Leichenschmaus

gemeinschaftliches Speisen der Trauergäste im Anschluss an eine Beerdigung, Teil der Trauerkultur

Ein Leichenschmaus (lateinisch epulum funebre[1]) ist das gemeinschaftliche Speisen der Trauergäste im Anschluss an eine Beerdigung, das von der Familie des Verstorbenen ausgerichtet wird. Diese weltweit vorkommende Sitte war bereits in vorgeschichtlicher Zeit bekannt und ist das im interkulturellen Vergleich am weitesten verbreitete Ritual bei Begräbnissen.[2]

Weitere deutsche Bezeichnungen sind Beerdigungskaffee,[3] Flannerts,[4] Leidessen,[5] Traueressen[6] oder Leidmahl,[6] Leichenmahl,[4] im Rhein-Ruhrgebiet Raue (vgl. auch ndl.: rouwe = trauern),[6] im Erzgebirge Trauerbrot,[7] Tränenbrot[8] oder Tröster;[9] im süddeutschen Sprachgebrauch auch Leichentrunk;[10] im Sauerland Rüezech; im rheinischen Sprachgebrauch Reuessen;[3][11] im saarländisch/pfälzischen Raum Leichenim(b)s,[12] auch Leich(en)imbiss;[13] in Altbayern Kremess;[14] in Österreich Zehrung;[6] in Ostösterreich Totenmahl[15]; in der Schweiz: Grebt/Gräbt[16].

Bedeutung

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Der Leichenschmaus in Teilen des deutschsprachigen Raumes soll den Hinterbliebenen signalisieren, dass das Leben weitergeht und der Tod nur eine Station des irdischen Lebens darstellt. Das gemeinsame Essen soll im Gedenken an den Toten stattfinden und einen zwanglosen Rahmen bieten, in dem Geschichten rund um den Toten erzählt werden können, in Ergänzung zur kirchlichen Bestattung. Das Erzählen von Geschichten und Anekdoten dient zur Auffrischung der positiven Erinnerungen an den Verstorbenen. Die dabei oft entstehende Heiterkeit kann helfen, Emotionen abzubauen und mit der Trauerarbeit zu beginnen; der Leichenschmaus kann daher helfen, Abstand vom traurigen Anlass zu gewinnen und wieder eine gewisse Normalität zu erreichen.

In frühen Formen des Leichenschmauses wurden mit Gewürzen bestreute Gebildbrote verzehrt, um böse Geister abzuwehren.[17]

Es handelt sich beim Leichenschmaus um ein Übergangsritual[18] bzw. um ein Integrationsritual.[19] Die Hinterbliebenen werden nicht allein gelassen, sondern sind weiter bzw. wieder Teil ihrer sozialen Gemeinschaft.

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Wiktionary: Leichenschmaus – Bedeutungserklärungen, Wortherkunft, Synonyme, Übersetzungen

Einzelnachweise

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  1. Friedrich Wolfgang Reiz: Reiz’s Vorlesungen über die Römischen Alterthümer: Nach Oberlins Tafeln. Leipzig 1796, S. 341.
  2. Johannes Engels: Funerum sepulcrorumque magnificentia. Begräbnis- und Grabluxusgesetze in der griechisch-römischen Welt mit einigen Ausblicken auf Einschränkungen des funeralen und sepulkralen Luxus im Mittelalter und in der Neuzeit. Stuttgart 1998, S. 28.
  3. a b Wolfgang Stöcker: Die letzten Räume: Sterbe- und Bestattungskultur im Rheinland seit dem späten 18. Jahrhundert. Böhlau, Köln / Weimar / Wien, 2006, ISBN 978-3-412-29105-1, S. 157.
  4. a b Albert Freybe: Das alte deutsche Leichenmal in seiner Art und Entartung. Mohn, Gütersloh 1909, S. 61.
  5. Paul Drechsler: Sitte, Brauch und Volksglaube in Schlesien (= Schlesiens volkstümliche Überlieferungen Band 2, Ausgabe 1). Teubner, Leipzig 1903, S. 306.
  6. a b c d Ulrich Ammon, Hans Bickel, Jakob Ebne, Variantenwörterbuch des Deutschen: Die Standardsprache in Österreich, der Schweiz und Deutschland sowie in Liechtenstein, Luxemburg, Ostbelgien und Südtirol. de Gruyter, Berlin 2004, ISBN 978-3-11-016575-3, S. 888.
  7. Herbert Clauss (Hrsg.): Das Erzgebirge: Land und Leute. Weidlich, Frankfurt am Main, 1967, DNB 456575545, S. 141.
  8. Julia Jürgens: Begräbnis / Abbitte des Toten in Petersberg. In: Ethnographische Sammlung Siebenbürgen – Siebenbürgisch-Sächsische Bräuche und Traditionen in Petersberg. Oktober 2010, abgerufen am 9. Juni 2018.
  9. Bavaria. Landes- und Volkskunde des Königreichs Bayern. 4. Band, 1. Abtheilung: Unterfranken und Aschaffenburg. München 1866, S. 273.
  10. Eucharius Ferdinand Christian Oertel: Gemeinnütziges Fremdwörterbuch zur Erklärung und Verdeutschung der in unsrer Sprache vorkommenden fremden Wörter und Ausdrücke, Band 2. Deichert, Ansbach, 4. Auflage, 1830, S. 670.
  11. Jürgen Becker verwendet den Begriff „Reueessen“. Jürgen Becker: Schnee in den Ardennen, 2. Auflage, Suhrkamp-Taschenbuch, Frankfurt am Main 2014, S. 95, ISBN 978-3-518-46130-3
  12. Sollen wir unser Kind zur Beerdigung mitnehmen? In: Evangelischer Kirchenbote – Sonntagsblatt für die Pfalz. 2010, archiviert vom Original am 23. Februar 2015; abgerufen am 9. Juni 2018.
    Helmut Orpel: Warum Männer häufiger beten. In: Lampertheimer Zeitung. 10. April 2013, archiviert vom Original am 23. Februar 2015; abgerufen am 9. Juni 2018.
  13. Leichenimbiß. In: Pfälzisches Wörterbuch, Band 4. S. 899, abgerufen am 9. Juni 2018.
  14. Anselm Forster: Karge Kindheit: Erinnerungen an Niederbayern. [on Demand im Eigenverlag,] Starnberg, 2002, ISBN 978-3-8311-4318-4, S. 86.
  15. Jakob Ebner, Hans Bickel, Ulrich Ammon: Variantenwörterbuch des Deutschen: Die Standardsprache in Österreich, der Schweiz und Deutschland sowie in Liechtenstein, Luxemburg, Ostbelgien und Südtirol. de Gruyter, Berlin 2004, ISBN 978-3-11-016575-3, S. 796.
  16. «Gräbt», «Grebt». Abgerufen am 3. August 2022.
  17. Manfred Heim: Von Ablaß bis Zölibat: Kleines Lexikon der Kirchengeschichte. C. H. Beck, München 2008, ISBN 978-3-406-57356-9, S. 265.
  18. Thomas Borckholder: Der Tod im 21. Jahrhundert: Eine Untersuchung der gesellschaftlichen Einstellungen zum Tod in der Bundesrepublik Deutschland. BooksOnDemand 2015, Promotionsschrift, ISBN 978-3-7347-7749-3, S. 142.
  19. Thomas Klie, Martina Kumlehn, Ralph Kunz, Thomas Schlag (Hrsg.): Praktische Theologie der Bestattung (= Praktische Theologie im Wissenschaftsdiskurs, Band 17). De Gruyter, Berlin, 2015, ISBN 978-3-11-034616-9, S. 431.
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