Tuvia Tenenbom

israelisch-US-amerikanischer Autor, Regisseur und Theaterleiter

Tuvia Tenenbom (hebräisch טוביה טננבום; * 1957 in Bnei Berak, Israel) ist ein israelisch-amerikanischer Autor, Regisseur und Theaterleiter. Er ist Leiter des von ihm 1994 gegründeten Jewish Theater of New York.

Tuvia Tenenbom

Familie und Entwicklung

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Tenenboms Vater war Rabbiner und sein Großvater chassidischer Oberrabbiner.[1] Tuvia wuchs im Jerusalemer Stadtteil Me'a Sche'arim auf. Mit 17 Jahren wurde er aus der Gemeinde ausgeschlossen, weil er die Einstellung des Rabbiners gegenüber weltlichen Personen ablehnte.[2] Tenenbom siedelte daraufhin nach New York City über. Dort studierte er englische Literatur an der St. John’s University, Dramaturgie an der City University of New York, Mathematik und Informatik am Touro College und schloss auch ein Studium als Rabbiner in Jerusalem ab.[3]

Im Jahr 1994 gründeten er und seine Ehefrau Isi Tenenbom mit dem Jewish Theater das einzige englischsprachige jüdische Theater in New York City. Tenenbom ist nicht nur Impresario des Theaters, sondern auch Autor und Regisseur. Dort sorgten seine oft provokanten Theaterstücke wie z. B. The Diary of Adolf Eichmann oder The Last Virgin über islamische Selbstmordattentäter wiederholt für nationale und internationale Beachtung. Einladungen führten Tenenbom wiederholt nach Europa, darunter auch an einige deutsche Theater,[4] so an die Hamburger Kammerspiele, das Jüdische Theater Hamburg, das English Theatre Frankfurt und das Moderne Theater Wien. Seine Farce The Last Jew in Europe über einen Juden, der eine polnische Katholikin heiraten will, führte 2007 zu einer Beschwerde der polnischen Botschaft in Washington.[5]

Journalistische Arbeiten Tenenboms sind in der Zeit, dem Corriere della Sera und Jedi’ot Acharonot sowie Internetzeitschriften erschienen. Von Dezember 2011 bis Mai 2015 schrieb er in der Zeit regelmäßig die Fitnesskolumne Fett wie ein Turnschuh.[6] Seit März 2016 schreibt er – ebenfalls in der Zeit – die politische Kolumne Allein unter Menschen,[7] die in mancher Hinsicht eine Fortsetzung von Fett wie ein Turnschuh ist.

Tenenbom wird wiederholt als provokationsfreudig wahrgenommen.[8] So führte er 2008 am Rande einer 1.-Mai-Demonstration in Hamburg ein Gespräch mit dem Neonazi Jürgen Rieger.[9] Bei einem weiteren Gesprächsversuch am Rande einer Demonstration in Magdeburg am 12. Januar 2013 versuchte Tenenbom, Neonazis mit dem Hitlergruß zu provozieren, um mit ihnen ins Gespräch zu kommen.[10][11]

Erstes Buch und Zerwürfnis mit Rowohlt

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Tenenboms erstes Buch erschien 2011 in den USA und trug den Titel I Sleep in Hitler’s Room: An American Jew visits Germany. Darin beschreibt er eine Deutschlandreise, die er auf Einladung des Rowohlt Verlages unternahm. Er beschreibt sich als von Deutschland mal angezogen, mal abgestoßen, und entlockt, wenn er vorgibt, jemand anderes zu sein, seinen Gesprächspartnern immer wieder antisemitische Äußerungen.

Zunächst sollte die deutsche Übersetzung des Buchs unter dem Titel Ich bin Deutschland im Rowohlt Verlag erscheinen, der bereits vor der Deutschlandreise den Vertrag mit Tenenbom unterschrieben hatte, ihm einen Vorschuss gewährt und das Buch bereits als kommenden Spitzentitel angekündigt hatte. Dazu kam es aber nicht, da ein Zerwürfnis zwischen Tenenbom und der Verlagsleitung stattfand, woraufhin der Vertrag aufgelöst wurde. Aus Tenenboms Sicht wollte der Rowohlt Verlag Zensur üben. Der Verlag nannte als Grund für die Meinungsverschiedenheit, es habe rechtliche und formale Probleme mit dem Manuskript gegeben.[12] Das Buch erschien schließlich unter dem Titel Allein unter Deutschen im Dezember 2012 im Suhrkamp Verlag, allerdings aufgrund des Einspruchs einiger der Interviewten in gekürzter Form. Zu diesen Interviewten gehören laut Tenenboms Vorbemerkung in der deutschen Ausgabe: „Stanislaw Tillich, Ministerpräsident des Freistaates Sachsen; Joachim Herrmann, Innenminister von Bayern; Zülfiye Kaykin, Staatssekretärin für Integration beim Minister für Arbeit, Integration und Soziales des Landes Nordrhein-Westfalen; Volkhard Knigge, Direktor der »Stiftung Gedenkstätten Buchenwald und Mittelbau-Dora«; Dietrich-Daniel Gaede, Leiter der Abteilung Gedenkstättenpädagogik an der Gedenkstätte Buchenwald.“[13]

Zweites Buch Allein unter Juden

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2014 erschien Tuvia Tenenboms zweites Buch Allein unter Juden – Eine Entdeckungsreise durch Israel. Darin nimmt Tenenbom Kontakt mit verschiedensten pro- und antiisraelischen Bewohnern Israels und Palästinas auf und zeichnet ein vielschichtiges Bild des heutigen Israel-Palästina-Konflikts. Er setzt sich auch mit deutschen Nichtregierungsorganisationen (NGOs) und Journalisten auseinander, denen er vorwirft, den Nahostkonflikt zu einseitig zu beschreiben und von diesem Thema besessen zu sein, während andere Konflikte in der Welt vernachlässigt würden.

In Israel stand das Buch als Nr. 1 auf den Bestsellerlisten, in Deutschland wurde es im November 2014 veröffentlicht.[14]

Drittes Buch Allein unter Amerikanern

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2016 erschien Tuvia Tenenboms drittes Buch Allein unter Amerikanern – Eine Entdeckungsreise. Darin berichtet Tenenbom von seiner Reise durch die USA.

Viertes Buch Allein unter Flüchtlingen

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2017 erschien Tuvia Tenenboms viertes Buch Allein unter Flüchtlingen – Eine Entdeckungsreise. Darin berichtet Tenenbom von seiner Reise durch Deutschland und die Auswirkungen der Flüchtlingskrise auf Bürger, Flüchtlinge und Migranten. Er besuchte Flüchtlingslager, wo er von beschämenden Zuständen berichtet, deren Auswirkungen laut Tenenbom „nicht nur individuell verheerend sind, sondern in nicht allzu ferner Zukunft die gesamte deutsche Gesellschaft betreffen werden“.[15] Tenenbom äußert sich in diesem Zusammenhang auch über rechte und linke Ideologien in Deutschland. Im Buch kommen deswegen unter anderem Akif Pirinçci und Gregor Gysi zu Wort.[16]

Fünftes Buch Allein unter Briten

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2020 erschien Tuvia Tenenboms fünftes Buch Allein unter Briten – Eine Entdeckungsreise. Darin berichtet Tenenbom von seiner Reise durch das Vereinigte Königreich Großbritannien und Nordirland. Er spricht mit seinen Gesprächspartnern über das soziale Gefälle und die Armut in der britischen Gesellschaft, über den anstehenden Brexit und über den Antisemitismus in der Labour-Partei.[17] Zu Wort kommen dabei Politiker wie Nigel Farage und Jeremy Corbyn, Baronin Rosalind Altman sowie George J. Whyte von der Church of Scotland. Das Buch zeichnet ein Stimmungsbild der britischen Gesellschaft, die „zutiefst gespalten ist und erbittert um ihre Identität und ihre Zukunft kämpft“.[18]

Ehrungen

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  • Preis für ehrlichen Journalismus. Stifter: Rafael Korenzecher, Herausgeber der Jüdischen Rundschau (Preis nur einmal verliehen)[19]

Theaterstücke

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  • The Blue Rope
  • The Last Virgin
  • One Hundred Gates
  • Diary of Adolf Eichmann
  • Love Letters to Adolf Hitler
  • Like Two Eagles
  • The Beggar of Borough Park
  • Love in Great Neck
  • The American Jew
  • The Suicide Bomber
  • Mountain Jews
  • Kabbalah
  • Press #93 for Kosher Jewish Girls in Krakow.
  • Father of the Angels
  • Saida: A Tunisian Love Story
  • The Last Jew in Europe

TV-Dokumentationen

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  • Allein unter Flüchtlingen. SWR 2018.
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Einzelnachweise

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  1. Kurzartikel auf abendblatt.de vom 24. September 2003. Letzter Zugriff: 12. Dezember 2012
  2. Peter Kümmel: Flieht nicht, lacht! In: Die Zeit, Februar 2003
  3. Tuvia Tenenbom, Artistic Director. Jewish Theater
  4. Link to International Partners. Jewish Theater of New York
  5. Jüdisches Theater in New York: Das Drama mit dem Antisemitismus. In: Spiegel Online, 10. März 2007
  6. Übersicht. einer der Artikel. zeit.de
  7. Übersicht
  8. L’Express (Tuvia Tenenbom (…) aime provoquer), Die Presse.com (der rabiate Provokateur ) oder Die Volksstimme (Tuvia Tenenbom ist (…) für seine provokante Art bekannt.)
  9. Tuvia Tenenbom: Der Jürgen von der NPD. In: Die Zeit, 2. September 2009 (deutsch von Sigrid Weise)
  10. Hitlergruß: Neonazis zeigen jüdischen Autor an. In: Der Tagesspiegel vom 1. Februar 2013, abgerufen am 26. Februar 2013
  11. Tenenbom: Ermittlungen zu Hitlergruß "absurd". In: 3sat, 1. Februar 2013, abgerufen am 26. Februar 2013
  12. Streit um Buch über Deutschland: Alles Nazis over there. In: Süddeutsche Zeitung, 30. Juli 2012
  13. Tuvia Tenenbom: Allein unter Deutschen. Suhrkamp, Berlin 2012, ISBN 978-3-518-79310-7, Vorbemerkung.
  14. Baut eure Zivilgesellschaft doch in Leipzig auf, nicht in Israel. Interview mit Tenenbom im Cicero, abgerufen am 8. November 2014
  15. Allein unter Flüchtlingen von Tuvia Tenenbom - Suhrkamp Insel Bücher Buchdetail. Abgerufen am 31. März 2017.
  16. Tuvia Tenenbom unter Flüchtlingen: "Ihr Deutschen denkt wirklich, dass ihr besser seid". In: Spiegel Online. Abgerufen am 31. März 2017.
  17. deutschlandfunk.de: Tuvia Tenenbom: "Allein unter Briten." - Die Engländer, mal nicht unter sich. Abgerufen am 25. April 2022.
  18. Allein unter Briten. Buch von Tuvia Tenenbom (Suhrkamp Verlag). Abgerufen am 25. April 2022.
  19. Deutsche Welle (www.dw.com): "Allein unter Amerikanern": Tuvia Tenenbom erkundet die USA | DW | 26.12.2016. Abgerufen am 28. August 2021 (deutsch).
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