Tierliebe

generelle oder individuelle, bisweilen auch als übertrieben empfundene menschliche Zuneigung zu (bestimmten) Tieren

Als Tierliebe wird eine generelle oder individuelle, bisweilen auch als übertrieben empfundene menschliche Zuneigung zu (bestimmten) Tieren bezeichnet. Während ein ethisches Verhältnis von Menschen zu Tieren im Allgemeinen auf das Wohl der Tiere gerichtet ist und sich unter anderem in der Ausgestaltung eines Tierschutzrechts ausdrückt, steht bei der Tierliebe häufig ein als Mitgefühl empfundenes individuelles Motiv wie etwa zu einem Haus- oder Heimtier des Tierhalters im Vordergrund.

Tierliebe ist selektiv. Gemeinsames Abendessen. Zeichnung von Harrison Weir um 1880.

Definitionsversuche

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Eine eindeutige Definition für Tierliebe gibt es nicht. Nach Schneider und Huttenlau bezeichnet sie das „Akzeptieren der Eigenständigkeit des Tieres“, welches ein Bewusstsein voraussetzt, das Tier und Mensch „Teile der Natur“ sind und „in einem Verwandtschaftsverhältnis“ stehen. Gerhard Staguhn bezeichnet dagegen Tierliebe als ein zum Teil „brutales Aneignen, gefangen halten, Unterwerfen“ sowie „Ausnutzen von Tieren“. Der Begriff suggeriere, dass Tierhaltung auf gegenseitiger Liebe beruhe.[1]

Horst Stern (1922–2019) widmete als Wissenschaftsjournalist einen Teil seines, der Ökologie gewidmeten Lebenswerks dem Kampf gegen „falsch verstandene Tierliebe“, die ihm „ein Gräuel war“ (siehe auch: Sterns Stunde).[2]

Die individuelle Tierliebe ist nach Jean-Claude Wolf in gesellschaftlich-kulturelle Wertvorstellungen eingebunden. Gesellschaftlich verankerten Präferenzen für bestimmte Tiere steht eine Abneigung anderer Tiere gegenüber. Die Bevorzugung von Haustieren wie Hund oder Katze wird als idiosynkratisch bezeichnet, weil sie genauso wenig rational begründbar ist wie die gleichzeitige Angst vor Spinnen oder Schlangen.[3] Domestizierte Säugetiere genießen generell eine bevorzugte Stellung, abgesehen von kulturellen Tabus, wonach etwa in arabisch-islamischen Gesellschaften der Hund aus religiösen Gründen als unrein gilt. Tierliebe sei demnach nicht deckungsgleich mit der Sorge um das Wohl des Tieres.

Eine Studie von Brown et al. (1972) wies darauf hin, dass eine pathologische Tierliebe zu einer Verlagerung und Abwendung zu anderen Menschen führen könne.[4] Irrationale Tierliebe lässt sich – so Ebermut Rudolph – psychologisch als eine gefühlte Schicksalsverbundenheit interpretieren: Das Tier wird zur Vorstellung eines Alter Ego. Der Tierfreund vermenschliche zunehmend sein Haustier, bis er durch immer intensiveren Kontakt mit dem Tier allmählich dessen Verhaltensweisen und physiognomische Merkmale bis zu einem gewissen Grad übernimmt. In der Mythologie beschreiben Erzählungen vom Werwolf, wie sich ein Mensch in einen Wolf verwandelt und dabei nicht nur dessen Gestalt, sondern auch sein Wesen annimmt.[5]

In der politischen Diskussion um Tierschutzgesetze wirbt nach Ullrich Melle die Tierschutzlobby für ein in der Gesellschaft verankertes Mitgefühl für Tiere. Sogenannte Tierliebhaber hätten den unbedingten Schutz des Tieres im Blick, was oftmals naturwissenschaftlich zu begründenden Argumenten entgegenstehe, wonach zur Erhaltung eines Ökosystems unter Umständen auch die Verminderung einzelner Tierpopulationen geboten sein könne.[6]

Siehe auch

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Literatur

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  • Jürgen Körner: Bruder Hund & Schwester Katze. Tierliebe – Die Sehnsucht des Menschen nach dem verlorenen Paradies. Kiepenheuer und Witsch, Köln 1996, ISBN 978-3-462-02527-9.
  • Bernhard Kathan: Die Geflügelschere oder die Erfindung der Tierliebe. Österreichischer Studien-Verlag, Innsbruck, 1993. ISBN 3-901160-17-5
  • Ullrich Melle: Tiere in der Ethik. Die Frage nach der Grenze der moralischen Gemeinschaft. In: Zeitschrift für philosophische Forschung, Band 42, Heft 2, April–Juni 1988, S. 247–273.
  • Ulrike Pollack: Die städtische Mensch-Tier-Beziehung: Ambivalenzen, Chancen und Risiken. Band 6 von Soziale Regeln, Universitätsverlag der TU Berlin, 2009, ISBN 3-798-32112-4.
  • Ebermut Rudolph: Das „Andere Ich“ des Menschen im Tiere. Ein Beitrag zur Frage des „Lebensgleichlaufes“ und anderer psychologischer wie paranormaler Phänomene in der Mensch-Tier-Beziehung. In: Zeitschrift für Ethnologie, Band 107, Heft 1, 1982, S. 23–68.
  • Gerhard Staguhn: Tierliebe.: Eine einseitige Beziehung. Hanser, München 1996, ISBN 3-446-18545-3.
  • Jean-Claude Wolf: Warum moralisch sein gegenüber Tieren? In: Zeitschrift für philosophische Forschung, Band 46, Heft 3, Juli–September 1992, S. 429–438.
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Wiktionary: Tierliebe – Bedeutungserklärungen, Wortherkunft, Synonyme, Übersetzungen

Einzelnachweise

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  1. Ulrike Pollack; Die städtische Mensch-Tier-Beziehung: Ambivalenzen, Chancen und Risiken Technische Universität Berlin 2009, S. 35
  2. Susanne Wedlich: Bambi muss sterben. Sterns Stunden mit Schockeffekt. In: spiegel.de. 24. Oktober 2017, abgerufen am 30. Juni 2024.
  3. Jean-Claude Wolf, S. 432
  4. Daniela Schmidt: Tiergestützte Pädagogik: Das Pferd als pädagogisches Medium in der stationären Jugendhilfe: Modeerscheinung oder Methode mit vielversprechenden Möglichkeiten?, Diplomica Verlag, 2012, S. 94
  5. Ebermut Rudolph, S. 52f
  6. Ullrich Melle, S. 247f
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