Polizeikultur

Wertmaßstäbe und Verhaltensmuster im Polizeidienst

Der Begriff Polizeikultur erfasst die Wertmaßstäbe und Verhaltensmuster, die für Polizisten in der Ausübung ihres Berufes prägend sind.[1]

Die Institution Polizei ist ein Teil der öffentlichen Verwaltung. Ihre Aufgaben und Ermächtigungen sind durch Gesetze festgelegt, zum Beispiel durch das Polizeigesetz und die Strafprozessordnung. Die Art und Weise, wie Polizisten die grundlegenden Regelungen im jeweiligen Einzelfall anwenden, kann jedoch nicht verwaltungstechnisch organisiert werden. Das konkrete Handeln wird vielmehr durch in der Institution ansozialisierte Muster beeinflusst. Andererseits darf der Einfluss des individuellen Polizisten auf sein Verhalten nicht unterschätzt werden.[2] Es kann zwischen der beruflichen Polizeikultur (Cop Culture[3]) und dem Verhalten in freizeitlichem Umfeld (Canteen Culture[4]) unterschieden werden.

Informelle Wertesysteme sind nicht spezifisch für die Organisationen der Polizei. Es ist jedoch irreführend, diesbezüglich von einer zentralen „Kultur“ zu sprechen – vielmehr gibt es viele verschiedene und kulturell plurale Wertvorstellungen innerhalb der Institution, die erst in der Gesamtschau eine solche Polizeikultur prägen. So verstanden kann auch von mehreren polizeilichen Subkulturen ausgegangen werden.[1]

Untersuchungen zu Polizistenkultur und Korpsgeist sind in den 90er Jahren in den USA durchgeführt worden. Gegenstand waren insbesondere polizeiliche Einsätze mit diskriminierendem, belästigendem oder unangemessen gewalttätigem Hintergrund, siehe auch Polizeigewalt.

Untersuchungen dieser Art zielen darauf ab, die Faktoren aufzuzeigen, die bestimmen, wie Polizisten meinen, ihre Aufgabe in der Praxis gut zu erfüllen. Es wurde gezeigt, dass im Spannungsfeld zwischen der Auseinandersetzung mit den gesellschaftlichen Realitäten (z. B.„Gesetz der Straße“), den Ansprüchen der Polizeimanager und den Erwartungen der eigenen Kollegen Verhaltensmuster entstehen, die von Männlichkeitsritualen (Überlegenheit, Respekt) und Gruppenprozessen (Verschwiegenheit, Anpassung) bestimmt sind.

Das oft über Generationen entstandene System von gemeinsamen Werten und Handlungsmustern wird unabhängig von den offiziellen Inhalten der Berufsausbildung in der Berufspraxis weitergegeben. Wer als Polizist oder Polizistin dauerhaft integriert sein will, passt sich den internen Regeln der Organisationskultur an (Konformität). Neuere Forschungen zeigen allerdings, dass der Prozess der Anpassung nicht stereotyp erfolgt und die Annahme einer festgefügten Polizeikultur zugunsten einer inhomogenen Vielfalt von Polizeimilieus differenziert werden muss.

Daneben artikuliert sich Polizeikultur als öffentlich kommuniziertes Rollenverständnis über die gesetzlichen Bestimmungen hinaus in Leitbildern, Selbstverständnissen und Grundsätzen. In der Bundesrepublik Deutschland legen der Bund, die Bundesländer und auch die einzelnen Polizeibehörden eigene Schwerpunkte nach innen und außen. Die Entstehungsprozesse und die Wirkung dieser normativen Polizeikultur auf das Verhalten der Polizisten und die Wahrnehmung der Polizei in der Öffentlichkeit sind Gegenstand aktuell laufender wissenschaftlicher Untersuchungen.

Literatur

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  • Rafael Behr: Cop Culture. Der Alltag des Gewaltmonopols. Männlichkeit, Handlungsmuster und Kultur in der Polizei. 2. Auflage, VS-Verlag, Wiesbaden 2008, ISBN 978-3-531-15917-1.
  • Rafael Behr: Polizeikultur. Routinen – Rituale – Reflexionen. Bausteine zu einer Theorie der Praxis der Polizei. VS Verlag, Wiesbaden 2006, ISBN 978-3-531-14584-6.
  • Rafael Behr: Polizei. Kultur.Gewalt., akademie-der-polizei.hamburg.de, 2013
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Einzelnachweise

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  1. a b Tim Newburn: Criminology. Routledge, 2017, S. 656 (englisch).
  2. Janet Chan: Changing Police Culture: Policing in a multicultural society. Cambridge University Press, 1997, ISBN 978-0-521-56420-5.
  3. vgl. Behr, 2000.
  4. Reiner, R.: The Politics of the Police. Oxford University Press, Oxford 2000 (englisch).
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