 2000 im Konservatorium von Kiew wiederentdeckt wurde. Der Continuopart von BWV 508 ist in der Stimmführung gegenüber der Stölzel-Arie verändert. Wer ihn verfasste, ist unsicher, da der Eintrag die Handschrift Anna Magdalena Bachs aufweist.[8]

Einspielungen

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Die Kantaten der Weihnachtszeit aus Stölzels Jahrgang 1735–1739 auf Texte von Johann Capar Manhardt wurden als sogenanntes „Weihnachtsoratorium“ eingespielt. Allerdings sind diese Kantaten auf die Lesungen der jeweiligen Sonn- und Festtage bezogen, weshalb sich kein fortlaufender Sinnzusammenhang ergibt, der bei einem Oratorium vorauszusetzen wäre.

Weihnachts-Kantaten des Jahrgangs 1728–1730 auf Dichtungen Stölzels wurden in einem Zyklus auf CD festgehalten, ebenso der Zyklus von Pfingstkantaten aus dem Manhardt-Jahrgang.

Literatur

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  • Stölzel in: Bernhard Koerner (Hrsg.): Deutsches Geschlechterbuch (Genealogisches Handbuch Bürgerlicher Familien), 20. Band, Görlitz 1912, Digitalisat im Internet Archive, S. 417ff.
  • Manfred Bachmann (Hrsg.): Gottfried Heinrich Stölzel – Komponist des Barocks. In: Kleine Chronik großer Meister – Erzgebirger, auf die wir stolz sind. Teil 1, Druckerei und Verlag Mike Rockstroh, Aue 2000, S. 69–71.
  • Robert EitnerStölzel, Gottfried Heinrich. In: Allgemeine Deutsche Biographie (ADB). Band 36, Duncker & Humblot, Leipzig 1893, S. 429 f.
  • Fritz Hennenberg: Das Kantatenschaffen von Gottfried Heinrich Stölzel (= Beiträge zur musikwissenschaftlichen Forschung in der DDR. 8). Dt. Verl. für Musik, Leipzig 1976 (zugleich: Leipzig, Phil. F., Diss. v. 9. Febr. 1965).
  • Helmut Roob, Günter Scheffler: Stölzel, Gottfried Heinrich. In: Dies.: Gothaer Persönlichkeiten. Taschenlexikon. 2. Auflage. RhinoVerlag, Ilmenau 2006, ISBN 3-932081-37-4, S. 121.
  • Bert Siegmund: Stölzel, Gottfried Heinrich. In: Ludwig Finscher (Hrsg.): Die Musik in Geschichte und Gegenwart. Zweite Ausgabe, Personenteil, Band 15 (Schoof – Stranz). Bärenreiter/Metzler, Kassel u. a. 2006, ISBN 3-7618-1135-7 (Online-Ausgabe, für Vollzugriff Abonnement erforderlich)
  • Florian Vogt: Die „Anleitung zur musikalischen Setzkunst“ von Gottfried Heinrich Stölzel (1690–1749). Edition und Kommentar. Von Bockel, Neumünster 2018, ISBN 978-3-95675-019-9.

Einzelnachweise

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  1. Stöltzel,(Gottfried Heinrich). In: Johann Heinrich Zedler: Grosses vollständiges Universal-Lexicon Aller Wissenschafften und Künste. Band 40, Leipzig 1744, Sp. 284.
  2. Ludger Rémy im Programmheft der cpo-Einspielung 1998.
  3. Die Partitur ist in zwei Handschriften überliefert: Berliner Staatsbibliothek, Mus. ms. 21412 III, fol. 69–95; Schlossmuseum Sondershausen, Mus. A 15:2. Vgl. Tajana Schabalina: „Texte zur Music“ in Sankt Petersburg. In: Bach-Jahrbuch, Jg. 94 (2008), ISBN 978-3-374-02668-5, S. 33–99, hier 79.
  4. Tajana Schabalina: „Texte zur Music“ in Sankt Petersburg. In: Bach-Jahrbuch, Jg. 94 (2008), S. 33–99, hier 77–84.
  5. Peter Wollny: „Bekennen will ich seinen Namen“. Authentizität, Bestimmung und Kontext der Arie BWV 200. Anmerkungen zu Johann Sebastian Bachs Rezeption von Werken Gottfried Heinrich Stölzels. In: Bach-Jahrbuch, Jg. 94 (2008), S. 123–158.
  6. Marc-Roderich Pfau: Ein unbekanntes Leipziger Kantatentextheft aus dem Jahr 1735. In: Bach-Jahrbuch, Jg. 94 (2008), S. 99–122.
  7. Hingegen ist ein Textheft in einem Sammelband erhalten, der als Teil der Bibliothek des „Historischen Vereins für Oberfranken“ heute in der Universitätsbibliothek Bayreuth verwahrt wird. (Katalogeintrag)
  8. Andreas Glöckner in: Bach Jahrbuch 2002, S. 172–174. Sämtliche genannten Details sind aus diesem Artikel.
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Commons: Gottfried Heinrich Stölzel – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien
Wikisource: Gottfried Heinrich Stölzel – Quellen und Volltexte
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