Der erste ostafrikanische Vertrag

Textdaten
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Titel: Der erste ostafrikanische Vertrag
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aus: Die Gartenlaube, Heft 25, S. 415
Herausgeber: Adolf Kröner
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Entstehungsdatum:
Erscheinungsdatum: 1887
Verlag: Ernst Keil’s Nachfolger in Leipzig
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Erscheinungsort: Leipzig
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Quelle: Scans bei Commons
Kurzbeschreibung:
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[415] Der erste ostafrikanische Vertrag. Dr. Karl Peters, von dem die Zeitungen vor Kurzem meldeten, daß er wieder in Sansibar eingetroffen sei, hat unter dem Titel „Deutsch-National“ (Berlin, Walther u. Apolant) eine Sammlung der Aufsätze herausgegeben, in denen er seine Fahrten und Reisen geschildert hat. Als der erste Pionier der deutschen Kolonialherrschaft in Ostafrika hat er den Engländern die Kunst abgelernt, Reiche zu gründen in fernen Zonen. Aus seiner neuen Schrift entnehmen wir, in welcher Weise der Vertrag abgeschlossen wurde, der den Grundstein legte zum Besitze des Deutschen Reichs in jenen Gegenden, auf welche schon seit Jahrzehnten die Engländer ihr Augenmerk gerichtet hatten, in der Hoffnung, sich dort festzusetzen.

Es war eine kleine Expedition, an ihrer Spitze Peters, Dr. Jühlke und Graf Joachim Pfeil, welche im Herbste des Jahres 1884 sich von der Küste aus nach der Gebirgslandschaft Nguru begaben. Den König von Nguru, Mafungu Biniani, beschied man an die Haltestelle der Spedition: doch Seine Majestät zögerte und sandte zuerst ihren Premierminister, der sich sehr zaghaft geberdete und nicht einmal den Kognak trinken wollte, den man ihm anbot. Man versprach indeß dem Sultan selbst, wenn er kommen würde, schöne Geschenke, und die schwarze Excellenz begab sich zu ihm zurück, ihn zum Besuch bei den weißen Fremdlingen zu bestimmen. Graf Pfeil ließ die Kriegsmacht der Expedition aufmarschiren, die Waffen in der Hand; drei deutsche Reichsfahnen wurden herbeigeholt und aufgehißt. Dr. Peters konnte die Ankunft des Fürsten kaum erwarten und suchte seine Ungeduld durch eine Lektüre zu beschwichtigen, wie sie wohl in jenen Breitegraden zu den Seltenheiten gehören mag: er las nämlich die Lessing’sche Kritik über Voltaire’s „Semiramis“. Endlich erschien Mafungu mit großem Gefolge; Dr. Peters ging ihm entgegen, schüttelte ihm kräftig die Hand und nöthigte ihn, sich auf einen Schemel zu setzen zwischen den Führern der Expedition. Einige Tassen süßen Kakaos stellten alsbald ein freundliches Verhältniß zwischen Peters und dem jungen Fürsten her. Nach einer halben Stunde wagte der Erstere, ihm Freundschaft anzubieten; dieser ging noch einen Schritt weiter und bot dem Fremden Blutsbrüderschaft an. Nach kurzer Berathung mit den Genossen ging Peters auf diesen Vorschlag ein. Sein Oberarm wurde entblößt, wie der des Sultans; jeder von ihnen trat, seine Mannschaft hinter sich, auf einen freien Platz. Es ward ein tiefer Ritz in beide Oberarme geschnitten, und nun sogen sie gegenseitig von jenem rothen Naß, welches nach Mephistopheles ein ganz besonderer Saft ist. Dann schüttelten sie sich die Hände und es begannen die diplomatischen Verhandlungen, welche nach einer Stunde mit Abfassung und Unterzeichnung des ersten Vertrages endeten, der dem Deutschen Reich einen Besitztitel in jenen Gegenden verlieh. Dann folgten feierliche Scenen. Zuerst führte Mafungu feinem „Binder“ feine Frauen vor, mit der Bitte, eine davon auszuwählen; dann schenkte er ihm eine Ziege; darauf erfolgte die Besitzergreifung des Landes in pomphaftester Form mit Fahnen und Gewehrsalven vor Hunderten von Schwarzen. Endlich trat jene besonders ergreifende Ceremonie ein, durch welche der Freundschaftsbund zwischen Mafungu und Dr. Peters dauernd besiegelt wurde. Dieser eröffnete das mitgebrachte Bündel mit den Husarenjacken, und es wurde dem Sultan mitgetheilt, daß ein derartiges Geschenk nur den besten Freunden gemacht würde. Unter lautloser Stille wurde ihm alsdann eine Ziethen-Husarenjacke angezogen. Mafungu gewann augenscheinlich ungemein an Selbstgefühl und an Achtung bei seinem treuen Volke. Dann nahm Peters noch ein Bad mit ihm im nahen Flusse, wobei die Freundschaft noch intimer wurde. Der Abend endete mit einem Festessen, welches die Europäer dem Sultan und seinem Hofstaat gaben, und wozu dieser das Ziegenfleisch, jene den Grog lieferten.

Gewiß, dieser kühne Handstreich des kleinen Eroberertrupps macht einen tragikomischen Eindruck. Wer aber die Geschichte der Eroberungen in andern Welttheilen, die ersten Anfänge einer oft zu großer Bedeutung heranwachsenden Kolonialpolitik studirt, der wird überall auf ähnliche Vorgänge stoßen. Und man darf über diesen bunten und lustigen Scenen nicht den Heldenmuth der kühnen Schar vergessen, die, allen Gefahren trotzend und unermüdlich mit Beschwerden kämpfend, ins unbekannte Innere des fernen Welttheils eindrang. Schon jetzt hat das Kolonialgebiet der ostafrikanischen Gesellschaft, deren unerschrockene Pioniere Dr. Peters und die Seinen waren, eine Ausdehnung gewonnen, welche derselben für die Zukunft ein glänzendes Horoskop stellt.


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