Heisenberg-Bild

Modell für den Umgang mit zeitabhängigen Problemen in der Quantenmechanik

Das Heisenberg-Bild der Quantenmechanik, nach Werner Heisenberg, ist neben dem Schrödinger- und dem Dirac-Bild eine der grundlegenden Formulierungen für den Umgang mit zeitabhängigen Problemen in der Quantenmechanik. Im Gegensatz zum öfter verwendeten Schrödinger-Bild steckt im Heisenberg-Bild die Zeitabhängigkeit nicht in den Zuständen , sondern den Observablen . Anschaulich gesprochen rotieren im Schrödinger-Bild die Zustände im Zustands(vektor)raum, wohingegen sich im Heisenberg-Bild die Operationen auf dem Vektorraum unter den Zuständen hinweg rotieren.

Zur Unterscheidung der verschiedenen Bilder der Quantenmechanik werden Größen im Heisenberg-Bild mit einem Index versehen.

Grundlagen

Bearbeiten

Ein quantenmechanisches System wird durch seinen Zustandsvektor  , Messgrößen durch Operatoren   beschrieben. Die möglichen Messwerte sind die Eigenwerte der Operatoren   und die Wahrscheinlichkeit, bei einer Messung im Zustand   einen bestimmten Messwert   zu erhalten, ist das Betragsquadrat des Skalarprodukts  , wobei  , sodass   der zum Eigenwert   gehörige Eigenvektor ist. Der Erwartungswert einer Messgröße ist  .

Alle messbaren physikalischen Größen basieren daher auf Eigenwerten von Operatoren und Skalarprodukten von Zuständen. Jede auf die Zustände und Operatoren simultan angewandte Transformation, die diese Größen unverändert lässt, verändert nur die mathematische Darstellung der Physik, aber nicht die physikalische Wirklichkeit. Transformationen, die dies leisten, heißen unitäre Transformationen   mit  .

Definition

Bearbeiten

Im Schrödinger-Bild der Quantenmechanik gehorchen Zustände der Schrödingergleichung

 

mit dem Hamiltonoperator  . Die formale Lösung der Schrödingergleichung lautet

 

mit einem frei wählbaren Zeitpunkt  , wobei

 

der unitäre Zeitentwicklungsoperator ist. Für den Erwartungswert eines Operators  , der nicht vom gewählten Bild abhängen darf, gilt also

 .

Man definiert nun:

 

Eigenschaften

Bearbeiten
  • Erwartungswerte von Operatoren bleiben unverändert. Diese Eigenschaft wurde oben zur Definition verwendet.
  • Skalarprodukte von Zuständen bleiben unverändert:
 
 
Definiert man also  , so ist  .

Bewegungsgleichungen

Bearbeiten

Die Bewegungsgleichungen für Zustände im Heisenberg-Bild sind trivial:

 

Diese Eigenschaft folgt aus der Definition des Heisenberg-Bildes.

Die Operatoren folgen der heisenbergschen Bewegungsgleichung

 .

Herleitung

Bearbeiten

Die heisenbergsche Bewegungsgleichung ist äquivalent zur Schrödingergleichung im Schrödinger-Bild und kann direkt aus dieser hergeleitet werden (zur Vereinfachung der Notation werden die Argumente des Zeitentwicklungsoperators unterdrückt):

 .

Da im Schrödinger-Bild die Operatoren nur explizit von der Zeit abhängen können, vereinfacht sich im zweiten Term die totale Zeitableitung zu einer partiellen. Die totale Zeitableitung des Zeitentwicklungsoperators folgt aus der obigen Definition als Lösung der Schrödingergleichung  . Da der Hamiltonoperator selbstadjungiert ist ( ), ergibt sich nach Einsetzen

 .

Aus der Forminvarianz des Kommutators und der Definition der Operatoren im Heisenberg-Bild folgt die Heisenberg-Gleichung.

Erhaltungsgrößen, abgeschlossene Systeme

Bearbeiten

Ein nicht explizit zeitabhängiger Operator, der im Heisenberg-Bild mit dem Hamiltonoperator kommutiert, korrespondiert zu einer Erhaltungsgröße, denn dann gilt:

 .

Entsprechend ändern sich auch seine Eigenwerte mit der Zeit nicht und da die Zustände im Heisenberg-Bild generell nicht zeitabhängig sind, ändert sich auch sein Erwartungswert nicht.

Insbesondere gilt für den Hamiltonoperator

 ,

der Hamiltonoperator hängt also, wenn überhaupt, nur explizit von der Zeit ab. Für abgeschlossene Systeme ist   und somit die Energie eine Erhaltungsgröße. In diesem Fall vereinfacht sich der Zeitentwicklungsoperator zu

 

und kommutiert zu jeder Zeit mit dem Hamiltonoperator. Somit ist

 .

Ehrenfest-Theorem

Bearbeiten

Für den Erwartungswert von Observablen gilt nach der heisenbergschen Bewegungsgleichung

 .

Da im Heisenberg-Bild Zustände zeitunabhängig sind, kann der Erwartungswert sowohl auf der linken Seite als auch im letzten Term auf der rechten Seite an der Zeitableitung vorbei gezogen werden. Da Erwartungswerte nicht vom gewählten Bild abhängig sein können, folgt direkt das Ehrenfest-Theorem

 .

Interpretation

Bearbeiten

Das Schrödinger-Bild der Quantenmechanik ergibt in der Regel die einfacheren Gleichungen, da in diesem Bewegungsgleichungen von Vektoren, im Heisenberg-Bild aber von Operatoren (Matrizen) gelöst werden müssen. Dennoch ist das Heisenberg-Bild näher an der klassischen Physik als das Schrödinger-Bild. Im Heisenberg-Bild interpretiert man den Zustandsvektor   als den Träger aller Informationen, die man über das System nach einer Messung besitzt. Diese Information verändert sich zeitlich nicht. Bei der Messung einer Observablen ist hingegen relevant, wann die Messung durchgeführt wird.

Klassisch entspricht einem Zustandsvektor im Heisenberg-Bild die Trajektorie im Phasenraum. Genau wie in der klassischen Physik jeder Bahnkurve eine Trajektorie entspricht (und die Trajektorie keine Informationen über die Zeit enthält), stellt ein Zustand die möglichen Bewegungen in der Quantenmechanik im Zustandsraum dar. Observablen in der klassischen hamiltonschen Mechanik lassen sich als Funktionen auf der Phasenraumtrajektorie beschreiben;  .

Zwischen der hamiltonschen Mechanik und dem Heisenberg-Bild wird das Korrespondenzprinzip zwischen klassischer Mechanik und Quantenmechanik deutlich. In der hamiltonschen Mechanik gilt mit der Poisson-Klammer   und der Hamiltonfunktion  

 ,

was ein direktes Analogon zur Quantenmechanik liefert, wenn die Poisson-Klammern durch den Kommutator ersetzt werden.

Literatur

Bearbeiten
  • Albert Messiah: Quantum Mechanics. Band 1. North-Holland Publishing Company, Amsterdam 1964, S. 314 – 320.
  • Franz Schwabl: Quantenmechanik. (QM I). Eine Einführung. 7. Auflage. Springer, Berlin u. a. 2007, ISBN 978-3-540-73674-5.
  NODES