ADB:Windischmann, Karl Joseph

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Artikel „Windischmann, Karl Joseph Hieronymus“ von Friedrich Lauchert in: Allgemeine Deutsche Biographie, herausgegeben von der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, Band 43 (1898), S. 420–422, Digitale Volltext-Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=ADB:Windischmann,_Karl_Joseph&oldid=- (Version vom 28. Dezember 2024, 05:25 Uhr UTC)
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Windischmann: Karl Joseph Hieronymus W., katholischer Philosoph, geboren zu Mainz am 24. August 1775, † am 23. April 1839. Seine Gymnasialbildung erhielt er in den Jahren 1787–1792 in Mainz und begann sodann an der damaligen Universität Mainz das Studium der Philosophie; die französische [421] Invasion unterbrach hier aber bald seine Studien und veranlaßte ihn, sich nach Würzburg zu begeben, wo er den philosophischen Cursus vollendete und darauf Medicin und Naturwissenschaft studirte. Nach seinem im Sommer 1796 bestandenen medicinischen Examen und erfolgter Promotion hielt er sich zur Fortsetzung seiner Studien und zur weiteren Ausbildung für den ärztlichen Beruf ein Jahr in Wien auf. 1797 kehrte er in seine Vaterstadt Mainz zurück und ließ sich als practischer Arzt nieder, während er zugleich begann, medicinische Vorlesungen zu halten. Im gleichen Jahre heirathete er auch. Im J. 1801 berief ihn der Kurfürst Erthal, der inzwischen seine Residenz von Mainz nach Aschaffenburg verlegt hatte, zu sich dahin als Hofmedicus. Zugleich setzte W. hier seine philosophischen Studien fort und hielt seit dem folgenden Jahre an der dortigen Lehranstalt naturhistorische und philosophische Vorlesungen; 1803 ernannte ihn Erthal’s Nachfolger, der Kurerzkanzler Dalberg, zum Professor der Philosophie und Geschichte, mit dem besonderen Auftrage, auch Naturphilosophie zu lehren. 1811 wurde ihm dazu auch das Amt des Hofbibliothekars übertragen. Auch unter der bairischen Regierung blieb er noch bis 1818 in seiner Stellung und erhielt auch den Titel eines k. Medicinalrathes. Im Herbst 1818 folgte er dem Rufe an die neugegründete Universität Bonn, um hier die katholische Professur des Systems und der Geschichte der Philosophie zu übernehmen und daneben eine Professur in der medicinischen Facultät, in welcher er Vorlesungen über Encyklopädie und Geschichte der Medicin und über allgemeine Pathologie hielt. Seine Antrittsvorlesung als Professor der Philosophie, gehalten am 23. November 1818, hatte zum Gegenstand: „Bemerkungen über das Verhältniß der Philosophie zur gegenwärtigen Zeit“ (gedruckt im „Jahrbuch der Preußischen Rhein-Universität“, Band I, Heft 1, 1819, S. 71–93). Seine späteren Lebensjahre wurden vielfach verbittert und seine spätere Wirksamkeit beeinträchtigt durch die hermesianischen Streitigkeiten, da er sich nach seiner Geistesrichtung und vom Standpunkte seiner Ueberzeugungen aus verpflichtet glaubte, dem hermesianischen System entgegenzutreten. Schon 1825 hatte er sich in einem im „Katholik“ veröffentlichten Aufsatz gegen dasselbe ausgesprochen. Als später in Rom die Untersuchung der hermesischen Sache eingeleitet wurde, die mit der Verurtheilung des Hermesianismus endigte, wurde unter anderen deutschen Gelehrten auch W. aufgefordert, ein Gutachten abzufassen; der 1. Theil desselben wurde im Juni 1834, der 2. Theil im März 1835 nach Rom gesandt. Die Hermesianer haben ihm in Folge dessen einen hervorragenden Einfluß auf den Ausgang der Sache zugeschrieben. (Vgl. über diese Angelegenheit: Gams, Geschichte der Kirche Christi im 19. Jahrh., Bd. III, 1856, S. 506; Reusch, Der Index der verbotenen Bücher, Bd. II, 2, 1885, S. 1117; Pfülf, Cardinal von Geissel, Bd. I, 1895, S. 229. Von Schriften hermesianischer Autoren sind zu vergleichen: Braun und Elvenich, Acta Romana, 1838, N. XXII, p. 81–165; Daniel Bernhardi, Laokoon, oder Hermes und Perrone, 1840, S. 193–215; dieselbe Schrift lateinisch, 1842, S. 194–217; Elvenich, Actenstücke zur geheimen Geschichte des Hermesianismus, 1845, S. 86–91. Zu der Schrift von D. Bernhardi [Pseudonym für Braun?] vgl. den Artikel: „W. und die Hermesianer“, Kath. Kirchenzeitung von Hoeninghaus, Jahrg. III, 1840, S. 715.) – Auch durch körperliche Leiden und den frühzeitigen Tod von mehreren seiner Kinder, von denen der eine Sohn Professor der Medicin in Löwen war, wurden seine letzten Jahre getrübt. Sein Tod wurde durch ein Herzleiden herbeigeführt.

Von Windischmann’s medicinischen und naturwissenschaftlichen Schriften, die zum größern Theil in die frühere Zeit seines Lebens fallen, sind folgende zu nennen: Seine Inaugural-Dissertation „De necessitate et methodo physicae corporis animalis pertractandae“ (Moguntiae 1796); „Versuch über die Medicin, [422] nebst einer Abhandlung über die sog. Heilkraft der Natur“ (Ulm 1797); „Ideen zur Physik“, Band I (Würzburg und Bamberg 1805); „Versuch über den Gang der Bildung in der heilenden Kunst“ (Frankfurt a. M. 1809), enthält philosophische Betrachtungen zur Geschichte der Medicin; „Untersuchungen über Astrologie, Alchimie und Magie“, 2 Bände (Frankfurt a. M. 1813). Großes Aufsehen erregte später Windischmann’s Schrift: „Ueber Etwas, das der Heilkunst Noth thut“ (Leipzig 1824), in welcher er der materialistischen Heilkunde mit großer Entschiedenheit entgegentrat und einen „Versuch zur Vereinigung der Heilkunst mit der christlichen Philosophie“ geben wollte, theilweise sich berührend mit Ideen, die später Görres in seiner Mystik ausführte. – Andere Schriften waren philosophisch-politischen Betrachtungen zur Zeitgeschichte gewidmet: „Von der Selbstvernichtung der Zeit und der Hoffnung zur Wiedergeburt“ (Heidelberg 1807); „Das Gericht des Herrn über Europa. Blicke in Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft“ (Frankfurt a. M. 1814); „Was Johannes von Müller wesentlich war und uns ferner sein müsse“ (Winterthur 1811). Auch an der von Lieber unternommenen Uebersetzung der Werke des Grafen de Maistre nahm er Antheil, indem er die Uebersetzung der „Abendstunden von St. Petersburg“ mit Anmerkungen und Zusätzen versah. – Windischmann’s Philosophie trug in den früheren Jahren seiner Aschaffenburger Zeit den Charakter eines unklaren pantheisirenden Mysticismus, der durch das Studium der platonischen und neuplatonischen Philosophie und der orientalischen Weisheit beeinflußt war, den er aber, ebenso wie Schelling, mit dem er sich mehrfach berührte, mit dem Christenthum vereinbaren zu können glaubte. Mit der Zeit überwand er jedoch diese Ueberbleibsel aus der Periode, in welcher er aufgewachsen war, und rang sich zu einer entschieden positiv-christlichen Weltanschauung und Philosophie hindurch; in seinen späteren Aschaffenburger Schriften erscheint dieser Entwicklungsproceß schon als abgeschlossen. Von seiner Beschäftigung mit Plato zeugt die Uebersetzung des Timaeus (Hadamar 1804), von seiner Beschäftigung mit orientalischen Studien außer seinen eigenen Schriften seine Einleitung zu Franz Bopp’s Erstlingswerk „Ueber das Conjugationssystem der Sanskritsprache“ (Frankfurt a. M. 1816), das W. herausgab, und seine Einleitung zu der Schrift von Vullers: „Fragment über die Religion des Zoroaster“ (Bonn 1831). Von Windischmann’s philosophischen Schriften sind noch zu nennen: „Ueber den Begriff der christlichen Philosophie“ (Bonn 1823); „Kritische Betrachtungen über die Schicksale der Philosophie in der neueren Zeit und den Eintritt einer neuen Epoche in derselben“ (Frankfurt a. M. 1825, aus der Uebersetzung der Abendstunden von J. de Maistre besonders abgedruckt). Das groß angelegte Hauptwerk Windischmann’s: „Die Philosophie im Fortgang der Weltgeschichte“, ist Torso geblieben; von der beabsichtigten Darstellung der ganzen Geschichte der Philosophie erschienen nur die zwei ersten Bücher des ersten Theils („Die Grundlagen der Philosophie im Morgenland“), über China und Indien, in 4 Bänden (Bonn 1827–1834). Seine letzte litterarische Thätigkeit war der Herausgabe der „Philosophischen Vorlesungen“ seines verstorbenen Freundes Friedrich von Schlegel gewidmet (2 Bände, Bonn 1836–37).

Aus dem Leben eines Katholiken, Historisch-politische Blätter, 5. Band (1840), S. 257–269 u. 343–365. – Katholische Kirchenzeitung, herausgegeben von Hoeninghaus, 2. Jahrg. (1839), S. 328. – K. Werner, Geschichte der katholischen Theologie (1866), S. 413 f.; 436–440.
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