Sororat

bevorzugte oder manchmal vorgeschriebene Eheschließung eines Witwers mit der Schwester seiner verstorbenen Ehefrau

Sororat (von lateinisch soror „Schwester“) oder Schwägerinheirat bezeichnet in der Ethnosoziologie die bevorzugte oder manchmal vorgeschriebene Eheschließung eines Witwers mit der Schwester seiner (oft kinderlos) verstorbenen Ehefrau, seiner Schwägerin – beziehungsweise andersherum: Eine Frau hat das Vorrecht oder ist verpflichtet, den Ehemann ihrer verstorbenen Schwester zu heiraten. Es handelt sich dabei um eine Form der Sekundärheirat (zweite Ehe).

Ein Sororat dient entweder dazu, den bestehenden Familienzusammenhalt über den Tod der Ehefrau hinaus zu erhalten und zu festigen (Erhaltung der Linie), oder mit der Verschwägerung ein Heiratsbündnis zwischen zwei Familienverbänden fortbestehen zu lassen (Erhaltung der Allianz).[1] Bei verbündeten Lineages oder Clans wird das Sororat auch in Zusammenhang mit dem Brautpreis gebracht, den die Verwandtschaftsgruppe des Ehemannes entrichtet hat: Stirbt die Ehefrau, vor allem bevor sie Kinder geboren hat, ist der gegenseitige Austausch nicht erfüllt; von der Verwandtschaftsgruppe der Frau wird dann erwartet, eine andere Frau (Schwester oder nahe Verwandte) als Ersatz für die Verstorbene zu stellen.[2] In einigen Gesellschaften ist der Mann berechtigt, zusätzlich die Schwester seiner Ehefrau zu heiraten, falls diese kinderlos bleibt. Das Sororat findet sich bei vielen der weltweit 1300 Ethnien[3] und indigenen Völkern, beispielsweise bei den vaterrechtlichen Arapaho und anderen Prärie-Indianern Nordamerikas.[4]

Die Bezeichnung Sororat wurde von dem britischen Ethnologen James George Frazer um 1910 eingeführt. Als Junior-Sororat bezeichnete der US-amerikanische Anthropologe George P. Murdock 1949 die bevorzugte oder vorgeschriebene Heiratsverbindung eines Witwers mit der jüngeren Schwester seiner verstorbenen Frau.[5] Sororale Polygynie bezeichnet die Mehrehe (Vielweiberei) eines Mannes mit mehreren Schwestern, oft wohnen dabei die Ehefrauen zusammen.[6]

Im 19. Jahrhundert, als Witwer noch häufiger als Witwen waren, war ein Sororat nicht unüblich, um vor allem Säuglinge von im Kindbett gestorbenen Müttern, aber auch andere Kinder durchzubringen und dabei die möglichen Probleme einer fremden Stiefmutter zu vermeiden. In manchen Teilen Brasiliens ist diese Tradition noch heute von Bedeutung.[7]

Geläufiger und verbreiteter ist umgekehrt das Levirat (Schwagerheirat), bei dem ein Mann seinem verstorbenen Bruder als Ehemann nachfolgt und dessen Witwe heiratet (er war zuvor ihr Schwager).

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  • Gabriele Rasuly-Paleczek: Einführung in die Formen der sozialen Organisation (Teil 3/5). (PDF; 853 kB) Institut für Kultur- und Sozialanthropologie, Universität Wien, 2011, S. 109–110, archiviert vom Original (nicht mehr online verfügbar) am 17. Oktober 2013; (52 Seiten; Unterlagen zu ihrer Vorlesung im Sommersemester 2011).
  • Lukas, Schindler, Stockinger: Sororat. In: Interaktives Online-Glossar: Ehe, Heirat und Familie. Institut für Kultur- und Sozialanthropologie, Universität Wien, 1997; (vertiefende Anmerkungen, mit Quellenangaben).

Einzelnachweise

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  1. Lukas, Schindler, Stockinger: Sororat. In: Interaktives Online-Glossar: Ehe, Heirat und Familie. Universität Wien, 1997, abgerufen am 13. März 2020.
  2. Gabriele Rasuly-Paleczek: Einführung in die Formen der sozialen Organisation (Teil 3/5). (PDF; 853 kB) Universität Wien, 2011, S. 110, archiviert vom Original (nicht mehr online verfügbar) am 17. Oktober 2013; abgerufen am 13. März 2020.
  3. Ende 2012 waren im Ethnographic Atlas weltweit genau 1300 Ethnien erfasst, von denen oft nur Stichproben ausgewertet wurden, beispielsweise im internationalen HRAF-Projekt. Begründet wurde der Ethnographic Atlas Anfang der 1950er vom US-amerikanischen Anthropologen George P. Murdock (1897–1985) zur standardisierten Daten-Erfassung sämtlicher Ethnien weltweit.
  4. Hans-Rudolf Wicker: Typen von präferenziellen und präskriptiven Heiraten. (PDF: 387 kB, 47 S.) In: Leitfaden für die Einführungsvorlesung in Sozialanthropologie, 1995–2012. Institut für Sozialanthropologie, Universität Bern, 31. Juli 2012, S. 18, abgerufen am 13. März 2020; Zitat: „Sororat: Der Mann heiratet die Schwester seiner verstorbenen Frau. Hin und wieder hat der Mann das Recht, die Schwester seiner Frau zusätzlich zu heiraten, falls der Nachwuchs mit der ersten Frau ausbleibt. Vorkommen: In patrilinearen und patrilokalen Gesellschaften (z. B. unter Arapaho und anderen Plains Indians), in welchen Heiratsallianzen eine Rolle spielen. Sororat und Levirat sind weit verbreitet. Über 50 % der im HRAF aufgeführten Gesellschaften kannten die eine oder andere Form.“
  5. Lukas, Schindler, Stockinger: Junior-Sororat. In: Interaktives Online-Glossar: Ehe, Heirat und Familie. Universität Wien, 1997, abgerufen am 13. März 2020.
  6. Lukas, Schindler, Stockinger: Sororale Polygynie. In: Interaktives Online-Glossar: Ehe, Heirat und Familie. Universität Wien, 1997, abgerufen am 13. März 2020.
  7. Dietmar Lang: Sororat in Brasilien: Gaúcho heiratet nacheinander drei Schwestern. In: brasilien Magazin. International Affiliate Press, 5. März 2009, abgerufen am 13. März 2020.
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