Vulcain (Raketentriebwerk)

Raketentriebwerk der Ariane 5

Vulcain [vyl.kɛ̃] ist ein Raketentriebwerk der ESA, das in der ersten Stufe der Ariane 5 eingesetzt wird. Es gibt zwei Hauptversionen dieses Triebwerkes, Vulcain 1 und Vulcain 2, sowie eine Variante des Vulcain 1, das Vulcain 1B. Der Name des Triebwerks entspricht der französischen Bezeichnung für den römischen Gott Vulcanus.[1][2]

Ausstellungsexemplar eines Vulcain-1-Triebwerks
Ausstellungsexemplar eines Vulcain-2-Triebwerks

Entwicklung

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Bereits 1957 entschied das französische Verteidigungsministerium, ein Kalttemperaturtriebwerk für Raketen zu entwickeln.[3] Der erste Prototyp wurde 1964 in Betrieb genommen. Seither wurden mehrere Generationen des Triebwerks entwickelt. Auf der ESA-Ministerkonferenz in Den Haag im Jahre 1987 wurde die Entwicklung einer stärkeren Trägerrakete, der Ariane 5, beschlossen. Dafür musste auch ein neues Triebwerk, eben das Vulcain-Triebwerk (ehemals HM-60), gebaut werden. Schon nach einer relativ kurzen Entwicklungszeit durch die Firmen Snecma (früher Société Européenne de Propulsion, SEP, heute ArianeGroup) und EADS Astrium (früher MBB, heute ebenfalls ArianeGroup) wurde im April 1990 das erste Vulcain-Triebwerk gezündet. Am 4. Juni 1996 kam erstmals ein Vulcain in einer Trägerrakete zum Einsatz. Für die Ariane 5 GS wurde eine leicht modifizierte Version des Triebwerks mit der Bezeichnung Vulcain 1B eingesetzt. Eine Erhöhung des Brennkammerdrucks um 10 bar lieferte dabei 20 kN mehr Schub.

Für die größere Ariane 5 ECA wurde wegen der erhöhten Masse der Oberstufe ein leistungsstärkeres Triebwerk gewünscht, und so wurde bereits Ende der neunziger Jahre der Nachfolger, das Vulcain 2, entwickelt. Beim Erstflug am 11. Dezember 2002 kam es zum strukturellen Versagen der Düse infolge zu hoher thermischer Belastung der Röhrchenstruktur, mit der die Düse gekühlt wird, damit zur Rissbildung in der Schubdüse, Kühlmittelverlust und Durchbrennen der Röhrchenstruktur. Darüber hinaus wurde die Düse durch axiales Beulen unter Vakuumbedingungen beschädigt.[4] Daraufhin musste das Triebwerk nachgebessert werden. Der Erfolg war Vulcain 2 erst beim zweiten Einsatz am 12. Februar 2005 beschieden.

Technische Daten

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Durch die Weiterentwicklung zur Vulcain 2 wurden die Leistungsdaten in fast allen Bereichen gesteigert. Das Ziel war, bei gleichem Gesamttankvolumen der Ariane 5 mehr Treibstoff mitführen zu können. Aufgrund des großen Dichteunterschiedes von flüssigem Sauerstoff zu flüssigem Wasserstoff wurde der Zwischenboden, der die beiden Treibstoffe trennt, zu Gunsten des Sauerstoffvolumens verschoben. Damit ist es möglich, 16 t zusätzlichen Sauerstoff bei Verlust von 1 t Wasserstoff mitzuführen.[5] Um diese zusätzliche Treibstoffmenge fördern zu können, wurde die Leistung der Sauerstoff-Turbopumpe gesteigert und die Anzahl der Einspritzdüsen erhöht. Durch diese Maßnahme würde der spezifische Impuls leicht sinken. Dies wurde durch Erhöhung des Brennkammerdrucks und Verlängerung der Schubdüse kompensiert. Als weitere leistungssteigernde Maßnahme werden die Abgase des Gasgenerators nach Durchströmen der Turbinen in den unteren Teil der Düse eingeblasen, was Schub und spezifischen Impuls leicht erhöht und zudem die Düse zusätzlich kühlt. Dadurch arbeitet Vulcain 2 nicht mehr nach dem klassischen Nebenstromverfahren, sondern nach dem Nebenstromverfahren mit Abgaswiedereinblasung.

Version Vulcain 1 (Vulcain 1B)[6] Vulcain 2
Höhe 3 m 3,45 m
Durchmesser 1,76 m 2,10 m
Masse 1686 kg 2100 kg
Treibstoffe Flüssiger Sauerstoff (LOX) und Wasserstoff (LH2) im Verhältnis 5,9:1 Flüssiger Sauerstoff (LOX) und Wasserstoff (LH2) im Verhältnis 6,1:1
Drehzahl der Turbopumpen 11.000 – 14.800 min−1 (LOX)
bzw. 28.500 – 36.000 min−1 (LH2)
11.300 – 13.700 min−1 (LOX)
bzw. 31.800 – 39.800 min−1 (LH2)
Leistung der Turbopumpen 2,0 – 4,8 MW (LOX) bzw. 7,4 – 15,5 MW (LH2) 3,7 – 6,6 MW (LOX) bzw. 9,9 – 20,4 MW (LH2)
Brennkammerdruck 100 bar (110 bar) 117,3 bar
Vakuumschub 1120 kN (1140 kN) 1359 kN
Bodenschub 815 kN 960 kN
Spezifischer Impuls im Vakuum (SI) 4228 m/s 4207 m/s

Weiterentwicklung

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Ariane 5

Wegen einer erwarteten Zunahme der Nutzlastmassen sollte im Rahmen der Weiterentwicklung der Ariane 5 die Leistung des Vulcain-Triebwerkes gesteigert werden. Zudem sollten die Produktionskosten gesenkt werden, um so auf dem internationalen Markt konkurrenzfähig zu bleiben. Zum Erreichen dieser Ziele führten der Hersteller Snecma und das CNES verschiedene Studien durch. Der spezifische Impuls des Triebwerks wäre je nach Variante um bis zu 3,7 % gesteigert worden. Bei dem Einsatz mit einer Ariane 5 hätte sich die Nutzlastkapazität in einen niedrigen Erdorbit den Studien zufolge um bis zu 3,4 t erhöht.

Ariane 6

In der Hauptstufe der Ariane 6 wird eine „Vulcain 2.1“ genannte Weiterentwicklung des Triebwerks verwendet.

Am 23. November 2023 absolvierte eine voll betankte Ariane 6 auf dem Startplatz ELA-4 einen Testlauf des Vulcain 2.1. Der Test sollte 470 Sekunden dauern, entsprechend der Brenndauer bei einem künftigen Start, wurde jedoch nach 426 Sekunden abgebrochen. Grund des Abbruchs war nach Angaben der ESA ein Sensordefekt, der Test sei ansonsten erfolgreich verlaufen.[7]

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Commons: Vulcain – Sammlung von Bildern

Quellenangaben

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  1. Zulieferer für ArianeGroup. (PDF; 5,1 MB) In: inForm, Ausgabe 2017. Otto Fuchs KG, S. 18, abgerufen am 12. Januar 2020.
  2. Zach Rosenberg: What’s in a Name? In: Air & Space/Smithsonian. 14. April 2015, abgerufen am 12. Januar 2020 (englisch).
  3. Vulcain engine Artikel auf esa.int vom 29. November 2005.
  4. Prof. Wolfgang Koschel im Magazin des Zentrums für Luft- und Raumfahrt, Juli 2005, S.19 (PDF; 9,7 MB)
  5. Ausbau der Ariane 5 Artikel von bernd-leitenberger.de
  6. Die Ariane 5 Artikel von bernd-leitenberger.de
  7. ESA sets mid-2024 date for first Ariane 6 launch. Spacenews, 30. November 2023.
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