Zabriskie Point (Film)

Film von Michelangelo Antonioni (1970)

Zabriskie Point ist ein US-amerikanisches Filmdrama des italienischen Regisseurs Michelangelo Antonioni von 1970. Er ist nach dem gleichnamigen Aussichtspunkt im Death Valley benannt und gilt als Hommage an die Flower-Power- und Hippie-Bewegung der späten 1960er Jahre.[1]

Film
Titel Zabriskie Point
Produktionsland USA
Originalsprache Englisch
Erscheinungsjahr 1970
Länge 107 Minuten
Altersfreigabe
Stab
Regie Michelangelo Antonioni
Drehbuch Michelangelo Antonioni,
Fred Gardner,
Sam Shepard,
Tonino Guerra,
Clare Peploe
Produktion Carlo Ponti
Musik Jerry García
Pink Floyd
Kamera Alfio Contini
Schnitt Franco Arcalli
Besetzung

Handlung

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Der Student Mark verlässt eine heftig geführte Debatte zwischen schwarzen und weißen Studenten und Studentinnen in Los Angeles. Als er einen verhafteten Dozenten im Polizeirevier besuchen will, wird er selbst vorübergehend festgenommen, ohne gegen ein Gesetz verstoßen zu haben. Weil er befürchtet, dass die Polizei auf demonstrierende Studenten schießen könnte, besorgt er sich einen Revolver. Kurz darauf wird ein Teach-in tatsächlich gewaltsam aufgelöst. Schüsse fallen, ein schwarzer Student und ein Polizist werden erschossen. Weil Mark annimmt, dass man ihn verdächtigen könnte, den Polizisten getötet zu haben, stiehlt er ein Flugzeug und flieht damit.

Die Angestellte Daria ist mit dem Auto zu einer Konferenz in Phoenix unterwegs. Sie hält an einer Tankstelle in der Wüste, um mit ihrem Chef Lee Allen zu telefonieren und nach dem Weg zu fragen. Als sie geht, bewerfen mehrere männliche Jugendliche die Tankstelle mit Steinen, wobei ein Fenster zu Bruch geht. Daria läuft den Jugendlichen nach, von denen immer mehr auftauchen. Sie kommen aus einem Heim für schwer erziehbare Stadtkinder in L.A. Die bedrängenden Blicke und sexistischen Bemerkungen der Jungen bewegen sie zum eiligen Aufbruch.

 
Straße nach Zabriskie Point

Während sie weiterfährt, fliegt Mark mit seinem Flugzeug wiederholt sehr knapp über ihren Wagen hinweg. Nachdem er gelandet ist, bittet er sie, ihn mitzunehmen. Am Zabriskie Point halten sie an, verlassen den Wagen und spazieren durch die imposanten Landschafts- und Felsformationen, diskutieren, genießen einen Joint, toben miteinander und lieben sich. Antonioni flicht an dieser Stelle auf einer weiteren Realitätsebene, der subjektiven Wahrnehmung des Pärchens unter Einfluss des Joints, Szenen Dutzender weiterer sich in Fels und Staub liebender Paare – ein „Love-in“ – in den Film ein. Auch die Felsen erwachen scheinbar zu menschlichem Leben.

Danach treffen beide auf einen Polizisten. Während Daria ihn abwimmelt, hat Mark bereits für den Fall seiner Entdeckung die Waffe gezogen. Daria sieht dies und erfährt auf ihre Nachfrage seine Geschichte, die ihrer Begegnung vorausging. Mark entschließt sich trotz Darias Bedenken und dem Angebot, mit ihr nach Phoenix zu fahren, das gestohlene Flugzeug nach Los Angeles zurückzubringen, und malt es mit ihr vor dem Rückflug mit psychedelischen Farben und politischen Slogans als vogelartiges Zwitterwesen bunt an. Mit seinem Start trennen sich beide, Daria fährt weiter nach Phoenix.

Bei der Landung in Los Angeles wird Mark bereits von der Polizei erwartet. Nach einer Verfolgungsjagd auf dem Flugfeld wird Mark von einem Polizisten erschossen. Daria hört die Nachricht im Radio, hält am Straßenrand und trauert für einen Moment, bevor sie ihre Fahrt durch die Wüste fortsetzt. Sie gelangt zu einer hypermodernen Villa an einem Felshang hoch über der Wüste, parkt dort und schleicht ins Haus. Dort befindet sich ihr Chef Allen in einer geschäftlichen Verhandlung, die nicht wie gewünscht verläuft. Ihr Chef entdeckt sie und weist ihr ein Zimmer zu, in dem sie sich erfrischen und umziehen kann. Als sie einer indigenen Bediensteten begegnet, läuft Daria jedoch aus der Villa davon, steigt in ihren Wagen und fährt ein kurzes Stück davon. Von der Straße aus sieht sie zurück auf die Villa.

Im Haus wird die Besprechung fortgesetzt. Plötzlich sieht man in einem Zwischenschnitt ohne Ton das Haus lautlos explodieren, bevor wieder Daria zu sehen ist. Nach einer längeren Einstellung im Wagen steigt sie aus und schaut zur – unbeschädigten – Villa hoch. Die Kamera wechselt zwischen Daria und der Villa, die jetzt wieder, durch Darias Augen gesehen – dieses Mal mit Ton, jedoch in Zeitlupe – explodiert. Dreizehn Mal wird nun aus unterschiedlichen Blickwinkeln die Explosion der Villa gezeigt. Die Sequenz geht über in eine lange Passage, in der man verschiedene Alltagsgegenstände, wie etwa einen Kühlschrank, stark verlangsamt explodieren und dessen Inhalt – wie etwa einen Truthahn oder eine Champagnerflasche – im Raum vor einem blauen Himmel schweben sieht.

Die Musik von Pink Floyd endet abrupt mit einem Schnitt auf Darias zufriedenes, entspanntes Gesicht im Sonnenuntergang. Sie steigt in den Wagen und fährt davon, während die Kamera auf den Sonnenuntergang schwenkt und die Musik wieder eingeblendet wird.

Hintergrund

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Als Antonioni 1966 in den USA seinen Film Blow Up vorstellte, einen Überraschungserfolg, fiel ihm ein Zeitungsartikel in die Hände, wonach ein junger Mann ein Kleinflugzeug gestohlen hatte und beim Versuch, es in Phoenix (Arizona) zurückzugeben, erschossen worden war. Der Vorfall inspirierte den Regisseur zu einem Drehbuch-Entwurf, der von Sam Shepard, Franco Rossetti, Tonino Guerra und der britischen Autorin Clare Peploe, der späteren Ehefrau von Bernardo Bertolucci, weiterentwickelt wurde.

Unter den Schauspielern waren neben Rod Taylor und G.D. Spradlin, der nach zahlreichen Fernsehrollen erstmals in einem Spielfilm besetzt war, Kathleen Cleaver, ein Mitglied der Black-Panther-Bewegung, sowie Paul Fix, ein Freund und Coach von John Wayne. Die Dreharbeiten begannen im Juli 1968 in der südlichen Innenstadt von Los Angeles. In Außenaufnahmen ist noch der Richfield Tower zu sehen, ein Art-déco-Hochhaus, das im November 1968 abgerissen wurde. Die Eingangsszene der Studentenversammlung wurde im Contra Costa Community College in San Pablo (Kalifornien) aufgenommen. Weitere Szenen entstanden in Carefree (Arizona) und im Death Valley sowie in der Mojave-Wüste. Für die Explosions-Szene am Ende des Films wurde eine von Hiram Hudson Benedict und seiner Ehefrau Lois Grace für Carl Hovgaard entworfene Villa in Carefree namens Boulder Reign für die Innenaufnahmen angemietet und auf dem Gelände der örtlichen Southwestern Studios von Paolo Soleri als Attrappe nachgebaut.[2][3] Soleri war Mitte der fünfziger Jahre nach Scottsdale (Arizona) gezogen und wurde dort zum Begründer der Arcology (Öko-Architektur).[4]

Vor der Aufnahme der Liebesszenen im Death Valley ging in Hollywood das Gerücht um, Antonioni wolle 10.000 Statisten anheuern. Tatsächlich engagierte er Darsteller vom Open Theatre, einer experimentellen New Yorker Truppe, die von 1963 bis 1973 spielte. Das amerikanische Justizministerium untersuchte damals, ob die Dreharbeiten gegen den Mann Act verstießen, einem Gesetz, das untersagte, Frauen für das Sex-Gewerbe in andere Bundesstaaten zu bringen. Da das Death Valley allerdings in Kalifornien liegt, entfiel dieser Vorwurf, abgesehen davon, dass gar kein Sex zu sehen war. Gleichwohl warnte die kalifornische Regierung Antonioni vor „Prostitution und unmoralischem Verhalten“. Das FBI nahm sich den Film wegen dessen politischer Haltung vor, die Gemeinde Oakland war alarmiert, weil der Regisseur angeblich einen echten Straßenaufstand angezettelt hatte.

Die Gegenöffentlichkeit, die MGM erreichen wollte, ignorierte den Film weitgehend. Bei Produktionskosten von mindestens 7 Millionen US-Dollar spielte der Film in den USA nur 900 000 US-Dollar ein.

Filmisch zeichnet Zabriskie Point zwei klar definierte Welten: eine des extremen technologischen Fortschritts mit gut organisierten sozialen Kontrollen [die Stadt]; und eine von desillusionierter Romantik [die Natur].[5]

Rodenberg sieht Antonionis Erzählintention wie folgt: Die Szenen des studentischen Protestes [dienen] als Folie für Antonionis eigentliches Anliegen, seine essentialistische Kritik an der Entfremdung der modernen Lebenswelt, an der Entleerung aller Utopie in der Konsumgesellschaft und an der profitorientierten Ausbeutung der Natur zu erzählen.[6] Martin Seel sieht die ästhetische Theorie Theodor Adornos „beim Wort genommen“. Die Explosion sei -„ein Aufstand von Raum und Zeit gegen ihre ökonomische Überformung.“: „Die Produkte der Warenwelt verwandeln sich in skulpturale Objekte, die sich losgelassen von aller Zweckmäßigkeit emanzipieren.“[7]

Die Stationen der Filmhandlung enthüllen ihre gesellschaftskritische Bedeutung „make love, not war“ erst bei der Entschlüsselung von deren symbolisch-metaphorischer Bedeutungsebene. Hintergrund der Erzählhaltung des Films sind die Hippie-Bewegung und die Studie „The One-Dimensional Man“ des Philosophen Herbert Marcuse von 1964. Die Hippie-Bewegung der frühen 1960er Jahre bestand, vereinfacht gesagt, darin, die eigenen Bedürfnisse und Wünsche aus der Verdrängung zu befreien, sich selbst zu leben, ohne Rücksicht auf Moralkodex und Vorstellungen jener Ober- und Mittelschicht, von deren Bigotterie und Materialismus man enttäuscht war.[8]

Kritiken

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Dem Film wurde in den USA eine linksradikale und antiamerikanische Aussage vorgeworfen, und es wurden (erfolglos) verschiedene Prozesse gegen ihn angestrengt.

„Antonionis in Amerika entstandener Film erzählt in zum Teil allegorisch-visionären Bildern vom Mythos eines Wunderlandes, von der Faszination seiner unbegrenzten Möglichkeiten und von den Symptomen seines Zerfalls, wobei utopische Wunschträume unvermittelt in tödliche Alpträume umschlagen. Die radikalen Befreiungsversuche der Helden korrespondieren mit einem experimentellen Erzählstil, der bewußt grelle Effekte des Actionkinos und der Kolportage mit Elementen der Pop- und Werbeästhetik verbindet.“

Lexikon des Internationalen Films[9]

„Ein Aussteiger-Film vom Regisseur des bürgerlich-existentialistischen Kinos aus Italien, Michelangelo Antonioni. Konnte das gut gehen? Nein. Nur die ästhetische Umsetzung ist beachtlich. Die Absicht aber, zugleich die Studentenbewegung und das wogegen sie rebellierte, nämlich die westlich-materialistische Konsumgesellschaft, zu kritisieren, zeigt den hilflosen Standpunkt des liberalen Ästheten.“

Berndt Schulz, Lexikon der Road Movies[10]

„Eine kritische Haltung will der Film offenbar sowohl gegenüber der Protestkultur wie auch dem Konsumterror bewahren, was dabei herauskommt, ist aber undefinierbarer Ideologien-Mischmasch. Die Dialoge gehen in ihrer hölzernen Schlichtheit manchmal an die Grenze des Erträglichen. Trotzdem führt natürlich für keinen Kinoliebhaber der Weg an "Zabriskie Point" vorbei.“

Daniel Sander, Der Spiegel[11]

„Michelangelo Antonioni versucht sich an einem Porträt der Vereinigten Staaten: Um eine schlichte Liebesgeschichte zwischen Schreibmädchen und Student baute er Wolkenkratzer und Wüstensand, Konsum-Plakate und Pop-Musik, Polizisten und aufbegehrende Jugend. Doch der „Alptraum Amerika“ gerät dem Ästheten eher bunt als quälend, mehr schön als abschreckend. Trotz allem ist „Zabriskie Point“ einer jener Filme, an denen man nicht vorbeigehen sollte.“

Die Website Rotten Tomatoes wertete 29 Kritiken aus und kam auf 66 % positiver Kritiken.[13]

Soundtrack

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Zum Film wurde 1970 ein Soundtrack veröffentlicht, der allerdings nicht alle Lieder enthält, die im Film zu hören sind.

  1. Pink Floyd: Heart Beat, Pigmeat
  2. The Kaleidoscope: Brother Mary
  3. Grateful Dead: Dark Star (Ausschnitt)
  4. Pink Floyd: Crumbling Land
  5. Patti Page: Tennessee Waltz
  6. Rolling Stones: You Got the Silver
  7. The Youngbloods: Sugar Babe
  8. Jerry García: Love Scene
  9. Roscoe Holcomb: I Wish I Was a Single Girl Again
  10. The Kaleidoscope: Mickey’s Tune
  11. John Fahey: Dance of Death
  12. Pink Floyd: Come in Number 51, Your Time Is Up, eine Version von Careful with That Axe, Eugene
  • Nachdem der Film fertiggestellt war, zogen die beiden Hauptdarsteller, Mark Frechette und Daria Halprin, in die Fort Hill Commune von Mel Lyman in dem hauptsächlich von Afroamerikanern bewohnten Bostoner Stadtteil Roxbury.
  • Harrison Ford hatte in dem Film eine Nebenrolle als Angestellter auf dem Flugplatz, seine Szenen waren in der veröffentlichten Version jedoch herausgeschnitten und gelten als verloren.
  • Die Villa ist eine Arbeit von Architekt Paolo Soleri. Die Architektur ist angelehnt an die Villa in Alfred Hitchcocks Der unsichtbare Dritte, die seinerseits von Frank Lloyd Wrights Wüstenhäusern inspiriert war.[14]
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Einzelnachweise

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  1. Hommage an Hippie-Bewegung: Hans Peter Rodenberg in: Helmut Korte: Einführung in die Systematische Filmanalyse, S. 94–102
  2. Simone Brott: Architecture for a Free Subjectivity: Deleuze and Guattari at the Horizon of the Real, Farnham 2011, S. 61
  3. Modern San Diego vom Archivierte Kopie (Memento vom 5. August 2018 im Internet Archive) abgerufen am 4. August 2018
  4. Der Standard vom 26. November 2010 Urbane Öko-Utopie in der Wüste[1] abgerufen am 4. August 2018
  5. in: Robert Lyons: Michelangelo Antonioni’s Neorealism: A World View New York, 1973, S. 187; zit. n.: Hans Peter Rodenberg: Historischer Kontext und der zeitgenössische Zuschauer: Michelangelo Antonionis Zabriskie Point (1969) S. 75–118; in: Helmut Korte: Einführung in die systematische Filmanalyse, 2004/3, S. 73–118
  6. In: Korte, ebd., S. 85
  7. Martin Seel: Die Künste des Kinos, Frankfurt 2013, unpag. E-Book
  8. Rodenberg, ebd., S. 95
  9. Zabriskie Point. In: Lexikon des internationalen Films. Filmdienst, abgerufen am 20. Februar 2022.
  10. Zitiert nach Dirk Jasper Filmlexikon (Memento vom 1. Januar 2007 im Internet Archive)
  11. Antonioni-Klassiker "Zabriskie Point": Nackt im Wüstensand. In: Der Spiegel, 28. Mai 2009, abgerufen am 1. Oktober 2013
  12. Evangelischer Filmbeobachter, Evangelischer Presseverband München, Kritik Nr. 385/1970.
  13. Zabriskie Point. In: Rotten Tomatoes. Fandango, abgerufen am 20. Februar 2022 (englisch).
  14. Vorstellung der Architektur der Villa abgerufen am 3. Juli 2013
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