Hobo
Ein Hobo gehört zu einer Gruppe nordamerikanischer Obdachloser, die auf Schwarzfahren mit der Eisenbahn – insbesondere auf Güterzügen – setzen, um durchs Land zu reisen.
Geschichte
BearbeitenHobos kamen nach dem Amerikanischen Bürgerkrieg auf, als zum einen das Eisenbahnnetz einen entsprechenden Entwicklungsstand erreicht hatte, zum anderen viele durch den Krieg entwurzelte Männer Probleme hatten, sich wieder in die Zivilgesellschaft zu integrieren.[1] Die Blütezeit der Hobos war das späte 19. und das frühe 20. Jahrhundert. In wirtschaftlichen Krisenzeiten, besonders zur Zeit der Großen Depression, nahm ihre Zahl stark zu. Es sollen zeitweise über zwei Millionen gewesen sein. Der letzte größere Schub entstand durch Rückkehrer aus dem Vietnamkrieg und die Kürzung der Sozialleistungen am Ende des 20. Jahrhunderts. Damals sollen etwa 30.000 Hobos unterwegs gewesen sein.[2]
Etymologie
BearbeitenDie Herkunft des Wortes ist ungeklärt. Es gibt verschiedene, nicht verifizierte Vermutungen dazu. Laut dem Etymologen Anatoly Liberman ist nur gesichert, dass das Wort zum ersten Mal um ca. 1890 aufgegriffen wurde.[3] Der Autor Todd DePastino hält manchmal anzutreffende Herleitungen von „hoe-boy“, englisch für Farmhelfer, oder dem Gruß „Ho, boy“ für nicht überzeugend.[4]
Selbstverständnis und Gepflogenheiten
BearbeitenHobos verstehen sich als eigene gesellschaftliche Gruppe und folgen einem eigenen Verhaltenskodex.[5] Unter anderem besteht die Regel, niemals eine Fahrkarte zu kaufen. Untereinander werden Informationen ausgetauscht, wo und wie man sich am besten durchs Leben schlägt. Dazu benutzen Hobos auch Zinken an markanten Punkten.
Berühmte Hobos
BearbeitenIn einer heute noch bekannten Ballade wird der Wanderarbeiter und Arbeiterführer Joe Hill (1879–1915) besungen. Ein weiterer, später berühmt gewordener Hobo war der Schriftsteller Jack London, der 1893–1894 große Teile der Vereinigten Staaten und Kanadas bereiste. Ein weiterer berühmter ehemaliger Hobo ist der US-amerikanische Bluesmusiker Seasick Steve, dessen Lieder sich häufig mit seiner Hobo-Zeit befassen. Auch Elmore James war eine kurze Zeit seines Lebens als Hobo unterwegs. Der Avantgarde-Musiker Harry Partch lebte ebenfalls fast zehn Jahre als Hobo und verfasste darüber 1943 sein Werk U.S. Highball – A Musical Account of Slim's Transcontinental Hobo Trip. Ein weiterer bekannter Hobo ist der Country-Musiker Boxcar Willie. Goebel Reeves lebte viele Jahre als Hobo und wurde vor allem durch sein Hobo’s Lullaby bekannt. Der Autor und ehemalige Berufseinbrecher Jack Black (1868–1933) war ebenfalls ein Hobo, und auch Jacque Fresco (1916–2017) war um 1930 als Hobo unterwegs.
Hobos in der Kultur
BearbeitenHobos sind Thema etlicher Spielfilme und der Musik:
- Wild Boys of the Road (1933) von William A. Wellman
- Sullivans Reisen (1941) von Preston Sturges
- Der Seewolf (2. Teil) (1971) nach Jack London
- Ein Zug für zwei Halunken (im Original: Emperor of the North) (1973) von Robert Aldrich
- Hard Times (1975) von Walter Hill, mit Charles Bronson und James Coburn in der Hauptrolle
- Das Leben stinkt (1991) von Mel Brooks, der auch die Hauptrolle spielt
- The Champ (2007) von Rod Lurie
- Kit Kittredge: An American Girl (2008) von Patricia Rozema
- Song Like a Hobo (2009) von Charlie Winston
- Hobo with a Shotgun (2011) von Jason Eisener mit Rutger Hauer in der Hauptrolle.
In Britt (Iowa) gibt es den einzigen Hobo-Friedhof und ein Hobo-Museum.
Es gibt eine eigene Online-Zeitschrift, Hobo Times[6] (siehe: Weblinks).
Siehe auch
BearbeitenLiteratur
Bearbeiten- Nels Anderson: The Hobo. The Sociology of the Homeless Man University of Chicago Press. Chicago IL 1923.
- Rezension: Hanna Meuter in: Kölner Vierteljahrshefte für Soziologie Bd. 3, 1923/24, ZDB-ID 200364-8, S. 193 f.
- William Henry Davies: The Autobiography of a Super-Tramp Preface George Bernard Shaw. Jonathan Cape, London 1908 (Nachdruck. Kessinger, Kila MT 2005, ISBN 0-7661-4674-X; in deutscher Sprache: Supertramp. Autobiographie eines Vagabunden. Aus dem Engl. Ursula von Wiese. Manesse, Zürich 1985 ISBN 3-7175-1686-8).
- Jgnaz Civelli-Battal: …und wer Hobo ist, der ist ein König. In ihrer Blütezeit waren zwei Millionen Eisenbahntramps in Amerika unterwegs. In: Frankfurter Allgemeine Zeitung, 85, 1996, 11. April 1996, S. R5.
- Fredy Gareis: König der Hobos: Unterwegs mit den Vagabunden Amerikas. Malik 2018, ISBN 3-89029-482-0.
- Peter Hiess, Christian Lunzer: Vagabunden der Schiene. Exkurs: Hobos – Die Eisenbahntramps von Amerika. In: Peter Hiess, Christian Lunzer: Mord-Express. Die größten Verbrechen in der Geschichte der Eisenbahn. Deuticke, Himberg 2000. ISBN 3-216-30550-3, S. 250–257.
- Peter Hiess, Christian Lunzer: Fuck The Reagan Administration. Hobos, die FTRA und der „Boxcar Murderer“. In: Peter Hiess, Christian Lunzer: Mord-Express. Die größten Verbrechen in der Geschichte der Eisenbahn. Deuticke, Himberg 2000. ISBN 3-216-30550-3, S. 258–271.
- Jack London: Abenteurer des Schienenstranges dtv 948. Ungekürzt, 8. Auflage, Deutscher Taschenbuchverlag, München 1984, ISBN 3-423-00948-9.
- Zusammenfassung: Hartmut Häußermann, Walter Siebel: Stadtsoziologie. Eine Einführung Campus, Frankfurt am Main u. a. 2004, ISBN 3-593-37497-8, S. 51–52.
- Hanna Meuter: Die Heimlosigkeit. Ihre Einwirkungen auf Verhalten und Gruppenbildung der Menschen Diss. phil. Köln 1924 (Auszug in: Jahrbuch der Philosophischen Fakultät, Köln 1923/1924); Gustav Fischer, Jena 1925; Vorwort Leopold von Wiese.
- Michael Schulte: Wo immer ich bin, ist nirgendwo. Oesch Verlag Kontrapunkt. Zürich 2005, ISBN 3-0350-2012-4.
Weblinks
BearbeitenAnmerkungen
Bearbeiten- ↑ Hiess, Lunzer: Vagabunden, S. 253; dies.: Fuck The Reagan Administration, S. 259.
- ↑ Hiess, Lunzer: Fuck The Reagan Administration, S. 259.
- ↑ "On Hobos, Hautboys, and Other Beaus". OUPblog. Oxford University Press. 12. November 2008. Abgerufen am 5. August 2009.
- ↑ Interview with Todd DePastino, author of Citizen Hobo: How a Century of Homelessness Shaped America from the University of Chicago Press website
- ↑ Hiess, Lunzer: Fuck The Reagan Administration, S. 259.
- ↑ Hiess, Lunzer: Fuck The Reagan Administration, S. 259.