Tylkowski – Wojciechowski, Poznań 1931

berühmte Schachpartie

Tylkowski – Wojciechowski, Poznań 1931 ist eine Schachpartie, in der eine der spektakulärsten Kombinationen der Schachgeschichte gespielt wurde. Kurioserweise kam das gleiche Motiv wenig später in der Partie Ortueta – Sanz, Madrid 1933 vor. Letztere Partie ging bereits in den 1930er Jahren um die Welt (vgl. z. B. Alexander Kotow: Lehrbuch der Schachtaktik), während Tylkowski – Wojciechowski erst 1952 in der polnischen Zeitschrift Szachy veröffentlicht wurde.

Die Partie wurde vermutlich in einem Freundschaftsmatch der beiden polnischen Meisterspieler Tylkowski und Wojciechowski 1931 gespielt.[1] Antoni Wojciechowski galt in den Jahren 1935 bis 1938 als einer der führenden Spieler Polens. Wegen der schlechten Quellenlage bestehen Zweifel, ob die Partie wirklich gespielt oder nachträglich komponiert worden ist. Nach intensiven Nachforschungen halten die Schachhistoriker Tim Krabbé und Tomasz Lissowski die Partie für authentisch.[2]

Anmerkungen zur Partie

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1. f2–f4 d7–d5

Die Bird-Eröffnung.

2. e2–e3 c7–c5 3. Sg1–f3 Sb8–c6 4. Lf1–b5 Lc8–g4 5. 0–0 e7–e6 6. d2–d3 Lf8–e7 7. Sb1–c3 d5–d4 8. Sc3–b1 Sg8–f6 9. e3–e4 0–0 10. Lb5xc6 b7xc6 11. c2–c3 d4xc3 12. Sb1xc3 Lg4xf3 13. Tf1xf3 Sf6–g4

Es droht Dd4+ mit Qualitätsgewinn.

14. Kg1–h1 Dd8–d4 15. Dd1–g1 Dd4xg1+ 16. Kh1xg1 Le7–d8?

Besser war das Bauernopfer 16. … c4! mit Zerstörung der Bauernstruktur. Nun konnte Weiß mit dem Zwischenzug 17. h3! Sf6 18. Le3 das angenehmere Spiel erhalten.

17. Lc1–e3? Sg4xe3 18. Tf3xe3 Ld8–b6

Nun droht der Abzugsangriff c4 nebst Qualitätsgewinn des gefesselten Turmes.

19. Ta1–d1 h7–h6

19. … c4 wird nun mit 20. d4! Tfd8 21. Se2 beantwortet.

20. e4–e5? f7–f6?

Stattdessen versprach 20. … c4! 21. d4 Tad8 gutes Spiel, da nun 22. Se2 c5! nicht mehr funktioniert, und nach 22. Te4 der weiße Turm sehr passiv steht.

21. e5xf6 Tf8xf6 22. Te3–f3 c5–c4+ 23. d3–d4 c6–c5 24. d4–d5 e6xd5 25. Td1xd5 Kg8–h7 26. Td5–d7 Ta8–d8 27. Td7–b7?!

Genauer ist 27. Te7.

27. … Tf6–g6 28. Tf3–g3?
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8                 8
7                 7
6                 6
5                 5
4                 4
3                 3
2                 2
1                 1
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Stellung nach 28. Tf3–g3

Vorzuziehen war f5 mit der Aussicht Se4 oder f6.

28. … Tg6xg3! 29. h2xg3 Td8–d2! 30. Sc3–a4?

Gerettet hätte wahrscheinlich 30. a4! Txb2 31. a5!

Auch 30. f5! Txb2 31. f6 Kg8 32. fxg7 hätte ein Remis ergeben können.

30. … Td2xb2!! 31. Sa4xb2 c4–c3 32. Tb7xb6! c5–c4!!

32. Sd3 verliert nach dem Abzugsschach c4+ 33. Txb6 cxd3!, denn die verbundenen Freibauern auf der dritten Reihe gewinnen gegen den Turm.

33. Tb6–b4?

Hier ergab 33. Sxc4! c2 34. Tc6! c1D+ 35. Kh2 immer noch gute Rettungschancen.

33. … a7–a5!!
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8                 8
7                 7
6                 6
5                 5
4                 4
3                 3
2                 2
1                 1
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Stellung nach 33. … a7–a5

Absoluter Triumph der Bauern! Die Umwandlung ist nicht mehr zu verhindern.

34. Sb2xc4 c3–c2!

Der Freibauer kontrolliert alle weißen Figuren.

35. Sc4xa5 c2–c1D+ 36. Kg1–h2 Dc1–c5

Die Dame hält bei den ungedeckt stehenden Figuren ihr Gabelfrühstück.

37. Tb4–b2?

Nach 37. Ta4 Db5? 38. Ta3? Db4 geht der Turm verloren. Aber Weiß kann mit 38. Te4 den Turm nach f3 überführen und eine Festung einnehmen. Deshalb sollte Schwarz sich nach 37. Ta4? Dh5+ 38. Kg1 Dd1+ wieder den Turm einverleiben.

Aussicht auf Rettung für Weiß bot das passive Springeropfer 37. Tb3 Dxa5. Nach 38. Tf3 hat Weiß eine Festung aufgebaut, die wohl schwerlich zu stürmen ist. Nach Abtausch der Bauern a2, f4, g3, g7 und h6 ist ein theoretisches Remis auf dem Brett.

Auch nach 37. Tb3 Dh5+! 38. Kg1 Dxa5 39. Tf3 Dxa2 40. f5! kann Weiß mit Königszügen auf g1, h1 und h2 bzw. Turmzügen auf f1, f3, f4 und h4 abwarten und remisieren. Wenn Schwarz den König zu weit nach vorne bringt, kann Weiß mit f6 den f-Bauern opfern und so eine theoretische Remisstellung erreichen, bei der er mit dem Turm zwischen f4 und h4 pendeln kann. Durch eine andere Veränderung der Bauernstruktur, etwa durch 40. g4? Kg6 41. Kh2 Kf6 42. Kg3 De2 43. Kh3 De1 44. Ta3 g5 45. Ta6+ Ke7 46. fxg5 hxg5 47. Ta7+ Ke6 48. Ta6+ Ke5 49. Kh2 Dh4+ 50. Kg1 Dxg4 würde Schwarz gewinnen.

37. … Dc5xa5 38. g3–g4 Da5–e1 39. g2–g3 h6–h5 40. g4xh5 Kh7–h6 0:1.

Weiß gab im 55. Zug auf. Der Rest der Partie ist vermutlich nicht überliefert.

Nachfolger

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Ortueta – Sanz
Madrid, 1933
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8                 8
7                 7
6                 6
5                 5
4                 4
3                 3
2                 2
1                 1
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Stellung nach 31. Sa4


Diese Partie, laut einer Zeugenaussage in der Kastilischen Meisterschaft im Centro Cultural de los Ejercitos y la Armada de Madrid im April 1933 zwischen Martin de Ortueta und José Sanz gespielt,[3] wurde im März 1936 mit Kommentaren von José Raúl Capablanca in der Schachzeitschrift Ajedrez Español veröffentlicht. Allerdings hat Capablanca diese Partie nur bis zum 17. Zug ausführlich mit zwei Diagrammen kommentiert und die berühmt gewordene Kombination nicht besonders erwähnt.

1. e4 e6 2. d3 d5 3. Sc3 Sf6 4. e5 Sfd7 5. f4 Lb4 6. Ld2 0–0 7. Sf3 f6 8. d4 c5 9. Sb5 fxe5 10. dxe5 Txf4 11. c3 Te4+ 12. Le2 La5 13. 0–0 Sxe5 14. Sxe5 Txe5 15. Lf4 Tf5 16. Ld3 Tf6 17. Dc2 h6 18. Le5 Sd7 19. Lxf6 Sxf6 20. Txf6 Dxf6 21. Tf1 De7 22. Lh7+ Kh8 23. Dg6 Ld7 24. Tf7 Dg5 25. Dxg5 hxg5 26. Txd7 Kxh7 27. Txb7 Lb6 28. c4 dxc4 29. Sc3 Td8 30. h3 Td2 31. Sa4

Siehe Diagramm.

Nun ist durch eine völlig andere Zugfolge fast die gleiche Stellung erreicht und es folgte:

31. … Txb2 32. Sxb2 c3 33. Txb6 c4 34. Tb4 a5 35. Sxc4 c2 und Weiß gab drei bis vier Züge später auf.

Im Brünner Tagesbote vom 14. April 1934 wurde die Kombination dem schwedischen Meisterspieler Ored Karlin zugeschrieben. Es gilt jedoch als wahrscheinlich, dass Karlin, der im selben Turnier spielte, die Kombination aus der Partie zwischen Ortueta und Sanz an den Kolumnisten weitergab, der dann fälschlich davon ausging, dass Karlin sie gespielt habe.[4]

Literatur

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  • Tim Krabbé: Schach-Besonderheiten Band 2, ECON Taschenbuch Verlag, 1986, ISBN 3-612-20336-3.
  • Alexander Kotow: Lehrbuch der Schachtaktik, Band 1, Sportverlag Berlin, 1981, 4. bearbeitete Auflage, Seite 123f.

Einzelnachweise

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  1. In der Erstveröffentlichung der kompletten Partie im August 1953 wurde angegeben, die Partie sei bei der Stadtmeisterschaft von Poznań 1931 gespielt worden. Die Nachforschungen von Harold van der Heijden ergaben dafür allerdings keine Belege. Auch der angebliche Erstdruck 1931 in der Schachkolumne der lokalen Zeitung Dziennik Poznański kann danach mit großer Wahrscheinlichkeit ausgeschlossen werden. Siehe dazu https://timkr.home.xs4all.nl/chess2/diary17txt.htm (Eintrag 327).
  2. Analyse der Partie auf der Website von Tim Krabbé, siehe https://timkr.home.xs4all.nl/chess/rxb2.htm
  3. The "Ortueta vs Sanz" position. Nach Angaben von J. P. de Arriaga, Madrid. In: EG 62, S. 353–354 (Onlinearchiv von EG (Memento des Originals vom 3. Dezember 2017 im Internet Archive)  Info: Der Archivlink wurde automatisch eingesetzt und noch nicht geprüft. Bitte prüfe Original- und Archivlink gemäß Anleitung und entferne dann diesen Hinweis.@1@2Vorlage:Webachiv/IABot/www.gadycosteff.com)
  4. Tim Krabbé: Open Chess Diary. Eintrag 396 vom 14. September 2014 plus Additionen bis zum 30. September 2015. Abgerufen am 1. Juli 2016.
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