Die Reise Walichanof’s nach Kaschgar

Textdaten
<<< >>>
Autor: Friedrich Marthe
Illustrator: {{{ILLUSTRATOR}}}
Titel: Die Reise Walichanof’s nach Kaschgar
Untertitel: ergänzt durch neuere russische Reiseberichte
aus: Zeitschrift der Gesellschaft für Erdkunde zu Berlin. Fünfter Band. S. 151–180
Herausgeber: Wilhelm David Koner
Auflage:
Entstehungsdatum:
Erscheinungsdatum: 1870
Verlag: Verlag von Dietrich Reimer
Drucker: {{{DRUCKER}}}
Erscheinungsort: Berlin
Übersetzer:
Originaltitel:
Originalsubtitel:
Originalherkunft:
Quelle: Scans auf Commons Google
Kurzbeschreibung:
Eintrag in der GND: {{{GND}}}
Bild
Bearbeitungsstand
fertig
Fertig! Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle Korrektur gelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.
Um eine Seite zu bearbeiten, brauchst du nur auf die entsprechende [Seitenzahl] zu klicken. Weitere Informationen findest du hier: Hilfe
Indexseite
[151]
VI.
Die Reise Walichanof’s nach Kaschgar,
ergänzt durch neuere russische Reiseberichte.
Von F. Marthe.


Nachdem die russische Occupation auch des oberen Syr-Darja durch Anlegung eines Forts am Naryn zur Thatsache geworden, und das ohnehin sehr geschwächte Chanat Chokand von seinem gewaltigen nördlichen Nachbar im Osten wie im Westen überflügelt ist, wenden sich die Blicke russischer Reisender und Heerführer unverkennbar nach Kaschgar, der nördlichen Hauptstadt des chinesischen Türkistān. Die erste russische Recognoscirungsfahrt nach diesem vielberühmten Punkte Innerasiens fällt schon in das Jahr 1858, und war einem jungen Offizier übertragen, der, ein geborener Kirgis-Kaissak, sich im höchsten Grade geeignet für seine Aufgabe erwies, und dessen frühzeitiger Tod im Interesse der Wissenschaft sehr zu beklagen ist. Der Reisebericht desselben war bisher nur zur Hälfte (von Ssemipalatinsk bis zum Issyk-Kul) publicirt, in den Denkschriften (Sapiski) der Kaiserl. Russ. Geogr. Gesellsch. 1861, No. 1 u. 2. Durch allerlei widrige Umstände verzögert erschien erst im Jahre 1868 (s. Iswestija d. K. Russ. geogr. Ges. 1868, 2, S. 264 ff.) die von P. Ssemenof bearbeitete Fortsetzung, und es war Zeit, den Manen Walichanofs, des talentvollen Reisenden, diese Ehrenschuld abzutragen, da unterdeß neuere russische Reisende mit weniger Gefahr ihm gefolgt sind, wiewohl nicht alle das Ziel erreichten, bis zu welchem ihm vorzudringen vergönnt war. Die neueren Reiseunternehmungen, auf welche wir eben hindeuteten, und die mit den jüngsten russischen Occupationen am obern Syr-Darja im engsten Zusammenhange stehen, sind 1) die Reise des Barons von d. Osten-Sacken im Jahre 1867, die sich an die Recognoscirungen des Generals Poltarazki in dem Striche zwischen Naryn und Tschatyr-Kul anlehnte; 2) die in dieser Zeitschrift (siehe Bd. 3, Heft 5 S. 446) schon kurz erwähnte Reise von Ssäwerzof in denselben Gegenden im Herbst 1867; 3) die Reise des Kapit. Steinthal im Herbst 1868 nach Kaschgar. Wir legen im Folgenden den Bericht Walichanof’s zu Grunde, weil er am vollständigsten ist, und werden ihn durch die Mittheilungen jener Andern so viel als möglich zu ergänzen suchen.

Als Walichanof am 26. September neuen Stils 1858 am Südufer des Issyk-Kul stand und sich anschickte, die hohe Gebirgswand zu [152] erklimmen, die ihm den weiteren Weg nach Süden versperrte, erzählten ihm kirgisische Wegweiser und die Kaufleute, deren Karawane er als angeblicher Kaufmann aus dem Fergana sich angeschlossen hatte, daß nun ein kaltes, hohes, bergiges Land vor ihnen liege, wo der Schnee auch im Sommer falle und zuweilen so heftig wehe, daß Karawanen Tage lang liegen bleiben müßten; dabei sei das Land so wald- und baumlos, daß man nur den Auswurf der Thiere als Feuerungsmittel zur Verfügung habe, und die Luft in diesen Regionen so eigenthümlich drückend und schwer, daß man sich in der Diät wohl in Acht nehmen, namentlich aber reichlich Knoblauch genießen müsse. Dieses Land nannten sie Ssyrt, d. h. Rücken, um eben seine Hochlage damit zu bezeichnen. Der junge Reisende schloß aus allem diesem, daß der „Rücken“ des Thian-Schan, den er in seiner ganzen Breite zu durchschneiden im Begriff war, wohl ein breites, ausgedehntes Hochland sein müsse, dessen Ebene sich in einer sehr beträchtlichen absoluten Höhe ausbreite, und aus dem einzelne Spitzen oder Ketten in noch höhere Regionen des Luftmeeres emporsteigen würden. Diesen Erwartungen entsprach die Wirklichkeit. Vom Südufer des „Warmen See’s“ (Issyk-Kul) bis zur Höhe des Terek-Dawan, des Passes, von welchem der südliche Abfall des Hochrückens zur Ebene von Ost-Türkistān beginnt, gebrauchte die Karawane 11 Tagemärsche und legte etwa 175 W. = 25 Ml. zurück. Diese gewaltige Ausdehnung, etwa zu vergleichen der Strecke von Berlin bis Dresden, stellte sich als eine zusammenhängende große Bodenerhebung dar, welche durch die aufgesetzten Zwischenmauern verschiedener Längen- und Querjoche in mehrere kleinere Hochplateaux getheilt ist. Die bedeutendsten Hochthäler dieser Art sind nach Länge und nach Breite das des Naryn, der nach Westen, und das des südlicher liegenden Akssai, der nach Osten (später nach Süden in die osttürkistanische Ebene) fließt. Demnach zerfällt das Himmelsgebirge in dem Querschnitt vom mittleren Issyk-Kul zum Terek-Dawan, von NO. nach SW. in 5 Abschnitte: 1) das Gebirge zwischen dem See und dem oberen Naryn; 2) das Thal des letzteren; 3) die Ketten und kleineren Hochthäler zwischen Naryn und Akssai; 4) das Thal des Akssai; 5) die südliche Umwallung des letzteren mit dem Abfall nach Kaschgar zu. Durchwandern wir diese Hochgebirgswelt an der Hand Walichanof’s und seiner Nachfolger.

1. Vom Issyk-Kul zum Naryn. Dem Flüßchen Sauku entgegen, welches sich in den Issyk-Kul stürzt, erstieg Walichanof den Nordrand des Himmelsgebirges. Auf der Höhe breitet sich ein Plateau aus, welches am 27. September 1858 von einem den ganzen Tag und auch die Nacht hindurch andauernden Schneegestöber heimgesucht [153] wurde. Es war eigentlich ein breites sumpfiges Hochthal, in welchem, wenn wir den Bericht recht verstehen, die Karawane auf der Höhe dahinzog, umkränzt von weißglänzenden Schneebergen und im Hintergrunde d. h. im Süden, geschlossen von einer neuen, relativ allerdings nicht bedeutenden Erhebung, welche überstiegen werden mußte, um zum tiefer liegenden Naryn hinab zu gelangen. In dem sumpfigen Plateau, über welches der Weg führte, lagen mehrere kleine Seen, ein solcher auch auf der eben erwähnten Randerhebung, welcher mit Eis bedeckt war. Diese Südkante der Südumwallung des Issyk-Kul stellte sich ganz in Schnee gehüllt dar, und bildete den höchsten Punkt, den Walichanof mit seiner Karawane im Thian-Schan passirte. Der Name desselben ist Djitym-Assu. Auch auf dem Rückwege am 15. April 1859 lag tiefer Schnee hier, weniger am Sauku, während beim Hinabsteigen zum Issyk-Kul eine Frühlingslandschaft den Blicken sich darstellte: Berberitzen- und Dornensträucher mit frischem Blätterschmuck, die Felder im hellen Grün junger Gräser prangend.

Dasselbe Gebirge erstieg Ssäwerzof[1] am 14. October n. St. 1867, indem er dem Lauf des Bors-kaun, 30 Werst westlich vom Sauki und 74° 38 östl. L. von Paris gelegen, entgegenzog. Seine Schilderung stimmt mit der seines Vorgängers. Auf der Höhe empfing den Reisenden ein breites, ebenes, sumpfiges Thal, welches noch schneelos war, sowie auch ein kleiner See, der hier liegt, trotz 15° Kälte am 16. October noch nicht zugefroren war, während ewiger Schnee in Schluchten und Klüften bis 300 M. unter das Niveau des Passes hinabreichte, welches auf ziemlich 3700 M. zu schätzen ist. Vorn lag eine (relativ) niedrige Höhenkette, in welche eine enge, doch bequem passirbare Schlucht führte, die sich bald wieder zu einem breiten, hügligen Thale erweiterte, in welchem ein Querdamm die Wasserscheide bildete. In breitem Thale ging es südwärts zum Naryn hinab, an mehreren Seen vorbei, die umgeben von Alpenweiden, welche mit Festuca und mehreren Arten Astragalus bedeckt waren, oberhalb der Grenze des Wachholders liegen.

2. Taragai, das Thal des oberen Naryn, wird in Walichanof’s Bericht mit der kurzen Bemerkung abgethan, daß der Radius desselben etwa 12 Werst betrage, wonach sich also seine gesammte Breite auf mehr als 3 Meilen stellt. Ssäwerzof nennt es eine hügelige Hochsteppe mit niedrigen, abgeplatteten, terrassenförmigen Bergen eingefaßt, welche mit Steppenformen, namentlich Festuca und einigen alpinen Pflanzen bewachsen sind. Noch waren diese Steppen schneelos, [154] und als ein Schneefall eintrat, schmolz der Schnee unter den heißen Sonnenstrahlen bald wieder weg. Reich war hier die zoologische Ausbeute, da zahlreiche Heerden von Steinböcken und wilden Schafen, auch Wildschweine diese Hochsteppe bevölkern. Am interessantesten war auf dem Wege vom Bors-Kaun zum Naryn die Begegnung mit dem blaßgelben Steppenbär, einer Varietät des U. isabellinus, der hier von der Jagd auf Murmelthiere lebt. Dieser Bär, der aus der Ferne völlig weiß erscheint, ist nur wenig kleiner als der gewöhnliche braune, dem er im Uebrigen ähnlich ist. Eine ausgewachsene Bärin mißt gegen 1,3 M. in der Länge, der Bär erreicht an 1,5 M. Das Thier trägt einen langhaarigen Pelz, die Haare werden bis 10 Centim. lang, die Nägel sind gerader als bei den Waldbären. Der Taragai oder obere Naryn erscheint im Meridian von Bors-Kaun schon recht bedeutend, in zahlreichen Armen füllt er ein Thalbett von 3–4 W. Breite. Den Namen Naryn empfängt der Fluß erst dort, wo er seine erste obere Stufe verläßt und in sein erstes Durchbruchthal eintritt. Dieses ist nach einer Schätzung Walichanof’s, der es auf der Rückreise in 3 Tagen durchzog, etwa 10 Meilen lang und heißt „Kaptschagai“, „das felsige.“ Die Berge rücken hier auf beiden Seiten hart an den Fluß heran, der mit raschem Lauf und starkem Gefäll durch sie hindurchströmt. Der Weg geht hier an den steilen Abhängen hinauf und hinunter, oft zu einem schmalen Pfad verengt, zuweilen durch plötzlich abfallende Stufen erschwert. Am Ufer des Flusses selbst wachsen Tannen und Wachholder, ein Zeichen der hohen Lage des „Kaptschagai,“ welche Ssäwerzof auf 3000 M. schätzt; auf den einschließenden Bergen liegen schöne Alpenweiden, die dem Kirgisenstamme der Bogu als Sommeraufenthalt dienen. Das Kaptschagai endigt an der Mündung des Kleinen Naryn, der in der Gegend des Passes von Bors-Kaun entspringt, und von rechts her in den Naryn fällt. Es beginnt von hier ab die zweite Stufe desselben, wo der Fluß wieder in einem breiteren Thale fließt, in welches er sein Bett bis zu einer Tiefe von 60 M. eingegraben hat. In dieser Weise erstreckt sich das Thal des Naryn bis zur ehemaligen chokandschen Festung Kurtka, etwa 150 W. = 21 Meilen weit. In dem unteren Theile dieser Strecke ist der Flußlauf durch einen Saum von Sanddorn, Pappeln, Weiden, Robinien bezeichnet, die Berge an den Seiten theilweise mit Nadelholz (Picea Schrenkiana) bewachsen, außerdem nach Baron von d. Osten-Sacken[2] mit einer reichen Vegetation von Sträuchern, u. a. Rosen, Spiräen, Berberitzen, Caraganen, Sanddorn, Potentilla fruticosa. Unterhalb Kurtka beginnt ein neues [155] schwer zugängliches, enges Felsenthal, nach dessen Ueberwindung der Naryn auf seiner dritten Stufe sich in das weite Fergana-Thal ergießt, bis endlich von Chodjend ab der Syr in die Steppe eintritt.

3. Die Gebirgsgruppen zwischen Naryn und Akssai· Von diesen Theilen des Thian-Schan ein klares Bild zu entwerfen, ist vor der Hand unmöglich, da uns die bevorstehenden (vielleicht schon erschienenen) russischen Kartenaufnahmen noch fehlen. Wir werden uns daher begnügen, hier einfach den Fußtapfen unserer Reisenden zu folgen. Walichanof’s Karawane übernachtete nach Passirung des Taragai am 28. September 1858 am Fuße der Gebirgsgruppe von Tschau-Tschurek. Am 29. begann sie in einem trockenen Wasserlaufe bergauf zu steigen, und kam nur mit großer Mühe über den Paß Tschachyrgurum, der außerordentlich steil abfällt. Das Gestein desselben besteht aus einem feinen Conglomerat, welches jährlich mehr und mehr vom Wasser zerwaschen wird. Es gingen hier 200 Schafe verloren, die in einen Abgrund stürzten. Der Abend war warm. Am 30. September führte der Weg über den gefährlichen Abhang Kilin-taigak und die hügelige Hochebene Kubergenty, die mit Schnee bedeckt war. Es entspringen hier einige Flüßchen, die zum Akssu gehen. Die Karawane wendete sich nun in das Thal des Flüßchens Kolmak-utschak, der nach Westen läuft, überstieg am 2. October den nicht bedeutenden Paß Getschge und debouchirte am 3. October an einer Stelle, welche Tschadyrtasch heißt, in das Thal des nach O. fließenden Akssai, der im unteren Laufe den Namen Kokschal empfängt. Demnach wurde der Akssai erst am 5. Tage nach dem Aufbruche vom Taragai erreicht, wonach der Thian-Schan sich hier mehr als doppelt so weit ausbreitet, als zwischen Taragai und Issyk-Kul.

Ssäwerzof gebrauchte, nachdem er 2 Tage hindurch den Naryn hinabgezogen war, also sich bedeutend westwärts von Walichanof’s Route befand, genau dieselbe Zeit, wie dieser, um vom Naryn zum Akssai zu gelangen, wobei allerdings bemerkt werden muß, daß er 2 Tage lang am Atbasch (s. unten) entlang zog. Vom Naryn stieg er in dem engen, baumlosen, aber gangbaren Thale des Ulan südwärts in die Höhe. Dieses Thal war besät mit großen Haufen von Thierschädeln (Ovis Ammon und Capra sibirica), nach Meinung des Reisenden Resultat der Frühlingskämpfe der Männchen. In den Lüften schwebte der riesige Vultur indicus, der in den Flügeln – der Reisende konnte ein Thier erlegen und messen – 2,90 M. mißt, und folglich den amerikanischen Condor an Größe übertrifft! Vom Ulan gelangte Ssäwerzof über den Aktscheku hinweg zum Uman, einem Quellbache [156] des Atbasch, zu welchem er im Thale des Uman hinabstieg. Kurz bevor er den Atbasch, der zuerst westlich und sodann nördlich zum Naryn fließt, erreichte, stieß er etwa 20 Werst vom ewigen Schnee entfernt auf die obere Grenze der Tanne, die hiernach in einer Höhe von etwa 9500 r. Fuß liegen würde. Die Tannenwaldung war dicht und ging bis zum Fluß selbst hinab, dessen Bett 60–90 M. tief in die Thalsohle eingeschnitten ist. Den oberen Atbasch müssen wir offenbar in das System der theils west-, theils ostwärts laufenden Parallelströme, sowie sein Thal in das der plateauartigen, hochliegenden Längsthäler des Thian-Schan einreihen. Die Höhe dieses Thales läßt sich ungefähr aus dem Obigen folgern. Die Breite desselben ersehen wir aus einer Bemerkung des Kap. Steinthal[3], der es allerdings an einer westlicheren, also tieferen Stelle als Ssäwerzof durchschritt, hier aber die Weite desselben von N. nach S. auf 10 W. d. h. ziemlich 1 ½ Meilen schätzt, wobei er weiterhin angiebt, daß der Fluß hart am Fuße seiner südlichen Grenzmauer hinströmt, während die nördliche Kette weit zurücktritt. Walichanof berührte den Atbasch ebenfalls auf dem Rückwege, der die Richtung auf die jetzt zerstörte chokandsche Feste Kurtka hatte, folgte aber aus Furcht vor einem dort hausenden Kirgisenstamme nicht, wie es natürlich gewesen wäre, dem Laufe des Flusses, sondern durchschnitt in nördlicher Wendung das zum Naryn sich erstreckende Gebirgsland, wozu zwei Tagemärsche nöthig waren. Es wurden dabei mehrere relativ nicht bedeutende Gebirgsübergänge passirt, deren letzter Baibitsche auf seinem Südabhange mit Nadelholz und Gesträuch, z. B. Berberitze und Lonicera besetzt war. Walichanof erfuhr hierbei, daß am Unterlaufe des Atbasch die Ruinen einer großen Stadt zu sehen seien, und glaubte sie auf Tschiku (bei ihm Tschigu) die Residenz des großen Kuenmo der rothhaarige Usun beziehen zu dürfen, weil diese Stadt nach chinesischen Quellen im NW. von Aksu und S. vom Jssyk-Kul gelegen haben solle.[4]

Die Bergkette, welche das Hochthal des Atbasch von dem des Akssai trennt und zugleich die Wasserscheide zwischen den Gewässern des westlichen und des östlichen Türkistān bildet, erstieg Kapt. Steinthal, indem er mit acht Kosaken und einem kirgisischen Wegweiser das Thal des Boguschti, der von links in den Atbasch fällt, aufwärts zog. Im unteren Theile desselben wachsen Sandweiden, höher hinauf Tannen, die allmählich zu einem förmlichen Dickicht sich zusammendrängen [157] und erst 15 Werst vor der höchsten Stelle des Ueberganges ein Ende nehmen; am Südabhange tritt der Wald erst viel tiefer auf, angeblich 100 W. weit von dem Punkte weg, wo der Baumwuchs auf dem Nordabhange aufhört. Die letzte Strecke des Passes war wegen ihrer Steilheit außerordentlich schwierig, zumal da ein starker Schneefall in den Tagen des 24. und 25. Octobers, während welcher der Uebergang zum Akssai stattfand, hinzukam. Die Höhe des Passes nahm der Reisende zu 3200–3350 M. (10,500 bis 11,000 r. F.) an. (Nach den vorläufigen Resultaten barometrischer Bestimmungen eines andern russischen Reisenden Bunjakofski kommen sogar 12750 r. F. heraus, s. Iswestija der Kais. Russ. Geogr. Gesellsch. Bd. 4, 2. Abthl. S. 401.) Die benachbarten Berge waren sämmtlich mit Schnee bedeckt. Der Südabhang zeigte ein anderes Bild als der nördliche: kahle, schwer passirbare Felsen, die den Pferden nur kärgliches Futter boten. Nachdem vier kleinere Flüßchen überschritten waren (Tjujok, Bas-Kelteuk, Scherekty, Tschet-Kelteuk), wurde das Thal des Akssai erreicht, dessen Bett hier etwa 1 Werst breit, aber vollständig ausgetrocknet war.

Ssäwerzof ging einen östlicheren linken Zufluß des Atbasch hinauf, den Tas-assu, in der Gebirgsstrecke Ujurmen-Tscheku, fand den Uebergang ziemlich bequem und sanft abfallend, nur auf den letzten 300 M. steil ansteigend, und glaubte die Höhe desselben zu 3200 M. (10,500 Fuß) annehmen zu können, was mit Bunjakofski’s barom. Bestimmung zu 3230 M. (10,600 F.) gut übereinstimmt.

4. Das Hochthal des Aksai. Walichanof nennt es die breiteste und umfangreichste Hochebene im Berglande Ssyrt. Vier Tage lang durchzog er es in südwestlicher Richtung, immer am Fuße des Gebirges Kok-Kija entlang, welches den Südwall des Akssai-Thales bildet, bis endlich der Eingang zum Passe Terek-Dawan erreicht und dieser in südlicher Richtung überstiegen wurde. Mehrere von rechts in den Akssai fallende Flüßchen, die alle den gemeinschaftlichen Namen Kysyl-Ssu führen, wurden mit Mühe überschritten, da sie in steilen, tiefen Mulden fließen. Ssäwerzof verweilte ebenfalls vier Tage in der erhabenen Welt des Akssaithales, welches er kartographisch aufzunehmen im Stande war. Was ihn aber dort am meisten erfreute, war die Erlegung zweier Exemplare des seit Marco Polo vielberühmten und fast zur Fabel gewordenen Ovis Polii. Der große Venetianer erzählte bekanntlich, daß auf der Hochebene von Pamir wilde Schafe lebten, deren Hörner 3, 4 und selbst 6 Palmen Länge[5] [158] hätten. „Da man die Hörner und Gerippe in großer Menge daselbst findet, so häuft man sie auch an den Wegen auf, als Merkzeichen für die Reisenden zur Winterszeit, wenn Schnee das Land deckt.“ Burnes hörte von einem seltsamen Thiere, „Raß,“ das nur auf den Höhen von Pamir lebe. „Es sei größer als eine Kuh, kleiner als das Pferd, weiß mit herabhängendem Bart am Kinn und mit mächtigen Hörnern, so groß, daß diese kein Mensch aufheben könne. Liegen sie auf dem Boden, so werfen kleine Füchse in die Höhlungen ihre Jungen.“ Lieutenant Wood, der 1838 die Gegenden am oberen Oxus bereiste, berichtete: „We saw strewed in every direction numbers of horns of an astonishingly large size, belonging to an animal of a species between the goat and sheep in the steppes of Pamir. The ends of the horns projecting above the snow indicated the direction of the road.[6] (Man erinnere sich der oben mitgetheilten Wahrnehmungen Ssäwerzof’s im Thale des Ulan.) Wood brachte auch zuerst Schädel und Gehörn dieses Mouflons nach Europa; immerhin jedoch blieb es zweifelhaft, ob diese Thiergattung noch existire. Da sah der verdiente russische Naturforscher P. P. Ssemenof eine Heerde dieser Thiere zuerst an den Gletschern des Ssary-Djas in der Nähe der Riesenberge des Chan-Tengri, und konnte somit das Vorkommen derselben auch in unserer Zeit constatiren. Jetzt hat Ssäwerzof, dem die Zoologie schon so manche Bereicherung und Aufklärung verdankt, zwei vollständige Exemplare derselben heimgebracht. Die Höhe dieser Thiere beträgt im Schopf 1,22 M., die Länge 2,13 M., d. h. sie sind höher als eine Kuh und fast ebenso lang. Die spiralförmig gewundenen Hörner starren höher empor, als die Höhe des Thieres selbst beträgt, sie messen 1,40 M.; rings um den Hals legt sich eine große wogende Mähne, der Schwanz ist kurz. Die Thiere halten sich heerdenweise zusammen, nur alte Böcke leben einsam. Ihre gefährlichsten Feinde sind die Wölfe, namentlich der räuberische rothe Alpenwolf, Canis alpinus parvus, der stark im Gebirge verbreitet, aber ein so vorsichtiges Nachtthier ist, daß er bisher noch nicht erlegt werden konnte. Ovis Polii zu tödten, ist ebenfalls nicht leicht, da das Thier Wunden, die sonst tödtlich sind, zählebig übersteht. Die nördliche Grenze der Ausbreitung desselben bildet der Naryn, wenigstens hat man nördlich von diesem Flusse noch keinen Schädel unseres Mouflons aufgefunden. Die Südgrenze ist unbekannt, aber das Vorkommen dieser Species im Akssai-Thale scheint auf einen ununterbrochenen Zusammenhang großer Hochplateaux bis zum Himalayasystem hinzudeuten, denn nur auf solchen hält sich das Thier. Ssäwerzof knüpft an das Akssai-Thal [159] noch eine weitere interessante Bemerkung. Humboldt(?) habe die Vermuthung aufgestellt, dieses Thal sei das räthselhafte Pamir, dem stimmt der russische Gelehrte nun bei mit der Modification, daß er Pamir nicht als Eigennamen, sondern als eine allgemeine Bezeichnung für Hochgebirgs-Plateaux, ahnlich wie das Wort Ssyrt aufgefaßt wissen will.

Die Höhe des Akssai-Thales ist aus einer Notiz des Kapt. Steinthal zu ersehen. Derselbe durchschnitt es allerdings an einer höheren Stelle, westlicher als Ssäwerzof, fand aber hier die Mündung des Terekty, des Flüßchens, welches vom Passe Terek-Dawan zum Akssai hinabfällt, in einer absoluten Höhe von etwa 3000 M. Der östliche Verlauf des Akssai-Thales ist, soweit unsere Nachrichten reichen, noch nicht erforscht; wir wissen nur von Ssäwerzof, daß der Fluß nach Osten zu in eine enge Schlucht eintritt, also in ein Durchbruchsthal zwischen Kok-kija-Gebirge rechts und Bossadyr links, die Länge seines Laufes aber bis zu diesem Punkte vermögen wir nicht anzugeben. In der Gebirgskette, welche den Fluß im Norden umsäumt, würden wir nach Allem, was vorangegangen ist, folgende Punkte resp. Uebergangsstellen in der Reihenfolge von O. nach W. kennen gelernt haben: Bossadyr am Ostende des oberen Plateau’s; Getschge; Tas-assu (nach Bunjakofski 10,600 r. Fuß hoch); Boguschti (nach Bun. 12,750 r. Fuß hoch). Dazu kommt im äußersten Westen der schon längst bekannte Tasch-Rabat (bei Ritter T.-Rowatt) nach Bun. 12,900 r. Fuß über dem Meeresspiegel. Von der Gebirgsgruppe des Tasch-Rabat muß eine Gebirgsbrücke, ein im Ganzen meridionales Querjoch hinübergehen zu der Südkette des Akssai-Plateau’s, die uns vorläufig unter dem Namen Kok-kija-Kette bekannt geworden ist; und nicht soweit östlich von der Stelle, wo das ebengenannte kurze Querjoch auf die Kok-kija-Kette stößt, werden wir in der letzteren den Paß Terekty oder Terek-Dawan zu suchen haben. Jenes Querjoch aber anzunehmen sind wir genöthigt, weil wir nirgends bei unsern Berichterstattern angegeben finden, daß zwischen dem Akssai und dem westlicher liegenden Alpensee Tschatyr-Kul eine Verbindung stattfinde, mithin eine Scheidewand vorhanden sein muß, von der nach Osten die Gewässer zum Akssai laufen, während an ihrem Westfuße das große Wasserbecken des Tschatyr-Kul seine Wellen bricht.[7] Der Tasch-Rabat, dessen Schilderung nach Walichanof wir hier anschließen müssen, umsäumt den See im Norden. Der Ebengenannte kam auf dem Rückwege am 30. März n. St. 1859 auf das Plateau [160] des Tschatyr-Kul, das mit tiefem Schnee bedeckt war und die Karawane mit einer Kälte empfing, wie sie zu Kaschgar im Januar nicht gewesen war. Dafür konnte der See auch in gerader Linie auf dem Eise überschritten werden. Die Breite desselben schätzte der Reisende auf etwa 10 W. = c. 1½ Ml., seine Länge auf 20 W., also beinahe 3 Ml., seine Meereshöhe auf mindestens 7000 Fuß. Die letztere stellt sich aber nach Bunjakofski auf 11,050 r. Fuß, so daß der Nordrand, die Tasch-Rabat-Gruppe nur 1850 Fuß über das Plateau emporragen würde. (Alle Höhenbestimmungen Bunjakofski’s beruhen, wie wir nochmals bemerken, nur auf vorläufiger, noch nicht revidirter Berechnung.) Auf allen Seiten ist der Seekessel von Bergen eingeschlossen, welche kahl und alles Baumwuchses entkleidet emporstarren. Diese Bergumrahmung, verbunden mit der an sich so hohen Lage des See-Plateau’s, sowie die Eckstellung desselben im Südrande des breiten Thian-Schan-Rückens, läßt hier eine der entschiedensten Wasser- und Wetterwenden Mittelasiens entstehen. Von dem Wechsel des Klima’s nach Süden zu wird unten die Rede sein. Als Wasserscheide lernen wir den Gebirgsstock dieses Seeplateaus kennen, wenn wir erfahren, daß, wie der Akssai von hier nach Osten strömt, so die Arpa, ein zum Oxussystem gehörender Fluß, nach Westen, daß vom Nordabhange des Tasch-Rabat der Atbasch Zuflüsse empfängt, und vom Südabfall der Südkante unseres Seeplateau’s nicht unbeträchtliche Gewässer auf Kaschgar zueilen. Somit gehört alles Wasser, das nach Osten und Süden vom Bergstock des Tschatyr-Kul läuft, dem großen Steppenflusse von Ost-Türkistān an, während alles Wasser nord- und westwärts dem nördlichen der beiden Steppenflüsse von West-Türkistān[WS 1] zufällt. Weil aber hier, wie am St. Gotthard in der Schweiz, nach allen vier Himmelsgegenden Flüsse und ihre Thäler auseinandergehen, die Pässe zwischen ihnen gangbar sind, darum auch führt eine alte Handelsstraße von Norden nach Süden über dieses Seeplateau, und darum war der Name desselben der Wissenschaft europäischer Geographen längst kein fremder mehr.[8] Walichanof zog, wie wir wissen, auf der Rückkehr nach Rußland diese Straße, indem er am 30. März quer über den gefrornen See setzte. Am Tasch Rabat wurde das Nachtlager aufgeschlagen, und derselbe am folgenden Tage überstiegen, so daß am Abend des 31. März das Lager im „breiten ebenen Thale des Atbasch“ zu stehen kam (eine Angabe, die mit der Petermann’schen Karte nicht vereinbar ist). Beim Hinabsteigen zum Atbasch konnte an einer Stelle, wo der Weg hart am Rande eines hohen Felsens hinführte, die Gefahr für die Kameele [161] dadurch vermieden werden, daß die Karawane in das Flußbett, dessen Lauf sie verfolgte, selbst hinabstieg und auf dem Eise, welches hier noch feststand, die Reise fortsetzte. Nahe dem Ausgange des engen Thales, in welchem die Straße liegt, steht das Gebäude Tasch-Rabat, von welchem der Berg seinen Namen hat. Rabat, sagt unser Gewährsmann, heißen im Orient Gebäude, welche auf großen Straßen zum Obdach für die Reisenden errichtet sind. Es sind Werke der Wohlthätigkeit, die einen Gott wohlgefälligen Zweck haben, wie auch die Anlegung von Moscheen, Schulen, Karawan-Ssarai’s, Wüstenbrunnen. Der bucharische Chan Abdullah war besonders durch solche Bauten berühmt[9], und so wird ihm auch die Aufführung dieses Rabat zugeschrieben. Das Gebäude ist aus Fliesen von Thonschiefer errichtet und hat etwa 84 russ. oder engl. Fuß (12 Ssaschen) in der Länge und 49 Fuß (7 Ssaschen) in der Breite. Ein langer Korridor führt in einen runden Saal, der 5 Arschin (= 112/3 r. F.) im Radius hat und mit einer sphäroidalen Kuppel überwölbt ist; an den Seiten des Korridors sind kleine niedrige Thüren angebracht, durch die man nur gebückt eintreten kann und in kleine länglich-viereckige Zimmer gelangt. Von innen und außen war das Gebäude einst mit Stuccatur bekleidet; Arabesken, welche Nischen umrahmen, waren hie und da auch noch erhalten. Die Kinder Asiens, welche Alles, was Kraft und Verstand erfordert, im unbewußten Gefühl ihrer Trägheit und Unwissenheit zu einer übernatürlichen Leistung stempeln, haben auch Tasch-Rabat mit einer Sage umwoben; sie sagen, daß man nie mit der Zählung der Zimmer zu Stande komme, und wenn man das eine Mal 40 gezählt, so komme beim andern Mal die Zahl 41 heraus u. s. w. Den Dikokamennyje oder Kara-Kirgisen ist das „steinerne Haus“ selbst ein Gegenstand der Verehrung, dem sie Opfer darbringen. – Soviel von dem merkwürdigen Hospiz am Nordfuße des Tasch-Rabat, welches jedenfalls als ein Beweis für die einstige Belebtheit der an ihm vorbeiführenden Handelsstraße angesehen werden kann und vielleicht noch, wenn es gründlicher untersucht wird, zu interessanten Aufschlüssen führt. Begeben wir uns jetzt wieder nach Osten in das Hochthal des Akssai zurück.

5. Der Südrand des Thian-Schan und sein Abfall nach Kaschgar zu. Als Ssäwerzof vom Passe Tas-assu das Akssai-Thal überschaute, sah er sich gegenüber auf der Südseite des letztern eine hohe, steile, mit ewigem Schnee bedeckte Bergkette, deren Erhebung über der Thalsohle er nach Augenmaß auf 1800–2100 M. schätzte. Hiernach würde diese Kette Kok-kija eine absolute Höhe von 4800 [162] bis 5100 M. = 16–17,000 r. F. erreichen, und die höchste Anschwellung des Thian-Schan, wenn wir ihn etwa im Meridian der Westspitze des Issyk-Kul durchschneiden, an seinem Südrande liegen. Doch zeigte sich die lange Linie des Kok-kija-Gebirges nicht überall von gleicher Höhe, nach Westen zu senkte sie sich, während noch weiter westlich, zum Tschatyr-Kul hin, wieder höhere Spitzen aufragten. Auch der Seekessel war vom Passe aus sichtbar, und aus der Dampfwolke, die über ihm schwebte, meinte der Reisende schließen zu können, daß der See (am 24. October) noch nicht zugefroren sei. Die erwähnte Einsenkung des Kok-Kija wird der Stelle entsprechen, an welcher der Terekty-Paß liegt. Die relative Höhe desselben fanden Walichanof und Steinthal nicht bedeutend. Der Letztere, den wir zunächst begleiten, bemerkt, daß der Graswuchs, also Viehfutter, an der Nordseite des Passes nicht fehle, die Breite der Uebergangsstelle selbst giebt er zu 2–3 Werst an. Dagegen ist der Weg abwärts nach Süden zu steil, steinig und von Futter entblößt; er folgt einem Flüßchen Djaltan-Tas. Wo dieses aus seinem oberen engen Thal hervortritt, erscheinen sogleich Getreidefelder, für welche durch Wegräumung des Steingerölls Platz gemacht ist, und künstliche Gräben zur Bewässerung gezogen sind; ebenso treten hier auch zuerst Espen und die dornige Caragana jubata auf. Der Djaltan-Tas fließt mehr auf der rechten Seite seines Thales; je tiefer hinab, je weiter entfernt sich die Bergkette seiner linken Thalseite, indem sie zugleich mehr und mehr an Höhe verliert. Dagegen ragen die Berge zur Rechten in demselben Verhältniß höher über den Fluß empor, treten enger zusammen und werden wallförmiger; indem ihre Spitzen sich ebenen, während die Richtung von N. nach S. immer entschiedener wird. An dem chinesischen Grenzposten Djaltan-Tas bildet sich eine Einsenkung in diesem Wall, hinter welcher eine Gabelung desselben eintritt. Der eine Zweig zieht in etwas südöstlicher Richtung, indem er den Djaltan-Tas in demselben Abstande weiterbegleitet, der andere Zweig wendet sich in gleichem Verhältniß nach Südwest. Der Weg überschreitet den Sattel und tritt in das von beiden Zweigen eingeschlossene enge Thal ein. Bald gehen dieselben auseinander, verlieren schon etwa 5 Werst von dem Grenzposten alle Regelmäßigkeit und lösen sich in Berggruppen auf, die ohne Ordnung durch einander liegen.

Außerordentlich ist der Contrast des Klimas und der Temperatur zwischen dem Nord- und dem Südabhange des Terekty-Passes. Während dort am 28. October 8 Uhr Morgens das Thermometer –11°R. zeigte, stand es bei Sonnenuntergang am Djaltan-Tas +8°R. Während die Früchte, mit denen Steinthal am Terekty bewirthet wurde, sämmtlich gefroren waren, konnte er am Djaltan-Tas sich an frischen Aepfeln und Weintrauben aus Kaschgar erquicken.

[163] Bei der weitern Beschreibung der Route Steinthal’s nach Kaschgar wird der Mangel einer Karte und das Fehlen von Distanzenangaben besonders empfindlich. Vom Djaltan-Tas südwärts geht der Weg auf steinigem Grunde bis zum Wachtposten Issyk (Issyk-Karaul), der am Flusse Artysch liegt und durchschneidet mehrere Bäche. Bei Issyk-Karaul trifft man auf einen von W. nach O. gerichteten Strich salzhaltiger Stellen auf lehmigem Boden (Salzmoräste), und empfindet überhaupt Moorgeruch. Von Issyk-Karaul, wo sich der Artysch plötzlich nach Westen wendet, folgt der Weg der einem Wasserriß ähnlichen Schlucht Usün-Ssai, welche wieder zum Artysch hinausführt, nachdem dieser die Berge auf der Westseite umlaufen hat. Derselbe tritt unweit des Ausgangs jener Schlucht in die Ebene ein und fällt in der Nähe des Dorfes Artysch in den Kumyrlik-Darja, welcher südlich an Kaschgar vorbeifließt. Das Dorf Artysch erscheint als ein breiter Streifen von Getreidefeldern, welche sich fast ununterbrochen von Issyk-Karaul bis zur Mündung des Artysch erstrecken, und zwischen denen die hinter Umzäunungen versteckten Häuser liegen. Am Artysch und den aus ihm abgeleiteten Bewässerungsgräben wachsen Espen, Sandweiden, Eleagnus (Djida). Das Wasser im Artysch reichte den Pferden noch nicht bis an die Knie. Vom Dorfe geht der Weg über hügeliges Terrain erst südlich, darauf südwestlich und spaltet sich sodann. Die eine Straße führt bergauf und an einem Bethause vorbei, welches als der eigentliche Anfang von Kaschgar gilt, obwohl es vom Djang-Schar noch über 2 Meilen, 15 W., entfernt ist; die andere Richtung macht einen Umweg, und führt auf die Staatsstraße von Jakub-Bek, welche von Südost her auf einer neuen und sehr schwankenden Brücke über den Kysyl-Ssu Kaschgar erreicht.

Was die Entfernung vom Terekty-Passe bis Kaschgar betrifft, so finden wir darüber keine bestimmte Angabe, nur die Notiz, daß Steinthal am 31. October dort anlangte, wonach er 3 Tage vom Passe aus gebrauchte. Von dem ebengenannten Bethause beginnt, um die kurze Schilderung der Stadt anzuschließen, eine Reihe von Lehmhütten und Zäunen, unterbrochen durch Getreidefelder und freie Plätze. Der erste Basar liegt am Kysyl-Ssai, über welchen hier eine neue feste Brücke geht; außerordentlich wenig Volk war zu erblicken, dafür hing an einem inmitten des Basars errichteten Galgen der Körper eines Gehängten. Auch Häuser sind wenig zu sehen, wahrscheinlich weil die alten chinesischen Gebäude zerstört sind, und die Einwohner ihre Wohnungen und Läden jetzt in den Kurganen (Hügeln) anlegen, welche in fast schachbrettförmiger Anordnung über das Terrain der Stadt verbreitet sind. Viele Plätze hat die Stadt, welche die Spuren [164] ehemaliger Bebauung zeigen. Der Handel kann nur sehr unbedeutend sein, in den Läden liegen dieselben Waaren aus wie in Taschkend; die Bevölkerung besteht (angeblich) aus Ssarten und Chinesen.

Soweit der Bericht des Kap. Steinthal, der sich allerdings nur 14 Tage (vom 31. Octbr. bis 13. Novbr. n. St. 1868) in der Stadt aufhielt, aber doch genug, um ihren trostlosen Zustand zu constatiren, eine Folge der im letzten Jahrzehnt durch den Aufstand der Dungenen in Ost-Türkistān eingetretenen Wirren.[10] Erfreulicher ist das Bild der Stadt bei Walichanof, der sie 10 Jahre früher besuchte, und den wir zunächst auf seinem Marsche von den Höhen des Thian-Schan herab begleiten werden.

Von der Höhe des Passes bis zum chinesischen Piket Islyk (identisch mit Issyk?) giebt dieser Reisende die Entfernung auf etwa 60 W. = 8½ Ml., bis Kaschgar auf 135 W. = 19 Meilen an. Auf dieser Strecke wurde Kaschgar erst am 5. Tage erreicht, freilich nach manchen unangenehmen Unterbrechungen des Marsches. Ueberhaupt läßt sich nicht ausmachen, ob Walichanof denselben Weg zog wie sein Nachfolger. Er erzählt, wie seine Karawane von einem kirgisischen Wegelagerer aus dem Stamme der Tschon-Bagisch in dem Engpasse, der von der Höhe der Uebergangsstelle südwärts fuhrt, überfallen, und nur durch die Ankunft 5 chokandscher Krieger, die ihnen der von der Ankunft der Karawane benachrichtigte chokandsche Akssakal zu Kaschgar entgegenschickte, vor einer gründlichen Plünderung bewahrt wurde. Aber er erzählt auch, wie ihm beim Eintritt in das nach Süd geöffnete Thal wieder der Sommer entgegenlachte, der Tag warm und klar wurde, die Ufer des begleitenden Flusses[11] mit grünen Bäumen und Sträuchern eingefaßt waren, mit Pappeln, Weiden, Berberitzen, Rosen, Tamarix und verschiedenen Arten von Caragana. Am 9. October 1858 überschritt die Karawane die Grenze China’s und machte etwa 100 Schritt vor dem Grenzpiket Halt, welches am Eingange in eine Schlucht liegt. Ist dies jener Sattel am Posten Djaltan-Tas oder die Schlucht Usün-Ssai bei Steinthal? Das Piket war mit einer Lehmmauer umschlossen, an deren vier Ecken je ein Thurm sich erhob, vor dem Thore standen Pappeln und Maulbeerbäume. Obwohl die Karawane noch bei Zeiten hier anlangte, mußte doch das Nachtlager aufgeschlagen werden, um den Commandanten des Postens zu erwarten, der gerade abwesend war. Aus demselben Grunde dauerte der Aufenthalt bis zum andern Tage [165] 12 Uhr Mittags, wo schließlich doch gegen ein angemessenes Geschenk ein Unterbeamter das Einschreiben besorgte. Es werden nämlich an der Grenze die Namen der Reisenden, die Zahl ihrer Diener, Kameele, Pferde etc. eingeschrieben.

Vom Piket aus durchzog die Karawane eine unfruchtbare Gegend, die nur hie und da mit Alhagi bestanden und von Hohlwegen durchfurcht war; nach vorn zeigten sich Reihen niedriger, von aller Vegetation entblößter Sandberge. Hinter denselben liegt die Dörfergruppe Ustun-Artysch. Dies ist ein Sammelname für mehrere Dörfer, die dem Flusse Artysch oder Toin entlang liegen, jedes aus 30 bis 50 Lehmhütten bestehend, welche von Obst- und Gemüse-Gärten umgeben sind. Die grünen Haine, in welche diese Dörfer mitten in der baumlosen Wüste gebettet sind, machen den angenehmsten Eindruck.

Am 10. October wurde beim Dorfe Igsek übernachtet, am folgenden Tage der Artysch an einer Stelle überschritten, welche Utsch-Burchan heißt. Hier sind auf der Höhe eines Thonfelsens dicht an der Uebergangsstelle drei Eingänge eingehauen, von denen die Einwohner erzählen, daß sie aus der heidnischen Zeit herstammen, und daß in dem Felsen ein Tempel mit Götzenbildern verborgen sei, doch scheint Niemand an eine genauere Untersuchung zu denken. Als die Karawane eine andere Reihe von Thonhügeln erstiegen hatte, erblickte man in der Ferne den blauen Streifen der Gärten, in welchen die die Vorstädte Kaschgar’s liegen. Gegen Abend wurde die Vorstadt selbst erreicht und das Lager am Grabmal des Kufalla Chodscha, 12 Werst von Kaschgar aufgeschlagen. Der Karawan-Baschi ritt mit einigen Begleitern in die Stadt, um dem Akssakal seinen Salam zu entbieten. Dieser nahm seine Gäste sehr artig auf, während die chinesischen und einheimisch-tatarischen Behörden durch allerlei falsche Gerüchte über Zweck und Größe der Karawane in große Unruhe versetzt waren. Der Vertreter Chokands sandte mit dem Seketschi, dem Zolleinnehmer, auch seinen Sohn zum Lager hinaus. Der ganze folgende Tag verging damit, daß ein Theil der Dienerschaft mit dem Vieh zum Dorfe Tosgun geschickt wurde, während die chinesischen und die tatarischen Beamten der autonomen einheimischen Verwaltung, welche indeß ganz chinesich gekleidet waren, allerlei Anstände erhoben, um den Kaufleuten der Karawane mit ihren Waaren den Eintritt in die Stadt zu verwehren. So kam es, daß der Einzug in dieselbe durch das südöstliche Thor, nachdem der Fluß Tümen auf einer hölzernen Brücke überschritten war, erst am 13. October (n. St.) d. J. 1858 erfolgte, und zwar durch eine Allee von Stangen hindurch, an welche Käfige mit den Köpfen der für den Aufstand von 1857 Bestraften aufgehängt waren.

[166] Bevor wir die Erzählung von den Erlebnissen Walichanof’s in Kaschgar fortsetzen, gehen wir, um das speciell-topographische Element beisammen zu lassen, sogleich zur Betrachtung seiner Rückreise über.

Nachdem der Frühling im Februar zu Kaschgar begonnen hatte, glaubten Walichanof und seine Begleiter im März über den „Ssyrt“ zurückreisen zu können. Am 19. März (n. St.) 1859 sandten sie ihre Leute auf dem alten Wege zum Terekty-Passe voraus, erhielten aber bald die Nachricht, daß derselbe noch voll Schnee liege und nur der Weg über die chokandsche Feste Kurtka frei sei. So beschlossen denn die Kaufherren diesen Weg zu wählen und ritten am 23. März unter dem Geleit einer ungeheuren Volksmenge zu den Thoren Kaschgars hinaus. Die vorausgesandte Karawane stand zwischen den Dörfern Ustun-Artysch und dem Piket Islyk, und wiewohl die beschlossene Route dem Flusse Toin entlang auf den Wachtposten Tessyk-Tasch führte, so mußte doch, da der Ausgangspaß auf Islyk lautete, hier die Grenze überschritten und ein Umweg gemacht werden. Die Karawane übernachtete an diesem Tage 8 Werst vom Piket entfernt im Gebirge. Am folgenden Tage wandte sie sich nach Westen, indem sie einem breiten, trockenen Flußbett folgte, überstieg einen unbedeutenden Paß und gelangte so in das Thal des Toin. Die Tage waren sehr warm, die Natur im Erwachen, grünes Gras sproßte an begünstigten Stellen hervor, vom Schnee in den Schluchten war nur wenig noch übrig, am Abend hörte man das fröhliche Gezwitscher der Schwalben. Drei Tage lang ging es in nördlicher und nordwestlicher Richtung den Toin aufwärts, erst am 29. März wurde das Nachtlager an seiner Quelle am Abhange des Torgat-Passes aufgeschlagen. Das Thal des Toin ist breit, der Weg bequem, an seinen Ufern wachsen Pappeln und Hippophae rhamnoides, erstere wurden jedoch nur bis zum ersten Nachtlager bemerkt. Am Torgat war kein Baum und kein Strauch mehr zu sehen. Je höher man stieg, je mehr kam man wieder in winterliches Klima. Die oberen Theile des Flusses waren noch mit Eis belegt und in Hohlwegen lag der Schnee so tief, daß die Karawane sich mit der Schaufel den Weg bahnen mußte. Am 30. März überstieg sie den relativ nicht bedeutenden Torgat-Paß und befand sich auf dem Plateau des Tschatyr-Kul, wo wir ihren Schritten schon früher gefolgt sind. Torgat heißt also der dem Tasch-Rabat gegenüberliegende Südrand dieses See-Plateaus.

Vom Tschatyr-Kul aus überstiegen Baron v. d. Osten-Sacken und General Poltarazki im Sommer 1867 den Torgat und gingen den Toin abwärts. Sie machten ähnliche Wahrnehmungen wie Walichanof. Während das Seebecken vollständig alles Baumwuchses baar ist, begegnet [167] man, sagt Baron v. d. Osten-Sacken, dem ersten Gesträuch (Hippophae rhamnoides) wieder am Toin, (den er einen Zufluß des Ssuukty nennt, welcher letztere in den Kaschgar-Darja gehe) und zwar 2 Tagemärsche jenseit des Tschatyr-Kul; dem ersten Baume (der Pappel) nach 4 Tagemärschen vom See (bei Walichanof kommen nur 3 Märsche heraus). Hier auch beginnt der Ackerbau wieder, man stößt auf Weizenfelder. Ackerbau treiben hier die Kirgisen vom Stamme der Tschon-Bagisch. Bis zum Wachtposten Tessyk-Tasch wurde die Recognoscirung ausgedehnt, und die beiden genannten Führer derselben erfuhren hier, daß sie nur noch 12 Werst vom Dorfe Artusch und 30 von Kaschgar entfernt seien. Die Richtigkeit dieser Angaben war ihnen zweifelhaft, aber interessant war und nicht zu bezweifeln die Angabe, daß Kaschgar von dort nach Osten zu liege. In der That, aus Walichanof’s eben mitgetheilter Route geht hervor, daß Kaschgar südöstlich vom Tschatyr-Kul liegen muß. Der General Poltarazki schlägt demnach vor, Kaschgar um mindestens 2 Grad östlicher, als es nach der Position der Jesuiten liegt, auf der Karte hinauszurücken; ein Vorschlag, der durch die jüngsten englischen Berechnungen (des Capt. Montgomerie) gestützt wird. (Auf der obengenannten Petermann’schen Karte ist Kaschgar 76° 22′ östl. L. v. Gr. gesetzt, während die Schlagintweit’s es zu 71° 50′, die Jesuiten 73° 57′ östl. L. von Gr. bestimmten.)

Walichanof’s Aufenthalt in Kaschgar. Unterbrochener Ausflug nach Jarkand. Die Stadt Kaschgar fand Walichanof mit einer hohen Lehmmauer umgeben, an deren Ecken leichte Thürmchen chinesischer Architektur hervortreten. In den ersten Tagen ihres Aufenthalts hatte die Karawane allerlei Verhöre von Seiten der mißtrauischen kaschgarisch-chinesischen Behörden zu bestehen. Dies Mißtrauen wurde namentlich auch durch die Zuvorkommenheit, die der chokandsche Generalconsul, der Akssakal Datcha Nassyreddin den Fremden erwies, bei Jenen genährt und gestärkt, denn seit 1825 hatte Chokand bei allen Aufständen in Kaschgar seine verrätherische Hand im Spiele.[12] Am 14. October, dem Tage nach ihrer Ankunft, wurden die fremden Händler zu einem ersten Verhör in die Kanzlei des Hakimbek beschieden, des Oberbeamten der autonomen kaschgarischen Verwaltung. Hier wurden sie kurz befragt, wer sie seien, woher und warum sie gekommen. Am nächsten Tage forderte sie Dorgabek vor sich, ein wegen seiner Einsicht berühmter kaschgarischer Oberbeamter, der 1857 nach Vertreibung der Chodschi die Stelle des Hakimbek versehen hatte. Der chokandsche Akssakal war sehr aufgebracht darüber, [168] daß man seine Schutzbefohlenen so chikanire, und ließ sogleich dem Amba, dem obersten Vertreter der chinesischen Reichsbehörde, melden, daß er die Fremden persönlich kenne und für ihr Verhalten während der Zeit ihres Aufenthalts bürge, gab ihnen auch die angesehensten chokandschen Kaufleute zur Begleitung mit, um ihnen in dem Verhör beizustehen. Die Letzteren, bemerkt Walichanof hier, nahmen überhaupt den lebhaftesten Antheil an den fremden Landsleuten und erwiesen ihnen viel Freundschaft und Hülfe.

Zwischen dem Karawan-Baschi und Dorgabek entspann sich nun folgende Unterredung: Wer seid Ihr und warum seid Ihr gekommen? Antwort: Wir sind Andschaner, gebürtig aus Margilan, Taschkend und Buchara,[13] haben in Rußland unsere Waaren verkauft, darauf russische eingekauft und sind hierher gegangen, weil wir von den Handelsvortheilen des Platzes hörten. Frage: Wenn Ihr Andschaner seid, warum kamt Ihr nicht auf der Straße, die für Eure Nation geöffnet ist? Antwort: Weil wir am Issyk-Kul waren, um Schafe einzutauschen. Frage: Wieviel Tage wart Ihr von Ssemipalatinsk unterwegs? Antwort: 75 Tage. Zuletzt fragte der Bek, indem er auf einen Spaten deutete, den man den Karawanenhändlern am ersten Tage abgenommen hatte, warum sie soviel solcher Waffen mitgebracht hätten. Die Antwort lautete, das corpus delicti sei eine Waare zum Verkaufen, und einer der geleitenden Chokander bemerkte spöttisch, wenn der Bek Gefahr von diesen Waffen befürchte, so könne er sie aufkaufen. Damit schloß das Verhör vor dem Manne, der für den klügsten in Kaschgar galt, und es scheint allerdings ein neuer Beleg zu der Behauptung Vámbéry’s zu sein, daß der chinesische Tatar sich zu den übrigen Städtebewohnern Mittelasiens verhält, wie der Bochariot etwa zum Pariser oder Londoner.

Unsere „Andschaner“ indeß hatten das Fegefeuer der Protokolle und Verhöre noch nicht völlig überstanden. Am vierten Tage sprengte der Ischkaga (ebenfalls ein tatarischer Beamter) mit mehreren Beks vor ihr Quartier und forderte sie auf, ihm zum Amba zu folgen. Die Andschaner sattelten ihre Rosse, und der Zug ging zum Stadtthor hinaus. Draußen sahen sie einige Zelte und daneben einige Vorrichtungen, die eine große Aehnlichkeit mit Galgen hatten. Man führte sie in ein Zelt, in welchem sie vier Beamte auf großen Sesseln sitzend vor sich sahen. Zwei hatten rothe Kugelknöpfe an den Mützen, von diesen war der Eine der Amban, der Andere der Hakimbek; die [169] andern Beiden mit hellblauen Knöpfen waren chinesische „Landräthe“ („Pristav’s“ im Original unseres russischen Erzählers).

Die Fremden begrüßten den Amban, indem sie die Arme auf der Brust zusammenlegten. Der Letztere sah sie scharf an, bemerkte dann chinesisch zu seiner Umgebung: „Es sind weder Russen noch (rußische) Tataren, sondern Andschaner,“ und wandte sich hierauf mit der gewöhnlichen Frage chinesischer Beamten, ob sie glücklich angekommen seien, über welche Orte und mit welchen Waaren, an die nicht unbesorgten Inquisiten. Darauf erkundigte er sich nach dem Verhalten der auf dem durchzogenen Striche nomadisirenden Kirgisen und ließ sich zuletzt mit dem Karawan-Baschi in ein Privatgespräcb über Kuldscha ein, indem er diesen nach mehreren ihm bekannten Mandarinen aus der Provinz Ili fragte. Das Benehmen des Amban war überhaupt ein sehr artiges, und zum Schluß wünschte er den Verhörten gute Geschäfte. Damit hörten die Plackereien auf, hauptsächlich wohl in Folge der von dem Akssakal eingelegten Bürgschaft, doch legten die Chinesen ihr Mißtrauen nie vollständig ab.

Als Andschaner waren unsere Karawanenhändler ganz vom chokandschen Akssakal abhängig. Derselbe hatte über die in Kaschgar wohnenden Fremden zu gebieten und selbst seine eigene Polizei, deshalb war es nöthig sein Wohlwollen zu erhalten und sich überhaupt eng an die fremde Kaufmannschaft anzuschließen. Die Mitglieder der Karawane, größtentheils aus Margilan und Buchara stammend, fanden in Kaschgar Verwandte und Bekannte; diese waren meistens begütert und standen in Ansehn bei den chokandschen und kaschgarischen Behörden, so daß es mit ihrer Hülfe nicht schwer fiel, mit dem Akssakal und den kaschgarischen Beks in freundschaftliche Beziehungen zu treten. Gleich nach Beendigung der chinesischen Verhöre begaben sich die Kaufherren der Karawane zum Akssakal, um ihm ihren Dank zu bezeugen und das übliche Geschenk darzubringen. Dieses war an sich nicht bedeutend, übertraf aber doch die sonst gewöhnlichen Proportionen, und so war der Akssakal hocherfreut und versprach den Gebern seine immer bereite Protektion. Mit dem Sohne desselben, der die Geschäfte eigentlich verwaltete, befreundeten sich unsere Andschaner aufs Innigste, namentlich indem sie ihm oft im chokandschen Geschmack gehaltene Schmäuse, Basm, gaben, von denen er ein großer Verehrer war. Gegenseitige Geschenke und Bewirthungen brachten die Karawane in freundschaftliche Verhältnisse mit allen mehr oder weniger bedeutenden Persönlichkeiten. Selbst die kaschgarischen Beks, die zwar ihr chinesisch-vornehmes Wesen insofern bewahrten, als sie nie die Karawanenherren in ihrem Quartier besuchten, traten doch öfter in deren Läden ein und luden sie zum Thee zu sich. Oft auch [170] bat der Akssakal sie zu Tisch, und bei wichtigen Berathungen verfehlte er nicht, auch den Karawan-Baschi mitzuberufen.

Die Karawane hatte 11 Buden in dem Ssarai „Kunak“ gemiethet, außerdem Quartiere in den Straßen Usten-Bui und Djan-Kutsche. Das Geschäft ging gut. Schon in der ersten Woche waren die Waaren größtentheils verkauft, theils gegen baares Geld, theils auf Borg, mit der Bedingung zu zahlen, wenn die Abreise stattfinde, und zwar in Silber und Gold. Einer eigenthümlichen Landessitte mußten unsere „Andschaner“ sich fügen. Obwohl die Muhamedaner der Kleinen Bucharei der Lehre des Imam Hanif anhängen, welcher temporäre Ehen verbietet, so besteht doch in Kaschgar und überhaupt in der Hexapolis von Ost-Türkistān die Sitte, daß alle Fremden, sobald die Zeit ihres Aufenthalts länger dauert, eine Ehe eingehen. Diese wird in aller Form geschlossen, und vom Bräutigam nur gefordert, daß er die Frau neu kleide. Um dem Herkommen nicht entgegen zu treten und auf Bitten ihrer Freunde entschlossen sich auch unsere Reisenden mit Einschluß unseres russischen Gewährsmannes, eine kaschgarische Fremdenehe zu schließen. Nicht minder mußten sie ihr Kostüm wechseln. Die tatarischen Mützen und Kaftans, welche sie trugen, erregten überall, wo sie erschienen, Aufsehen, daher setzten sie fortan Turbane auf, welche übrigens in Kaschgar nur von geistlichen Personen getragen werden, und zogen bucharische Kaftane an, wie es sich für echte Andschaner schickte.

Von vornherein hatte sich unseren Reisenden die Aussicht auf einen mindestens zweimonatlichen Aufenthalt eröffnet, um die völlig heruntergekommenen Pferde und Kameele (viele derselben waren ganz zu Grunde gegangen) wieder soweit herzustellen, daß sie die Rückreise bestehen könnten. Diese Zeit wollte Walichanof zu einem Ausflug nach Jarkand (er schreibt Jerkend) benutzen. Von dem Waarenvorrath der Karawane war eine Partie Juchten unverkauft geblieben; diese wollte ihr Besitzer, der Buchariot Muchsik-Ssaitof nach Jarkand schaffen und Walichanof ihn begleiten. Um nicht den Verdacht der Chinesen zu erregen, sprachen sie von ihrem Vorhaben erst kurz vor der Ausführung, erhielten mit andern Bucharioten Pässe vom Akssakal und schickten die Waare mit einem Agenten voraus. Am 22. October brach die aus 6 Personen bestehende Reisegesellschaft auf, zeigte auf einer Station zwischen Tosgun und der chinesischen Stadt dem dortigen Jusbegi die Pässe vor, und übernachtete auf halbem Wege auf einem Langar (Landgute, „Chutor“ im Russischen). Am andern Tage gelangte man um Mittag nach Janyssar. Der Weg bis zu dieser Stadt führt durch eine bevölkerte Gegend, erst kurz vor derselben stößt man auf niedrige Sandhügel. Die Pferde ließ man in [171] Gaitschan, wo sich ein besonderer Ssarai für Fuhrleute befindet, und fuhr zur Stadt hinein, wo bei einem Bekannten abgestiegen wurde. Da in Janyssar viele andschanische Kaufleute ansäßig waren, mit denen die Reisenden in Kaschgar Bekanntschaft gemacht hatten, so wurden sie hier zwei Tage lang festgehalten, um mit solennen Mittags- und Abendmahlzeiten bewirthet zu werden. Endlich konnten sie am dritten Tage nach eingenommenem Mittagsmahl die Reise fortsetzen, erreichten jedoch bis zur Nacht nicht mehr die Station Toplyk, sondern mußten einige Werst vor derselben ins Nachtquartier gehen. Am 26. brachen die Reisenden früh auf, um in einem forcirten Marsche noch die dritte Station Kokrowat zu erreichen, was ihnen freilich nicht gelingen sollte. Das Land von Janyssar bis zur ersten Station ist dicht bevölkert, der Weg geht durch Waldpartieen, an Meierhöfen (Chutors) vorüber, setzt über eine Menge Flußläufe und Bewässerungscanäle. Wenn man sich der zweiten Station Kisyl nähert, so wird die Bevölkerung allmählich dünner, und die Umgebung dieser Station stellt sich schon als öde, unfruchtbare Steppe dar. Oestlich von Kisyl liegt die Sandsteppe Kum-Schaidan, die dem Muselmann geheiligt ist. Hier geschah nach der Ueberlieferung eine Glaubensschlacht, in welcher der Anführer der Gläubigen Arslan-Chan-Gasi fiel. Die auf dem Grabe desselben errichtete Grabkapelle wird von allen frommen Muselmännern besucht, welche nach Kaschgar und Jarkand kommen. Die Station Kokravat ist eine Oase, welche von Baumgruppen beschattet ist und etwa 30 Häuser zählt. Jenseit Kokrawat beginnen Sandwüsten, die ein hügeliges Terrain in der Richtung von W. nach O. bilden; auf dem Wege liegen mehrere Seen mit bitter-salzigem Wasser, an deren Ufern Schilf wächst. So der Bericht Walichanof’s, welcher hier nicht mehr aus persönlicher Beobachtung spricht. Kaum nämlich war er mit seinen Begleitern einige Werst über die Station Toplyk hinausgekommen, so erreichte sie ein nachgesandter Bote aus Kaschgar, welcher von den zurückgebliebenen Freunden die Bitte überbrachte, schleunigst dorthin zurückkehren zu wollen, es sei die Nachricht von der Einnahme Chokands durch Malimbek angelangt, und die Stadt Kaschgar durch das Gerücht von der gleichzeitigen Flucht des Chodscha Walichan-Türe[14] in große Aufregung versetzt. Diese Meldung bestimmte die Reisenden zur sofortigen Umkehr.

Bald nach Ankunft derselben in Kaschgar traf hier auch als Repräsentant des neuen Herrschers von Chokand ein neuer Akssakal ein, der seine Wirksamkeit damit begann, daß er seinen Vorgänger [172] gefangen nahm und dessen ganzes Vermögen confiscirte. Doch wußte sich die Karawanencompagnie, wie es scheint, auch mit dem neuen Regiment auf guten Fuß zu stellen. Der Gedanke an die Rückkehr nach Rußland wurde jetzt lebendig, gelangte indeß, wie wir wissen, erst im März zur Ausführung, in der Richtung über die Feste Kurtka, obwohl man wußte, daß deren Commandant die Karawane nur erwarte, um sie weidlich zu zehnten. Man wußte überhaupt, daß sich die Kirgisenwelt des Ssyrt mit den abenteuerlichsten Gerüchten über den Reichthum der Karawane unterhielt, daß die naiven und phantasiereichen, aber auch beutelustigen Krieger und Hirten des Gebirges z. B. unter anderem sich erzählten, die Karawane führe einen Wunderkasten mit sich, in welchem ein goldener Baum stehe, auf dessen Zweigen eine Nachtigall sitze und Lieder singe. Die Reise mußte trotzdem durch diese Gebiete gewagt werden, und die Karawane bestand sie im Ganzen mit Glück.

Kirgisische Gastfreundschaft. Im letzten Theile seines Berichts verbreitet unser Gewährsmann sich über die politischen Beziehungen zwischen Ober- und Unterland des Syr, zwischen Chokand und den Berg-Kirgisen, ein Kapitel, aus dem wir nur Einiges hervorheben wollen, um schließlich seine Mittheilungen über die Regeln kirgisischer Gastfreundschaft wiederzugeben. Unter der Verwaltung von Kurtka, welches erst 1832 gegründet wurde, standen 3 Geschlechter aus dem Stamm der Ssajak (etwa 600 Jurten), die Tschirik (etwa 2800 Jurten), und ein Theil der Bogu (circa 1200 Jurten), außerdem Theile der Stämme Monyldyr, Bassys u. andere. Alle diese gehören dem Volke an, dem man lange Zeit so zu sagen seinen Namen entwendet hatte, um ihn fälschlicherweise einem andern beizulegen. Die genannten Genossenschaften sind eigentliche und echte Kirgisen („Krgys“ nach der eigenen Aussprache), die durchaus von den in der Tiefsteppe nomadisirenden und schon länger unter russischer Herrschaft stehenden sogenannten Kirgisen der Großen, Mittleren und Kleinen Horde zu unterscheiden sind. Die Letzteren nennen sich selbst Kaissak (oder Kasak). Die echten Kirgisen, die von den Russen Kara- oder Dikokamennyje Kirgisen, von Kalmüken und Chinesen Buruten genannt werden, und mit denen wir allein hier zu thun hatten, nomadisiren größtentheils auf den Hochsteppen des Thian-Schan vom Issyk-Kul bis südlich nach Buchara hin, vielleicht auch darüber hinaus, und sind ein kriegerischeres Volk als ihre nördlichen Vettern, die Kaissak; aber in Folge ihrer Zersplitterung erlagen sie trotzdem den Angriffen der Chane von Chokand.

Das Mittel der chokandschen Obmacht ist das bekannte divide et impera. Nur durch die Verhetzung der einzelnen Stämme und Geschlechter [173] unter einander behaupteten die Kommandanten der chokandschen Bergfestungen die Herrschaft über alle; Stammesfehden, bei denen die Kirgisen an Zahl und Besitz immer mehr herabkommen, sind im Thian-Schan, seitdem und soweit Chokand dort herrschen wollte, an der Tagesordnung gewesen. Uebrigens bestand der Genuß dieser Herrschaft nur in einem geringen Tribut, den die dazu Verpflichteten sofort zu versagen pflegten, sobald die Regierung im Unterlande selbst ins Schwanken kam, was bei den vielen Thronstreitigkeiten und Verwickelungen mit Buchara in den letzten Jahrzehnten oft genug geschehen ist. Wie wenig Chokand’s Macht bei den Kirgisen galt, erfuhren Walichanof und seine Genossen, als sie bei der Reise im Narynthal aufwärts die eigenthümlichen Segnungen der kirgisischen Gastfreundschaft über sich ergehen lassen mußten. Unter den kirgisischen Stammeshäuptlingen haben sich bestimmte, durch Alter und Herkommen geheiligte Regeln herausgebildet, nach denen sie die Plünderung einer Karawane vornehmen, eine gesetzliche Plünderung. Diese Regeln bestehen in Folgendem: 1) jede Karawane, welche die Ulusse eines kirgisischen Stammoberhauptes durchzieht, muß den Seket (Grenzzoll) bezahlen; 2) eine Loskaufsumme geben für den freien Durchzug (Transitzoll), 3) dem Stammoberhaupt Geschenke darbringen, die seiner Bedeutung und Macht entsprechen; 4) keine Karawane darf die Auls berühmter Anführer übergehen, sondern muß Halt machen, um die Gastfreundschaft derselben zu genießen. Die letztere[WS 2] besteht darin, daß die Karawane zum Abendessen einen oder zwei magere Hammel empfängt und gehalten ist, dafür am andern Tage Gegengeschenke zu machen. Wenn aber diese der Bedeutung des bewirthenden Häuptlings nicht angemessen sind, so verfällt 5) die Karawane in Strafe. Der 1. Punkt ist durch chokandsches Gesetz verboten und gilt für das, was er ist, offenbare Erpressung. Punkt 2 und 3 werden von Chokand nicht gebilligt, aber auch nicht[WS 3] geradezu untersagt. Punkt 4 ist als Recht der Kirgisenhäuptlinge ausdrücklich anerkannt. Daß dieses Recht nicht verletzt werden dürfe, mußte die Karawane zu ihrem Schrecken und damit eine Bestätigung des 5. Punktes kennen lernen, als sie sich fast noch unter den Augen der Festung Kurtka, 10 W. von derselben entfernt, der Gastfreundschaft des nächstgebietenden kirgisischen kleinen Herrn entziehen zu können glaubte und es vergebens versuchte. Es ist begreiflich, daß der Handel durch solche Belästigungen nicht wenig leidet. Trotz derselben indeß, sowie der auf der Herbstreise erlittenen Verluste an Schafen und Kameelen machte die Karawane Walichanof’s im Ganzen befriedigende Geschäfte.

[174]
Nachtrag.


Der Druck dieser Arbeit hat sich verschiedener Umstände wegen so verzögert, daß unterdeß der vollständige und höchst interessante Reisebericht des Baron Fr. v. d. Osten-Sacken über seine Reise im Thian-Schan hat erscheinen können (in den Mém. de l’acad. imp. des sciences de St. Pétersbourg. VII° Série. T. XIV, No. 4 unter dem Titel: Sertum Tianschanicum. Botanische Ergebnisse einer Reise im mittleren Tian-Schan. Von Baron Fr. v. d. Osten-Sacken und F. J. Ruprecht). Aus dem reichen Inhalte desselben fügen wir hier noch einige Punkte an. Die Erhebungen, welche das Becken des Tschatyr-Kul im Osten vom Akssai, im Westen von der Arpa scheiden, sind sehr mäßig. Es ist überhaupt merkwürdig, daß am Tasch-Rabat die Nordkette des Akssai-Thales plötzlich abbricht und folglich dieser Gebirgsstock, von Westen her gesehen, wie ein Cap erscheint. Zieht man von diesem Cap eine Linie südostwärts, etwa durch die Westspitze des Sees hindurch, so stößt man am Torgat (oder Turagat) auf ein ähnliches Cap, welches das Ostende derjenigen Gebirgskette bildet, die das Arpa-Thal im Süden begrenzt. Diese letztere, welche der Reisende vom hohen Nordrande des Arpa-Thales am Dschamandaban-Passe (nordwestlich vom Tschatyr-Kul) überschauen konnte, stellte sich als ein mächtiges Gebirge dar, in welchem von jenem Standpunkt aus am 3. August nicht weniger als 63 Schneegipfel gezählt wurden! Somit scheinen auch westlich vom Tschatyr-Kul die größten Höhen am Südrande des Thian-Schan hervorzutreten, wie wir dies oben östlich in der Kokkija-Kette fanden.

Von dem Hospiz am Nordfuße des Tasch-Rabat heißt es, daß dasselbe jetzt ganz zerfallen sei.

Wichtig ist ferner die Notiz, daß man nach Capt. Steinthal’s Beobachtungen auf seiner Reise nach Kaschgar „geneigt sein würde, die genannte Stadt wieder etwas westlich (im Vergleich zu der Poltarazkischen Bestimmung) zurückzuschieben“. Vielleicht mehr begründet ist die Bestimmung der absoluten Höhe von Kaschgar, wie dieselbe von Ruprecht nach den von Capt. Steinthal ausgeführten barometrischen Beobachtungen ermittelt worden ist. Das Mittel von 18 Beobachtungen im October hat eine Höhe von 634 Toisen oder 4060 russ. Fuß ergeben, – oder aus 6 nach den Normalstunden ausgewählten Ablesungen = 628 T. (4010 Fuß). Wenn nun, worauf Baron v. d. Osten-Sacken aufmerksam macht, nach englischen Berechnungen (Montgomerie, Johnson) Jarkand etwa 4000 Fuß, Iltschi (Chotan) 4329 Fuß hoch liegt, so würde die Ebene von Ost-Türkistān in runder Zahl [175] etwa 4000 Fuß hoch über dem Seespiegel liegen, wahrscheinlich mit einer Depression in der Mitte, nach welcher alle Gewässer dieser Ebene hinab und vereinigt zum Tarim ihr entlang fließen.

Auf der Rückreise machte Baron v. d. Osten-Sacken einen Abstecher zum Westende des Issyk-Kul, wo er Gelegenheit hatte, über den Zusammenhang dieses Sees mit dem Tschu Beobachtungen zu machen, die von denen seines Vorgängers P. v. Ssemenof (über welche in dieser Zeitschrift Bd. IV. S. 123 berichtet wurde), nicht unerheblich abweichen und hier ebenfalls noch mitgetheilt zu werden verdienen. Der Reisende erzählt: „Wir kamen [am Koschkar, dem Oberlaufe des Tschu, abwärts] an die Kutemaldy. Der Tschu macht hier eine scharfe Biegung nach Westen, so daß die Strömung heftig an das rechte Ufer anprallt. Der Ausfluß der Kutemaldy liegt im Winkel gleich oberhalb der Stelle, wo die Strömung an dem rechten Ufer nagt. Es hat sich hier eine seichte Stelle gebildet, wo keine Strömung zu bemerken ist; auch in der Kutemaldy selbst ist das Wasser träge und nur an den seichtesten Stellen, wo der Sand in Streifen blos liegt und das Wasser gleichsam in eine Rinne geschlossen ist, sah ich eine Bewegung desselben nach dem Issyk-Kul hin. [Hierzu die Anmerkung: „Es wurde mir übrigens gesagt, daß bei hohem Wasser im Tschu in der Kutemaldy eine starke Strömung nach dem See hin geht“.] Die Breite der Kutemaldy beim Ausfluß ist 6–7 Faden; sie schlängelt sich sehr regelmäßig, wie es gewöhnlich bei trägen Bächen der Fall ist. Die Ufer sind abwechselnd steil und flach und erreichen an manchen Stellen die Höhe von einem Faden. Wir brauchten 40 Minuten sehr mäßigen Trabes, um durch das dichte Schilf zu dem Ufer des Issyk-Kul zu gelangen. Beim Ausfluß erweitert sich die Kutemaldy zu einem breiten Delta“. Hiernach findet am Tschu dort, wo er dem Issyk-Kul nahekommt, eine Bifurcation statt. Von einer solchen weiß der frühere Beobachter, Ssemenof, bekanntlich nichts, vielmehr fand er auf der zwischen der Winkelspitze des Flusses und dem See liegenden, nach seiner Angabe etwa 7–10 Werst breiten Strecke einen Sumpf, aus welchem ein schwaches Wässerlein zum See abfloß. Es muß nun dahingestellt bleiben, ob der Widerspruch beider Berichte sich aus der Verschiedenheit der Jahreszeit erklärt, in der beide Beobachter ihre Wahrnehmungen machten (Baron v. d. Osten-Sacken am 30. August, Ssemenof am 8. October), oder ob die Terrainverhältnisse in den zwischenliegenden 11 Jahren sich geändert haben, oder endlich ob Ssemenof, der den Tschu aufwärts ging, vielleicht zu früh links abschwenkte und so nicht bis zu der Stelle kam, wo Bar. v. d. Osten-Sacken den Ausfluß der Kutemaldy aus dem Tschu constatiren konnte. Da die Russen sich definitiv jetzt in jener Gegend festgesetzt haben, so [176] werden uns hoffentlich bald Nachrichten von permanenten Beobachtern zugehen, die über diese Frage Licht verbreiten.

Wir dürfen schließlich nicht unerwähnt lassen, da wir oben auf die in Petermann’s Mittheilungen (1869. Heft V) erschienene Karte Bezug nahmen, daß ebendieselbe vom Herrn Baron v. d. Osten-Sacken an die hiesige geographische Gesellschaft in etwas veränderter Gestalt übersandt wurde. Es begleitete dieselbe eine gedruckte Erklärung, nach welcher die Authentie der Details jener Karte in der Alexander-Kette (Kirgisnyn-Alatau), namentlich die der Höhenangaben in ein sehr zweifelhaftes Licht tritt. Dies muß im Gebrauch der Karte zur Vorsicht mahnen.

Zur rechten Zeit noch kommt uns eine fernere Bereicherung unserer Kenntnisse von Ost-Türkistān zu, der Bericht des Lieutenant Hayward über seine Reise nach Jarkand und Kaschgar[15]. Die höchst wichtigen und interessanten Mittheilungen desselben über seine Wanderungen und Entdeckungen in den Hochgebirgen zwischen Ladakh und Jarkand können wir leider hier nur kurz berühren. Man ersieht daraus, daß zwischen dem oberen Industhale und dem Hochlande von Ost-Türkistān ein eben solcher „Ssyrt“ sich ausbreitet, wie am Nordrande des letzteren zum Issyk-Kul hin, eine hochgespannte Wölbung unserer Erdrinde, durchschnitten von mehr oder weniger breiten Hochthälern theils longitudinaler, theils transversaler Richtung und dadurch in verschiedene Gebirgsketten zertheilt. Auch hier erreicht, wie in dem nördlichen Ssyrt, die südliche Kette die größte Höhe, aber wahrlich eine viel gewaltigere als dort das Kok-kija-Gebirge. Hayward fand in dem Südwalle, der Karakorum- und Mustag-Kette, Piks von 25–28,000 engl. Fuß Meereshöhe, ja eine Spitze östlich vom Mustag-Paß bestimmte er zu 28,278 Fuß! Den Nordwall, der unmittelbar zur Hochebene von Jarkand abfällt, nennt er speciell die Kuen-Luen-Kette. Von dem letzten Passe derselben, der noch eine Höhe von 16,612 Fuß hatte, bis Jarkand währte die Fahrt, wie es scheint, 6 oder 7 Tage und ging durch ein wohlangebautes, bevölkertes Land, über mehrere nicht unbedeutende Städte, so Kargalik, 36 engl. Meilen von Jarkand und Posgâm, 15 Meilen von Jarkand, ein bedeutender Platz, der mit Zurechnung seiner Vorstädte etwa 16,000 Häuser umschließt. Alle diese Orte aber stellt Jarkand selbst in den Schatten. Unser Berichterstatter giebt dieser Stadt etwa 40,000 Häuser und mindestens 120,000 Einwohner, was sicherlich, wenn die Häuserzahl zutrifft, nicht zu hoch gegriffen ist. Dieselbe besitzt ferner nach seiner Angabe 160 Moscheen, viele Schulen und 12 Karawanserais, die mit [177] Kaufleuten aus allen Gegenden Asiens stets voll besetzt sind. Aus 11 Beobachtungen während eines achtwöchentlichen Aufenthalts berechnet Hayward die Lage Jarkands zu 38° 21′ 16″ nördl. Br. und 77° 28″ östl. Länge von Greenw., während mehrere Beobachtungen über die Temperatur des siedenden Wassers die Meereshöhe desselben zu 3830 Fuß bestimmen. (Montgomerie nach den Papieren des unglücklichen Mahomed Hamid 38° 19′ 46″ nördl. Br., 77° 30′ östl. Länge 4000 Fuß absol. Höhe). Wir schließen hier sogleich die Berechnungen unseres Reisenden über die Position von Kaschgar an, wo er während der Zeit vom 5. März bis 13. April 1869 mehrere Beobachtungen machte. Nach diesen ergiebt sich für die Stadt 39° 23′ 9″ nördl. Br., für die gerade südwärts jenseit des Flusses liegende Festung 39° 19′ 37″, nach der Distanz von und der Lage zu Jarkand 76° 20′ oder 76° 10′ östl. L. v. Gr. (wir finden diese beiden, wohl in Folge eines Druckfehlers von einander abweichenden Angaben); die absolute Höhe (der Festung, meinen wir) stellt sich auf 4165 Fuß über dem Meeresspiegel. Mithin würde sich auch nach diesen neuesten Erforschungen die oben angeführte Vermuthung des Barons v. d. Osten-Sacken, daß wir die mittlere Höhe der Hochebene von Ost-Türkistān etwa zu 4000 engl. Fuß anzusetzen haben, im Allgemeinen bestätigen.

Die topographischen Details des trefflichen englischen Reisenden über seine Reise nach Kaschgar sind leider nur dürftig. Von Jarkand aus ging der Weg zunächst nach Westen, über die Dörfer Karakun und Bigil, bis der Urpi Kanal 4 Miles von der Stadt auf einer hölzernen Brücke überschritten wurde. Hierauf wird Janghissar (bei den Russen in der Regel Janyssar) erwähnt, wo der Reisende 5 Tage verweilte. Er nennt diesen Ort den am meisten pittoresken, den er in Türkistān sah, und zwar darum, weil hier sich die großartige Aussicht auf die erhabene Kisil-Jart-Kette des Pamir-Plateau’s eröffnete, die im Südwesten und Westen vollständig in Sicht kam. Die Höhen dieses Gebirgszuges steigen nach seinem Bericht bis 20,000 und 21,000 engl. Fuß auf, und ihre Ausläufer fallen steil und plötzlich zur Ebene von Ost-Türkistān ab. Die höchste Spitze desselben, Tagalma benannt und 63 engl. Meilen im WSW. von Janghissar belegen, wurde approximativ auf eine absolute Höhe von 21,279 Fuß berechnet. Die Stadt Janghissar selbst bestimmte er nach Beobachtung der Höhe des Sonnenmeridians zu 38° 52′ 34″ nördl. Br., und nach Triangulation und Entfernung von Jarkand zu 76° 18′ östl. L. Hiernach würde von den kurz zuvor erwähnten beiden Angaben über die Längen-Position von Kaschgar wohl die letztere für die richtigere zu halten, und eine etwas westliche Zurückschiebung der Position von [178] Kaschgar gegenüber der Poltarazkischen Bestimmung in der That nothwendig sein.

Interessant ist, was Hayward von seiner Unterredung mit Mahomed Jakub Beg, Atalik Ghasi und Beherrscher von Ost-Türkistān erzählt. Schon in Jarkand war er mit einem Gouverneur desselben zusammengetroffen, überhaupt gehorchte ihm alles bewohnte Land, das der Reisende nördlich vom Kuen-Luen durchzog; von Chinesen keine Spur; ihre Herrschaft ist in diesem ehemaligen Far West ihres Reiches vollständig vernichtet. Jakub Beg ist ein Mann von etwa 45 Jahren, von kurzem gedrungenem Bau, mit den scharf markirten Zügen der Oesbegen von Andidschan. Seine breite, massive, tief gefurchte Stirn und das scharfe, blitzende Auge deuten auf Intelligenz und Klugheit, während die eng zusammenstoßenden Augenbrauen und der feste Mund mit seinen etwas dicken, sinnlichen Lippen ihn als Mann von unbeugsamem Willen kennzeichen. Unser englischer Berichterstatter steht nicht an, in ihm den Stoff zu einem Dschingischan oder Tamerlan unserer Zeiten zu verkündigen, wofern nur Asien sich selbst überlassen bliebe. Aber der moderne türkische Eroberer beugt sich vor der Macht der Thatsachen, er erkennt das Uebergewicht der stärkeren europäischen Rasse. Hayward kam offen als Engländer an die Grenze seines Reiches, wurde als solcher in dasselbe eingelassen und vernahm in Kaschgar aus dem Munde des Atalik Ghasi selbst, wie dieser hofft, daß auch in Zukunft die Engländer sein Reich besuchen werden[16]. Er bedauerte die früheren Opfer eines, wie er andeuten zu wollen schien, nun überwundenen Fanatismus, Stoddard, Conolly in Buchara, Ad. Schlagintweit in Kaschgar. Indem er auf Letzteren anspielte, nannte er den Namen seines Mörders Nulli-Chan, was mit der bisherigen Ueberlieferung, die sich namentlich auf Walichanofs Bericht stützte, nicht übereinstimmt; nach Letzterem hieß der Chodscha, der 1857 und 1858 Kaschgar insurgirte, und dem der unglückliche deutsche Reisende zu seinem Verderben in die Hände fallen mußte, Walichan-Türe (s. oben S. 170 (?)). Aus der ganzen Erzählung Haywards geht hervor, daß der Usurpator, der jetzt in Kaschgar regiert und allerdings von China und Rußland zugleich bedroht wird, geneigt ist, wenigstens Engländern gegenüber sehr viel gelindere Saiten aufzuziehen, als je zuvor ein anderer muhamedanisch-türkischer Fürst Mittelasiens, ein Umstand, den englische Gelehrte im Interesse der Wissenschaft gewiß auszubeuten versuchen werden, wie andererseits auch der englische Kaufmann den Fußtapfen Mr. Shaw’s folgen wird, [179] der bekanntlich zur selben Zeit wie Hayward mit einer Theeladang nach Jarkand vordrang und ein gutes Geschäft machte.

Wir unterlassen es, Hayward’s Schilderung der Gebirge nördlich von Kaschgar, die nach dem Augenschein entworfen ist, hier ausführlich wiederzugeben, da wir oben aus russischen Quellen relativ Besseres erhielten. Die Hauptkette des Thian-Schan (Kok-kija oder die südliche Umwallung des Arpa-Thales?), deren Entfernung von Kaschgar er ziemlich richtig auf etwa 73 engl. Meilen schätzte (nach Walichanof sind es von der Höhe des Terek-Passes bis Kaschgar 135 Werst), schien ihm höchstens 18–19,000 Fuß abs. Höhe zu erreichen, was auf Kok-kija bezogen nach Ssäwerzof’s oben (S. 167 (?)) mitgetheilten Schätzung sicher nicht zu wenig ist. Es fiel ihm aber auf, daß der Kamm dieses Schneegebirges, dessen Richtung ihm von WSW. nach ONO. zu gehen schien, sich in ziemlich ebener Linie darstellte, ohne jene Abwechslung erhabener Gipfel und tiefer Einsenkungen, wie sie im Kuen-Luen und Karakorum so bemerkenswerth seien. Ferner bemerkt er als auffällig, daß er keine Wälder am Südabhange wahrnehmen konnte, die Berge von Kaschgar aus durchaus kahl mit schneebedeckten Häuptern erschienen. Mit Bewunderung dagegen blickte er auf der Rückreise wieder auf die majestätische Bergreihe des Kisil-Jart-Gebirges, dessen riesige Gipfel sich scharf am Azurblau des trockenen mittelasiatischen Himmels im Westen und Süden abzeichneten.

In Jarkand verweilte der Reisende wiederum einen Monat und konnte nun einen außerordentlichen Temperaturunterschied gegen früher constatiren. Während nämlich das Thermometer in den ersten Tagen des Januar um Mittag auf 23° Fahr. gesunken war, hob es sich Ende Mai auf 71° und 72° Fahrh. Wenn man nun, bemerkt Hayward, für Juli und August eine Temperatur von 82–85° Fahr. annehmen darf, wozu man sicherlich berechtigt ist, so ergiebt sich, daß in Ost-Türkistān excessive Hitze und Kälte alterniren. Da ferner das Land nach Nord, West und Süd von hohen Bergketten umgeben ist, die den vorherrschenden Winden in den Weg treten, so muß demselben ein besonders trockenes Klima eigenthümlich sein. Es ist deshalb auch nicht zu verwundern, daß unser Engländer schon damals, als er am 24. Februar die Reise nach Kaschgar antrat, viel vom Staube zu leiden hatte.

Wir erwähnen schließlich, was der englische Reisende als einen Haupterfolg seines Unternehmens betrachtet wissen will. Es ist die Erkundung des direktesten Weges aus den Nordwestprovinzen Indiens nach Jarkand, bei welchem sowohl Kaschmir wie Ladakh umgangen werden können. Dieser Weg führt von Tschang Tschenmo [180] über den Tschang Lang-Paß und das Karakorumgebirge in das obere Thal des Karakasch, aus diesem in das obere Thal des Jarkand-Darja, dem er bis zu einer Schwenkung desselben nach Westen folgt; von hier würde der künftige Handelsweg sich nordwärts wenden und den Jangi-Paß übersteigend zur Ebene hinabführen; die allgemeine Richtung des ganzen Weges würde NNW. sein. Der Oberlauf des Jarkandflusses ist von Hayward erst entdeckt worden, die Quelle desselben liegt 35° 37′ 34″ nördl. Br. und 77° 50′ östl. L. v. Gr. in einer Höhe von 15,656 engl. Fuß über dem Meere, westlich vom Karakorum-Passe. Auch das obere Thal des Karakasch bekommt durch Hayward eine veränderte Richtung, als nach Mr. Johnson’s Angaben. Man darf demnach von der zu erwartenden Karte Hayward’s über die von ihm besuchten Gebirgsgegenden viel Neues und – dafür bürgt die Art und Weise, wie er seine Reise ausführte – Sicheres erhoffen. Der von ihm aufgefundene Weg hat nach seiner Versicherung vor andern den Vortheil, daß er überall für beladene Pferde und Kameele gangbar ist, ja durch wenig kostspielige Ausbesserungen selbst für zweirädrige Karren fahrbar gemacht werden könnte, endlich daß es nirgends auf ihm an Feuerungsmittel und Futter fehlt. – Es wäre im Interesse der Civilisation zu wünschen, daß englischer Einfluß auf der Bahn, die Hayward gebrochen, dem russischen in Ost-Türkistān friedlich wetteifernd begegnete.

Anmerkungen

  1. s. Iswestija der Kais. Russ. Geogr. Gesellsch. Bd. 5, Abth. 1, S. 49 ff.
  2. s. Iswestija, Bd. 4, I., S. 100.
  3. s. Iswestija Bd. 5, I. S. 89 ff.
  4. Nach Ritter, Asien I., S. 432 östl. vom Issyk-Kul und V, S. 614 nördlich von Aksu.
  5. Ich citire nach Ritter, Asien Bd. 5, S. 502, die unten folgende Stelle aus Burnes ebendort, S. 489.
  6. Bei Humboldt, Centralasien, übers. v. Mahlmann. I, S. 590.
  7. In der Karte b. Petermann Mittheil. etc. 1869, V. ist dieses Querjoch angedeutet.
  8. Vergl. Ritter, Asien I, S. 327 und Humboldt, Centralasien, übersetzt von Mahlmann II. S. 227.
  9. Bestätigt durch Vámbéry, Reise in Mittelasien. S. 301.
  10. Man vergleiche Bd. II, S. 150 dieser Zeitschrift.
  11. Nach Sapiski etc. 1861, Heft 3, 2. Abth. S. 5 u. 10 war es ein südwärts laufender Terekty.
  12. Vergl. darüber Bd. II, S. 86 dieser Zeitschr.
  13. Da hier auch Bucharioten als Andidschaner oder Andschaner declarirt werden, so scheint es, daß diese Benennung in Kaschgar Kaufleute nicht nur aus Chokand, sondern überhaupt aus West-Türkistān umfaßt.
  14. Desselben, der den Aufstand von 1857 angezettelt hatte und der Mörder Ad. Schlagintweit’s war.
  15. s. Slip of Meeting of the Royal Geogr. Society of 18th December 1869.
  16. Nach neueren englischen Zeitungsnachrichten steht die Ankunft eines Gesandten von Jakub Beg in Ostindien bevor.

Anmerkungen (Wikisource)

  1. Vorlage: West-Türkistn
  2. Vorlage: letzere
  3. Vorlage: nichl
  NODES
chat 15
Project 1