Minne

mittelalterliche europäische literarische Konzeption der Liebe

Minne (mittelhochdeutsch „feine, höfische Liebe“; okzitanisch fin'amor [fina'mu'];französisch amour courtois; englisch courty love) war ein zentrales Konzept der mittelalterlichen Literatur, Musik und Kultur, das sich 1186 bis 1365 zur Zeit der Gotik, Scholastik und Mönchsorden in den höfischen Gesellschaften Europas entwickelte. Hauptmotiv höfischer Liebe war der Ritter, der selbstlos sein ganzes Leben lang eine unerreichbare Dame als Ideal verehrte. Sie war seine Muse, die Verkörperung der Schönheit, Anmut und Grazie, die ihn dazu bewegte, edel, spirituell und von hohen Absichten getragen zu sein.

Tristan und Isolde. Gemälde von Edmund Blair Leighton, 1902

Wann der helle Schein mittelalterlicher Romantik zum Vorbild für Beziehungen wurde ist nicht bekannt. Er ist nur in seiner höchsten Blüte erhalten, in den Liedern der Minnesänger und in den Höfischen Liebesromanen von Dichtern wie Chrétien de Troyes. Seit dem 18. Jahrhundert wird Minne als literatur- und rechtsgeschichtlicher (bzw. Minnesang als musikgeschichtlicher) Fachbegriff gebraucht, seit dem 19. Jahrhundert höfische Liebe als Synonym.

Etymologie

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Fränkisches Reich 879–1007

769 bis 1007 Frankenreich mit der Vision eines geläuterten, spirituell erlösten, vereinten katholischen Europa

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Aus dem althochdeutschen minnōn für ‘lieben, verehren’ bzw. minna für ‘helfende, fürsorgliche, auch religiöse Liebe, Zuneigung, Gedenken, Eifer, Verlangen’ wurde 769 bis 1007 im Frankenreich, das von der Vision eines gereinigten, spirituell erlösten, vereinten christlich / katholischen (allumfassenden) Europa unter Führung eines göttlich legitimierten Herrschers geprägt war (s. Bild rechts), das mittelhochdeutsche Verb minnen für ‘lieben, beschenken, sich für etw. erkenntlich zeigen’ bzw. das Nomen minne für ‘freundliches Gedenken, freundschaftliche, sinnliche, religiöse Liebe’, auch ‘Beischlaf, Geliebte, Abschiedstrunk’.

1186 bis 1365 Gotik, Scholastik, Universalienstreit und Gründung vieler Mönchsordensgemeinschaften

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Daraus entwickelte sich 1186 bis 1365 in den höfischen Gesellschaften Europas die Minne als spirituell-sinnliche, feine, höfische Liebe. In der Originalliteratur des europäischen Mittelalters erscheint das Synonym höfische Liebe zwar nur im okzitanischen Gedicht Cortez Amors von Peire d'Alvernhe aus dem späten 12. Jahrhundert.[1] Doch aus Gründen der Distinktion waren es auch nur Adel und Klerus in höfischen Gesellschaften, die durch Sensibilisierung und Spiritualisierung das bewusste Wahrnehmen als Schlüssel zum Leben und zur Erlösung auf dem achtsamen Weg der spirituellen Sinnlichkeit bzw. der hohen Schule spiritueller Erotik kultivieren konnten. Beide sprachen die Fähigkeit den niederen Ständen (vor allem dem Bauernstand) ab.

1365 bis 1603 Reformation und Renaissance

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Tatsächlich wurde mit dem Niedergang des Rittertums 1365 bis 1603 Minne immer mehr zur Bezeichnung für die verrohte, weltliche, bäurische, trieb- und tierhafte Liebe („niedere Minne“), wie sie in einigen derben Texten thematisiert und immer stärker auf den sexuellen Aspekt reduziert wurde, so dass das Wort zur Bezeichnung „edlerer“ Gefühle zur Zeit der Reformation und Renaissance schließlich nicht bloß untauglich wurde, sondern tabu war und so zunehmend durch das Wort Liebe ersetzt wurde, bis es quasi ausstarb.

1603 bis 1847 Geist des Barock, Absolutismus und der Aufklärung

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Erst die Beschäftigung mit der mittelalterlichen Literatur im 18. Jahrhundert (durch Bodmer und Breitinger) brachte Minne als literatur- und rechtsgeschichtlichen (bzw. Minnesang als musikgeschichtlichen) Fachbegriff wieder in Gebrauch.

1802 bis 2020 Romantik und Realismus (Moderne)

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Die moderne Verwendung des Begriffs höfische Liebe kommt von Gaston Paris. Er verwendete den Begriff amour courtois („höfliche Liebe“) in einem Artikel von 1883, in dem er die Beziehung zwischen Lancelot und Guinevere im Höfischen Liebesroman Lancelot oder der Karrenritter von Chrétien de Troyes beschreibt.[2] Paris benutzte den Ausdruck noch nicht als Fachbegriff, sondern austauschbar mit amour chevaleresk. Doch begannen andere Wissenschaftler nach ihm, höfische Liebe als Fachbegriff zu etablieren. 1896 bezeichnete Lewis Freeman Mott Dantes Liebe zu Beatrice im Vita Nova (1293) als höfische Liebe,[3] obwohl Dante und Beatrice keinen hellen Schein mittelalterlicher Romantik lebten und sich nur zweimal in ihrem ganzen Leben trafen. Doch die Art und Weise, in der Lancelot und Dante selbstlos ihr ganzes Leben lang eine unerreichbare Dame als Ideal verehrten, ähnelt sich. 1936 veröffentlichte C. S. Lewis seine Studie mittelalterlicher Tradition The Allegory of Love, die den Begriff höfliche Liebe popularisierte. 1964 unterschied Moshe Lazar, Professor für vergleichende Literatur und Drama an der University of Southern California (und der Gründer der vergleichenden Literaturabteilung der Schule), drei verschiedene Kategorien innerhalb der „höflich lieben“.[4] Dorothea Wiercinski trennt in ihrer niederdeutschen Studie Minne (1964) das althochdeutsche minna vom altnordischen minni und fasst die Minne von Anfang an als ‘verbindende geistige Gesinnung der Glieder einer Gemeinschaft und deren konkrete körperliche Ausdrucksformen’ auf.

Geschichte

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Die höfische Liebe, im Mittelalter auch als Minne bezeichnet, ist ein zentrales Konzept der mittelalterlichen Literatur, Musik und Kultur, das sich 1186 bis 1365 in den höfischen Gesellschaften Europas entwickelte. Es verband poetische, soziale und moralische Ideale und beeinflusste die Ritterkultur sowie die europäische Dichtung nachhaltig.

769 bis 1007 Frankenreich mit der Vision eines geläuterten, spirituell erlösten, vereinten katholischen Europa

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„Es ist gut für den Mann, keine Frau zu berühren. Wegen der Gefahr der Unzucht soll aber jeder seine Frau haben und jede soll ihren Mann haben. Der Mann soll seine Pflicht gegenüber der Frau erfüllen und ebenso die Frau gegenüber dem Mann. […] Ich wünschte, alle Menschen wären (unverheiratet) wie ich. Doch jeder hat seine Gnadengabe von Gott, der eine so, der andere so. Wenn [die Unverheirateten und Witwen] aber nicht enthaltsam leben können, sollen sie heiraten. Es ist besser zu heiraten, als sich in Begierde zu verzehren. Den Verheirateten gebiete nicht ich, sondern der Herr: Die Frau soll sich vom Mann nicht trennen – wenn sie sich aber trennt, so bleibe sie unverheiratet oder versöhne sich wieder mit dem Mann“

Paulus von Tarsus (10 v. Chr. - 60 n. Chr.): 1. Korinther 7: 1-3,9-10 [5]

„Die Seele, wenn sie in die Dinge der Sinne versinkt, verliert ihren Weg und fällt von den Höhen ab. Die Sinne fesseln uns an die niederen Dinge. Ich liebte es, zu lieben, und ich liebte die Sünde meiner Seele und meines Fleisches. Ich kenne nichts, das den Geist des Mannes mehr aus seinen Höhen herunterholt als die Liebkosungen einer Frau und diese Vereinigung der Körper, ohne die man keine Frau haben kann.“

Augustinus (354–430 n. Chr.): De Ordine 1,8; Confessiones 10,30; 2,2[6]

Als die christliche Kirche ihre Vision eines geläuterten, spirituell erlösten, vereinten katholischen Europa (Christenreich Gottes) seit der göttlich legitimierten Krönung Karls des Großen (800) mit einem engen Zusammenspiel von geistlicher und weltlicher Macht verband, wollte sie ihre Glaubenswahrheiten in Europa und darüber hinaus durch Missionierung und, falls nötig, auch mit Gewalt verbreiten. Die Durchsetzung religiöser Normen war untrennbar mit den politischen und gesellschaftlichen Strukturen dieser Epoche verbunden. Die Frau wurde mit großer und nie erlahmender Energie herabgesetzt und in symbolhafte Jungfrau, oder der guten Frau, und der Hure, oder der schlechten Frau, gespalten. Gemäß der Jungfrau/Hure-Fantasie war die gute Frau eine empfangende, passiv ordnende und funktionale Kreatur. Sie war voller Tugenden wie Geduld, Ehrlichkeit und Freundlichkeit, dazu rein und keusch, wurde nie von sexuellen Begierden bedrängt und hatte auch keine Freude an der sexuellen Vereinigung. Diese Zuordnungen verleugneten ihre Fraulichkeit und machten sie zu einer gefahrlosen Ehepartnerin für den Mann. Er musste sich nie darum sorgen, dass sie ihn verlassen oder mit einem anderen betrügen könnte, da sie am Sex keine Freude hatte. Aber der Körper einer Frau ist geschaffen für das sinnliche Vergnügen (die Klitoris hat z. B. keine andere Funktion). Gemeinsames sexuelles Vergnügen ist für beide Partner eine spirituell-sinnliche Erfahrung zur Erweiterung des Alltagsbewusstseins hin zum ursprünglichen, vollkommenen Bewusstsein kosmischer Allverwobenheit. Um dies nicht ganz verleugnen zu müssen, wurde der Jungfrau als Gegensatz die Hure gegenübergestellt. Sexuelles Vergnügen konnte mit ihr immer noch erfahren werden, aber sie war abgespalten von „der Liebe einer guten Frau“, da gute Frauen von Fleischeslust nichts wissen. Huren verkörpern die sexuelle Weiblichkeit, die unabhängige Frau, die dunklen und gefährlichen Reiche der Ekstase. Die Fantasie der Menschen damals sagte ihnen, dass sie deshalb schlecht sind und Männer vom Weg abbringen, indem sie sie in ihr Bett locken. Die Freuden, die sie dort erlebten, waren mit Sünde behaftet, aber da die Frau die Verführerin war, konnten die Männer nichts dafür. Dieses gespaltene Bild des Weiblichen hatte keinen entsprechenden männlichen Archetypen. Ein guter Mann war nicht notwendigerweise ein zölibatärer Heiliger, und ein schlechter Mann konnte ein treuer Ehemann sein. Die Spaltung in Jungfrau und Hure blieb eine Fantasie, verwurzelte sich aber über viele Jahrhunderte hinweg und hat auch noch heute Einfluss.

1007 bis 1226 Romanik, Verstädterung, Dreifelderwirtschaft, Rittertum und Kreuzzüge

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Mit dem Aufstieg des Rittertums feierten Troubadoure, Poeten und Minnesänger die Frauen und deren Liebe in einer Art, die die etablierte Kirche in Rage brachte – aber sie konnte es nicht unterdrücken. Nicht alle mittelalterlichen Philosophen und Kirchenmänner gingen mit Paulus, Hieronymus und Augustinus einig und rangen mit der Vorstellung, dass der Fall des Menschen direkt mit den Vergnügungen des Fleisches verbunden sei. Albertus Magnus (1200–1280) beispielsweise stellte fest, dass nicht das Vergnügen schlecht sei, sondern der Verlust der Vernunft – eine Ansicht, die auch Thomas von Aquin (1225–1274) vertrat. Dieser hielt Begierde und Vergnügen nicht an sich für falsch, sondern sah das Böse darin, dass die rationalen Fähigkeiten in der sexuellen Ekstase untergehen.

Sprache und Bilder der menschlichen Liebe wurden von den christlichen Mystikern benutzt, um Allegorien der ursprünglichen, vollkommenen und allumfassenden, göttlichen Liebe darzustellen. Zahlreiche feinsinnige Schriftsteller machten kaum eine Unterscheidung zwischen heiliger und profaner Liebe, während andere dachten, die von Gott verliehenen geistigen Gaben und Tugenden seien dieselben wie diejenigen, die ein Liebender von seiner Geliebten empfängt. Dies ist die Essenz des amour courtois (frz. „höfische Liebe“). Der Augustinerchorherr und Mystiker Richard von St. Viktor (1110–1173) sah als Ziel des geistigen Wegs die „Engelsgleichheit“, der alles spirituelle Leiden und Kämpfen galt. Er verglich die Aufgabe der Seele mit den Freuden und Qualen der Liebe:

„Denn wenn er einmal in die lichtumflutete Glorie des Engelhaften gelangt ist … wie können wir uns seine heimlichen Liebessehnsüchte vorstellen, die tiefen Seufzer, die unaussprechlichen Klagen!“

Richard von St. Viktor (1110–1173)[7]

Diese Verehrung der göttlichen Eigenschaften der menschlichen Liebe wurden von der heiligen Hildegard von Bingen (1098–1179), einer der erstaunlichsten Mystikerinnen des Mittelalters, sehr delikat und gefühlvoll erforscht. Sie sah Frauen als Verkörperung der Liebe eines Mannes, der seinerseits von Gott inspiriert wurde. Eine lebende Frau ist daher die Mittlerin, die die Seele eines Mannes durch die Erfahrung der irdischen Liebe zur Erleuchtung führt, genau wie die sumerische Tempelhure den wilden Mann Enkidu zivilisiert und verfeinert, damit er ein „menschlicheres“ Leben beginnen kann. Hildegard, eine große Visionärin, schrieb von einer weiblichen Gestalt, einem unverwechselbaren Bild der großen Göttin, die ihr in tiefer Kontemplation erschien:

„Dann schien es mir, dass ich ein Mädchen sehe von strahlender Schönheit, mit einer so blendenden Helligkeit in ihrem Gesicht, dass ich sie nicht voll ansehen konnte. Sie trug einen Mantel weißer als Schnee, leuchtender als Sterne, ihre Schuhe waren aus reinem Gold. In ihrer rechten Hand trug sie Sonne und Mond, die sie liebevoll streichelte. Auf ihrer Brust hatte sie ein elfenbeinernes Medaillon, auf dem in saphirnen Umrissen das Bild eines Mannes erschien. Und alle Schöpfung nannte dieses Mädchen die höchste Herrin. Das Mädchen begann zum Bild auf ihrer Brust zu sprechen. Ich war mit Dir am Anfang, in der Morgendämmerung Deiner Kraft und in der Helligkeit alles dessen, was heilig ist, ich gebar Dich aus meinem Schoß vor dem Stern des Tages. Und ich hörte eine Stimme, die sagte zu mir: 'Das Mädchen, das du schaust, ist die Liebe; sie lebt in der Ewigkeit.'“

Hildegard von Bingen (1098–1179)[8]

Hildegard glaubte wie alle höfischen Liebhaber des Mittelalters, dass Männer und Frauen durch Liebe ihren göttlichen Kern erreichen konnten, so dass „die ganze Erde ein einziger Garten der Liebe werden würde“. Und diese Liebe musste ganz sein, ein vollständiger Ausdruck der Einheit, ausgedrückt durch Körper und Seele, denn wie sie schrieb, „es ist die Macht der Ewigkeit selbst, die die physische Vereinigung geschaffen hat und bestimmt, dass zwei Menschen körperlich Eins werden sollen.“

Die Welt der höfischen Liebe, Ritterlichkeit und Anbetung der Frauen – sowohl der lebenden als auch der göttlichen – entwickelte sich während der romanischen Epoche und gelangte in der darauffolgenden, gotischen Epoche zur höchsten Blüte. Aus dem Orient zurückkehrende Kreuzritter brachten einen frischen Wind in die triste Welt des Mittelalters. Als sich die Handelsrouten öffneten, kamen Seide, Satin, exotische Gewürze und Juwelen aus Spanien, der heutigen Türkei und der arabischen Welt. Luxus, Sinnlichkeit und Eleganz herrschten an den Höfen – und fanden ihren Ausdruck in Liedern, Balladen und Romanzen., die von den Troubadours von einem Schloss zum anderen getragen wurden. Diese Verse bilden ein großes, zu einem großen Teil allegorisches literarisches Werk – es verbarg wie die Alchemie, eine weitere mittelalterliche Subkultur, das mystische Wissen des Ostens: Tantra, die hohe Schule spiritueller Erotik, das Benennen und Personifizieren von Gefühlen und die Anerkennung der weiblichen Grazie und Weisheit fanden hier ihren Ausdruck. Herzog Wilhelm IX. (Aquitanien) (1071–1126), bekannt als der erste Trobador (BdT 183)[9], schuf eine neue Form der Liebesdichtung, deren zentrales Motiv der Ritter war, der selbstlos sein ganzes Leben lang eine unerreichbare Dame als Ideal verehrte. Sie war seine Muse, die Verkörperung der Schönheit, Anmut und Grazie, die ihn dazu bewegte, edel, spirituell und von hohen Absichten getragen zu sein. Mächtige Edeldamen wie Eleonore von Aquitanien (1124–1204) wurden zu Schutzherrinnen der Dichter und versahen sie oft mit dem Rohmaterial für ihre höfischen Liebesromane. Eleonore war aus eigenem Recht regierende Herzogin von Aquitanien, durch Heirat erst Königin von Frankreich (1137–1152), dann Königin von England (1154–1189) und eine der einflussreichsten Frauen des Mittelalters. Sie brachte das Ethos der höfischen Liebe an den fränkischen und englischen Königshof, ihre Tochter Marie de Champagne (1145–1198) in die Champagne. So verbreitete sich das Konzept rasch in ganz Frankreich und anderen Teilen Europas.

1186 bis 1365 Gotik, Scholastik, Universalienstreit und Gründung vieler Mönchsordensgemeinschaften

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Die feine, höfische Liebe verlangte – wenn nicht im täglichen Leben, so doch zumindest in der Dichtung – eine unkörperliche Beziehung zwischen den Liebenden. Ein Durchbrechen dieser Grenze der Enthaltsamkeit hätte die Gültigkeit der Bindung zerstört. Der Ritter und seine Dame hätten niemals eine sexuelle Beziehung haben können. Sie hatte in der Regel einen adligen Ehemann, der meist älter war als sie (die Ehe war natürlich arrangiert worden), dem sie ihr Leben lang verpflichtet war und dem sie Kinder gebar. In den Augen ihres Ritters beeinträchtigte ihre Erfahrung von Sexualität und Mutterschaft keineswegs ihre Reinheit; doch damit war sein einziger Ausweg, seine sexuellen Bedürfnisse zu befriedigen und Nachkommen zu zeugen, eine Hure oder eine „gewöhnliche“ Frau.

Höfische Liebe konnte es innerhalb einer Ehe nicht geben, denn dann wäre die Frau zu einer gewöhnlichen Sterblichen geworden und nicht mehr Symbol des ewigen Strebens des Mannes. Durch ihre Ehe und ihre gesellschaftliche Stellung, die meist höher war als die des Ritters, war und blieb die Dame außer Reichweite. Er wiederum war und blieb außerhalb ihrer Reichweite, weil er stets gefährliche ritterliche Abenteuer zu bestehen und auch ihr Ehegelöbnis zu respektieren hatte. Im Hintergrund dieser fantastischen Vereinigung wachte die Figur des respektierten, aber gefürchteten ehelichen Gebieters, dessen Gegenwart das Ausagieren des Begehrens hemmte und gleichzeitig anregte. Es gibt nichts Reizvolleres als das Verbotene; dies ist der Impuls, der dem ödipalen Komplex seine große und anhaltende Macht verleiht. So hielten sich die höfisch Liebenden in Leidenschaft entflammt und litten unter einem intensiven Begehren, das nicht befriedigt werden durfte. Dieses Leiden sollte ihnen eine höhere Ebene der Liebe erschließen und sie in der Ekstase einer göttlichen Welt vereinigen. Besaß der Ritter nur ein wenig Talent, so würde ihn dies auch zu einigen wunderschönen Gedichten beflügeln.

Als Rückschau auf diese Glanzzeit wurden später berühmten Dichtern dieser Generation (Wolfram von Eschenbach, Walther von der Vogelweide) und fiktiven Konkurrenten (Klingsor als Romanfigur aus Wolframs Parzival, Heinrich von Ofterdingen) dialogische Strophen eines Minnesangwettstreits in den Mund gelegt. 2002 wurde im Palas auf der Wartburg ein dreitägiges Mittelalterfest als Sängerkrieg aufgeführt. Die in mittelalterlicher Kostümierung erschienenen Künstler spielten mit musikalischen Klängen und Gesängen auf dem mit etwa 900 Besuchern ausverkauften Gastspiel.[10]

Merkmale

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In dem Buch Traumvorstellung von Liebe. (1987) verfolgt Robert A. Johnson das Phänomen unserer westlichen Voreingenommenheit vom Verliebtsein zurück bis ins 12. und 13. Jahrhundert, zum Kult der höfischen Liebe. Er beschreibt die höfische Liebe als das machtvolle Auftreten eines weiblichen Archetyps im kollektiven Bewusstsein, der bis dahin von einer allzu patriarchalisch und rigide gewordenen Kultur geleugnet worden war. Die Erlösungssehnsucht, das Verlangen nach Gott sei „feminin“ in seiner Beziehung zu Gefühlen, zur Fantasie und der ozeanischen Welt der Mutter-Kind-Symbiose, und deshalb sei es Symbol eines allgemeinen menschlichen Bedürfnisses.

  • Ideal der unerreichbaren Liebe: Die Minne betonte oft die Unerreichbarkeit der Dame als Ideal, die in einer überhöhten, fast göttlichen Weise verehrt wurde. Diese Unerfüllbarkeit führte zu einem inneren Konflikt des Minnenden, der jedoch als Quelle der Inspiration und moralischer Läuterung betrachtet wurde.
  • Soziale Hierarchie: Die Minne war oft asymmetrisch. Ein Ritter oder Dichter verehrte eine adlige Dame, die in der Regel verheiratet und ihm sozial überlegen war. Dieses Konzept wurde auch als hohe Minne bezeichnet.
  • Ethik und Tugendhaftigkeit: Die Minne diente nicht nur der Unterhaltung, sondern hatte eine didaktische Funktion. Sie propagierte ritterliche Tugenden wie Treue, Tapferkeit und Höflichkeit.
  • Künstlerischer Ausdruck: Minnedichtung fand Ausdruck in Liedern, Balladen, Höfischen Romanen, die alle Gefühle des Werbenden, die Schönheit der Dame und die Ekstase des Leids unerfüllter Liebe schilderten. Wichtige Formen waren der Minnesang in Deutschland und die Canso in der provenzalischen Literatur.

Literatur- und Musiktradition

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Erhörung eines Bewerbers („Her[r] Kristan von Hamle“) im Codex Manesse

Minnelyrik und Minnesang

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„‚Schöne Frau‘, sagte er, ‚wenn es Euch gefiele und mir dieses Glück zuteil würde, dass Ihr mich lieben wolltet, (dann) könntet Ihr nichts befehlen, das ich nicht nach Kräften ausführe, ob es zu einer Torheit oder zu etwas Vernünftigem führt.‘“

Marie de France, ca. 1175[11]

„Wie sehne ich mich danach, ihn nur eine Nacht nackt an mich zu drücken – könnte ich nur einmal sein Kissen sein, er würde das Ausmaß der Freude nicht kennen … Ich gebe mein Herz, meine Liebe, meinen Geist, mein Leben, meine Augen.“

Beatriz de Dia (um 1140 – um 1212)[12]

Die Lyrik der höfischen Liebe, auch als Minnelyrik bekannt, war eine zentrale literarische Ausdrucksform des Mittelalters und entwickelte sich 1186 bis 1365 zur Zeit der Gotik, Scholastik und Gründung vieler Mönchsorden in den höfischen Gesellschaften Europas. Sie verband poetische, musikalische und soziale Elemente und stand im Dienst der höfischen Kultur und deren Idealen.

Die Wurzeln der Minnelyrik liegen in der Troubadour-Dichtung der Provence im 12. Jahrhundert. Herzog Wilhelm IX. (1071–1126), bekannt als der erste Trobador (BdT 183)[13], hatte eine neue Form der Liebesdichtung geschaffen, deren zentrales Motiv der Ritter war, der selbstlos sein ganzes Leben lang eine unerreichbare Dame als Ideal verehrte. Sie war seine Muse, die Verkörperung der Schönheit, Anmut und Grazie, die ihn dazu bewegte, edel, spirituell und von hohen Absichten getragen zu sein. Einige Liebesdichtungen sind auch von Frauen verfasst. Die höfische Liebe war keineswegs eine ausschließlich männliche Angelegenheit. Die noble Dame litt genauso wie ihr Ritter, zumindest auf dem Papier. Die Sehnsucht nach Erlösung und spiritueller Heimkehr, sich innerlich empfänglich zu machen für das Licht und den Fluss des Heiligen Geistes, um durch die persönliche Erkenntnis in eine unmittelbare Beziehung zu Gott zu gelangen (Heimführung der Seele in die Erfüllung und Vollendung ihres geistigen Lebens), war ein zentrales Motiv. So hielten sich die höfisch Liebenden in Leidenschaft entflammt und litten unter einem intensiven Begehren, das nicht befriedigt werden durfte. Dieses Leiden sollte ihnen eine höhere Ebene der Liebe erschließen und sie in der Ekstase einer göttlichen Welt vereinigen. Besaß der Ritter nur ein wenig Talent, so würde ihn dies auch zu einigen wunderschönen Gedichten beflügeln. Diese Tradition wurde in Nordfrankreich durch die Trouvères weiterentwickelt und von dort aus in andere Regionen Europas übernommen und angepasst. Dem altprovenzalischen Minnesänger, dem „chantador“ Bernart de Ventadorn, sind einige der schönsten trobadoresken Liebeslieder zu verdanken, zum Beispiel das Lerchenlied[4], die „canso“ «Quan vei l'alauzeta mover» (Wenn ich sehe, wie die Lerche [ihre Flügel] bewegt).

Im deutschsprachigen Raum entwickelte sich die Minnelyrik etwa ab Beginn der Gotik-Epoche 1186, inspiriert von französischen Vorbildern, wobei die Troubadours eine größere Rolle gespielt haben dürften als die Trouvères. Die Abhängigkeit von Frankreich begründet sich durch die Heirat Friedrich Barbarossas mit Beatrix von Burgund (1167). Der Poet und Trouvère Guiot de Provins folgte ihr nach Deutschland.[14] Trotzdem fand eine eigenständige Entwicklung statt, zumal die Anfänge der Minnelyrik im Donauraum noch kaum von Frankreich beeinflusst gewesen sein dürften. Die Überlieferung ist erheblich geringer als in Frankreich, die soziale Stellung der Lyriker ist eine andere, da anders als bei den Troubadours kaum Lyriker aus den untersten Gesellschaftsschichten zu finden sind. Stattdessen handelte es sich um Adlige (auch Dienstadel und Ritter), im Spätmittelalter auch um Bürger. Die Dichter, bekannt als Minnesänger, verbanden die neuen Formen der Liebeslyrik mit den Werten der ritterlichen und höfischen Kultur. Der Einfluss des Christentums und der Mariologie (Verehrung der Jungfrau Maria) prägte das Bild der Frau als reines und geistig übergeordnetes Wesen. Gleichzeitig war die Lyrik der Minne eng mit dem höfischen Leben verbunden. Sie diente als Ausdrucksmittel von ritterlicher Tugend, Liebes- und Erlösungssehnsucht sowie gesellschaftlicher Hierarchie.

Die Minnelyrik idealisierte die Liebe und stellte sie in den Kontext der höfischen Tugenden wie Treue, Demut und Tapferkeit. Zahlreiche feinsinnige Dichter machten kaum eine Unterscheidung zwischen heiliger und profaner Liebe, während andere dachten, die von Gott verliehenen geistigen Gaben und Tugenden seien dieselben wie diejenigen, die ein Liebender von seiner Geliebten empfängt. Die Ekstase des Leids in der großen Spannung zwischen Sehnsucht und Unerfüllbarkeit eines Liebesideals in der physisch-körperlichen Welt war ein zentrales Motiv.

Minnelyrik ist oft metrisch streng gedichtet mit einer Vorliebe für klare Strukturen und Reimformen. Typische Formen waren die Stollenform, die Leich und die Barform (zwei Stollen und ein Abgesang).

Die hohe Minnelyrik idealisiert die Dame, die Liebe bleibt meist unerfüllt. Sie symbolisiert eine moralisch erzieherische Aufgabe für den Minnesänger.

Die niedere Minnelyrik betont die sinnliche, erfüllbare Liebe, oft mit einem spielerischen oder ironischen Unterton.

Heinrich von Morungen ist berühmt für seine mystischen und oft spirituell überhöhten Liebeslieder. Sie idealisieren die Dame und die leidenschaftliche, doch oft unerfüllte Liebe. Walther von der Vogelweide war einer der bekanntesten Minnesänger, der sowohl die hohe als auch die niedere Minne thematisierte. Das berühmte Lied Unter der Linde behandelt die erfüllte, sinnliche Liebe mit einem ironischen Tonfall. Hartmann von Aue verknüpfte in seinen Liedern ritterliche Ethik und Liebeslyrik. Seine Werke zeigen oft eine starke Betonung der höfischen Ideale. Neidhart von Reuental setzte sich in seinen Liedern von der hohen Minne ab und thematisierte oft das bäuerliche Leben in der dörfischen Minne, einer parodisierten Form der höfischen Lyrik. Die Minnesänger trugen ihre Lieder oft mit musikalischer Begleitung vor, etwa auf der Laute oder der Fidel. Der Rhythmus und die Melodie unterstützten die poetischen Inhalte und verstärkten die emotionale Wirkung.

Die Minnelyrik war reich an Symbolen, etwa für Schönheit (Blumen, Frühling), Treue (Vögel, Bäume) oder Leid (Winter, Tränen). Die Lyrik der höfischen Liebe war geprägt von kunstvollen Metaphern, Wortspielen und rhetorischen Figuren, die die emotionale Tiefe und formale Eleganz betonten. Minnelyrik war ein Spiegel der höfischen Gesellschaft, in der ritterliche Ideale und gesellschaftliche Hierarchien inszeniert wurden. Sie diente zugleich als Medium der Unterhaltung und der kulturellen Bildung.

Mit dem Miedergang des Rittertums ab 1365 wurde die Minnelyrik durch neue Formen wie die Meistersang-Tradition abgelöst, behielt jedoch ihre Bedeutung als Inspiration für spätere Epochen wie die Romantik und Moderne (1802–2020).

Die Lyrik der höfischen Liebe beeinflusste nachhaltig die europäische Literatur, insbesondere die Entwicklung der Liebeslyrik und der musikalischen Dichtung. Sie prägte Vorstellungen von romantischer Liebe, wie sie auch in der modernen Kultur fortleben (vgl. The Vocal Trinity Whitney Houston, Mariah Carey und Celine Dion).

Höfischer Roman

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Der höfische Roman ist die epische Großform der höfischen Dichtung, die in der Mitte des 12. Jahrhunderts an den anglonormannischen Höfen Nordfrankreichs und Englands entstanden war. Chrétien de Troyes, einer der wichtigsten Autoren dieser Epoche, gilt als Begründer des höfischen Romans. Seine Versromane Erec et Enide (um 1170) bzw. Lancelot ou le Chevalier de la charette (etwa 1177–1181) haben darüber hinaus die Literatur und Kunst europaweit nachhaltig beeinflusst. Sie waren zum Beispiel Vorlage für die mittelhochdeutschen Epiker Hartmann von Aue (Erec 1180), Gottfried von Straßburg (Tristan, zwischen 1200 und 1210) und Wolfram von Eschenbach mit seinem Gralsepos Parzival (um 1200–1210).[15] Ab 1365 wurde der höfische Roman durch andere Formen wie die volkstümlichen Heldenepen und Prosaromane abgelöst.

Der höfische Roman schildert die Prüfungen und Heldentaten eines Ritters, die oft im Dienste eines höheren Ideals oder einer Dame stehen (ritterliche Abenteuer). Die ritterliche Liebe zur Dame ist ein zentraler Aspekt. Häufig ist sie mit Hindernissen verbunden, die es zu überwinden gibt (Minne und Liebe). Die Handlung ist oft eine Reise oder Suche (z. B. nach dem Heiligen Gral), die zugleich eine innere Läuterung, spirituelle Erlösung und Vereinigung des Protagonisten darstellt. Der höfische Roman ist meist in Versen geschrieben, später auch in Prosa. Er folgt einer episodischen Struktur, in der Abenteuer und Prüfungen aneinandergereiht sind. Der Held ist ein idealisierter Ritter, der Tugenden wie Tapferkeit, Treue, Großzügigkeit und Höflichkeit verkörpert. Die Dame wird als Leitfigur und Inspirationsquelle dargestellt, oft unerreichbar und idealisiert. Nebenfiguren wie Magier, Könige, Rivalen oder Freunde ergänzen das Figurenensamble.

Typische Motive sind die Erlösungssehnsucht, Kämpfe gegen Drachen oder Riesen, magische Artefakte und die Überwindung von Hindernissen. Symbolische Elemente wie der Gral, Ritterrüstungen oder Landschaften spiegeln innere Zustände oder moralische Herausforderungen wider.

Der Artus-Stoff basiert auf den Legenden um King Arthur und die Ritter der Tafelrunde. Autoren wie Chrétien de Troyes und Wolfram von Eschenbach (Parzifal) entwickelten diesen Stoff zu einem idealisierten Bild ritterlicher Ordensgemeinschaft. Typische Themen sind die Gralsscuhe, die Liebe zwischen Lancelot und Guinevere oder die Abenteuer einzelner Ritter wie Gawain.

Geschichten aus der klassischen Antike, etwa über Alexander den Großen, Aeneas oder Troja, wurden in den höfischen Kontext übertragen. Diese Stoffe verbanden die ritterlichen Werte des Mittelalters mit antiken Heldenerzählungen (z. B. Der Trojanerkrieg des Konrad von Würzburg).

Die tragische Liebesgeschichte von Tristan und Isolde war ein beliebtes Thema. In der deutschsprachigen Literatur wurde sie durch Gottfried von Straßburg (Tristan und Isolde) bekannt.

Bretonische Lai sind kurze, oft märchenhafte Erzählungen mit fantastischen Elementen, die häufig in der Bretagne spielen. Marie de France war eine bedeutende Autorin dieser Form, die später Einfluss auf längere Romane hatte.

Allegorie

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Der Begriff Minne bezeichnete im frühen und hohen Mittelalter ganz allgemein die positive mentale und emotionale Zuwendung, das „freundliche Gedenken“, und wurde für die Beziehung der Menschen zu Gott und für Beziehungen der Menschen untereinander in sozialer, karitativer, freundschaftlicher, erotischer und sexueller Hinsicht gebraucht. Besonders charakteristisch für die höfische Kultur des Hochmittelalters wurde die Thematisierung speziell eines Aspekts: Des gesellschaftlichen Umgangs und der emotional-erotischen Beziehung zwischen Männern und Frauen. Diese Seite der Minne, die sich weitgehend mit der heutigen Idee der (Geschlechter-)Liebe deckt, wurde in Deutschland seit 1170 zu einem zentralen Thema in der Lyrik (Minnesang) und Epik (höfischer Roman[16]). In diesem Prozess erfuhr Minne eine Stilisierung zu einem Ideal platonischer Liebe, das vor allem den unverbrüchlichen ritterlichen Dienst für eine Dame, die Unterwerfung unter ihren Willen und die Werbung um ihre Gunst bedeutete (so genannte Hohe Minne). Vor allem im 12. bis 14. Jahrhundert bezeichnete Minne diesen „fin’amors“ oder „amour courtois“ (höfische, adlige Liebe) der romanisch geprägten Ritterkultur. Die autobiografische Erzählung Ulrichs von Liechtenstein über seinen Frauendienst berichtet humorvoll im Detail von den zuweilen fast grotesken Diensten, die ein Ritter für seine Dame vollbringen sollte. Es ist umstritten, ob dieses Ideal, das vor allem in der Gesellschaftskunst des Minnesangs gepflegt wurde, auch eine Bedeutung für das reale Leben des Ritterstandes hatte oder ob es sich eher um ein literarisches, fiktionales Spiel handelte.

Kontroverse

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Aus der Sicht unserer Zeit, die sich im Geiste der Aufklärung seit 1969 auch sexuelle Befreiung auf die Fahne geschrieben hat, erscheint die höfische Liebe pervers und pathologisch oder bestenfalls lächerlich. Heutzutage findet man kaum mehr jemanden, der sich aufgrund einer bestimmten romantischen und religiösen Philosophie freiwillig für so eine Beziehung entscheidet – obwohl man in der Beziehung eines Klerikers oder Mönches zur Heiligen Jungfrau Maria bzw. in der einer Nonne zu Christus ein ähnliches Muster sehen mag. Doch die zugrunde liegende Dynamik existiert noch immer und bildet einen wichtigen Bestandteil der freudschen Definition des Ich-Ideals. Wenn moderne Liebesbeziehungen neben dem romantischen auch ein sexuelles Moment haben, so macht sie das nicht unbedingt realer. Das Element der Unerreichbarkeit, das für die mittelalterliche höfische Liebe so wesentlich war, wirkt auf Träumer, Visionäre, Mystiker, Romantiker, Idealisten und Fantasten häufig so anziehend wie das Licht auf die Motte. Man erkennt bei der leidenden Person, was für alle – außer für das Opfer selbst – ganz offensichtlich ist: Willentlich, wenn auch unbewusst, wird jede Möglichkeit vereitelt, eine echte Beziehung herzustellen, die auch im täglichen Leben funktionieren kann. Das mag auch trotz lautstarker Beteuerungen des Wunsches nach Bindung und Partnerschaft zutreffen. Früher eingegangene Verpflichtungen oder die geographische Entfernung können Hinderungsgründe sein, vielleicht verbietet auch ein religiöser oder spiritueller ethischer Kodex eine Vereinigung, oder ein unabänderliches emotionales oder körperliches Problem lässt die Beziehung für immer unerfüllt bleiben. Der sich entziehende Liebende kann auch körperlich anwesend oder sogar der offizielle Gatte sein – die Unerreichbarkeit hat viele Gesichter: Sexuelles Desinteresse, Krankheit, Impotenz, Untreue, Alkoholismus, Drogenabhängigkeit oder ein Beruf, der zum Reisen zwingt, sind nur einige von vielen Möglichkeiten, die dem hingebungsvoll Leidenden zur Verfügung stehen. Wie die Schönheit mag auch die Unerreichbarkeit im Auge des Betrachters liegen: Wenn man mehr Liebe vom Partner will, als je ein Mensch geben kann, dann ist er einem selbst unerreichbar, auch wenn er einen wirklich liebt.

Psychoanalytiker erkennen hier zweifellos das vertraute Muster des moralischen Masochismus wieder – das Bedürfnis, für eine Verfehlung zu büßen. Auch die ödipale und inzestuöse Natur des Dreiecks der höfischen Liebe ist offensichtlich. Sie erzeugt ihre eigene Schuld und damit die Notwendigkeit einer Bestrafung. Das Verlangen nach dem Unerreichbaren (Gott) kann, auch wenn es widersinnig erscheint, ein intelligenter psychologischer Mechanismus sein, denn es öffnet die Tür ins Reich der kreativen Fantasie und bewirkt zugleich Frustration und Unglück. In der Erschließung der Fantasie zeigen sich die tiefere Bedeutung und der „Sinn“ dieser Erfahrung, das Unglück ist der Preis, den man emotional oder physisch dafür bezahlt.

Literatur

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Wiktionary: Minne – Bedeutungserklärungen, Wortherkunft, Synonyme, Übersetzungen
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Anmerkungen

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  1. Boase, Roger; Bornstein, Diane (1983): „Courtly love“. Dictionary of the Middle Ages, Vol. 3, S. 667–674
  2. Paris, Gaston (1883). "Des sur les romans de la Table Ronde: Lancelot du Lac, II: Le conte de la charrette " [Studien über die Romanzen des Runden Tisches: Lancelot du Lac, II: Die Geschichte des Wagens]. Rumänien (auf Französisch). 12 (48): 459–534. JSTOR 45041910.
  3. Mott, Lewis Freeman (1896). Das System der höfischen Liebe. Athenaeum Presse
  4. Lazar, Mosché (1964): Amour courtois et „fin'amors“ dans le littérature du XII si'cle [Höfische Liebe und „Fin'amors“ in der Literatur des 12. Jahrhunderts] (auf Französisch). Librairie C. Klincksieck.
  5. Die Bibel. Einheitsübersetzung mit farbigem Bild- und Informationsteil, hrsg. im Auftrag der Bischöfe Deutschlands, Österreichs, der Schweiz, des Bischofs von Luxemburg, des Bischofs von Lüttich, des Bischofs von Bozen-Brixen, des Rates der Evangelischen Kirche in Deutschland und der Deutschen Bibelgesellschaft, 6. Aufl. 2012 Verlag Katholisches Bibelwerk GmbH, Stuttgart, S. 1272
  6. A.T. Mann & Jane Lyle: Mystische Sexualität, Kap. 3 Niedergang des Weiblichen, S. 33
  7. A.T. Mann & Jane Lyle: Mystische Sexualität, Kap. 12 Mittelalterliche Romantik, S. 160
  8. A.T. Mann & Jane Lyle: Mystische Sexualität, Kap. 12 Mittelalterliche Romantik, S. 162
  9. BdT dieses Kürzel verweist auf das Standardwerk: Alfred Pillet, Henry Carstens: Bibliographie der Troubadours (Kürzel: BdT), Max Niemeyer Halle 1933. Ristampa anastatica dell’edizione Halle (Saale), Max Niemeyer Verlag, 1933, a cura di Paolo Borso e Roberto Tagliani. Ledizioni Milano 2013, ISBN 978-88-95994-64-2. 460 Trobadore sind hier namentlich aufgelistet und in alphabetischer Reihenfolge durchnummeriert von 1. Ademar bis 460. Vescoms de Torena. « Lo coms de Peiteus »(sic), also Wilhelm IX., trägt die Nummer 183.
  10. (eol/rbr): [https://www.eisenachonline.de/kultur/saengerkrieg-wiederholung-nach-fast-800-jahren-4455 Sängerkrieg: Wiederholung nach fast 800 Jahren. WartburgkreisOnline, 9. September 2002, abgerufen am 22. November 2024: „Der Einladung zum Sängerstreit folgten namhafte Sänger und Musikanten. Gekommen waren Karsten Wolfewicz («Truchsess von Weissensee») Gesang und gotische Harfe, Exaquier; Marc Lewon («Markus von Schadeck») Gesang und Mandora, Nyckelharpa; Dr. Almut Kirchner («La Trobadora») Gesang und gotische Harfe; Peter Rabanser («Pirino da Selva») Gesang und Tanburita, Ud; Duo Robert Weinkauf («Anselm an der Amselalm») und Kay Krause («Kroesus Kraushaar») Gesang und Mittelalterlaute; Hans Hegner («Der Fundevogel») Gesang, Symphonia, Einhandflöte und Borduntrommel. Landgraf und Sophie wurden von Jan Seidel und Jana Pardeß dargestellt, Jörg Peukert war der «Orator de Novo Castro» und Cornelia Schütte tanzte als «Yasmina, die liebliche Tänzerin». Drei Abende mit Gesang, Unterhaltung, Lyrik, Tanz und Musik machten die Zeit des Mittelalters lebendig.“
  11. Marie de France, ca. 1175, übersetzt von Dietmar Rieger, W. Fink, München 1980
  12. Gedicht aus An Anthology of the Provençal Troubadours, Raymond Hill and Thomas G. Burgin (ed.), 1941, S. 96
  13. BdT dieses Kürzel verweist auf das Standardwerk: Alfred Pillet, Henry Carstens: Bibliographie der Troubadours (Kürzel: BdT), Max Niemeyer Halle 1933. Ristampa anastatica dell’edizione Halle (Saale), Max Niemeyer Verlag, 1933, a cura di Paolo Borso e Roberto Tagliani. Ledizioni Milano 2013, ISBN 978-88-95994-64-2. 460 Trobadore sind hier namentlich aufgelistet und in alphabetischer Reihenfolge durchnummeriert von 1. Ademar bis 460. Vescoms de Torena. « Lo coms de Peiteus »(sic), also Wilhelm IX., trägt die Nummer 183.
  14. Karl H. Wörner: Geschichte der Musik. Ein Studien- und Nachschlagebuch, 8.Aufl., Vandenhoek & Ruprecht, S. 78
  15. Bernd Roeck: Der Morgen der Welt. 1. Auflage. C.H. Beck, 2017, ISBN 978-3-406-74119-7, S. 280
  16. Vgl. etwa Gerhard Bauer: Parzival und die Minne. In: Euphorion. Band 57, 1963, S. 67–96.
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