Leszek Miller

polnischer Politiker, Ministerpräsident von Polen (2001–2004)

Leszek Cezary Miller (* 3. Juli 1946 in Żyrardów) ist ein polnischer Politiker. Er war von 2001 bis 2004 Ministerpräsident Polens.

Leszek Miller (2013)

Politische Laufbahn

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Funktionär der sozialistischen Arbeiterpartei

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Noch als Schüler trat Miller der Jugendorganisation der Polnischen Vereinigten Arbeiterpartei (PVAP) bei. 1969 wurde er in die Partei aufgenommen. Er wurde hauptberuflich Parteifunktionär und zum Studium auf die Hochschule für Gesellschaftswissenschaften des Zentralkomitees der PAVP entsandt.[1] 1986 trat er an die Spitze der Parteiorganisation der Woiwodschaft Skierniewice. Nach zwei Jahren wurde er auf den Posten eines ZK-Sekretärs in Warschau berufen, er rückte somit in die Parteiführung auf. 1989 stieg er in das Politbüro auf und nahm an den Runden-Tisch-Gesprächen teil.

Generalsekretär der Sozialdemokraten

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1990 wurde er Generalsekretär und stellvertretender Vorsitzender der aus der PVAP hervorgegangenen „Sozialdemokratie der Republik Polen“ (SdRP – Socjaldemokracja Rzeczypospolitej Polskiej).[2] Nach dem gescheiterten Augustputsch 1991 in Moskau wurde er beschuldigt, sich als Vertrauensmann der Moskauer Putschisten in der fraglichen Zeit in einem sowjetischen Schulungszentrum auf der Halbinsel Krim aufgehalten sowie Parteigelder verschoben zu haben, anstatt sie an das Finanzministerium abzuführen.[3]

Minister

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1993 wurde er Minister für Arbeit und Sozialpolitik in der ersten postkommunistischen Koalitionsregierung unter Waldemar Pawlak. 1996 übernahm er unter dessen Nachfolger Włodzimierz Cimoszewicz die Leitung der Kanzlei des Ministerrates und somit auch das Amt des Geheimdienstkoordinators. Von Januar bis Oktober 1997 führte er das Innenministerium. In seiner Amtszeit wurden Experten der Demokratiebewegung Solidarność aus den ehemaligen Partei- und Geheimdienstarchiven entlassen und durch frühere Funktionäre aus der Zeit der Volksrepublik ersetzt.[4]

Oppositionsführer

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1999 wurde er als Nachfolger von Józef Oleksy zum Vorsitzenden des oppositionellen Bundes der Demokratischen Linken (SLD – Sojusz Lewicy Demokratycznej) gewählt, zu dem sich die SdRP und weitere Gruppierungen zusammengeschlossen hatten.[5] Diesen Posten gab er im März 2004 ab.[6]

Ministerpräsident

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Im Oktober 2001 wurde er nach dem Sieg eines Wahlblocks aus SLD und der aus dem linken Flügel der Gewerkschaft Solidarność hervorgegangenen Union der Arbeit (UP – Unia Pracy) bei den Sejmwahlen von Präsident Aleksander Kwaśniewski mit der Regierungsbildung beauftragt. Er bildete eine Koalition mit der Polnischen Bauernpartei (PSL – Polskie Stronnictwo Ludowe).

Millers Regierung hatte vor allem mit der schwierigen Wirtschaftssituation in Polen zu kämpfen, die von einer Arbeitslosenquote von mehr als 18 %, durch hohe öffentliche Verschuldung und Stagnation gekennzeichnet war.[7] Am Ende seiner Amtsperiode betrug das Wirtschaftswachstum zwar mehr als 6 %, jedoch war die Arbeitslosigkeit nicht signifikant gesunken.[8] Die Regierung führte unter seiner Leitung ein umstrittenes Sparprogramm durch. Gleichzeitig wurde die Gesundheitsreform der Vorgängerregierung unter Jerzy Buzek kassiert, stattdessen wurde erneut ein neuer staatlicher Gesundheitsfonds geschaffen.[9] Die Regierung Miller führte außerdem in mehreren Bereichen Steuersenkungen durch, etwa bei Verbrauchssteuern und der Körperschaftssteuer CIT. Der höchste Einkommenssteuersatz i. H. von 40 % wurde abgeschafft, der niedrigste von 19 % auf 18 % gesenkt.[10] Nach einigen Jahren konnten durch verstärktes Wachstum teils höhere Einnahmen erzielt werden, als zuvor. Die Entlastungen bei der Einkommenssteuer trugen hier insofern bei, als dass die Steuerersparnisse in Höhe von etwa 40 Mrd. Złoty vorwiegend in den Binnenkonsum gingen.[11] Es wurden Anleihen bei der zeitgenössischen Flat Tax Regelung aus der Slowakei ausgemacht; ebenso wurde von einem Bruch in der sozialdemokratischen Identität des SLD gesprochen.[12]

Die Baltic Pipe, ein 2022 fertiggestellter Abzweig der Europipe II von Dänemark nach Polen für norwegisches Gas wurde von Premier Miller seinerzeit blockiert. Er selbst äußerte sich nach Eröffnung verschiedentlich zu dem Bauvorhaben: einerseits sah er darin ein "Propagandaprojekt",[13] andererseits die Verantwortung für die Unterbrechung bei der norwegischen Regierung, die zu überhöhten Abnahmemengen gedrängt habe.[14] Kritisch wurde bewertet, dass Miller sich positiv in die Entstehungsgeschichte einzuschreiben versuche.[15][16][17] Aus seiner ehemaligen Partei heraus wird der Bau als notwendig erachtet.[18]

Die Regierung Miller setzte alle institutionellen und gesetzlichen Regelungen um, die für den EU-Beitritts Polens mit der EU-Kommission vereinbart waren. Der Beitritt wurde am 13. Dezember 2002 durch den EU-Gipfel in Kopenhagen bestätigt. Das Referendum über den EU-Beitritt vom 7. und 8. Juni 2003 ergab eine Zustimmung von 77,5 % bei einer Beteiligung von 58,8 %.[19]

Im März 2003 entschieden die Regierung Miller und Präsident Kwaśniewski, dass sich Polen an der von US-Präsident George W. Bush gebildeten „internationalen Koalition“ beteiligt und polnische Soldaten in den Irak entsendet, um Saddam Hussein zu stürzen. Miller gehörte auch zu den Unterzeichnern des „Briefes der Acht“, in dem Staats- und Regierungschefs von acht europäischen Ländern sich dezidiert auf die Seite Bushs im Irak-Konflikt stellten.[20] Im Rahmen der polnisch-amerikanischen Zusammenarbeit wurde 2003, wie sechs Jahre später bekannt wurde, dem US-Geheimdienst CIA eine polnische Militärbasis in Stare Kiejkuty in der Woiwodschaft Ermland-Masuren zur Verfügung gestellt, bei der arabische Gefangene Medienberichten zufolge offenbar auch gefoltert wurden.[21]

Der „Brief der Acht“ führte zum Zerwürfnis zwischen der polnischen Führung und der rot-grünen Bundesregierung unter Gerhard Schröder, die den Krieg gegen Saddam Hussein ablehnte.[22] Die Differenzen verstärkten sich noch, als Miller gemeinsam mit dem konservativen spanischen Premierminister José María Aznar versuchte, eine Reform der EU zu blockieren.[23]

Am 4. Dezember 2003 überlebte Miller verletzt einen Absturz seines Regierungshubschraubers vom Typ Mil Mi-8 nahe Warschau. Mehrere Rückenwirbel waren angebrochen, er musste wochenlang im Rollstuhl sitzen.[24]

Im März 2004 verlor seine Regierung die Mehrheit im Sejm, nachdem 20 Abgeordnete aus der SLD-Fraktion ausgetreten waren. Sie warfen ihm vor, Korruption und Finanzaffären bis in die Führungsgremien der eigenen Partei zu dulden. Auslöser für diese Abspaltung von der SLD war die Rywin-Affäre.[25] Aus den eigenen Reihen, aber auch von den Koalitionspartnern wurde Miller gedrängt, sein Amt als Ministerpräsident zur Verfügung zu stellen, auch weil er in den Popularitätsumfragen weit abgefallen war und man sich mit ihm als Spitzenkandidaten keinerlei Chancen bei den Wahlen im folgenden Jahr ausrechnete.[26] Sein Rücktritt wurde für den 2. Mai 2004, den Tag nach dem EU-Beitritt Polens, vereinbart. Sein Nachfolger wurde der ehemalige Finanzminister Marek Belka.[27]

Erneut in der Opposition

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In der SLD wurde Miller für die verheerende Niederlage bei den Sejm-Wahlen 2005 verantwortlich gemacht.[28] Für die vorgezogene Parlamentswahl 2007 wurde er erst gar nicht aufgestellt. So kandidierte er auf der Liste der linksnationalen Protestpartei „Selbstverteidigung“ (Samoobrona).[29] Diese scheiterte an der Fünf-Prozent-Hürde.

Im Jahr 2010 trat Miller wieder in die SLD ein.[30] Bei den für die SLD erfolglose Parlamentswahl in Polen 2011 wurde er wieder in den Sejm gewählt. Nach der Wahl konnte Miller sich mit 14:11 Stimmen gegen Ryszard Kalisz in einer Kampfabstimmung um den Fraktionsvorsitz der SLD durchsetzen.[31] Am 10. Dezember 2011 wurde er nach dem Rücktritt Grzegorz Napieralskis erneut zum Chef seiner Partei gewählt.[32] Nachdem die SLD bei der Parlamentswahl 2015 als Teil des Wahlbündnisses „Vereinigte Linke“ den Wiedereinzug in den Sejm verpasst hatte, zog sich Miller vom Vorsitz der SLD zurück. Sein Nachfolger wurde Włodzimierz Czarzasty. 2021 trat er erneut aus der SLD aus, als Begründung führte er den geplanten Zusammenschluss der Partei mit der Gruppierung Wiosna an.[33]

Miller gilt als Symbolfigur für die Kontinuität von der PVAP zur SLD. An seine Anhänger hat er immer wieder appelliert, sich wegen der Volksrepublik „nicht zu schämen“.[34]

Wechsel ins Europaparlament

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Bei der Europawahl 2019 gewann die KKW Koalicija Europejska mit 38,47 Prozent 22 der 52 polnischen Mandate, damit auch Leszek Miller. Als Teil der Fraktion der Progressiven Allianz der Sozialdemokraten war er Mitglied im Ausschuss für Binnenmarkt und Verbraucherschutz sowie Mitglied in der Delegation im Parlamentarischen Assoziationsausschuss EU-Ukraine.[35] Bei der Europawahl 2024 kandidierte er nicht und schied daher aus dem Europaparlament aus.

Vorzeitige Corona-Schutzimpfung

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Während impfbereite Ärzte und Ärztinnen der Medizinischen Universität Warschau von den Universitätsbehörden ignoriert wurden, ließ sich Miller dort bereits am 31. Dezember 2020 regelwidrig gegen COVID-19 impfen, was von Polens Gesundheitsminister Adam Niedzielski heftig kritisiert wurde.[36]

Miller stammt aus einfachen Verhältnissen: der Vater war Schneider, die Mutter Näherin. Als er ein halbes Jahr alt war, verließ der Vater die Familie, er wuchs bei seiner Mutter auf, die ihn katholisch erzog. Miller wurde Ministrant. Er ist seit 1969 verheiratet und hatte einen Sohn, Leszek Miller junior, der im August 2018 verstorben ist.

Publikationen

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Commons: Leszek Miller – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien
  1. Leszek Miller
  2. ludzie.wprost.pl
  3. rp.pl
  4. Dieter Bingen: Die Aufarbeitung der kommunistischen Vergangenheit in Polen. Bundesinstitut für ostwissenschaftliche Studien (BIOst), 27/1997, S. 26. http://www.ssoar.info/ssoar/bitstream/handle/document/4304/ssoar-1997-bingen-die_aufarbeitung_der_kommunistischen_vergangenheit.pdf?sequence=1
  5. Dieter Bingen: Die „Sozialdemokratie der Republik Polen“ (SdRP) in der „Demokratischen Linksallianz“ (SLD). In: G. Hirscher (Hrsg.): Kommunistische und postkommunistische Parteien in Osteuropa. München 2000, S. 73 (Argumente und Materialien zum Zeitgeschehen, 14.) PDF-Datei (Memento vom 28. Dezember 2013 im Internet Archive)
  6. ludzie.wprost.pl
  7. virtualpolen.de (Memento vom 18. Juli 2013 im Internet Archive)
  8. info-polen.com
  9. economist.com
  10. Gospodarcze osiągnięcia partii politycznych. 7. Oktober 2011, abgerufen am 12. Oktober 2023 (polnisch).
  11. Skazani na wysokie podatki. Abgerufen am 12. Oktober 2023 (polnisch).
  12. Jan Piński, Krzysztof Trębski: Liniowiec Millera. 31. Dezember 2004, abgerufen am 12. Oktober 2023 (polnisch).
  13. Miller: Baltic Pipe był projektem propagandowym - OPINIE. Abgerufen am 27. November 2023.
  14. Zuzanna Dąbrowska: Miller pytany o rezygnację jego rządu z Baltic Pipe: Kłamstwo norweskie. In: rp.pl. Rzeczpospolita, 4. Mai 2022, abgerufen am 27. November 2023 (polnisch).
  15. Bezczelność! Miller: Mój rząd jest ojcem Baltic Pipe. Abgerufen am 27. November 2023 (polnisch).
  16. Telewizja Polska S.A: Zablokował Baltic Pipe, teraz uważa się za jego ojca. Burza po słowach Leszka Millera [WIDEO]. Abgerufen am 27. November 2023 (polnisch).
  17. Za granicą absurdu. "Miller zbudował Baltic Pipe", nie PiS. Abgerufen am 27. November 2023 (polnisch).
  18. Lidia Lemaniak: W 2003 roku Leszek Miller zatrzymał Baltic Pipe. Dariusz Wieczorek: Pewnie dzisiaj powiedziałby, że to absolutnie potrzebny projekt. In: i.pl. PL24 Sp. z o.o., 27. September 2022, abgerufen am 27. November 2023 (polnisch).
  19. "Wir sind Bürger Europas". In: Spiegel Online. 9. Juni 2003, abgerufen am 29. November 2014.
  20. tagesschau.de
  21. John Goetz, Britta Sandberg: Folter in Masuren. In: Der Spiegel. Nr. 18, 2009 (online).
  22. Die freundliche Übernahme. In: zeit.de. 5. Juni 2003, abgerufen am 29. November 2014.
  23. Severin Weiland: Der spanisch-polnische Achsenbruch. In: Spiegel Online. 16. März 2004, abgerufen am 29. November 2014.
  24. Gerhard Gnauck: "Zur Not auch im Rollstuhl". In: welt.de. 6. Dezember 2003, abgerufen am 29. November 2014.
  25. polska.newsweek.pl (Memento vom 25. August 2013 im Internet Archive)
  26. przeglad-tygodnik.pl
  27. Neue Regierung nach dem EU-Beitritt. In: Spiegel Online. 2. Mai 2004, abgerufen am 29. November 2014.
  28. tvp.info (Memento des Originals vom 29. November 2010 im Internet Archive)  Info: Der Archivlink wurde automatisch eingesetzt und noch nicht geprüft. Bitte prüfe Original- und Archivlink gemäß Anleitung und entferne dann diesen Hinweis.@1@2Vorlage:Webachiv/IABot/tvp.info
  29. ludzie.wprost.pl
  30. Polskie Radio, Das Herz schlägt links, 21. Januar 2010
  31. tvn24, „Niosę worek z kamieniami“. Miller nowym szefem klubu SLD, 19. Oktober 2011
  32. Gazeta.pl, Leszek Miller ponownie szefem SLD, 10. Dezember 2011
  33. Leszek Miller odchodzi z Sojuszu Lewicy Demokratycznej onet.pl, 18. März 2021.
  34. Miller: Nie wstydźcie się PRL. In: dziennik.pl. 5. November 2007, abgerufen am 4. Dezember 2020.
  35. Home | Leszek MILLER | Abgeordneter | Europäisches Parlament. Abgerufen am 4. Dezember 2020.
  36. Ricarda Richter: Falsche Vorbilder. In: Spiegel. 15. Februar 2021, abgerufen am 16. Februar 2021.
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