ADB:Geßner, Johann Anton Wilhelm

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Artikel „Geßner, Johann Anton Wilhelm“ von Carl von Prantl in: Allgemeine Deutsche Biographie, herausgegeben von der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, Band 9 (1879), S. 106–107, Digitale Volltext-Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=ADB:Ge%C3%9Fner,_Johann_Anton_Wilhelm&oldid=- (Version vom 27. Dezember 2024, 12:08 Uhr UTC)
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Geßner: Johann Anton Wilhelm G., geboren am 16. April 1771 in Kirchheilingen bei Langensalza als Sohn eines Chirurgen, besuchte die Schulen zu Langensalza (seit 1782) und zu Uelzen (seit 1785) und bezog 1789 die Universität Leipzig, wo er zunächst philosophische Vorlesungen, hauptsächlich bei Platner und Heydenreich, hörte, dann aber sich dem Studium der Theologie widmete. Nachdem er 1792 das theologische Examen zu Dresden bestanden hatte, nahm er eine Hauslehrerstelle in Heldrungen an, und in diese Zeit fallen die Anfänge seiner schriftstellerischen Thätigkeit; nämlich mit Bezugnahme auf Fichte’s „Kritik aller Offenbarung“ verfaßte er (1795) „Morgengespräche zweier Freunde über die Rechte der Vernunft in Rücksicht auf Offenbarung“, worin er sich grundsätzlich auf Kant’s Postulate der praktischen Vernunft stellte und nur in dieser den Probirstein einer Offenbarung erkannte; auch die hierauf folgende Schrift „Theorie der guten Gesellschaft“ (1798) knüpft an Kant an. Im J. 1801 habilitirte sich G. als Privatdocent in Leipzig mit einer Abhandlung „De veritate cognitionis humanae“, in welcher er sich den Gegnern Kant’s näherte und besonders mit Platner sympathisirte; auch in der gleichzeitigen Schrift „Ueber den Ursprung des sittlich Bösen“ (1801) nahm er eine selbständige Stellung zu Kant ein (hauptsächlich bezüglich der Abhandlung desselben „Vom radicalen Bösen“) und suchte den Kantischen Freiheitsbegriff durch die Grundlegung einer gegen alle Hindernisse kämpfenden sittlichen Willenskraft zu ersetzen. Desgleichen bemüht er sich in seiner „Kritik der Moral“ (1802) die Ethik tiefer und richtiger, als es nach seiner Ansicht Kant gethan, zu begründen, indem er unter entschiedener Ablehnung aller theologisirenden Anschauungen lediglich die unbedingte Nothwendigkeit der Handlungen als Inhalt des Vernunftgebotes zuläßt. Diesen Grundgedanken begann er in einem größeren Werke „Die neue Stoa oder über den Gleichmuth“ näher auszuführen, von welchem jedoch nur der erste einleitende Band erschien (1803), dessen Inhalt in einer Darlegung der menschlichen, sowol leiblichen als geistigen Triebe besteht. Zur gleichen Zeit veröffentlichte er „Demokrit oder freimüthige Gespräche über Moral, Religion und andere wissenschaftliche und politische Gegenstände“ (1803) in 2 Bänden, deren erster eine Apologie der Wahrheit enthält, während im zweiten eine abermalige Beleuchtung und Widerlegung der Ethik Kant’s folgt. Dann folgten: „Die Freunde Heinrichs IV., aus dem Französischen des Hn. Sevrin“ (1806) und „Der letzte Mensch, aus dem Französischen des Hn. Grainville“ (1807), sowie eine publicistische Schrift „Die teutsche Reichsstandschaft, ein Beitrag zur richtigen Würdigung des vergangenen und gegenwärtigen öffentlichen Zustandes von Teutschland“ (1807). Im J. 1806 war G. außerordentlicher Professor geworden, gab aber noch vor 1810 die Stelle auf, um in Triest als Hofmeister in die Familie eines Banquiers einzutreten. Und wenn er als seit jener Zeit verschollen bezeichnet wird (Ersch-Gruber’s Encyklopädie, Section I., [107] Bd. 64, S. 363), so gelang es auch dem Unterzeichneten trotz mannichfacher Bemühung nicht, irgend Kunde über Geßner’s späteres Leben oder Todesjahr zu erlangen. Wir wissen nur, daß G. noch im J. 1830 ein (in Leipzig gedrucktes) zweibändiges Werk „Speculation und Traum“ veröffentlichte, in welchem derselbe sichtlich mit aufrichtigstem Streben unter kritischen Erörterungen über Kant, Fichte, Schelling, Jacobi und Krug den Entwicklungsgang des Denkens von dem Stadium der Vorstellung an durch die Stufen der Wahrnehmung, der Abstraction und Reflexion bis zur speculativen Selbstverständigung durchzuführen versuchte, wobei uns die ersten Grundlagen vielfach an Reinhold’s Theorie des Vorstellungsvermögens erinnern.

Ersch-Gruber, a. a. O. Meusel, Das gelehrte Teutschland, Bd. V, S. 710.
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