ADB:Rappoltstein, von
Schöpflin meint, durch Adelheid, die Mutter Kaiser Konrad’s II.), in den Besitz der salischen Kaiser. Heinrich IV. schenkte dieselbe („predium quoddam nomine Rapoldestein“) am 21. März 1084 der Baseler Kirche; sein Sohn Heinrich V. aber nahm sie wieder zu seinen Händen und behielt sie ebenso, wie seine Nachfolger es thaten, trotzdem die Abtei Pfäfers, welche Heinrich V. dafür zum Tausche [303] geboten hatte, nie Eigenthum der Bischöfe von Basel wurde. Kaiser Friedrich I. gab sodann im J. 1162 die Herrschaft Rappoltstein („castrum Rapolstein cum medietate subiacentis ville Rapolswilre“) dem Bisthum zurück, und dieses hatte das dominium directum bis zur Zeit der französischen Revolution inne. Das dominium utile übte seit alter Zeit ein Dynastengeschlecht, welches außerdem, wie ich vermuthe, anfangs die andere Hälfte von Rappoltsweiler und eine große Zahl der umliegenden Dörfer, darunter namentlich Gemar, als Allod besaß, diese aber nach und nach verschiedenen Herren als Lehen auftrug. Gewöhnlich bezeichnet man das höchstgelegene der drei sogenannten Rappoltsteiner Schlösser, Hoh-Rappoltstein oder Alten-Kastel genannt, als Stammschloß; aber mit Unrecht, denn bautechnische Gründe sowohl wie die allerdings sehr dürftigen urkundlichen Zeugnisse sprechen dafür, das unter Rappoltstein das niedriger gelegene, theilweise auf römischen Fundamenten ruhende Schloß zu verstehen ist, welches später Groß-Rappoltstein oder St. Ulrich genannt wurde. In dem Geschlechte der Herren von Rappoltstein unterscheide ich eine ältere und eine jüngere Linie. Von ersterer sind nur wenige Mitglieder bekannt: Reginbald, der im J. 1038 den Grafen Gerhard von Egisheim, den Bruder des Bischofs Bruno und nachmaligen Papstes Leo IX., in einer Fehde erschlug, seine Mutter Biltrude starb wahrscheinlich im J. 1022; dann aus der ersten Hälfte des zwölften Jahrhunderts: Adalbert und Reinhard, ihre Mutter Adelheid, und des ersteren Kinder Reinbold, Bertholf, Reinhard und Emma. Adalbert und seine Söhne sind schon vor dem 3. Juni 1156 gestorben – die Söhne möglichenfalls in dem zweiten Kreuzzuge – und mit Reinhard, der von 1153–1156 als Straßburger Dompropst nachzuweisen ist, erlosch am 17. Februar 1157 der Mannesstamm der älteren Linie. Als Stammvater der jüngeren Linie gilt nach allgemeiner Annahme Egenolf von Urslingen, ein naher Verwandter desjenigen Konrad von Urslingen, der von 1177 bis 1198 das Amt eines Herzogs von Spoleto bekleidete. Egenolf scheint die Herrschaft Rappoltstein durch Vermählung mit Adalbert’s Tochter Emma überkommen zu haben, wenngleich Urkunden und Tradition darüber gleichmäßig schweigen. Ausgangs des 12. oder zu Anfang des 13. Jahrhunderts muß die gleichfalls aus dem Egisheimer Erbe stammende Herrschaft Hohenack in den Besitz der Rappoltsteiner gekommen sein: sie war, so weit unsere Urkunden es übersehen lassen, zuerst Pfirter, dann österreichisches Lehen und blieb, wenn auch zweimal unter besonderer Verwaltung (1298–1351 und 1368–1436), bis zur französischen Revolution mit der Herrschaft Rappoltstein vereinigt. Unter den Gliedern der zweiten, jüngeren Rappoltsteiner Linie ragten im 13. Jahrhundert Anselm (II.), im 14. Bruno, im 15. Smaßmann und Wilhelm, im 16. Wilhelm und Egenolf besonders hervor. Mit dem „Grafen“ Johann Jakob erlosch im J. 1673 der Mannsstamm der jüngeren Linie – eine Seitenlinie soll noch jetzt in der französischen Schweiz und in Rußland leben, siehe Meaume, Les seigneurs de Ribeaupierre, famille de la chevalerie lorraine, en Alsace et en Suisse, Nancy 1873 – und mit Johann Jakob’s Tochter Katharina Agatha kam der Gesammtbesitz als „Grafschaft Rappoltstein“ an ihren Gemahl, den Pfalzgrafen Christian II. von Birkenfeld. Vom 15. Juni 1746 bis 15. August 1767 regierte ein Enkel Beider, Friedrich Michael, in der ihm von seinem älteren Bruder, Christian IV. von Birkenfeld-Zweibrücken, durch Vergleich überlassenen Grafschaft, und da Christian IV. am 5. November 1775 ohne nachfolgeberechtigte Erben gestorben war, überließ Karl August, Friedrich Michael’s zur Nachfolge in den Birkenfeld-Zweibrückenschen Landen berufener Sohn, dieselbe Grafschaft seinem jüngeren Bruder Maximilian Joseph (dem nachmaligen Baiernkönige Maximilian I. Joseph), welcher die Regierung am 27. März 1778 antrat und in den Wirren der Revolution verlor.
Rappoltstein: Anselm (II.) von R. Unzweifelhaft gehörte die Herrschaft Rappoltstein ursprünglich den Grafen von Egisheim und gelangte (vielleicht, wie[304] Anselm II. v. R., geboren um das Jahr 1257, † im J. 1311. Der Name seines Vaters, der vor dem 2. Juli 1277 gestorben sein muß, ist nicht mit Sicherheit zu bestimmen, wahrscheinlich hieß er Heinrich, nicht – wie man gewöhnlich annimmt – Hermann. Seine Mutter, eine geborene Gräfin von Froburg, trat im J. 1279 in das Kloster Paradies bei Zürich und starb im J. 1281. Anselm’s erste Kriegsthaten fallen, so weit unsere Nachrichten reichen, in das Jahr 1278; denn nach Luck’s Annalen leisteten in dem genannten Jahre drei jüngere Herren von Rappoltstein, also vermuthlich Ulrich, Anselm und Hermann (vgl. die Urkunde König Rudolf’s vom 17. December 1280), dem Könige Rudolf Zuzug gegen König Ottokar von Böhmen. Durch den Tod seines Oheims Ulrich (III.), des damals regierenden Herrn (er starb am 11. April 1283), und durch das bald darauf erfolgte Hinscheiden zweier Brüder (Ulrich und Hermann, die im J. 1283 als bereits gestorben genannt werden) wurde er nahezu einziger Erbe des gesammten Rappoltsteinschen Besitzes, denn außer zwei entfernteren Verwandten, Hermann und Ulrich, die als einer Seitenlinie angehörend, kaum erbberechtigt waren, lebten nur noch ein jüngerer Bruder Anselm’s, Heinrich, und ein Sohn seines älteren Bruders, gleichfalls Heinrich mit Namen, beide noch minderjährig. So führte er eine Zeit lang das Regiment allein. Die Colmarer Annalen und die Colmarer Chronik, die einzigen Quellen, welche ausführlicher von ihm handeln, berichten von mancherlei Fehden, die er kühnen Muthes ausfocht. So überfiel er im März 1287 das Städtchen St. Pilt und steckte es in Brand; dann zog er mit seiner Kriegsschaar über die Vogesen, brannte 120 Dörfer nieder und verwüstete die ganze Gegend. Der Anlaß dieses Zuges ist jedenfalls in Zwistigkeiten Anselm’s mit dem Herzoge Friedrich III. von Lothringen zu suchen, doch lassen uns die Nachrichten darüber völlig im Stich. Kaum aber war er nach Hause zurückgekehrt, so ließ ihn König Rudolf durch seinen Vogt Hartmann von Baldeck in seiner Feste Rappoltstein belagern. Der Colmarer Chronist berichtet, daß A. durch die entschiedene Weigerung, seinen Verwandten Antheil an der väterlichen Erbschaft zu gewähren, den König, nachdem dessen gütliche Ueberredungsversuche gescheitert seien, zu diesem Entschlusse gedrängt habe. Die Belagerung verlief ohne Resultat: Oberbergheim wurde niedergebrannt, und die umliegenden Saatfelder und Rebgelände wurden verwüstet, aber weil Hartmann von Baldeck bei seiner Schaar, die aus Bürgern von Colmar, Kaisersberg und anderen benachbarten Städten bestand, nicht den rechten Eifer bemerkte, hob er nach drei Tagen die Belagerung auf. Nun suchte A. sich des Schutzes der benachbarten Herren zu versichern, was ihm auch, da König Rudolf nicht dagegen war, bei mehreren gelang. Dem (Burchard?) Herrn von Horburg aber, der sich nicht mit ihm einlassen wollte, verbrannte er mehrere Dörfer. Jetzt entschloß sich König Rudolf, selbst A. in seiner Burg Rappoltstein zu belagern; aber auch er erreichte nichts, denn auf die Kunde von einem gegen ihn selbst geplanten Mordanschlage ließ er nach wenigen Tagen davon ab. Hartmann von Baldeck mußte in Gemar ein Blockhaus errichten, um dadurch für später die Belagerung zu erleichtern; Zellenberg aber, welches damals im Besitze der Horburger war, erhielt eine Besatzung von fünfzig Reitern, welche jegliche Zuführung von Lebensmitteln und sonstigen Bedürfnissen für die Burg Rappoltstein verhindern sollten. Ein Angriff, den darauf Anselm gegen Zellenberg unternahm, wurde durch einen Ausfall des Herrn von Horburg erfolgreich abgewehrt. Anselm aber holte sich von seinem Verwandten Heinrich von Blankenberg (Blamont) Verstärkungen und brachte durch einen bei Sigolsheim gelegten Hinterhalt die dortigen Herden und deren Besitzer sowie auch einige Leute des Horburgers, die zur Befreiung herbeigeeilt waren, in seine Hände, die Gefangenen aber, 130 an der Zahl, gab er erst gegen ein [305] Lösegeld von 2000 Mark frei. Am 1. April 1288 wurde auf dem Colmarer Tage von König Rudolf, dem Bischof Konrad von Straßburg, den Straßburger Bürgern und den Herren des Landes ein Landfriede beschworen. Auch eine mündliche Auseinandersetzung über die Mitberechtigung der Verwandten Anselm’s mag erfolgt sein: Anselm’s Bruder Heinrich urkundet seit Ende des Jahres 1288 mit. Bis zum Tode Rudolf’s von Habsburg gab es für Anselm friedlichere Zeiten: einen Angriff des Grafen v. Veldenz im Herbste 1290 wehrte er siegreich ab. In diese Zeit fällt auch Anselm’s Vermählung mit Elisa, der Tochter seiner Muhme Bertha von Rappoltstein und des (im J. 1290 bereits verstorbenen) Grafen Sigbert von Wörth (siehe Witthumsverschreibung vom 7. Juni 1290). Nach dem Hinscheiden des Königs Rudolf wurde Anselm’s Schwert wieder lockerer in der Scheide: Im J. 1291 griff er den Unterlandvogt Kuno v. Bergheim, mit dem er früher in gutem Einvernehmen stand, in seiner Feste Sermersheim an, wurde indes zur Flucht gezwungen; im J. 1292 wurde er von Straßburger Bürgern gefangen genommen (4. Juni) und mußte am 3. November desselben Jahres eine ewige Sühne mit der Stadt Straßburg beschwören. Die letzterwähnte Fehde war privater Natur; wie weit sich dies auch von der ersteren sagen läßt, muß dahin gestellt bleiben. Ein dritter und furchtbarerer Kampf aber, der im Herbst 1293 ausbrach und nicht nur das ganze rappoltsteinische Gebiet durchtobte, sondern auch die Stadt Colmar in Mitleidenschaft zog, ist wol ebenso auf seine Lust zu Abenteuern wie auf seine Abneigung gegen König Adolf zurückzuführen; denn daß der habsburgisch gesinnte Bischof Konrad von Straßburg mit 200 Streitern zur Hilfe heranzog, und daß des Bischofs Bruder Friedrich (v. Lichtenberg) in der Stadt Colmar weilte und später den Rappoltsweilern Hilfe bringen wollte, läßt wol keine andere Deutung zu. Auf welche Weise aber A. den Groll des Königs auf sich lud – die Colmarer Chronik sagt allerdings, er habe seinen Bruder und seinen Neffen ihres Antheils an der Herrschaft berauben wollen, was doch kaum zu glauben ist – wissen wir ebenso wenig, wie wir mit Bestimmtheit sagen können, ob des Königs ganz außerordentliche Rüstungen mehr dem fehdefrohen Rappoltsteiner oder der Stadt Colmar galten. Ich für meinen Theil neige zu der Ansicht, daß Colmar nur durch die Ränke seines Schultheißen Walther Rösselmann hinein verwickelt wurde, und daß Anselm, dem jener am 10. September 1293 die Stadt übergab, der Mittelpunkt der kriegerischen Bewegung war. Denn gegen dessen Gebiet ist der erste Angriff des Königs gerichtet, und erst nachdem dieser nahezu vierzehn Tage nutzlos vor Rappoltsweiler gelegen (16. bis 28. September), rückt er vor Colmar – vermuthlich weil er inzwischen Kunde von Anselm’s Aufenthalt erhalten hat. Als aber sodann etwa einen Monat später durch Verrath der ärmeren Bürger Colmar’s Thore dem Könige geöffnet, Anselm aber und sein Verbündeter Walther Rösselmann ihm als Gefangene übergeben sind, da zieht er wiederum ins Rappoltsteinische und erobert nach mehrtägiger Belagerung Gemar. Colmar erhielt keine Strafe. Die Gefangenen des Königs wurden – Anselm mit Ketten belastet zu Pferde, Walther Rösselmann auf einem Rade sitzend zu Wagen – eine Zeit lang im Triumphe herumgeführt, dann auf der Feste Achalm internirt. Erst im Februar 1296 und zwar, wie Trithemius berichtet, nach Vergeiselung seiner Söhne soll Anselm seiner Haft entlassen worden sein. Auch wird berichtet, daß König Adolf die Herrschaft Rappoltstein in drei Theile getheilt und Anselm’s Antheil, Gemar nebst Zubehör, zu seinen Händen genommen habe. Ob dem wirklich so ist, läßt sich nicht ermitteln. Jedenfalls müßte, da um das Jahr 1298 Anselm und sein Bruder Heinrich sich über die Theilung ihrer Rechte in Gemar einigten, die Confiscation, wenn sie erfolgt ist, rückgängig gemacht sein. Von da an ist nichts Besonderes mehr über Anselm [306] zu melden. Er übte die Rechte eines Seniors des Geschlechts und suchte im J. 1298 (19. August) alle weiteren Erbstreitigkeiten durch einen Theilungsvertrag abzuschneiden: dem jüngeren Heinrich wurde die Herrschaft Hohenack zugewiesen, während Anselm und sein Bruder Heinrich die Herrschaft Rappoltstein unter sich theilten; diesem ersten Vertrage folgte im J. 1302 (3. Juli) die Theilung des Marktes von Rappoltsweiler und im J. 1303 (7. Januar) die Theilung der beiderseitigen Mannen. Streitigkeiten, die sich trotzdem zwischen den beiden Brüdern erhoben, wurden durch Schiedssprüche beigelegt (Urkk. vom 19. Februar 1306 und vom 13. November 1309). Mit den Habsburgrrn scheint A. stets im besten Einvernehmen gestanden zu haben. Directe Beziehungen zu König Albrecht sind kaum nachzuweisen; Herzog Leopold von Oesterreich machte ihn im J. 1308 (17. September) zu seinem Burgmann in Ensisheim. Unter seinen sonstigen Lehensbeziehungen sind die zum Herzog von Lothringen und zum Bischof von Metz hervorzuheben. Anselm starb um 1311 (am 12. August des genannten Jahres wird er zuletzt als lebend erwähnt). Von seinen Söhnen wählten Ulrich († vor 1346) und Egenolf den geistlichen Stand, seine Tochter Lucia vermählte sich mit Burchard von Horburg. In der Herrschaft aber folgte ihm der älteste Sohn Johannes, Herr „von der Hohen Rappoltstein“, der vor dem 8. December 1337 mit Hinterlassung einer Tochter (Katharina mit Simon von Hattstatt vermählt, † vor 4. August 1355) und zweier Söhne verschied. Mit den letzteren, Johannes und Anselm († vor 29. August 1341) erlosch der Mannesstamm der Anselmischen Linie. Anselm’s unerschrockener Muth und rasches Handeln haben ihm bei der Mit- und Nachwelt den Beinamen des Kühnen verschafft. Wenn man ihn aber als einen der hervorragendsten Bandenführer des Elsaß bezeichnet (Lorenz, Deutsche Geschichte im 13. und 14. Jahrhundert, Bd. II, 544), so scheint mir dieses Urtheil etwas zu hart: zwar berichtet die Colmarer Chronik, daß er meistens 30 verwegene Schützen in seinem Geleite gehabt habe, und daß er mehrfach die Aeußerung gethan habe, einen Knecht, der ein Gewissen habe, könne er nicht brauchen, aber gleichwol glaube ich, daß er um nichts besser, aber auch um nichts schlechter war, als irgend einer seiner rauflustigen Zeitgenossen.