Die „Amateur-Photographen“

Textdaten
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Autor: P. v. S.
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Titel: Die „Amateur-Photographen“
Untertitel:
aus: Die Gartenlaube, Heft 25, S. 802
Herausgeber: Adolf Kröner
Auflage:
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Erscheinungsdatum: 1892
Verlag: Ernst Keil’s Nachfolger in Leipzig
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Erscheinungsort: Leipzig
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Originalherkunft:
Quelle: Scans bei Commons
Kurzbeschreibung:
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[802] Die „Amateur-Photographen.“ Die gewaltigen Fortschritte auf dem Gebiet der Photographie haben zur allgemeinen Verbreitung einer „Kunst“ geführt, die vordem nur von Zünftigen als Erwerb betrieben wurde. Die Einfachheit des Verfahrens, die Billigkeit der Apparate setzen jedermann instand, Lichtbilder anzufertigen, Augenblicksaufnahmen, die mit aller Schärfe und Naturtreue die flüchtigsten Erscheinungen im Bilde festhalten.

Besonders im Freien, in den Sommerfrischen, im Bade und am Strand sieht man den meuchlerischen Liebhaber-Photographen sein Handwerk treiben – wenn man ihn überhaupt erkennt! Denn die Apparate verrathen sich infolge ihres geringen Umfangs und ihrer unauffälligen Gestalt – man giebt der Camera die harmlose Form einer Cigarrenkiste, eines Buches u. s. w. – nur selten als das, was sie sind, und der „Momentverschluß“ setzt außerdem eine so kurze Expositionszeit voraus, daß wir, selbst bei einiger Achtsamkeit, ein paarmal hintereinander aufgenommen werden können, ohne es zu merken.

Das mag für den Amateur-Photographen recht hübsch sein und ihm zu einer interessanten Bildersammlung verhelfen, denn zu Hause lassen sich leicht saubere Kopien und Vergrößerungen anfertigen, – allein die Sache hat ihre Kehrseite.

Die Gelegenheit zu einem Mißbrauch, ja vielleicht zu einer frivolen Benutzung dieser neuen Kunstübung liegt nahe, und wenn es sich auch nur um die unfreiwillige Aufnahme etwa eines jungen Mädchenantlitzes handelte, das dem betreffenden Bilderfänger kein Porträt von sich schenken oder anvertrauen würde. Es kann sich dann jeder rühmen, ein Bild von der und der Dame zu besitzen, denn jeder Berufsphotograph kann nach einer solchen Vorlage ein Bild herstellen, dem nichts mehr anhaftet, was auf „Liebhaber“–Photographie schließen läßt.

Und dann – es giebt noch ernstere Fälle. Ich war in diesem Jahr auf der Waldquellen-Promenade in Marienbad Zeuge des folgenden Vorgangs: Ein junger Herr hatte neben zwei ihm bekannten Damen – Mutter und Tochter – infolge deren Aufforderung Platz genommen. Die Unterhaltung zwischen den Dreien war sehr belebt, als plötzlich der Arzt vorüberkam, der die Mama behandelte. Die Dame hatte ihm etwas zu sagen, es war ihr offenbar erwünscht, den vielbeschäftigten Mann wenigstens einige Minuten sprechen zu können, darum erhob sie sich rasch, um ihn anzuhalten.

In diesem Augenblick bemerkte ich einen „Liebhaber“-Photographen, allerdings einen sehr harmlosen Jüngling, welcher seinen Apparat gegen die auf der Bank Zurückgebliebenen richtete und die kleine Gruppe. Herr und Dame in heiterem Gespräch, ohne Zeugen, einsamer Waldhintergrund – auf seiner Platte festhielt. Dieser Fall zeigt ohne weitere Erläuterung, daß auf diese Weise sehr bedenkliche und verhängnißvolle Mißverständnisse entstehen können und daß hier eine Gefahr für den Ruf und den Frieden einzelner Personen und ganzer Familien drohen kann.

Man befindet sich – die geschilderte Scene ist nur ein Beispiel dafür – hundertmal in Lagen, welche, in Wirklichkeit schnell vorübergehend, nicht im entferntesten etwas Bedenkliches haben, die aber, im Bilde verewigt, sehr verfänglich erscheinen können. Es entsteht daher die ernste Frage, inwiefern sich ein anderer das Recht herausnehmen darf, unsere Person zu photographieren ohne unser Wissen und ohne unsere Zustimmung. Ist das nicht auch „Unfug“? Wer weiß, ob das künftige Strafgesetzbuch, dort wo von persönlicher Freiheit und Sicherheit die Rede ist, nicht auch einen Paragraphen enthalten wird, der sich gegen den Mißbrauch der Amateur-Photographie richtet! P. v. S.     


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