Die orthogonale (senkrechte) Axonometrie bietet ein relativ einfaches Verfahren, um aus zwei zugeordneten Rissen (Grund- und Aufriss) eine orthogonale Parallelprojektion eines Objektes herzustellen. Dabei bedient man sich eines Einschneideverfahrens, für das zwar die Bilder der Koordinatenachsen noch (fast) frei gewählt werden können, aber die Orientierungen von Grund- und Aufriss mit dieser Wahl schon fest liegen. Die Vorteile einer orthogonalen Axonometrie sind gute Bildwirkung, frei wählbare Projektionsrichtung, dass der Umriss einer Kugel ein Kreis ist und ein schnelles Einschneideverfahren: Man muss nicht einzelne Koordinaten verkürzen und antragen. Es genügt, Parallelen zu den Einschneiderichtungen zu zeichnen und zugeordnete Strahlen zu schneiden.

Orthogonale Axonometrie: Einschneideverfahren
Beispiel: Haus mit Einschneideverfahren (orth. Axonom.)

Beschreibung des Verfahrens

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Man geht von einem Grundriss in der xy-Ebene und einem Aufriss in der yz-Ebene aus.

  1. Man wähle in der Bildtafel (Zeichenebene) die Bilder der 3 Koordinatenachsen (nicht alle auf einer Gerade).
  2. Auf einer der Achsen, z. B. x-Achse, wählt man einen Punkt als Spurpunkt der Bildtafel, z. B.   und konstruiert die Spurpunkte   unter Beachtung, dass die Bilder der Koordinatenachsen die Höhen im Spurpunktdreieck sind. (Das Bild des Koordinatenursprungs ist der Höhenschnittpunkt.)
  3. Der Schnitt des Thaleskreises über   mit dem Bild der z-Achse liefert den in die Bildtafel hineingedrehten Nullpunkt   des Grundrisses. Durch Herausziehen des Umgeklappten Grundrisses in Richtung des Bildes der z-Achse (1. Einschneiderichtung) ergibt sich die Lage des Grundrisses für das anschließende Einschneideverfahren.
  4. Analog verfährt man, um die Lage des Aufrisses für das Einschneideverfahren zu bestimmen.
  5. Durchführung des Einschneideverfahrens.

Begründung des Verfahrens

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Orthogonale Axonometrie: Lage des Grundrisses f. d. Einschneideverfahren

Eine orthogonale Parallelprojektion ist durch Angabe der Projektionsrichtung   eindeutig bestimmt. Die Bildtafel ist senkrecht zur Projektionsrichtung und kann entlang der Projektionsrichtung beliebig verschoben werden. Um ein anschauliches Bild von dem räumlichen Objekt zu erhalten, wählt man eine Projektionsrichtung nicht parallel zu einer der Koordinatenachsen. Also schneiden die 3 Koordinatenachsen die Bildtafel in Spurpunkten  , dem Spurpunktdreieck. Mit der Wahl eines Spurpunktes liegen die restlichen beiden fest. Die Bilder der Koordinatenachsen sind die Höhen des Spurpunktdreiecks und das Bild des Koordinatenursprungs der Schnittpunkt dieser Höhen. Beim Umklappen der Grundrissebene (xy-Ebene) um die Spurgerade   bewegt sich das Bild des Nullpunktes   auf der  -Achse in den Punkt  . Die Spurpunkte   bleiben bei dem Drehvorgang unverändert. Also ist die Gerade durch   die in die Bildtafel geklappte x-Achse. Analog erhält man die umgeklappte y-Achse und damit die unverzerrte Grundrissebene (xy-Ebene). Um das zu zeichnende Bild nicht zu stören, zieht man den Grundriss in Richtung der  -Achse nach unten. Analog verfährt man mit dem Aufriss (yz-Ebene). Die für das Einschneideverfahren wichtigen Einschneiderichtungen sind die Richtungen der  -Achse und  -Achse.

Kugel und Kreis

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Ellipse: Punkt-Konstruktion mit Hilfe der Scheitelkreise
 
Orthogonale Axonometrie: Kugel und Zylinder

Kugeln sind in orthogonaler Axonometrie besonders leicht abzubilden: Der Umriss einer Kugel ist ein Kreis mit dem Radius der Kugel. Um eine Kugel abzubilden, muss also nur das Bild des Mittelpunktes der Kugel bestimmt und dann der Umrisskreis gezeichnet werden. In einer schiefen Parallelprojektion ist der Umriss einer Kugel immer eine Ellipse, deren Achsen erst mühsam bestimmt werden müssen.

Die Parallelprojektion eines Kreises, der zur Bildtafel parallel ist, ist ein unverzerrter Kreis. In jedem anderen Fall wird ein Kreis auf eine Ellipse abgebildet, deren Mittelpunkt das Bild des Kreismittelpunktes ist. Die Richtungen der Hauptachsen und die Größe der Halbachsen müssen i. a. mit der Rytz-Konstruktion bestimmt werden.

Bei einer orthogonalen Parallelprojektion wird derjenige Durchmesser eines Kreises, der parallel zur Bildtafel ist, unverzerrt auf die große Hauptachse der Bildellipse abgebildet. D. h. Mittelpunkt, die Hauptachsenrichtungen und die große Halbachse (= Kreisradius) sind im Bild bekannt. Die Größe der kleinen Halbachse ermittelt man gemäß der Abbildung „Ellipse: Punkt-Konstruktion mit Hilfe der Scheitelkreise“, indem man die Kenntnis der großen Hauptachse und eines Ellipsenpunktes voraussetzt. Im Beispiel sind Boden- und Deckelkreise eines Zylinders parallel zur xy-Ebene. Geraden der xy-Ebene, die parallel zur Bildtafel sind, sind alle parallel zur Spurgerade  . Also wird der Durchmesser des Bodenkreises, der parallel zu dieser Spurgerade ist, unverzerrt abgebildet. Als Ellipsenpunkt zur Konstruktion der kleinen Halbachse wird hier der Kreispunkt auf der x-Achse verwendet. Das Bild des Deckelkreises des Zylinders ist das Bild des Bodenkreises in den Deckel verschoben.

Alternative Vorgaben

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Orthogonale Axonometrie: Vorgabe der Projektionsrichtung

Statt der oben angegebenen Vorgabe der Achsenbilder kann man auch

  • das Spurpunktdreieck vorgeben. Die Achsenbilder sind dann die Höhen dieses Dreiecks und das Bild des Koordinatenursprungs ist der Höhenschnittpunkt.
  • die Projektionsrichtung   in Grund- und Aufriss vorgeben (s. Bild). Zur Konstruktion des Spurpunktdreiecks wählt man einen beliebigen Punkt der x-Achse als  . Da die Spur   senkrecht zu   verlaufen muss, ergibt sich   als Schnittpunkt des Lotes von   auf   mit der y-Achse im Grundriss. Mit dem analogen Argument im Aufriss findet man   (s. Bild). Die Längen der Seiten   und   erkennt man im Grund- bzw. Aufriss. Die Länge von   ergibt sich durch Paralleldrehen zur Aufrissebene (s. wahre Länge). Damit sind alle Seitenlängen des Spurpunktdreiecks bekannt und das Dreieck kann gezeichnet werden. (Die Zahlen in der Zeichnung geben die Reihenfolge der Konstruktionsschritte an.)

Umkehrung des Verfahrens

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Geht man von einem Bild in orthogonaler Parallelprojektion aus, bei dem die Bilder der Achsen erkennbar sind, so lässt sich die Umkehrung des obigen Einschneideverfahrens dazu benutzen, um Grund- und Aufriss zu rekonstruieren. Auch die Projektions-Richtung ist in der Rekonstruktion zu erkennen.

Beispiel: Rekonstruktion eines Aufrisses

 
Rekonstruktion eines Aufrisses eines in orthogonaler Axonometrie gegebenen Kreuzgewölbes. (rot: Spurdreieck)

Gegeben: orthogonale Axonometrie eines Kreuzgewölbes.

Gesucht: ein Aufriss, um die wahren Maße festzustellen.

Lösungsschritte:

  1. Wahl eines Spurpunktes: hier der Mittelpunkt des rechten Randkreises.
  2. Vervollständigung des Spurdreiecks (rot, s. o.)
  3. Herausziehen des rechten Aufrisses: a) Parallele zur rechten Dreiecksseite, zugehörige Spurpunkte, Thaleskreis. b) Schnitt des Thaleskreises mit der zugehörigen Einschneidegerade durch den Ursprung. c) Zeichnen der Aufrissachsen.
  4. Rekonstruktion wesentlicher Punkte (s. Zeichnung).

Mögliche Verkürzungen

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Bei einer orthogonalen Axonometrie können, im Gegensatz zu einer allgemeinen Axonometrie, nicht beliebige Verkürzungen   auftreten. Man sieht leicht ein (siehe oben), dass alle Verkürzungen kleiner oder gleich   sind. Aber nicht beliebige drei Zahlen kleiner oder gleich   können als Verkürzungen auftreten. Um festzustellen, welche Tripel möglich sind, werden die Verkürzungen für eine beliebige orthogonale Axonometrie bestimmt:

Die Bildtafel möge den Nullpunkt des Koordinatensystems enthalten und die negative Projektionsrichtung   (Einheitsnormale der Bildebene) werde durch den Ortsvektor eines Punktes auf der Einheitskugel beschrieben. Die Projektion lässt sich alo so beschreiben:

  mit
 

Die Winkel   kann man sich als geographische Länge bzw. Breite vorstellen. Die Normalenvektoren liegen im 1. Oktanten der Einheitskugel.

 
Orthogonale Axonometrie: mögliche Verkürzungen sind die Koordinaten der blauen Kugelpunkte
 
Bilder der Achsen und Basisvektoren
(hier: für   ist  )

Die Bilder der Basisvektoren   sind:

 

Deren Längen   sind die axonometrischen Verkürzungen:

  •  

Hieraus ergibt sich [1]

  •  

Es sind also nur solche Verkürzungen möglich, die Koordinaten von Punkten der Kugel   sind und dort innerhalb des durch   beschriebenen Kreisdreiecks liegen (siehe Bild).

Um die Winkel   zwischen den Bildern des 1. und 3. bzw. 2. und 3. Basisvektors zu bestimmen, benötigt man

 

Es ist

 
 

Ingenieuraxonometrie

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Für die Ingenieuraxonometrie ist  .
Einsetzen in die Kugelgleichung liefert   und daraus

  •  

Aus   folgt  

Aus   und   ergibt sich   und  . Also ist

 
 
 
 

Um die für die Ingenieuraxonometrie üblichen Verkürzungen   zu erreichen, muss man an die orthogonale Projektion noch eine Skalierung mit dem Faktor   anschließen. (Eine Skalierung ändert die Winkel   nicht.)

Isometrie

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Für eine Isometrie gilt  . Einsetzen in die Kugelgleichung liefert

  •  

Setzt man dieses Ergebnis in die Gleichungen für die Verkürzungen ein, erhält man zunächst   und damit  . Die Projektionswinkel sind

 

Damit ist

 
  und
 

Die Standard-Isometrie mit   ergibt sich, wenn man die orthogonale Projektion mit einer Skalierung mit dem Faktor   kombiniert.

Einzelnachweise

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  1. E. L. Stiefel: Lehrbuch der Darstellenden Geometrie. Springer-Verlag, Basel 1947, ISBN 978-3-0348-4098-9, S. 40.

Literatur

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