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Artikel „Florens V.“ von Pieter Lodewijk Muller in: Allgemeine Deutsche Biographie, herausgegeben von der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, Band 7 (1878), S. 126–129, Digitale Volltext-Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=ADB:Florens_V.&oldid=- (Version vom 28. Dezember 2024, 00:59 Uhr UTC)
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Florens V., vorletzter Graf aus der alten holländischen Linie, geb. 1254, zwei Jahre vor seines Vaters, des Königs Wilhelm (s. d.) von Holland, Tod, ward unter Vormundschaft seines Onkels F. (s. d.) erzogen und nach dessen [127] Tode unter der seiner Mutter und mehrerer Verwandten. 1268 ward er mit Beatrice von Flandern vermählt, – was zum meistens friedlichen Verhältniß mit dem Nachbar unter seiner Regierung beitrug – und fing bald einen Rachekampf gegen die Westfriesen an. Nach mehreren blutigen Feldzügen und ebenso vielen Verträgen gelang es ihm endlich, 1288 das trotzige Bauernvolk zu zähmen. Auch im übrigen Friesland faßte er wieder festen Fuß und die reiche Handelsstadt Stavoren unterwarf sich ihm. Auch im Osten seines Gebiets gegen Utrecht hin wußte er seine Macht auszubreiten. Den Bischöfen stand er in ihren Fehden mit den mächtigen, durch ihre Stellung zwischen beiden Ländern halb unabhängigen Herren von Woerden und Amstel bei, und 1285 zwang er die beiden seine Oberherrschaft anzuerkennen, ihm ihre Allodialgüter aufzutragen und wieder von ihm zu empfangen und ihre Lehngüter ihm zu überlassen. Die Bischöfe selbst hatte er an sich gefesselt durch eine Reihe merkwürdiger Verträge mit der schon mächtigen Stadt Utrecht und mit mehreren Ortschaften und Edelleuten, wodurch er von 1274 an daselbst eine Art Oberaufsicht gewonnen hatte, welcher die beiden schwachen Johann (von Nassau und von Zyrik [s. d.]) sich unbedingt fügen mußten, wollten sie seine gegen ihre rebellischen Unterthanen ihnen unbedingt nothwendige Unterstützung nicht verlieren. Bis kurz vor seinem Tode hatte er das Stift völlig in seiner Hand, erst Bischof Wilhelm von Mecheln suchte sich dem holländischen Einfluß zu entziehen.

Weniger Glück hatte F. gegen Flandern. Wie alle holländischen Grafen suchte er die Verbindung Seelands mit Flandern zu lösen. Er stützte sich dabei auf den Kaiser Rudolf, welcher in dem Rechtsstreit um Reichs-Flandern, zwischen den Avesnes und Gui von Flandern (aus dem Hause Dampierre), die Partei der ersteren genommen hatte. Dagegen war der seeländische Adel wol in Verbindung mit einigen holländischen Geschlechtern auf der Seite Flanderns. Die innere Politik Florens’ ging doch dahinaus, die Macht des Adels zu brechen und die fürstliche Gewalt, gestützt auf die Städte und das freie Bauernthum auf den Trümmern der Adelsherrschaft aufzurichten. Daher wandten sich die Edelleute vielfach von ihm ab und suchten in Seeland durch Berufung des Oberlehnsherrn die Schwächung ihrer Macht zu verhüten. Die zwei Kriege Florens’ gegen Flandern und den seeländischen Adel sind also nur Bruchstücke des langen Streits der Grafen Guis erst mit den Avesnes und dem Kaiser und dann mit Frankreich, wie überhaupt die holländische Politik damit in engere Beziehungen zu den Rivalitäten der Großmächte gerieth. Sie änderten nichts an den bestehenden Verhältnissen, da der Versuch des F., sich dem flandrischen Lehnsverbande zu entziehen, im ersten Kriege völlig mißlang, weil er, zu einer Zusammenkunft mit Graf Gui verlockt, zu Biervliet verhaftet und nicht eher losgegeben ward, bis er sich dessen Forderungen fügte und mit den seeländischen Herren versöhnte, 1290, wobei Florens’ Bundesgenosse, Herzog Johann von Brabant, eine höchst zweideutige Rolle spielte. Fünf Jahre später ward er dagegen eines mit vlämischer Hülfe unternommenen Aufstandes der Edelleute ohne viele Mühe Herr. Unterdessen hatte er, wol nicht, wie meistens angegeben wird, weil König Eduard I. den Stapelplatz der englischen Wolle von Dordrecht nach Brügge verlegt, doch weil er mit dem Bundesgenossen Flanderns nicht in gutem Einvernehmen stehen konnte, die Partei Frankreichs gewählt und war dazu Januar 1296 selbst nach Paris gegangen, wo er seine Allianz mit Philipp dem Schönen schloß, die Einleitung der durch Florens’ Nachfolger aus dem Hennegauer Hause mit so vielem Erfolge fortgesetzten Verbindung mit Frankreich, welche Seeland Flandern entriß. So richtig dieser Wechsel der Politik war, denn das Bündniß mit England und die Verbindung seines Sohnes Johann mit Elisabeth, Eduards [128] Tochter, hatte ihm nur wenig gefruchtet und seit er sich gegen Flandern gewendet, nur gehemmt, er war ihm zuletzt doch verderblich.

Denn es steht ziemlich fest, daß König Eduard der Verschwörung nicht fremd war, welche mehrere Edelleute, die von ihm theilweise depossedirten Herren von Amstel und Woerden an der Spitze, mit dem Grafen von Cuyck (s. d.) und dem Herzog von Brabant anzettelten, um den verhaßten Fürsten gefangen nach England zu führen und seinen daselbst erzogenen und überdies schwächlichen Sohn, der wol ganz unter dem Einfluß seines energischen Schwiegervaters stand, an seine Stelle zu setzen. Auch sein Neffe Johann von Avesnes (der spätere Graf Johann II.), der unter Johann schon faktisch die Regierung führte, scheint der Sache nicht fremd geblieben zu sein. Die Veranlassung der Verschwörung wird wol nicht in persönlichen Beleidigungen, Uebergriffen in die Hausehre einiger Edelleute, gelegen haben, sondern in der ganzen inneren Politik Florens’, der „Der Keerlen Gott“, der Gott der Bauern, genannt ward und von einigen Chroniken als ein förmlicher Demokrat geschildert wird. Das letztere mag namentlich übertrieben sein, jedoch ist nicht zu zweifeln, daß er fortwährend die Städte und auch die freien Ortschaften auf dem Lande begünstigte und seiner Regierung den eigenthümlichen Charakter dadurch gab, weil unter ihm die Organisation des Landes, der Uebergang desselben aus dem primitiven Zustande der früheren Zeiten in die eigenthümliche Form, welche es im großen Ganzen bis 1795 behalten hat, vor sich geht. Unter seinem Großvater begonnen, von seinem Vater fortgesetzt, nahm diese Organisation unter ihm feste Gestalt an. Bereits wird der Krieg mit dem Wasser, diesem inneren Feinde Hollands, angefangen; die meisten „Waterschappen“ dankten ihm ihre Entstehung; 1285 erließ er Rechte für die Schleuse bei Sparendam und den großen Polder Rheinland im Herzen des Landes und auch im Süden um Dordrecht wurden Deichrechte gegeben. Die friesischen Gemeinden, die sich ihm unterwarfen, empfingen Vorrechte von ihm, die wol dazu angethan waren, sie ihre alte aber unsichere Freiheit vergessen zu lassen. Mehrere Städte im Norden des Landes, wie Medemblik, Alkmaar, bekamen Stadtrechte oder sahen dieselben vermehrt. Wie sich die Verhältnisse daselbst mehr und mehr zu bessern anfingen und aus dem permanenten Kriegszustand der Westfriesen mit Kennemer- und Waterländer ein friedliches Leben entstand, wird wol immer ein Geheimniß bleiben, ebensowol wie die Zustände beeinflußt wurden von dem schrecklichen Bauernaufstand, welcher im Anfange von Florens’ Regierung um 1268 über das Land herbrauste und bis nach Utrecht hinab sich ausbreitete und in den Bürgerwirren dieser Stadt, wo Volk, Adel und Bischöfe einander bekämpften, eine Rolle spielten, viele feste Schlösser, auch mehrere Städte verheerend und am Ende theils an dem Widerstand Flanderns, theils am Schwinden der eigenen Kräfte hinsterbend. Auch in Seeland und in Süd-Holland war fast keine bedeutendere Ortschaft, welche nicht von F. neue Rechte empfing oder ihre alten bedeutend vermehrt sah, so daß mit seiner Regierung die meisten Städte Hollands als solche dastanden, eine feste Stütze der Regierung gegen die Macht des Adels. Letzteren scheint er fortwährend zu beschränken versucht zu haben, auch durch Befreiung mehrerer Familien von den nur von Unfreien aufzubringenden Lasten, wodurch sie in den Stand der Wohlgeborenen übergingen. Ob er den ministerialen Adel gegenüber dem alten Geburtsadel emporzuheben beabsichtigte, wie seine Nachfolger aus dem Hennegauer Hause, ist, wie so vieles andere, nicht mit Bestimmtheit zu sagen. Gewiß ist es, daß ein Theil des Adels ihn bitter haßte, während der andere in einem ziemlich kühlen Verhältnisse zu ihm stand, obgleich es von seiner Seite doch nicht an Versuchen fehlte, denselben an seinen glänzenden Hof zu fesseln. Genug, das Zusammenfallen dieser Feindseligkeit mit der äußeren Politik führte das schreckliche Ende seines Lebens herbei.

[129] Es gelang den Verschworenen, sich des ganz arglosen Grafen bei Utrecht auf einer Jagdpartie, wo er sich fast allein unter ihnen befand, zu bemächtigen und ihn nach dem Schloß von Muiden zu führen. Da dieses am Meere gelegen war, hofften sie ihn leicht nach England zu schaffen. Allein die Bauern in Nordholland griffen mit unerhörter Schnelligkeit zu den Waffen und schnitten den Ausgang zur See mit leichten Fahrzeugen ab, und als jetzt versucht wurde, F. auf einem Rosse gebunden zu Lande nach Brabant zu entführen, stieß man auf das Landvolk der Umgebung. Da, in der Angst und wol auch, um durch keine halbe Maßregel der Rache Florens’ anheimzufallen, erschlugen sie ihr wehrloses Opfer, Herr Gerhard von Velsen voran, der auch bei der Festnehmung sich hervorgethan, am 27. Juni 1296.

F. war ohne Zweifel ein merkwürdiger Fürst, dessen thatenreiches Leben Zeugniß von seltener Energie und nicht geringem politischen Scharfsinn gibt. Leider wird es kaum möglich sein, die Geschichte seiner Regierung so zu schreiben, daß ein gutes Bild von ihm und seinem Charakter gewonnen wird. So viel auch die zahlreichen Urkunden derselben bieten, sie füllen fast den ganzen zweiten Band des Urkundenbuchs von van den Bergh, so fehlt doch über manches Ereigniß jede genauere Kunde. Dazu ist die bisher am meisten benutzte Hauptquelle, die bekannte Reimchronik des Melis Stoke zu seinen Gunsten so parteiisch gefärbt, daß schon im vorigen Jahrhundert Historiker von dem, was er sagte, eben das Gegentheil annehmen zu müssen glaubten. Florens’ auswärtige Politik ist nur mit seiner schwierigen Stellung und seinen theilweise ererbten Ansprüchen und Absichten zu entschuldigen, denn sie war beispiellos falsch und rücksichtslos. Ueber seine innere ein Urtheil auszusprechen, ist kaum möglich, da uns die Verhältnisse nicht klar genug vorliegen. Doch das eine ist gewiß, daß Holland und Seeland ihm die feste Organisation dankten, welche sie in Stand setzte, nach dem segensreichen Regimente der ersten Hennegauer die Stürme der baierischen Epoche zu bestehen.

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