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Titel: Rudolf von Jhering †
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aus: Die Gartenlaube, Heft 22, S. 708
Herausgeber: Adolf Kröner
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Erscheinungsdatum: 1892
Verlag: Ernst Keil’s Nachfolger in Leipzig
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Erscheinungsort: Leipzig
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Quelle: Scans bei Commons
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[708] Rudolf von Jhering †. (Mit Bildniß.) Ein glänzender Jurist, ein geistreicher Schriftsteller, ein Mann, originell in seinem ganzen Wesen und Denken, ist in dem Göttinger Professor Rudolf v. Jhering am 17. September der Wissenschaft, dem deutschen Volke entrissen worden. Jhering war einer der Gelehrten, deren Wirken über die Schranken der eigenen Fachwissenschaft hinausblickt auf die Allgemeinheit. Er beschränkte sich nicht darauf, die Ergebnisse seiner Geistesarbeit einer kleinen Zahl von Fachmännern zugänglich zu machen, sondern sah eine seiner Hauptaufgaben darin, mit den Resultaten seiner Forschungen vor das Volk zu treten, Stellung zu nehmen zu den Fragen, welche die Oeffentlichkeit bewegten und zugleich mit dem von ihm beherrschten Gebiet im Zusammenhang standen. Er that dies in geistreichster Form, mit sittlichem Pathos oder überlegenem Witze – kein Wunder, daß sein Name bald in die weitesten Kreise drang. Sein „Kampf ums Recht“, in dem er in glänzender Weise den Satz vertrat, daß die Verfolgung des eigenen Rechts und die Abwehr des Unrechts nicht nur eine Befugniß, sondern geradezu eine sittliche Pflicht des einzelnen bilde und ohne Gefährdung der eigenen Individualität nicht hintangesetzt werden dürfe; ferner seine Broschüre gegen den Trinkgelderunfug – „Das Trinkgeld“ – sein „Scherz und Ernst in der Jurisprudenz“, der mit köstlichem Humor dem Zopfe in der edlen Juristerei der Gegenwart zu Leibe geht; seine Abhandlung über die Uebertragbarkeit der Rückfahrkarten, für die er, freilich ohne Erfolg, im Gegensatz zu den Eisenbahnverwaltungen eintrat: diese Schriften haben ihm seine weitreichende Bedeutung für das große Publikum gegeben, während „Der Geist des römischen Rechts“, sein juristisches Hauptwerk, seinen wissenschaftlichen Ruhm im engeren Sinne begründete.

Professor Rudolf von Jhering.
Nach einer Photographie von Dr. Lange und Hoffmann
in Elberfeld und Göttingen.

Jhering hat an einer Reihe von Universitäten gelehrt. Er begann seine akademische Laufbahn in Berlin, erntete dann, nachdem er inzwischen mehreren anderen Hochschulen angehört hatte, von 1868 an als Rechtslehrer in Wien großen Erfolg, nahm aber 1872 einen Ruf in das stille Göttingen an. „Diese Stadt, so schön sie ist – ich finde sie doch zu lärmend“, äußerte er über Wien; er fand die Zerstreuungen und Aufregungen der Großstadt nicht förderlich für die Arbeit des Gelehrten. Dort in Göttingen ist Jhering nun als ein Vierundsiebzigjähriger – er war am 22. August 1818 zu Aurich in Hannover geboren – aus seinem reichen Wirken geschieden.

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