Paulys Realencyclopädie der classischen Altertumswissenschaft
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von Sevilla, wichtiger Exzerpist u. Kompendiator antik. Literatur, Bischof 7. Jh.
Band IX,2 (1916) S. 20692080
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27) Isidorus von Sevilla (Hispalensis). Von den Trägern des Namens I. ist er für uns der wichtigste. Seine Bedeutung hat er sich aber nicht durch eigene schöpferische Tätigkeit erworben, – ein schaffender Geist ist er nicht gewesen –, als vielmehr dadurch, daß er zur Zeit des Literaturverfalls ‚als größter Exzerpist und Kompendiator, den es vielleicht gegeben hat‘ (Ebert Allgemeine Geschichte der Literatur des Mittelalters im Abendlande I 589), uns eine Unmenge von wichtigen Bruchstücken aus der antiken Literatur erhalten hat, die uns oft wenigstens ein Bild von manchem verlorenen Werke geben.

I. wurde um 570 n. Chr. als Sohn des Severianus, eines begüterten Provinzialen Carthagenas, geboren. Sein älterer Bruder Leander, Bischof von Sevilla und Freund Gregors d. Gr., hat sich um ihn sehr verdient gemacht, indem er ihn mit Mitteln unterstützte und ihm dadurch die Wege zu seiner späteren glänzenden Laufbahn öffnete und ebnete. Zu Anfang des 7. Jhdts. folgte I. seinem Bruder auf dem Bischofstuhle in Sevilla, dem bedeutendsten Spaniens, nach. Das Ansehen, das ihm dieses Amt verlieh, seine Gelehrsamkeit und seine Redekunst, durch die er sich [2070] vor allen anderen hervortat, machten ihn zu einem äußerst angesehenen Manne, und dadurch, daß er bei zwei Konzilien Spaniens den Vorsitz führte, wurde er schon bei Lebzeiten als eine bekannte und große kirchliche Autorität verehrt. Noch mehr als seine Zeitgenossen aber hat ihn die Nachwelt gewürdigt. Geachtet und geehrt starb er im J. 636.

Seine literarische Tätigkeit bewegte sich auf den verschiedensten Gebieten der Wissenschaft. Seine Schriften haben geschichtlichen, grammatischen, naturwissenschaftlichen und theologischen Inhalt. Ein Verzeichnis der von ihm verfaßten Werke hat uns sein Freund Braulio (gest. 651) in seinem elogium auf I., das er der von ihm bearbeiteten Schrift I.s de viris illustribus anhängte, überliefert. Dort lesen wir: Isidorus … Hispalensis ecclesiae episcopus, Leandri episcopi successor et germanus. floruit a tempore Mauritii imp. (582–602) et Reccaredi regis … vir in omni locutionis genere formatus edidit libros differentiarum II (Synonymik, 253 Artikel, außerdem de diff. spiritalibus 35 Artikel) … prooemiorum librum unum (kurze Inhaltsangabe der Schriften des Neuen Testaments) … de ortu et obitu patrum, librum unum … ad germanum suum Fulgentium episcopum astigitanum officiorum libros II (liturgisch) synonymorum libros II (s. soliloquia, vgl. Ildef. vir. ill. 9 librum lamentationis, quem ipse synonymorum vocavit; vgl. Ebert L. d. M. A. 1² 595) … de natura rerum ad Sisebutum regem librum unum, in quo tam de ecclesiasticorum doctorum quam etiam de philosophorum indagine obscura quaedam de elementis absolvit. de numeris librum I (vgl. Cantor Mathemat. Beiträge zum Culturleben 1863, 277) … de nominibus legis et evangeliorum librum I … de haeresibus librum I … sententiarum libros III, quos floribus ex libris papae Gregorii moralibus decoravit. chronicorum a principio mundi usque ad tempus suum librum I … contra Iudaeos postulante Florentina germana sua … libros II … de viris illustribus librum unum, cui nos ista subiunximus. … monasticae regulae librum I … de origine Gothorum et regno Suevorum et Vandalorum historia librum I … quaestionum libros II … etymologiarum codicem nimia magnitudine, distinctum ab eo titulis, non libris. quem quia rogatu meo fecit, quamvis imperfectum ipse reliquerit, ego in XX libros divisi … ibi redundans diversarum artium elegantia ubi quaecunque fere sciri debentur restricta collegit. sunt et alia huius viri media opuscula et in ecclesia dei multo cum ornamento inscripta. quem deus post tot defectus Hispaniae novissimis temporibus suscitans, credo ad restauranda antiquorum monumenta, ne usquequaquam rusticitate veterasceremus, quasi quandam apposuit destinam … quo vero flumine eloquentiae … Acephalitarum haeresim confoderit, synodalia gesta coram eo Hispali acta declarant … obiit temporibus Heraclii imperatoris (610–641) et christianissimi Chintiliani regis (König der Westgoten 636–640).

Zur genauen Bestimmung von I.s Lebenszeit vgl. auch Ildefons vir. ill. 9 (Isid. op., Paris. 1601 p. 737): floruit temporibus Reccaredi, Liuvanis, [2071] Witterici, Gundemari, Sisebuti, Svinthilani et Sisenandi regum annis fere XL, tenens pontificatus honorem. Vgl. Ebert a. O. I² 588. Teuffel Gesch. der Röm. Lit. III⁶ 541.

Neben diesen erwähnten Schriften des I. durch Braulio, – er scheint sie in chronologischer Reihenfolge angeführt zu haben –, finden sich, wie er ja selbst angeführt hat, noch mehrere nicht mit aufgezählte; s. die Ausgaben. Über Inhalt, engeren Zusammenhang und Quellen der einzelnen Schriften vgl. Ebert a. O. I² 589ff. Teuffel a. O. III⁶ 541ff.

I.s wichtigstes und umfangreichstes Werk, das er geschrieben hat, sind seine Etymologiae (Origines), die ihn bis zu seinem Tode beschäftigten, und die er noch unvollendet zurückgelassen hat. Er hat sie nicht in Bücher eingeteilt, sondern wie Braulio sagt: edidit (codicem etymologiarum) distinctum ab eo titulis; d. h. das ganze Werk zerfiel in die verschiedensten Einheiten, von denen in jeder der in der Überschrift angegebene Stoff behandelt wurde. Die Einteilung in 20 Bücher ist jünger und stammt von Braulio selbst. In diesem Werke nun hat I. die verschiedensten Zweige der Wissenschaft, wenn auch natürlich nicht ganz, so doch zum Teil erschöpft. Er handelt über die sieben freien Künste, über die Medizin, die Gesetze, die biblischen Bücher, die himmlische Hierarchie, die Kirche, die Sprachen der Völker, über die Etymologien, über die Naturwissenschaft und vieles andere mehr. Wie in seinen übrigen Werken, so hat er es auch hier ganz besonders verstanden, Gedanken von allen möglichen Schriftstellern, älteren und jüngeren, heidnischen und christlichen so zu verschmelzen, man möchte sagen zusammenzuleimen, daß das Ganze abgerundet und, soweit er nicht die Quellen selbst angibt, als sein eigenes Geistesprodukt erscheint. Aber gerade dadurch, daß er sich hier fast nur als Sammler und Kompilator zeigt, wird das Werk für uns besonders wichtig, weil es dadurch viele Bruchstücke antiker Gelehrsamkeit, die uns verloren ging, enthält.

Freilich muß es oft dahingestellt bleiben, ob uns in den Isidorischen Fragmenten der genaue Urtext seiner Quellen vorliegt, denn wer I.s Art abzuschreiben kennt, weiß, mit welcher Willkür er dabei verfahren ist. Vgl. dazu G. Becker Isidori Hispalens. de nat. rer. edit. proleg. XVI. H. Dressel De Isidori originum fontibus, Dissert. Aug. Taurinor. 1874, 1–11. A. Schenk De Isidori Hispalensis de natura rerum libelli fontibus, Dissert. Jen. 1909, 19. Daher ist es geradezu kühn, mit Hilfe einiger Bruchstücke durch geschickte Konjekturen und Kombinationen Teile ganzer verlorener Werke rekonstruieren zu wollen, umsomehr, als es meines Erachtens gar nicht so unwahrscheinlich ist, daß I. einen großen Teil seiner Weisheit gar nicht aus den antiken Autoren selbst, sondern aus Sammelwerken und Kommentaren geschöpft hat. Und doch ist ein solcher Versuch gemacht worden. In I.s Schrift de natura rerum finden sich vier Fragmente, die auf Suetonius Tranquillus zurückzuführen sind. Aus diesen Bruchstücken versucht nun Reifferscheid im Anhang seines Buches C. Suetonii Tranquilli praeter Caesarum libros reliquiae, Leipz. 1860 durch geschickte Argumentationen den Beweis zu führen, daß die verlorenen [2072] prata Suetons die Hauptquelle für I.s erwähnte Schrift gewesen seien, daß uns also I. hier einen nicht unbedeutenden Teil aus Sueton erhalten habe. Die nach Reifferscheids Ansicht Suetonischen Kapitel I.s sind in seinem erwähnten, beim Erscheinen großes Aufsehen erregenden Buche C. Suetonii Tranquilli praeter Caesarum libros reliquiae abgedruckt. Da das Ergebnis von Reifferscheids Forschung für ganz sicher und unwiderleglich galt, haben spätere Gelehrte ihre Untersuchungen unbedenklich auf diesem Fundamente aufgebaut. So wandelt auch M. Schanz ganz in der Bahn Reifferscheids, wenn er auch über die Stoffanordnung und den Inhalt von Suetons prata anderer Ansicht ist als jener; vgl. Schanz Röm. Lit.-Gesch. VIII. III² 61ff. Und doch hat Reifferscheid geirrt. Daß Suetons prata für I.s de natura rerum nicht Hauptquelle gewesen sind, daß also die von Reifferscheid bezeichneten Isidorischen Kapitel nicht Suetonisch sind, daher auch nicht in eine Suetonausgabe gehören, hat Schenk in der schon angeführten Dissertation De Isidori Hispalensis de natura rerum libelli fontibus, Jena 1909, nachgewiesen. Dazu vgl. Wessner Berl. phil. Woch. 1910, 811. Manitius Gesch. d. lat. Lit. d. M.-A. I 54. Bei Schenk a. O. findet sich auch die ältere und neuere Literatur über die Isidorischen Quellenfragen. Hinzugefügt sei noch: !--Georg-->Homeyer De scholiis Vergilianis Isidori fontibus, Dissert. Jena 1913. Philipp Die historisch-geographischen Quellen in den etymologiae des I. von Sevilla in Sieglins Quellen und Forschungen zur alten Geschichte und Geographie Heft 25 (Dissertation) und 26 (Text), Berlin 1912. 1913. Im übrigen vgl. die Literatur bei Teuffel Röm. Lit-Gesch.⁶ a. a. O.

Gesamtausgaben: Par. 1580 (studio Marg. de la Bigne). Cum notis J. B. Perez et J. Grial, Madriti 1599 und 1778 II. Emendata per J. du Breul, Paris 1601. Colon. 1617. Hauptausgabe von F. Arevalo, Rom. 1797–1803 VII, abgedruckt bei Migne B. 81–84. Eine wertvolle, wenn auch keineswegs abschließende Neuausgabe der[WS 1] Origines erschien von Lindsay, Oxford 1911.

[Schenk. ]

Unabhängig von Reifferscheid und ebenso von der entgegengesetzten Richtung, die durch die Vorstehenden vertreten ist, ist A. Schmekel Die positive Philosophie in ihrer geschichtlichen Entwickelung (Forschungen) Bd. II, Isidorus von Sevilla, sein System und seine Quellen (Berlin 1914) an die gleiche Aufgabe herangegangen. Reifferscheid hatte sie ohne genügende Untersuchung gelöst und viel zu voreilig geschlossen. Die Vertreter der entgegengesetzten Richtung dagegen haben mehr oder weniger nur kleine Stücke berücksichtigt. Schmekel hat den Gegenstand wieder im weitesten Umfang aufgenommen und nicht bloß die Origines, sondern auch die übrigen Werke des I. zur Untersuchung herangezogen. So unzusammenhängend die große Encyklopädie der Origines auf den ersten Blick ist, so hat sie doch eine bestimmte Disposition, deren Grund in seiner christlichen Denkweise liegt. Diese Anordnung zeigt aber zugleich auffallende Härten. Lesen wir nun die Bücher durch, so entdecken wir sehr bald Spuren einer anderen [2073] Disposition, die zu einer ganz anderen Anordnung der verschiedenen Teile führen. Schmekel unterscheidet nach den einleitenden Büchern über die artes liberales, über die er an einer anderen Stelle handeln wird, drei Gruppen, die naturphilosophische, die staatswissenschaftliche und die religionsphilosophische. Die naturphilosophische handelt über die allgemeine Kosmologie, zu der die auf Wunsch des Westgotenkönigs Sisebutus verfaßte Schrift De natura rerum (Separatausgabe von G. Becker, Berlin 1857) eine Parallele enthält, die Anthropologie, Botanik und Landwirtschaft, Mineralogie und Erdkunde; die staatswissenschaftliche über die Entstehung der Staaten, die Einteilung der Staatsbürger in die verschiedenen Stände, deren Amts- und Wohnstätten und die verschiedenen Beschäftigungsarten nach zusammengehörigen Gruppen. Zudem gibt sie Andeutungen über eine Geschichtsphilosophie des römischen Weltreiches. Die religionsphilosophische Gruppe schließlich ist eine sehr magere Übersicht über das antike Religionssystem, die er an seine Übersicht über die biblisch-christliche Lehre anknüpft. Die Bücher, die über diese Gegenstände handeln, tun dies nach einer bestimmten, nicht von I. herstammenden Disposition, die zum Teil die Systematik dieser Wissenschaften enthalten. Von diesen ist die Systematik der Zoologie von der hervorragendsten Bedeutung. Sie läßt sich bei I. in voller Klarheit entwickeln, während bei Plinius von ihr nur noch kaum erkennbare Spuren vorhanden sind. Mehrfach hat aber I. auch verschiedene Dispositionen innerhalb derselben Bücher bzw. derselben Wissenschaften, die aus den verschiedenen Quellen stammen, die er benutzt hat. Aus diesen Untersuchungen ergibt sich, daß I. eine führende Quelle in allen Büchern gehabt hat, zu der er in den einzelnen Büchern ergänzende Quellen hinzugearbeitet hat. Diese lassen sich z. T. völlig klar abtrennen, nämlich dort, wo diese Nebenquellen noch erhalten sind wie Plinius, Columella, Palladius, Gargilius Martialis (= Ps.-Dioscurides de herbis femininis). Ihre Benützung bestätigt uns zugleich, was I. selbst sagt, daß er seine Quellen wörtlich oder fast wörtlich ausgeschrieben hat. Scheiden wir diese Nebenquellen aus, so ergibt sich für die führende Quelle ein bestimmter literarischer Charakter: sie ist grammatisch-philosophisch und gibt allemal auf Grund einer kurzen sachlichen Erklärung die zugehörigen Etymologien. In der Untersuchung über die Hauptquelle zeigt sich, daß sie auch bei Lactantius und Augustinus, und namentlich bei Augustinus vorliegt. Sie zeigt bei ihm den gleichen Umfang und den gleichen literarischen Charakter. Sie ist ferner auch eine Hauptquelle des Servius und Solinus. Die Quellenangaben Mommsens in seiner Ausgabe des Solinus am Rande des Textes wie am Schluß sind unhaltbar, ebenso wie es unmöglich ist, daß I. in seiner Erdkunde die Chorographie des Orosius benutzt hat. Die Untersuchung zeigt vielmehr, daß I. und Solinus, wie auch I., Servius und Orosius dieselbe Quelle benutzt haben, und daß diese Quelle sich mit der deckt, welche Mommsen im Solinus als Ignotus bezeichnet. Ignotus also ist die gemeinsame Quelle; [2074] Ignotus aber erweist sich bei allen als Suetonius. Suetonius ist somit die führende Quelle in den Origines des I., auch für die staats- und religionswissenschaftlichen Teile. (In einem kurzen Anhange weist Schmekel nach, daß der früher so berühmte und in fast alle Nationalsprachen der christlichen Welt übersetzte und bis in unsere Tage nachwirkende Physiologus nicht wie Lauchert, Geschichte des Physiologus 1889, meint, eine Quelle des I. sein kann, sondern daß beide darum übereinstimmen, weil sie beide auf die gleiche griechische Urquelle zurückgehen). Das verlorene Werk des Suetonius, von dem es Schmekel ganz unbestimmt läßt, ob es ein einziges war oder aus mehreren zusammenhängenden bestand, war ein wohlgeordnetes, alles Wissenswerte in Natur- und Geisteswelt umfassendes, zwar nirgends in die Tiefe gehendes, aber klares grammatisch-philosophisches System. Wer ist nun der Urheber des Systems und damit die Urquelle des I.? Schon das Verhältnis von Sprachwissenschaft und Philosophie weist auf die Stoa, und daß es ein griechischer Stoiker war, beweisen unzweifelhafte Tatsachen. Die nähere Untersuchung führt zu Poseidonios bzw. zu einem Schüler des Poseidonios, der in einzelnen Fragen etwas anders dachte als sein Meister. Dies gilt besonders für den naturwissenschaftlichen Teil, für den religionswissenschaftlichen jedenfalls nicht im ganzen Umfange. Während nämlich (Sueton.-)I. die pantheistische Allgemeinauffassung der Stoa beibehält, verknüpft er mit ihr, natürlich im Anschluß an Suetonius, eine Entwickelungsgeschichte der gesamten (außer der biblisch-christlichen) Religion, die eine eigentümliche Um- und Fortbildung des Euhemerus ist. Diese Fortbildung benutzt er (wie auch Lactant.) dazu, den Polytheismus der alten Welt naturalistisch aufzulösen. Sie gibt ihm so die Möglichkeit, das Christentum mit dieser gelehrten Bildung zu verbinden.

Was nun die Darstellung der christlichen Religion in den Origines betrifft, so führt dieser Abschnitt Schmekel zur Untersuchung der ein Jahrtausend lang immer wieder neubearbeiteten theologischen Hauptschrift I.s, der Sententiarum libri tres. Dieses Werk enthält in den beiden letzten Büchern die Individual- und Sozialethik und im ersten die Dogmatik. Seine Quellen sind hauptsächlich Augustinus und Gregor I. Das erste Buch dieses Werkes ist die Hauptquelle für den genannten Abschnitt in den Origines; doch ist in beiden Stellen die Darstellung verschieden: sie ergänzen sich gegenseitig. Für die Etymologien benutzte I. hier auch vielfach den von ihm hochgepriesenen Hieronymus. Von hier aus ist es mehr als unwahrscheinlich, daß seine verlorene Schrift De haeresibus liber sich mit den beiden Kapiteln in den Orig. VIII 4–5 deckt, wie R. Schmidt in der Realencykl. f. prot. Theol. s. v. vermutet, sondern daß sich beide ebenso ergänzten, wie Orig. VII 1ff. und Sent. libr. I. Ähnlich ist auch das Verhältnis zwischen den beiden letzten Kapiteln von Orig. V und seiner Weltchronik, die er im Anschluß an Iulius Africanus und Victor von Tunnona verfaßt hat. Eine Ergänzung zu seinen Sent. libri [2075] bildet seine berühmte liturgische Schrift (Officiorum libri) und ebenso seine Darlegung der Mönchsregel (Monasticae regulae liber), die wie alle seine Schriften einen milden Geist zeigt. Sie alle geben ihm manche Gelegenheit, Etymologien zu gewinnen, die er gelegentlich in den Origines verwertet. Außer den Origines hat es noch eine ähnliche Schrift Differentiae verborum libr. II geschrieben. Ihr erstes Buch ist lexikalisch und gibt alle möglichen synonymen Unterschiede; ihr zweites dagegen ist spezifisch christlich. Diese Schrift berührt sich vielfach z. T. wörtlich mit den Origines, ohne ihre Quelle zu sein; vgl. Schmekel 211, 3. Andere Schriften wieder wie die beiden Bücher gegen die Juden (Contra Iudaeos libr. II), die er auf den Wunsch seiner einzigen Schwester Florentina verfaßte, dienten nach den Kämpfen gegen den Arianismus den Bestrebungen seiner Zeit, die Juden zum Christentum zu bekehren. Die Widerlegung des Judentums führt er hier hauptsächlich durch den Nachweis, daß die Weissagungen des Alten Testaments im Christentum erfüllt seien. Die Schrift wurde im Mittelalter viel ausgeschrieben, auch in verschiedene Nationalsprachen übersetzt, so z. B. ins Althochdeutsche. (Ihre Bruchstücke nebst Abhandlung und Glossen herausgegeben von K. Weinhold, Paderborn 1874). Seine Schrift De viris illustribus, die die gleichnamige des Gennadius (Hieronymus, Suetonius) fortsetzte und selbst von seinem Schüler Ildefonsus fortgesetzt wurde, hat nur für die spanischen Kirchenverhältnisse seiner Zeit Wert. Seine Kommentare zu den biblischen Schriften sehen vielfach ihre Hauptaufgabe in dem Nachweis eines tieferen, mystischen Sinns, ein Verfahren, das wir auch in der schon erwähnten Schrift De Natura Rerum fast in jedem Kapitel geübt finden.

I. ist von Herzen Christ und hat sich auch stets als solcher bewährt. Er steht, wie es nach der Niederwerfung des Arianismus in Spanien und nach seinen sonstigen Beziehungen (durch seinen älteren Bruder Leander zu Papst Gregor I.) natürlich war, auf dem Boden der damaligen katholischen Kirche, doch erwähnt er weder das Fegfeuer noch das Papsttum, und vertritt auch die Lehre von der doppelten Prädestination, die freilich erst in späterer Zeit als Ketzerei galt. Aber auch als Christ war er nicht engherzig. So sehr er unter dem Eindruck der gewaltigen Persönlichkeit Augustins und seiner Geschichtsphilosophie steht, hat er doch den Wert der alten Kultur anerkannt und in der Verbindung der klassischen Bildung mit der christlichen Lehre die Kulturaufgabe der Kirche gesehen. Dieser Wertung verdanken wir namentlich seine Origines, die bei aller Schwäche ein für seine Zeit nicht hoch genug zu schätzendes Werk sind; denn das verwerfende Urteil Reifferscheids ist ungerecht und auch nicht immer richtig. Namentlich durch Beda Venerabilis, Alkuin und Rhabanus Maurus, die zur eigenen Forschung weder Zeit noch Mittel hatten, dafür aber die Aufgabe erfüllten, die germanischen Völker zugleich mit dem Christentum in den Bildungsschatz der alten Welt einzuführen, ist I. einer der intellektuellen Hauptträger der ersten Renaissance in Karls d. Gr. Weltreich geworden. Wie diese, seine ebengenannten [2076] Nachfolger, ist auch er nicht ein selbständiger Forscher, kein bahnbrechender Geist, aber ein Gelehrter, der als Lehrer die umfassendste Wirkung gehabt hat, und nicht bloß, wie gezeigt, in seiner Zeit und in seinem Vaterlande. Der Ruhm aber, den er schon während seines Lebens genoß, steigerte sich nach seinem Tode immer mehr und bald ins Ungemessene. Von der Legende umwoben stieg er (und mit ihm seine ganze Familie) immer höher und schließlich zum Heros der spanischen Nationalkirche. Dies hatte aber auch zur Folge, daß nicht nur alle möglichen Einrichtungen der spanischen Kirche auf ihn zurückgeführt, sondern auch Schriften wie die sog. Pseudo-Isidorischen Dekretalen direkt auf seinen Namen gefälscht wurden. Eine kritisch sichtende Gesamtausgabe seiner Werke gibt es noch nicht.

1. Isidors Arbeitsweise:

WS: Der Artikelteil von Hans Philipp († 1968) ist aus urheberrechtlichen Gründen noch nicht enthalten.

Anmerkungen der Wikisource-Bearbeiter

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