Säntis (Schiff, 1892)
Die Säntis war ein Seitenraddampfer, der ab 1892 als Passagierschiff auf dem Bodensee fuhr. Das Schiff wurde 1933 nach 41 Betriebsjahren ausgemustert und vor Romanshorn im See versenkt. Benannt war es nach dem Berg Säntis. An der Schaufelradverkleidung (Bande) des Schiffes wurde der Name Saentis geschrieben.[4]
Die Säntis um 1910
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Das Wrack liegt in 210 m Tiefe am Grund des Sees. Ein Schiffsbergeverein plant, das Schiff zu heben. Ein erster entsprechender Versuch scheiterte am 26. Mai 2024.
Geschichte
BearbeitenDas Schiff wurde 1892 als zweiter Halbsalondampfer der Schweizerischen Nordostbahn in Dienst gestellt und hatte wie die ähnliche Helvetia einen geschwungenen Klipperbug. In den Jahren 1897 und 1898 wurden mehrere Umbauten am Schiff vorgenommen, dabei erhielt es unter anderem einen senkrechten Bug.[5] Mit der Verstaatlichung der Nordostbahn kam die Säntis 1902 in den Besitz der Schweizerischen Bundesbahnen. 1905 wurden zwei neue Flammrohrkessel für den Heissdampfbetrieb eingebaut sowie eine grössere Rotonde auf dem Vorschiff, ein neues Steuerhaus, ein zusätzliches Windhutzenpaar und ein Grossmast. 1920 wurde das Schiff als erstes Dampfschiff auf dem Bodensee von Kohlen- auf Ölfeuerung umgestellt. Hierdurch konnte die Besatzung um einen Mann verringert werden.[6] Am 16. Januar 1908 kollidierte die Säntis im dichten Nebel mit der Hafenmauer von Rorschach.[6]
Nach 41 Betriebsjahren wurde das Schiff 1933 wegen einem Defekt des Dampfkessels ausgemustert.[7] Da die geringen Preise für Schrott in keinem Verhältnis zu den Abbruchkosten standen, wurde es am 2. Mai 1933 im Bodensee versenkt:[2][8] „Langsam verschwand vorerst der Bug des 50 Meter langen Schiffskörpers in den Wellen, bis schließlich das Heck mit der Flagge sich senkrecht hob und in der Tiefe verschwand.“[2] Um dem Untergang eine besondere Dramatik zu verleihen, wurden die Bodenventile geöffnet und im Schornstein eine Rauchpatrone gezündet.[9]
Die Nachfolgerin der Säntis war die 1933 gebaute Zürich. Dieses Schiff wird immer noch regelmässig im Kursbetrieb Romanshorn–Lindau eingesetzt (Stand 2023).[6][10]
Misslungene Hebungen
BearbeitenNachdem die frühere Eignerin, die Schweizerischen Bundesbahnen, 1943 die Hebung der versenkten Säntis geprüft hatte,[11] geriet das Wrack in Vergessenheit. Im Herbst 2013 wurde es bei Vermessungsarbeiten in 210 Meter Tiefe im See wiederentdeckt. Das Wrack ist wegen der Dunkelheit und der Sauerstoffarmut gut erhalten geblieben.[12]
Am 21. April 2023 kaufte der «Schiffsbergeverein Romanshorn», unter Leitung von Silvan Paganini, das Wrack für einen symbolischen Kaufpreis von einem Schweizer Franken von der Schweizerischen Bodensee-Schifffahrt.[13][14] Ziel war, es zu bergen und der Öffentlichkeit zugänglich zu machen. Es wurden zwei Methoden vorgeschlagen: die günstigere, aber riskantere Bergung mit Hebesäcken und die bessere, jedoch viel teurere Bergung mit Litzenhebern mithilfe des Fährschiffs Euregia.[15] Zwischenzeitlich war die Hebung mittels Luftsäcken geplant;[16][17] die Kosten wurden auf ca. 204'000 Franken veranschlagt.[18] Das Schiff soll von einer schwimmenden Plattform aus gehoben und in etwa zwölf Metern Tiefe näher am Ufer gelagert werden und ein Jahr später dann vollständig geborgen werden.[19][20]
Bei der Vorbereitung der Bergung wurden Leinen um das Wrack entfernt. Sie stammten aus dem Jahr 1957, als das Swissair-DC-3-Flugzeug HB-IRK bei einem Trainingsflug in der Nähe wegen eines Strömungsabrisses abstürzte und neun Besatzungsmitglieder starben. Auf der Suche nach dem Flugzeugwrack wurden damals zwischen zwei Schiffen gespannte Grundleinen über den Grund gezogen, dabei wurden viele Leinen um die Säntis gelegt.[21][22]
Am 6. Juli 2023 wurde der Kamin vom Schiffsbergeverein gehoben und nach Romanshorn übergeführt.[23] Die Finanzierung der Bergung wurde mit einer Crowdfunding-Kampagne im August 2023 erreicht.[24] Der Kanton Thurgau erachtete die Hebung der Säntis kulturell als wenig zielführend und lehnte eine finanzielle Förderung aus dem Lotteriefonds ab.[25]
Die Bergung war vorerst für März 2024,[26] dann für den 17. April 2024 geplant, musste jedoch abgesagt werden, weil bei den Vorbereitungen ein Stahlseil riss und ein Tauchroboter ausfiel.[27][28] Ein zweiter Versuch scheiterte am 26. Mai, da wegen einer defekten Bremse die Bergeplattform unkontrolliert neben dem Schiff aufschlug, sich in den Seegrund bohrte und teilweise auf das Wrack kippte. Das Wrack der Säntis ist nahezu unbeschädigt geblieben.[29] Danach waren zunächst keine weiteren Bergungsversuche geplant.[30][31] Am 8. Juni 2024 gab der Schiffsbergeverein bekannt, dass ein dritter Bergungsversuch unternommen werden soll. Dazu bedarf es erheblich größerer Mittel als bisher, weshalb erneut ein Crowdfunding unternommen wird. Bei Erreichen der Finanzierungsschwelle wird ein erneuter Versuch der Bergung unternommen.[32]
Schutz des Wracks
Bearbeiten2020 ratifizierte die Schweiz das Übereinkommen über den Schutz des Unterwasser-Kulturerbes. Dabei werden alle Spuren menschlicher Existenz, die über 100 Jahre ununterbrochen unter Wasser liegen, unter Schutz gestellt und dürfen nicht kommerziell ausgebeutet werden.[33] Somit bleibt noch bis 2033 Zeit, das Dampfschiff zu bergen.[34][35]
Weblinks
Bearbeiten- GD Säntis. In: bodenseeschifffahrt.de
- Schiffbergeverein
Einzelnachweise
Bearbeiten- ↑ Medienmitteilung: Bergung des Dampfschiffs Säntis. (PDF; 131 kB) In: dampferzeitung.ch. Schweizerische Bodensee-Schifffahrt AG, 21. April 2023, abgerufen am 21. April 2023 (Schweizer Hochdeutsch).
- ↑ a b c Versenkung eines Bodenseedampfers. In: Innsbrucker Nachrichten, 5. Mai 1933, S. 7 (online bei ANNO).
- ↑ Michèle Vaterlaus: «Der Obersee ist ein Schiffsfriedhof». In: tagblatt.ch. 18. November 2013, abgerufen am 22. September 2022 (Schweizer Hochdeutsch).
- ↑ Ulrich Mendelin: Verein hat genug Geld für Bergung der Säntis aus dem Bodensee gesammelt. In: Schwäbische Zeitung vom 23. August 2023, mit Bild des Bugs.
- ↑ SD Säntis. Abgerufen am 21. September 2022.
- ↑ a b c Online-Zugang zum Bundesarchiv. Abgerufen am 21. September 2022.
- ↑ Ulrich Mendelin: Versenktes Dampfschiff soll wieder aus dem Bodensee auftauchen. In: Schwäbische Zeitung. 22. April 2023, S. 1 (schwaebische.de).
- ↑ Klaus von Rudloff, Claude Jeanmaire: Die Blütezeit der Dampfschiffahrt. In: Verlag Eisenbahn (Hrsg.): Schiffahrt auf dem Bodensee. Band 2, Archiv Nr. 71/2. Verlag Eisenbahn, Villigen 1981, ISBN 3-85649-071-X, S. 33, 56 ff.
- ↑ Karl F. Fritz: Abenteuer Dampfschiffahrt auf dem Bodensee. Multi Media Verlag, Meersburg 1989, ISBN 3-927484-00-8, S. 120 ff.
- ↑ MS Zürich. Schweizerische Bodensee-Schifffahrt, 22. Januar 2021, abgerufen am 22. September 2022.
- ↑ «Titanic vom Bodensee» wird 130 Jahre alt. In: Leader digital – Das Ostschweizer Wirtschaftsportal. 28. Juni 2022, abgerufen am 22. September 2022.
- ↑ Die Titanic vom Bodensee wird 130 Jahre alt. Abgerufen am 22. September 2022.
- ↑ Heidenheimer Zeitung. 25. April 2023, S. 5. vom 25. April 2023, Seite 5
- ↑ Website des Schiffsbergevereins Abgerufen am 31. Juli 2023.
- ↑ Bergung des Dampfschiff Säntis, auf lokalhelden.ch
- ↑ o. V.: DS Säntis (Bodensee), Dampferzeitung – Online-Ausgabe (Luzern LU, Schweiz), vom 9. Oktober 2023, [www.dampferzeitung.ch/die-vorbereitungen-laufe-an-ds-santis-oktober-2023/ online]
- ↑ o. V.: 130 Jahre altes Schiffswrack soll aus Bodensee gehoben werden. Der Spiegel-Online, 1. Januar 2024.
- ↑ Raphael Rohner, Markus Schoch: Nun also doch! Dampfschiff «Säntis» kann geborgen werden. In: Südkurier (Konstanz), 23. August 2023.
- ↑ Bodensee-Wrack soll im März gehoben werden. orf.at, 1. Januar 2023, abgerufen am 2. Januar 2023.
- ↑ Amt für Umwelt bewilligt Bergung der «Säntis». Amt für Umwelt des Kantons Thurgau, 5. Februar 2024, abgerufen am 6. Februar 2024 (Schweizer Hochdeutsch).
- ↑ Aktuelle Arbeiten – Leinen um das Wrack entfernen. Schiffsbergeverein, 12. Mai 2023, abgerufen am 9. Juni 2023.
- ↑ Online-Zugang zum Bundesarchiv. Abgerufen am 9. Juni 2023.
- ↑ Raphael Rohner: Kamin des Dampfschiffs «Säntis» vom Grund des Bodensees geborgen. In: St. Galler Tagblatt. CH Media, 6. Juli 2023, abgerufen am 17. Juli 2023.
- ↑ Finanzierung steht – DS Säntis wird geborgen. In: Schiffsbergeverein. Schiffsbergeverein, abgerufen am 25. Juli 2023.
- ↑ Markus Schoch: «Wie ein Messerstich in den Rücken»: Die Initianten der Dampfschiff-Bergung sind enttäuscht vom Kanton Thurgau. Thurgauer Zeitung, 17. August 2023, abgerufen am 6. Februar 2024.
- ↑ Dominik Hochwarth: „Titanic der Alpen“ darf nach 90 Jahren wieder zurück ans Tageslicht. In: ingenieur.de. 4. März 2024, abgerufen am 6. März 2024.
- ↑ Raphael Rohner: Stahlseil gerissen: Die Bergung des Dampfschiffs «Säntis» vor Romanshorn ist vorerst gescheitert. In: St. Galler Tagblatt (online), 13. April 2024.
- ↑ Technische Probleme – Bergung des Dampfschiffs «Säntis» muss verschoben werden. In: srf.ch. 13. April 2024, abgerufen am 13. April 2024 (Schweizer Hochdeutsch).
- ↑ Es ist eigentlich das Ende des Projekts. In: Blick online. 26. Mai 2024, abgerufen am 28. Mai 2024.
- ↑ Technische Probleme: Bergung von Dampfschiff «Säntis» aus dem Bodensee erneut gescheitert. 27. Mai 2024, abgerufen am 27. Mai 2024.
- ↑ Bergung missglückt – Verein gibt auf: Das Dampfschiff «MS Säntis» wird nicht gehoben. In: srf.ch. 27. Mai 2024, abgerufen am 27. Mai 2024 (Schweizer Hochdeutsch).
- ↑ Schiffsbergeverein. 8. Juni 2024, abgerufen am 8. Juni 2024.
- ↑ Fedlex. Abgerufen am 22. September 2022.
- ↑ Wirtschaft Redaktion Seeblick: Die Titanic vom Bodensee wird 130 Jahre alt. In: Seeblick Romanshorn. Schweizerische Bodensee-Schifffahrt / Redaktion Seeblick, 29. Juni 2022, abgerufen am 6. Oktober 2022 (deutsch).
- ↑ Carmen Frei: Bodensee: Dampfschiff liegt auf Grund. In: TVO Online. Entertainment CH Media, 1. Juni 2022, abgerufen am 8. Oktober 2022 (schweizerdeutsch).