Walter Schulze (Architekt)

deutscher Architekt und Kunstmaler

Walter Heinrich Karl Schulze, auch Walther Heinrich Karl Schulze (* 7. August 1880 in Beuthen (Oberschlesien); † nach 1916) war ein deutscher Architekt und Kunstmaler.

Walter Schulze mit Ehefrau Johanna geb. Lange; ca. 1906
 
Wohnhaus des Architekten Walter Schulze (mit Familie); erbaut 1909 nach Brand des Vorgängergebäudes
 
Porträt der Johanna Schulze, gemalt von Heinrich Vogeler

Seine Kindheit verbrachte er in Beuthen/Oberschlesien. Sein Vater, August Schulze, betrieb in Beuthen, Gleiwitz und Bunzlau Ateliers als Fotograf. 1903 und 1904 studierte er Malerei und Perspektivzeichnung an der „Königlichen akademischen Hochschule für die Bildenden Künste“ in Berlin-Charlottenburg, u. a. beim Landschaftsmaler Prof. Wilhelm Herwarth.[1] Anschließend studierte er bei Prof. Alfred Mohrbutter in der Städtischen Kunstgewerbe- und Handwerkerschule in Charlottenburg. 1906 war Walter Schulze Mitarbeiter in der Berliner Tanzschule für avantgardistischen Ausdruckstanz von Isadora Duncan.[2] Sonntags vormittags zeichneten die Schülerinnen unter seiner Anleitung im Freien und übten dabei die Natur zu beobachten.[3] Mit seinem Entwurf eines „Luftbadkleides“, das auch in der Duncan-Schule Anwendung fand, beteiligte sich Walter Schulze an der Entwicklung von körperfreundlicher Reformkleidung.[4] Im Juli 1906 heiratete er in (Berlin-)Friedenau die Kunstschülerin Johanna Emilie Therese Lange. Als Trauzeugen fungierten die Maler Heinrich Richter-Berlin und Kurt Hermann Rosenberg, die mit ihm an der gleichen Kunstakademie studiert hatten – beide Mitglieder der späteren Künstlervereinigung Novembergruppe.[5]

Im Herbst 1906 zog er mit ihr und der Malerin Ilse Hahn nach Worpswede, wohnte zunächst in dem Bauernhaus in Westerwede, in dem zuvor schon Rainer Maria Rilke gewohnt hatte und ließ sich dort als selbständiger Architekt nieder. In dieser Zeit stellte ihn Heinrich Vogeler als Mitarbeiter an (als Entwurfszeichner und Architekt) – wahrscheinlich bis 1912.[6][7] 1907 baute er sein Wohnhaus mit Strohdach auf dem Worpsweder Weyerberg – mit einem großzügigen multifunktionalen Innenraum.[8] Diese Innengestaltung bedeutete – im Kontext der Lebensreformbewegung – einen Abschied von der bis dahin üblichen „guten Stube“. Die unkonventionelle Gestaltung des Grundrisses schaffte einen vielfach nutzbaren Raum, der sowohl als Wohnküche als auch als Aufenthaltsort für die Familie geeignet war. Eine derartige Grundrissplanung sollte auch für ländliche Arbeiterhäuser geeignet sein, in denen so – durch den Wegfall der in bürgerlichen Wohnhäusern üblichen „Guten Stube“ – mehr Platz für die meist überbelegten Schlafkammern gewonnen werden konnte.[9] Im November 1908 brannte dieses Haus vollständig ab,[10] wurde aber von Walter Schulze an gleicher Stelle 1909 wieder errichtet.[11] Heinrich Vogeler besprach diese besondere Innenarchitektur seines Mitarbeiters auch in seiner Autobiografie; mit ihm entwickelte Walter Schulze von nun an eine Bauweise, die eine Symbiose moderner städtischer Architektur mit der regionalen Bauweise anstrebt. In Zusammenarbeit mit ihm realisierte er verschiedene Bauprojekte, unter anderem mehrere Bahnhöfe für die Kleinbahn Moorexpress.[12] Der Worpsweder Verschönerungsverein prämierte im Oktober 1910 Walter Schulzes Entwürfe der Bahnhöfe.[13] Die Fachpresse kommentierte anschließend seinen Bau des Bahnhofs Weyerdeelen-Umbeck als „in glücklichster Weise“ gelöst.[14] 1909 wurde der Sohn Kurd Jürgen geboren. Als Heinrich Vogeler im Frühjahr 1911 für 2 Monate nach Paris reiste, vertrat ihn Walter Schulze auf dem Barkenhoff.[15] Nach dem Ende seiner Anstellung bei Heinrich Vogeler ging er 1912 nach Berlin. Sein Wohnhaus in der Worpsweder Lindenallee verkaufte er 1913 an den Großindustriellen Wilhelm Garvens[16] für dessen Sohn, den Kunsthändler Herbert von Garvens – vermutlich durch Vermittlung von Vogeler[17]. Anschließend entwarf er als Architekt mehrere Gebäude in Worpswede/Ostendorf[18], in Fischerhude[19] und Berlin. Seine Ehe mit Johanna Schulze, die mehrfach für Vogeler als Modell diente, wurde 1915 in Berlin geschieden. Sein sechs Jahre jüngerer Bruder Alfred Schulze betätigte sich ab 1909 ebenfalls als Zeichner und Architekt in Worpswede. Walter Schulze war in Berlin und Worpswede auch als Kunstmaler tätig.

Im Jahre 1916 schrieb er mehrere Briefe[20] an Martha Vogeler, aus denen hervorgeht, dass er als Soldat der Westfront an der Schlacht an der Somme beteiligt war. Er diente in der Feldfliegerabteilung 22, dort wahrscheinlich in der Luftbildeinheit.

„Körperlich fühle ich mich sehr wohl, wenn mir nicht immer im Geiste der Wahnsinn dieses Krieges herumspukte…“

Über sein weiteres Schicksal wie Zeit, Ort und Grund seines Todes fehlen bisher noch eindeutige Dokumente. Der Worpsweder Schriftsteller Edwin Koenemann erwähnt in seinem ausführlichen Tagebuch im Juni 1918, dass er gehört hatte, Walter Schulze sei in eine Irrenanstalt wegen „Gehirnerweichung“ eingeliefert worden. Im Mai 1928 sei er im Irrenhaus gestorben, erwähnt Koenemann später ebenda. Außer diesen Notizen aus dritter Hand liegen bisher keine konkreteren Belege vor. Auch der Ort dieser Anstalt ist bisher unbekannt.[21]

Bauten und Entwürfe

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  • 1907: eigenes Wohnhaus in Worpswede[22] (1908 abgebrannt, wiederaufgebaut, unter Denkmalschutz)
     
    Von Walter Schulze entworfenes Gebäude in Berlin-Frohnau
  • 1909–1910: Empfangsgebäude des Worpsweder Bahnhofs, gemeinsam mit Heinrich Vogeler[23]
  • 1910: Umbau eines alten Niedersachsenhauses zur Haltestelle Weyerdeelen-Umbeck der Bremervörde-Osterholzer Eisenbahn (nicht erhalten)
  • 1910: Bahnhofsgebäude der Haltestelle Neu St. Jürgen der Bremervörde-Osterholzer Eisenbahn[24]
  • 1912–1913: Wohnhaus in Berlin-Frohnau (1928 von Paul Poser, unter Denkmalschutz)[25]
  • 1914: Einfamilienhaus für Johanna Westhoff, die Mutter von Clara Rilke-Westhoff, in Fischerhude bei Bremen[26]
  • 1914: Gymnastikschule Dorothea Schmidt in Berlin-Grunewald (nicht erhalten)[27]
  • 1914–15: Einfamilienhaus mit Strohdach in Worpswede/Ostendorf (Am Schmidtberg)[28]

Gemälde, Zeichnungen, Fotos

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Schriften

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Schulze, Walter: Luftbadkleid. In: Karl Vanselow (Hrsg.): Die Schönheit. Vierter Band, 4. Heft. s.223-225. Verlag die Schönheit, Berlin. 1906

Literatur

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  • Karl-Robert Schütze: Ein „Worpsweder Architekt“ im Umfeld Vogelers. Walter Schulze baute in Fischerhude und in Berlin. In: Zwischen Elbe und Weser, 30. Jahrgang 2011, Nr. 3, S. 8–11.

Einzelnachweise

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  1. Universitätsarchiv der UdK Berlin, Bestand 6/41 und 203
  2. Vereinsprospekt der Duncan-Schule Berlin
  3. Ilse Störmer erinnert sich an ihre Zeit in Worpswede. Aufgeschrieben von Bettina-Müller-Vogeler, 1960. In: P. Elze, B. Nachtwey (Hrsg.): Heiteres Worpswede. Kunst aus freien Stücken. Worpsweder Verlag, 1994.
  4. Walter Schulze: Luftbadkleid. In: Karl Vanselow: Die Schönheit. Vierter Band, 4. Heft, S. 222–224. Verlag „Die Schönheit“ Berlin 1906.
  5. Heiratsurkunde Walter H. K. Schulze und Johanna E. T. Lange; Berlin-Friedenau 1906
  6. Heinrich Vogeler: Werden. Verlag Atelier im Bauernhaus, Fischerhude 1989, S. 143–144 und S. 511.
  7. Bettina Müller (geb. Vogeler) schrieb am 1. April 1983 in ihren Erinnerungen: „Zwei Brüder Schulze kamen nach Worpswede. Walter Schulze als Mitarbeiter für Architektur arbeitete für Heinrich Vogeler. …“ in: Bettina Müller, Tagebuch / Erinnerungen. Unveröffentl. Manuskript. Archiv „Haus im Schluh“. 1983.
  8. Quelle: Liegenschaftskataster Osterholz-Scharmbeck
  9. Heike Albrecht: Künstler verändern ein Dorf. In: Helmut Stelljes (Hrsg.) Kulturzeichen. Worpsweder Vorträge. Verlag M. Simmering. Lilienthal 1993. S. 244
  10. Quelle: Brief von Heinrich Vogeler an Otto Modersohn vom 22.11.1908; Worpsweder Archiv, Worpswede
  11. Ilse Störmer erinnert sich an ihre Zeit in Worpswede. Aufgeschrieben von Bettina Müller-Vogeler, 1960. In: P. Elze, B. Nachtwey (Hrsg.): Heiteres Worpswede. Kunst aus freien Stücken. Worpsweder Verlag, 1994.
  12. Karl Robert Schütze, Peter Elze: Der Moorexpress. Worpsweder Verlag, 1984, S. 60.
  13. Quelle: Protokollbuch des Verschönerungsvereins Worpswede. Freunde Worpswedes e. V.
  14. Quelle: Niedersächsisches Jahrbuch 1911, von Prof.Dr.H. Seedorf. Verlag Carl Schünemann, Bremen. S. 25.
  15. Tagebuch von Edwin Koenemann, Auszug vom 1. April 1911. Archiv des Vereins „Freunde Worpswedes e. V.“
  16. Tagebuch von Edwin Koenemann, 30. März 1913, Archiv der Freunde Worpswedes e.V.
  17. Brief von Heinrich Vogeler an Herbert von Garvens, Worpswede, 30.12.1913. Stadtbibliothek Hannover, Sammlung Frank Wedekind
  18. Tagebuch von Edwin Koenemann, 16. Juni 1913, Archiv der Freunde Worpswedes e.V.; Katasteramt Osterholz-Scharmbeck
  19. Karl-Robert Schütze: Ein Worpsweder Architekt im Umfeld Vogelers. Walter Schulze baute in Fischerhude und in Berlin. In: Zwischen Elbe und Weser, 30. Jahrgang 2011, Nr. 3 (vom Juli 2011), S. 8–11.
  20. vier Briefe von Walter Schulze an Martha Vogeler, datiert vom 20. April 1916, 30. April 1916, 8. Juli 1916 und 30. Juli 1916. Worpsweder Archiv; Worpswede.
  21. Tagebuch von Edwin Koenemann, Auszüge vom 20. Juni 1918 und vom 24. Mai 1928. Archiv des Vereins „Freunde Worpswedes e. V.“
  22. Wolfgang Saal: Dorfbild und Künstlerarchitektur. In: Worpswede. 100 Jahre Künstlerkolonie. Worpsweder Verlag, 1989, S. 187 f.
  23. Worpsweder Bahnhof. 19. Mai 2013, abgerufen am 27. April 2014.
  24. Karl-Robert Schütze, Peter Elze: Der Moorexpress. Worpsweder Verlag 1984². S. 59.
  25. https://www.berlin.de/landesdenkmalamt/denkmale/liste-karte-datenbank/denkmaldatenbank/daobj.php?obj_dok_nr=09012220
  26. Karl-Robert Schütze: Ein Worpsweder Architekt im Umfeld Vogelers. Walter Schulze baute in Fischerhude und in Berlin. In: Zwischen Elbe und Weser, 30. Jahrgang 2011, Nr. 3 (vom Juli 2011), S. 8–11.
  27. Karl-Robert Schütze: Gymnastikschule Dorothea Schmidt – Dorotheenstiftung – Dorotheenbund e. V. Eine Spurensicherung. In: Jahrbuch des Landesarchivs Berlin 2012. S. 131–163.
  28. Quellen: Brief von W. Schulze an Martha Vogeler, Juli 1916 (s. o.); Katasteramt Osterholz-Scharmbeck
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