Stangenschleife

Vorrichtung ohne Räder oder Kufen zum Transport von Gütern

Die Stangenschleife ist eine seit dem europäischen Neolithikum eingesetzte Vorrichtung zum Transport von Gütern zwischen Feld oder Wald und Siedlung auf unwegsamem Gelände. Die Stangenschleife entstand nach der Nutzung des Pfluges und ging aus der Konstellation OchseJoch–Pflug hervor. Sie ist der Vorläufer des Dreieckswagens und damit der Karre.

Rezente Stangenschleife (Südafrika)
Travois der Kainai

Funktion

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Die Grundkonstruktion besteht aus zwei langen Stangen und einem Querholz, die zu einem gleichschenkligen Dreieck verbunden sind. Das spitze vordere Ende der Vorrichtung wird von Menschen bzw. Tieren wie Ochsen, Pferden oder Hunden getragen. Das breite hintere Ende mit zwischen den Langholmen gebundenen Stangen wurde über den Boden geschleift. Transportgegenstände wurden auf dem Rahmen gestapelt und festgebunden. Um kleinteilige Ladung aufzunehmen, wurde Stoff oder Leder über die Stangen ausgebreitet.

Schlitten und Stangenschleifen stellen die ersten Transportgeräte dar, mit denen man Lasten zu Lande befördern konnte, ohne sie tragen zu müssen. Bei einem Lastentransport mit der Schleife ist allerdings ein Teil des Konstruktionsgewichtes und des Gewichtes der Last zu tragen. Als Vorteil gegenüber anderen Transportmitteln gilt eine gute Geländegängigkeit. Bei der Nutzung von Schlitten und Stangenschleifen ist im Vergleich zum Rollwiderstand bei beräderten Gefährten ein höherer Gleitwiderstand zu überwinden. Der Materialabrieb ist bei einer Schleife zu Beginn der Nutzung höher. Im Verlauf der Nutzung wird das Material glatter und der Abrieb lässt nach. Zudem ist der Abrieb je nach Bodenbeschaffenheit und Belastung unterschiedlich stark, beispielsweise bei Grasland oder steinigem Boden.

Die älteste gefundene Stangenschleife stammt von 3100 v. Chr. und wurde in Chalain (Fontenu, Département Jura) in Frankreich ausgegraben.[1] Am Mont Bégo im Val de Fontanalbe existieren Felsritzungen, die Ochsen vor einer Schleife zeigen. In Kamennaja Mogila bei Melitopol in der Ukraine zeigen Felsritzungen Ochsen vor einem Pflug und vor einer Stangenschleife.[2] Reste einer Schleife wurden auch in der Moorsiedlung Reute-Schorrenried gefunden.

In den Steppengebieten ist die Form des später von Pferden gezogenen Gerätes als Femer- oder Jochschleife bekannt.[3]

Nordamerika

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Hunde-Travois der Assiniboine

In Nordamerika verwendeten Prärie-Indianer ähnliche Transportvorrichtungen. In diesem Zusammenhang wird auch das französische Fremdwort Travois verwendet, das von spätlateinisch trepalium abstammt.[4] Vor der Einführung von Pferden wurden Travois von Hunden oder Menschen gezogen.

Siehe auch

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Literatur

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  • Reinhard Peesch: Holzgerät in seinen Urformen (= Veröffentlichungen des Instituts für Deutsche Volkskunde. 42, ZDB-ID 515889-8). Akademie-Verlag, Berlin 1966, S. 20–21.
  • Wolfgang Putschke: Sachtypologie der Landfahrzeuge. Ein Beitrag zu ihrer Entstehung, Entwicklung und Verbreitung (= Schriften zur Volksforschung. 4). de Gruyter, Berlin u. a. 1971, ISBN 3-11-003517-0.
  • Schleife, Schlitten, Rad und Wagen. Zur Frage früher Transportmittel nördlich der Alpen. Rundgespräch Hemmenhofen 10. Oktober 2001 (= Hemmenhofer Skripte. 3, ISSN 1437-8620). Janus, Freiburg (Breisgau) 2002.
  • Jürgen E. Walkowitz: Logistik im Neolithikum und Chalcolithikum. In: Varia neolithica IV (= Beiträge zur Ur- und Frühgeschichte Mitteleuropas. 43). Beier & Beran, Langenweissbach 2006, ISBN 3-937517-43-X, S. 123–151.
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Commons: Stangenschleife – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien

Einzelnachweise

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  1. Pierre Pétrequin, Rose-Marie Abrogast, Amandine Viellet, Anne-Marie Pétrequin, Denis Maréchal: Eine neolithische Stangenschleife vom Ende des 31. Jahrhunderts v. Chr. in Chalain (Fontenu, Jura, Frankreich). In: Schleife, Schlitten, Rad und Wagen. Zur Frage früher Transportmittel nördlich der Alpen. Rundgespräch Hemmenhofen 10. Oktober 2001 (= Hemmenhofer Skripte. 3, ISSN 1437-8620). Janus, Freiburg (Breisgau) 2002, S. 55–65.
  2. Alexander Häusler: Die Felszeichnungen der Kamennaja Mogila bei Melitopol und die megalithischen Einflüsse in Südrußland. In: Martin-Luther-Universität, Halle-Wittenberg, Wissenschaftliche Zeitschrift. Gesellschafts- und sprachwissenschaftliche Reihe. Band 7, Nummer 2, 1958, ISSN 0438-4385, S. 497–518.
  3. Martin Mainberger: Sommerschlitten, Ackerrutschen, Pflugschleifen: Rezente radlose Transportfahrzeuge und die „Schleife“ von Reute-Schorrenried. In: Schleife, Schlitten, Rad und Wagen. Zur Frage früher Transportmittel nördlich der Alpen. Rundgespräch Hemmenhofen 10. Oktober 2001 (= Hemmenhofer Skripte. 3, ISSN 1437-8620). Janus, Freiburg (Breisgau) 2002, S. 83–92, hier S. 85.
  4. Auch im Englischen, vgl. travois bei Merriam-Webster. Das lateinische trepalium, ein Folterinstrument, ist wörtlich verstanden ein Gerät aus „drei Stangen“ (lat. tres pali).
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