Progesteron

Gelbkörperhormon, organische Verbindung

Das C21-Steroidhormon Progesteron ist der wichtigste Vertreter der Gestagene (Gelbkörperhormone). Die Verbindung gehört zur Gruppe der Sexualhormone. Es handelt sich um die Basisstruktur der Progestine, der synthetischen Gestagen-Analoga.

Strukturformel
Strukturformel von Progesteron
Allgemeines
Freiname Progesteron
Andere Namen

Pregn-4-en-3,20-dion

Summenformel C21H30O2
Kurzbeschreibung

farblose Kristalle[1]

Externe Identifikatoren/Datenbanken
CAS-Nummer 57-83-0
EG-Nummer 200-350-6
ECHA-InfoCard 100.000.318
PubChem 5994
ChemSpider 5773
DrugBank DB00396
Wikidata Q26963
Arzneistoffangaben
ATC-Code

G03DA04

Wirkstoffklasse

Gestagen

Eigenschaften
Molare Masse 314,47 g·mol−1
Aggregatzustand

fest

Schmelzpunkt

127–131 °C (α-Form) oder 121 °C (β-Form)[2]

Löslichkeit
Sicherheitshinweise
Bitte die Befreiung von der Kennzeichnungspflicht für Arzneimittel, Medizinprodukte, Kosmetika, Lebensmittel und Futtermittel beachten
GHS-Gefahrstoffkennzeichnung[3]

Gefahr

H- und P-Sätze H: 351​‐​360FD​‐​362
P: 201​‐​202​‐​260​‐​263​‐​264​‐​308+313[3]
Toxikologische Daten

327 mg·kg−1 (LD50Mausi.p.)[4]

Soweit möglich und gebräuchlich, werden SI-Einheiten verwendet.
Wenn nicht anders vermerkt, gelten die angegebenen Daten bei Standardbedingungen (0 °C, 1000 hPa).

Bei Frauen wird Progesteron hauptsächlich vom Corpus luteum (Gelbkörper) in der zweiten Phase des Menstruationszyklus und in wesentlich höheren Mengen während der Schwangerschaft von der Plazenta gebildet. Bei Männern bilden die Leydig-Zwischenzellen in den Hoden den Hauptanteil. Geringe Progesteronmengen werden bei Frauen und Männern auch von der Nebennierenrinde synthetisiert. Im menschlichen Organismus wird Progesteron aus Cholesterin synthetisiert.

Progesteron regt das Wachstum der Gebärmutterschleimhaut an und bereitet diese auf die Einbettung einer befruchteten Eizelle vor. Kommt es zu einer Befruchtung der Eizelle, verhindert Progesteron eine weitere Follikelreifung; kommt es hingegen zu keiner Empfängnis, vermindert sich die Progesteronproduktion wieder und die Gebärmutterschleimhaut wird abgestoßen und ausgeschieden.

Entdeckung

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Progesteron wurde 1934 unabhängig von vier Arbeitsgruppen entdeckt: Willard Myron Allen, George W. Corner und Oskar Wintersteiner in den USA, Max Hartmann (1884–1952) und Albert Wettstein in der Schweiz, Adolf Butenandt und Ulrich Westphal sowie Heinrich Ruschig und Karl Slotta in Breslau.[5][6][7][8][9]

Willard Myron Allen entdeckte Progesteron zusammen mit seinem Anatomieprofessor George Washington Corner an der University of Rochester Medical School im Jahr 1933 und bestimmte als erster Schmelzpunkt, Molekülmasse und Partialstruktur. Er gab der Verbindung den Namen Progesteron, abgeleitet von Progestational Steroidal Keton.[10] Corner und Allen entwickelten 1928 am Kaninchenendometrium einen Test zur Bestimmung der Progesteron-Aktivität.[11]

Eigenschaften

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Volumenmodell von Progesteron

Progesteron ist ein kristalliner Feststoff. Die Verbindung tritt in drei polymorphen Kristallformen auf, die sich anhand ihres Schmelzpunktes unterscheiden lassen. Die thermodynamisch stabile Form I (α-Form) schmilzt bei 129 °C (ΔfH = 26,17 kJ/mol). Die beiden anderen Formen – Form II oder β-Form (Smp. 122 °C, ΔfH = 21,42 kJ/mol) und Form III (Smp. 104 °C, ΔfH = 16,13 kJ/mol) – sind metastabil und stehen monotrop zur Form I.[12]

Physiologie

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Schematische Darstellung der Biosynthese der Steroidhormone

Progesteron wird vor allem im Corpus luteum von den Granulosazellen und in der Plazenta synthetisiert und ausgeschüttet, in geringeren Mengen auch von anderen Geweben. Die Synthese geht vom Pregnenolon aus und benötigt das Enzym 3β-Hydroxysteroid-Dehydrogenase.

Die Ausschüttung des Hormons wird durch LH stimuliert. Die Freisetzung bewirkt die Dezidualisierung, eine für die Nidation benötigte Modifikation des proliferierten Endometriums, besonders deren Lamina functionalis, die dadurch drüsenreich und stark durchblutet wird (dann als Dezidua bezeichnet) sowie eine Anpassung der Uterusmuskulatur an den wachsenden Embryo.

In manchen steroidproduzierenden Zellen der Gonaden fungiert das Progesteron als Ausgangsstoff für die Synthese von Androgenen und Estrogenen.

Progesteron wird zu Pregnandiol metabolisiert und nach Glucuronidierung über den Urin ausgeschieden.

Pathophysiologie

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Erhöhte Progesteronwerte ergeben sich neben der Schwangerschaft vor allem bei Eierstocktumoren und beim adrenogenitalen Syndrom (AGS). Bei Zyklusstörungen und beim sogenannten Hypogonadismus, einer Unterentwicklung der Eierstöcke, ist die Progesteronkonzentration verringert.

Verwendung

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Progesteron wird zur Therapie der Endometriose verwendet.

Außerdem wird Progesteron in der Hormonersatztherapie eingesetzt; Progestagene (Progesteron-Derivate) dienen in der Minipille zur Empfängnisverhütung.

Herstellung

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Progesteron wird technisch in großen Mengen durch oxidativen Abbau von Stigmasterol (im Sojabohnenöl enthalten), Solanum-Alkaloiden oder aus dem Sapogenin Diosgenin gewonnen, das aus plantagenmäßig angebauten Yamswurzelgewächsen (Dioscoreaceae) isoliert wird.[1]

Handelsnamen

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Monopräparate

  • Arefam (A)
  • Crinone (D, CH)
  • Progestogel (D, CH)
  • Prolutex (D, CH)
  • Utrogest (D, CH)
  • Utrogestan (A, F)
  • Generikum (CH)

Siehe auch

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Literatur

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  • Lois Jovanovic, Genell J. Subak-Sharpe: Hormone. Das medizinische Handbuch für Frauen. (Originalausgabe: Hormones. The Woman’s Answerbook. Atheneum, New York 1987) Aus dem Amerikanischen von Margaret Auer, Kabel, Hamburg 1989, ISBN 3-8225-0100-X, S. 34, 88–92, 148 f., 204 ff., 384 und öfter.
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Wiktionary: Progesteron – Bedeutungserklärungen, Wortherkunft, Synonyme, Übersetzungen

Einzelnachweise

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  1. a b c d e Eintrag zu Progesteron. In: Römpp Online. Georg Thieme Verlag, abgerufen am 9. Dezember 2014.
  2. The Merck Index. An Encyclopaedia of Chemicals, Drugs and Biologicals. 14. Auflage, 2006, S. 1337, ISBN 978-0-911910-00-1.
  3. a b Datenblatt Progesterone ≥ 99 % bei Sigma-Aldrich, abgerufen am 10. November 2021 (PDF).
  4. Eintrag zu Progesterone in der ChemIDplus-Datenbank der United States National Library of Medicine (NLM) (Seite nicht mehr abrufbar)
  5. Butenandt A, Westphal U: Zur Isolierung und Charakterisierung des Corpusluteum-Hormons. In: Berichte Deutsche chemische Gesellschaft. 67. Jahrgang, 1934, S. 1440–1442, doi:10.1002/cber.19340670831.
  6. Hartmann M, Wettstein A: Ein krystallisiertes Hormon aus Corpus luteum. In: Helvetica Chimica Acta. 17. Jahrgang, 1934, S. 878–882, doi:10.1002/hlca.193401701111.
  7. Slotta KH, Ruschig H, Fels E: Reindarstellung der Hormone aus dem Corpusluteum. In: Berichte Deutsche chemische Gesellschaft. 67. Jahrgang, 1934, S. 1270–1273, doi:10.1002/cber.19340670729.
  8. Allen WM: The isolation of crystalline progestin. In: Science. 82. Jahrgang, Nr. 2118, 1935, S. 89–93, doi:10.1126/science.82.2118.89, PMID 17747122.
  9. W. M. Allen, Oskar Wintersteiner, Crystalline progestin, J. Biolog. Chem., Band 107, 1934, S. 321–335
  10. Allen WM: Progesterone: how did the name originate? In: South. Med. J. 63. Jahrgang, Nr. 10, 1970, S. 1151–5, PMID 4922128.
  11. Hans Heinz Simmer und Jochen Süss: Der Corner-Allen-Test. Die Entwicklung eines spezifischen semiquantitativen biologischen Nachweisverfahrens für das Gelbkörperhormon (Progesteron). In: Würzburger medizinhistorische Mitteilungen 17, 1998, S. 291–313, insbesondere S. 304–308.
  12. B. Legendre, Y. Feutelais, G. Defossemont: "Importance of heat capacity determination in homogeneous nucleation: application to progesterone", in: Thermochim. Acta, 2003, 400, S. 213–219; doi:10.1016/S0040-6031(02)00492-6.
  NODES
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