Der (totale) periphere Widerstand (englisch total peripheral resistance, TPR) ist eine Größe aus der Physiologie des Herzkreislaufsystems mit medizinischer Bedeutung. Sie quantifiziert den Widerstand, den die Blutgefäße und die Viskosität des Blutes dem vom Herzen generierten Volumenstrom entgegensetzen. Peripher heißt in diesem Zusammenhang „außerhalb des Herzens“ in den Gefäßen begründet; ein erhöhter nichtperipherer Widerstand würde z. B. von einer verengten Aortenklappe ausgehen.

Der periphere Widerstand kann im Rahmen der Kreislaufregulation variieren. Er sinkt durch eine Weitung (Dilatation) und steigt durch eine Verengung (Konstriktion) der Arteriolen, die lokal die Durchblutung bestimmen. Eine Gefäßverengung wird durch den Sympathikus vermittelt und wirkt als Teil des Baroreflexes kurzfristig Abfällen des Blutdrucks entgegen. Die meisten Antihypertensiva bewirken durch gefäßerweiternde Eigenschaften (Vasodilatation) eine Senkung des peripheren Gesamtwiderstandes.[1]

Diese Definitionen beziehen sich ausschließlich auf den arteriellen Schenkel der beiden Blutkreisläufe. Analoges gilt jedoch auch für die venösen Schenkel im kleinen Kreislauf und im großen Kreislauf. „Die Größe des venösen Rückstromes aus der Peripherie zum Herzen ist dem intravasalen Blutdruckgefälle zwischen Peripherie und Herzen proportional und dem Strömungswiderstand der durchströmten Venen umgekehrt proportional.“[2]

Synonyme

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Synonyme sind: Kreislaufwiderstand, Gefäßwiderstand, Auswurfwiderstand,[3] Nachlast (Afterload), hämodynamischer Widerstand,[4] Nachbelastung,[5] Gesamtkörperkreislaufwiderstand, peripherer vaskulärer Widerstand und peripherer Gesamtgefäßwiderstand.

Physiologie

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Die Dehnbarkeit und die Steifigkeit der Blutgefäße beeinflussen den peripheren Widerstand. Die Tatsache, dass der periphere Widerstand näherungsweise der Quotient aus Blutdruck und Herzzeitvolumen ist, nennt man Druck-Durchfluss-Beziehung.[6] Dass das Herzzeitvolumen näherungsweise der Quotient aus Blutdruck und peripherem Widerstand[7] oder auch die Quadratwurzel des Quotienten aus Herzleistung und peripherem Widerstand ist, gilt unabhängig voneinander für den kleinen und für den großen Blutkreislauf sowie für Arterien und Venen.

Definition

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Die Differenz[8] zwischen mittlerem arteriellen Blutdruck und zentralem Venendruck ist der Antrieb für den Blutstrom durch den Körperkreislauf. Der periphere Widerstand ist (analog zum ohmschen Widerstand) als Quotient von Druckdifferenz   und Herzzeitvolumen   (HZV) definiert:[9][10][11][12] Das gilt sowohl für den (kleinen) Lungenkreislauf wie auch für den (großen) Körperkreislauf; im kleinen Kreislauf entspricht die Druckdifferenz dem pulmonalarteriellen Druck.

Die Formel   gilt als „Ohmsches Gesetz des Herzens“:[13]  .

Die SI-Einheit des peripheren Widerstandes ist Pa·s/m3N·s/m5. Zu älteren Widerstandseinheiten besteht die Beziehung 1 mmHg/(l/min) = 1 mmHg·min/l = 7.999.320 N·s/m5 ≈ 80 dyn·sek/cm5. Die Dimension des peripheren Widerstandes ist der Quotient der Dimensionen von Druck und Volumenfluss. Der Druck hat die Dimension ML−1T−2. Der Volumenfluss hat die Dimension L3T−1. Also hat der periphere Widerstand die Dimension ML−4T−1.

Der periphere Widerstand ergibt sich aus einzelnen Gefäßwiderständen unter sinngemäßer Anwendung der Regeln zur Addition von elektrischen Widerständen in Reihen- und Parallelschaltung.

Die Messung des peripheren Widerstands besteht in der Messung der Druckdifferenz und des Herzzeitvolumens. Die Drücke können bei einer Herzkatheteruntersuchung genau bestimmt werden. Unter Verwendung eines Tabellenwerts für den zentralen Venendruck und einer Faustformel zur Berechnung des mittleren arteriellen Drucks sind (mit geringer Genauigkeit) auch systolischer und diastolischer Blutdruck aus der gewöhnlichen Blutdruckmessung verwertbar.

Das Herzzeitvolumen kann beispielsweise durch Echokardiografie oder Impedanzkardiografie bestimmt werden.

Grob abgeschätzt werden kann der periphere Widerstand an der Hauttemperatur (kühle Haut: hoher peripherer Widerstand; warme Haut: niedriger peripherer Widerstand). Der Schockindex (Herzfrequenz dividiert durch den arteriellen Blutdruck) kann als Maß für den peripheren Widerstand angesehen werden, wobei ein normales Schlagvolumen vorausgesetzt werden muss, sodass von der Herzfrequenz auf das Herzzeitvolumen geschlossen werden kann. Ein niedriger peripherer Widerstand äußert sich dann in einem hohen Schockindex.

Normalwerte[14]

  • Großer Kreislauf: systemischer oder peripherer Gefäßwiderstand (SVR): 900–1400 dyn×sec×cm−5 = 11,3–17,5 mmHg×min/l = 90–140 N×s/m5
  • Kleiner Kreislauf: pulmonaler Gefäßwiderstand (PVR): 45–120 dyn×sec×cm−5 = 0,56–0,94 mmHg×min/l = 4,5–7,5 N×s/m5

Einflussfaktoren

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Zustände mit erhöhtem peripheren Widerstand

Zustände mit erniedrigtem peripheren Widerstand

  • dynamische Muskelarbeit, Erholung nach Muskelarbeit
  • verstärkte Durchblutung der Haut zur Wärmeabgabe
  • Schwangerschaft
  • Shunts
  • anaphylaktischer Schock
  • Hypoxie in den Gefäßen des großen Kreislaufes

Die Hyperthyreose (Schilddrüsenüberfunktion) ist ein Zustand, bei dem widerstandserhöhende und widerstandssenkende Einflüsse gleichzeitig wirksam sind. In der Summe wird der periphere Widerstand gesenkt.

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Einzelnachweise und Anmerkungen

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  1. Franz Gross, R. Gotzen (Hrsg.): Diurese und Gefäßerweiterung in der Hochdruck-Therapie. MMW Medizin Verlag, München 1982, ISBN 3-8208-1013-7, S. 36.
  2. K. Barbey: Physiologie der peripheren Venen. In: Wilhelm Schneider, Jürgen Walker: Kompendium der Phlebologie – Die chronische Venen-Insuffizienz in Theorie und Praxis, Verlag Wolf & Sohn, München 1984, ISBN 3-922979-13-0, S. 141–208, Zitat S. 146.
  3. Georg Sabin: Der kardiogene Schock, Verlag W. Kohlhammer, Stuttgart, Berlin, Köln, Mainz 1984, ISBN 3-17-008618-9, Seiten 26 und 30.
  4. Wolfgang Trautwein, Otto Heinrich Gauer, Hans-Peter Koepchen: Herz und Kreislauf, Urban & Schwarzenberg, München, Berlin, Wien 1972, ISBN 3-541-05411-5, S. 127.
  5. Myron G. Sulyma: Wörterbuch der Kardiologie, Medikon-Verlag, Band I (A–D), München 1983, ISBN 3-923066-02-X, S. 9 f.
  6. Walter Bleifeld, Christian W. Hamm: Herz und Kreislauf, Springer-Verlag, Berlin/Heidelberg/New York 1987, ISBN 3-540-17931-3.
  7. Schon Franz Volhard schrieb, dass "man den diastolischen Druck als Maß der [peripheren] Widerstände betrachten könne". Quelle: Hans Erhard Bock, K. H. Hildebrand, Hans Joachim Sarre (Hrsg.): Franz Volhard Erinnerungen, Schattauer Verlag, Stuttgart, New York 1982, ISBN 3-7845-0898-X, S. 65.
  8. Anderer Ansicht, H. Schieffer: Arterielle Hypertonie. Verlag Karl Thiemig, München 1983, OCLC 634917262, S. 11. Zitat: „Entsprechend dem Ohmschen Gesetz p = HZV x R wird der Blutdruck p garantiert durch das Produkt aus dem Herzzeitvolumen (HZV) und dem peripheren Widerstand (R).“ Maßgeblich ist also der tatsächliche Blutdruck und keine Druckdifferenz.
  9. Anderer Ansicht: Wolfgang Trautwein, Otto Heinrich Gauer, Hans-Peter Koepchen: Herz und Kreislauf. Urban & Schwarzenberg, München / Berlin / Wien 1972, ISBN 3-541-05411-5, S. 177: „Stromzeitvolumen oder Stromstärke I, Druck p und Widerstand W sind bei stationärer Strömung durch das Ohmsche Gesetz untereinander verknüpft: I=p/W.“
  10. Anderer Ansicht: Myron G. Sulyma: Wörterbuch der Kardiologie. Band III: L–Q. Medikon Verlag, München 1984, ISBN 3-923866-07-0, S. 551: „peripheral flow resistance: Peripherer Strömungswiderstand. Quotient aus Druckgefälle und Durchblutung.“
  11. Otto M. Hess, Rüdiger W. R. Simon (Hrsg.): Herzkatheter. Springer-Verlag, Berlin / Heidelberg 2000, ISBN 3-642-62957-1, S. 21: „Widerstand R als Quotient aus mittlerem Druckgradienten Δp und mittlerem Fluss Q als statischer oder Gleichstromwiderstand“.
  12. Anderer Ansicht: D. Kleinknecht et alii: Transplantation, Nephrectomy and Hypertension, in: Karl Klütsch, Ernst Wollheim, Hans-Jürgen Holtmeier (Hrsg.): Die Niere im Kreislauf, Georg Thieme Verlag, Stuttgart 1971, ISBN 3-13-468201-X, S. 219. Hier wird der totale periphere Widerstand (TPR) definiert als Quotient aus dem arteriellen Mitteldruck (MBP) und dem Herzzeitvolumen CO.
  13. Wolfgang Gebhardt: Zur Dynamik des gesunden und kranken menschlichen Herzens. Forum cardiologicum, Nummer 10, Boehringer Mannheim, Mannheim März 1967, S. 82 f.
  14. Christian Mewis, Reimer Riessen, Ioakim Spyridopoulos (Hrsg.): Kardiologie compact – Alles für Station und Facharztprüfung. 2. Auflage. Thieme, Stuttgart / New York 2006, ISBN 3-13-130742-0, S. 110 (books.google.de).
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