Reichsfürst

Adliger, der sein Lehen nur und unmittelbar vom König oder Kaiser erhalten hatte
Dies ist eine alte Version dieser Seite, zuletzt bearbeitet am 22. Dezember 2005 um 00:12 Uhr durch AF666 (Diskussion | Beiträge) (Literatur). Sie kann sich erheblich von der aktuellen Version unterscheiden.

Ein Reichsfürst (lateinisch princeps regni bzw. imperii) war im Heiligen Römischen Reich ein Adliger, ein Fürst, der sein Lehen nur und unmittelbar vom König bzw. Kaiser erhalten hatte. Es bestand also eine lehnsrechtliche Reichsunmittelbarkeit.

Der Reichsfürstenstand zu einem eigenen Stand im Rechtssinne bildete sich im Spätmittelalter heraus. Der Titel eines Reichsfürsten und die darin enthaltene Reichsunmittelbarkeit bildete eine gewisse rechtliche Sicherheit dagegen, dass ein anderer, mächtigerer Adliger einen Fürst von sich abhängig machte.

Geschichte

Wie es genau zur Herausbildung eines eigenen Fürstenstandes im hochmittelalterlichen Reich kam, ist auf Grund mangelnder Quellenlage ungeklärt. Der Vorgang ist nur anhand der Wirkungen in den Quellen sichtbar. Vor der Mitte des 12. Jahrhunderts wurde der Begriff Fürst (lateinisch princeps, „der Erste“) in einem allgemeinen, weit gefächerten Sinne verwendet und bezeichnete hochgestellte Geistliche und Laien, mitunter aber auch Ministeriale. Nach unten war der Begriff nicht genau abgegrenzt. Mit „Fürst“ war eher die soziale als die rechtliche Rolle des so Bezeichneten gemeint.

Ab etwa 1180 blieb der Titel des Fürsten beziehungsweise Reichsfürsten dann aber einem ausgewählten, mit besonderen Vorrechten ausgestattetem Kreis von weltlichen und geistlichen Adligen vorbehalten. Für die Zugehörigkeit zu den geistlichen Reichsfürsten musste die Regalienbelehnung, also die Zuweisung von ursprünglich königlichen Rechten, wie Erhebung von Zöllen und das Recht der Münzprägung, durch den König selbst erfolgt sein. Dadurch wurde demjenigen die zweite der Heerschildstufen im Reichslehensverband zugewiesen und machte ihn zu einem Teilhaber an der Reichsgewalt.

Ursprünglich galt für die weltlichen Reichsfürsten auch, dass diese ihr Lehen unmittelbar vom König erhalten haben mussten. Da aber viele weltliche Adlige Reichsabtvogteien als Lehen indirekt von geistlichen Fürsten erhalten hatten, wurde wohl mit Rücksicht auf diese auch zugelassen, dass eine lehensrechtliche Abhängigkeit nicht nur vom Reich, sondern auch von geistlichen Reichsfürsten bestehen durfte. Der Sachsenspiegel wies dementsprechend den weltlichen Fürsten die dritte Stufe der Heerschild zu.

Das Kriterium der Reichsunmittelbarkeit des Lehens war insofern aber nicht ausreichend, da dies auch auf viele Grafen und freie Herren zutraf, denen aber der Zugang zum Reichsfürstenstand verwehrt blieb. Deshalb gab es noch weitere landesrechtliche Kriterien, das heißt der Fürst musste über eine einem Herzogtum ähnliche übergeordnete „Gebietherrschaft über ein Land“ mit einer übergeordneten Gerichtsbarkeit verfügen.

Um das Jahr 1190 lassen sich 90 geistliche, aber nur 22 weltliche Adlige ermitteln, die als Reichsfürsten anerkannt waren. Zu den weltlichen Reichsfürsten gehörten der König von Böhmen, die Herzöge des Reiches, die Markgrafen von Brandenburg, Meißen und Namur, der Pfalzgraf bei Rhein, der Landgraf von Thüringen und der Graf von Anhalt. Durch Standeserhebung und Teilung in Folge von Erbschaften von Territorien und Aufnahme in den Reichfürstenstand aus Gewohnheitsrecht wurde das zahlenmässige Mißverhältnis zwischen geistlichen und weltlichen Reichsfürsten bis zum Ende des Mittelalters etwas korrigiert.

Der Prozess der Herausbildung und Ausdifferenzierung der Definition des Reichsfürstenstandes zog sich bis zum 14. Jahrhundert hin.

Ursprüngliche rechtliche Stellung

Die Reichsfürsten beanspruchten viele Vorrechte und Privilegien. Dazu gehörten das Führen des fürstlichen Titels und der fürstlichen Prädikate im offiziellen Schriftverkehr, zeremonielle Ehrenrechte und -ämter und bestimmte Privilegien im gerichtlichen Verfahren. Als wichtigste dieser Vorrechte besaßen Reichsfürsten besondere Herrschaftsrechte. Dies waren das Recht auf Teilnahme an der Wahl des Königs, was aber bereits im 13. Jahrhundert wieder auf einen kleinen Kreis der Reichsfürsten, die Kurfürsten, eingeschränkt wurde, das Recht, Grafen und freie Herren als Vasallen zu haben, das Recht zur Einrichtung von Hofämtern sowie die Verfügung über Zoll-, Gerichts- und Münzregalien.

Reichsfürsten in der Frühen Neuzeit

Nach der Reichsmatrikel von 1521 zählten zu den geistlichen Reichsfürsten die vier Erzbischöfe von Magdeburg, Salzburg, Besançon und Bremen sowie 46 weitere Bischöfe. Diese Zahl verringerte sich bis 1792 auf 33, darunter die beiden Erzbischöfe von Salzburg und Besancon und 22 Bischöfe. Die Erzbistümer Magdeburg und Bremen und einige Bistümer waren im Zuge der Reformation durch die benachbarten Fürsten, die sich dem Protestantismus zugewandt hatten, insbesondere im Norden und Nordosten säkularisiert worden und schieden damit aus dem Reichsfürstenstand aus. Hinzu kamen Mediatisierungen und das Ausscheiden von Gebieten aus dem Reich. So wurden zum Beispiel die Bistümer Wallis, Genf und Lausanne eidgenössisch und Cambrai, Verdun, Metz und Toul französisch.

Entgegen der Anzahl der geistlichen Reichsfürsten, die sich bis zum Ende des Reiches um zwei Drittel reduzierte, erhöhte sich die Anzahl der weltlichen Reichsfürsten auf mehr als das Doppelte. Das Wormser Reichsmatrikel von 1521 zählte noch 24 weltliche Reichsfürsten. Ende des 18. Jahrhunderts werden hingegen 61 Reichsfürsten aufgeführt. Ursache hierfür sind die Säkularisationen ehemals geistlicher Reichsfürsten und die Erhebung in den Reichsfürstenstand mit Reichsstandschaft durch den Kaiser. Eines der bekannteren Beispiele hierfür ist die Erhebung der Fürsten von Thurn und Taxis in den Reichsfürstenstand. Ein weiterer Grund ist die Aufgliederung von Adelsgeschlechtern in mehrere Seitenlinien. So bildeten sich im Laufe der Zeit je fünf pfälzische und sächsische, vier braunschweigische, drei badische, je zwei fränkisch-brandenburgische, pommersche, mecklenburgische, hessische und holsteinische Linien.

Immerhin wurde bereits 1582 auf dem Augsburger Reichstag die Anzahl der Reichsfürsten durch dynastische Zufälle eingeschränkt. Die Reichsstandschaft wurde an das Territorium des Fürsten gebunden. Erlosch eine Dynastie, übernahm der neue Territorialherr die Reichsstandschaft, im Falle von Erbteilungen übernahmen sie die Erben gemeinsam.

Die Reichsfürsten bildeten auf dem Reichstag den Reichsfürstenrat, auch Fürstenbank genannt. Diese war entsprechend der Zusammensetzung der Fürstenschaft in eine geistliche und eine weltliche Bank geteilt. Durch die Bindung des Reichsfürstenstandes an die Herrschaft über ein Territorium war die Anzahl der Stimmen nach dem Reichsmatrikel bestimmt und bildete die Grundlage für die Stimmberechtigung im Reichstag. War ein weltlicher oder geistlicher Fürst Herr über mehrere Reichsterritorien, so verfügte er auch über die dementsprechende Anzahl von Stimmen.

Die bedeutendsten unter den Fürsten waren an Macht und Größe der regierten Territorien zumindest den geistlichen Kurfürsten überlegen und forderten deshalb seit dem zweiten Drittel des 17. Jahrhunderts eine politische und zeremonielle Gleichstellung der Reichsfürsten mit den Kurfürsten.

Literatur

  • Karl-Friedrich Krieger: König, Reich und Reichsreform im Spätmittelalter, München 2005, ISBN 3-486-57670-4
  • Malte Prietzel: Das Heilige Römische Reich im Spätmittelalter, Darmstadt 2004, ISBN 3534151313
  • Axel Gotthard: Das Alte Reich 1495 – 1806 , Darmstadt 2003, ISBN 3534151186
  • Helmut Neuhaus: Das Reich in der frühen Neuzeit, 2. Auflage, München 2003, ISBN 3-486-56729-2
  NODES