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Verschiedene: Die Gartenlaube (1855)

No. 12. 1855.
Die Gartenlaube.
Illustrirtes Familienblatt. – Verantwortl. Redakteur Ferdinand Stolle.
Wöchentlich 11/2 bis 2 Bogen. Durch alle Buchhandlungen und Postämter vierteljährlich für 121/2 Ngr. zu beziehen.

Der Diebstahl aus Liebe.
Eine Assisengeschichte von Feodor Wehl.
(Schluß.)

„Bist Du zu Ende!“ fragte Clotilde mit eisigem Tone, als Eduard nach dieser Auseinandersetzung schwieg.

„Ja,“ entgegnete dieser; „die Reihe ist an Dir, und ich ersuche Dich, mir nicht rasch und unüberlegt darauf zu antworten. Es hängt viel, sehr viel von Deiner Entscheidung ab.“

„Mag davon abhängen, was da will,“ rief die so Angeredete mit unbewegtem Tone. „Nie und nimmer werde ich so etwas thun.“

„Ist das Dein letztes Wort, Clotilde,“ rief Eduard nun schmerzlich, indem er, vor seiner Braut auf die Knie sinkend, diese flehend mit seinen Armen umschlang und dann mit vor Thränen stockender Stimme fortfuhr: „Nein, nein, Clotilde, das kannst Du, das wirst Du nicht Dein letztes Wort sein lassen. Es wäre der Tod meiner Liebe!"

In diesem Augenblicke hörte man Geräusch, und kaum war Eduard aufgesprungen und an’s Fenster getreten, als auch schon die Majorin hereintrat und dem ganzen Auftritte dadurch ein Ende machte. Nachdem der Graf nun noch eine kurze Zeit geblieben und über gleichgültige Dinge mit so viel Fassung als ihm zu Gebot stand, gesprochen, empfahl er sich, beim Handkuß noch einmal Clotilde leise fragend, ob sie sich nicht anders besonnen.

„Mein Wort bleibt unwiderruflich,“ sagte sie und zwar in einem Tone, daß schon dieser hingereicht hätte, Eduard das Herz in der Brust zu wenden. Ganz bestürzt und vernichtet davon hauchte er sein Adieu so schmerzlich heraus, daß selbst die Majorin davon betroffen gemacht aufsah, und nachdem der Davoneilende fort war, ihre Tochter fragte, was denn vorgefallen sei.

„Nichts, gar nichts von Bedeutung,“ antwortete Clotilde. „Du weißt ja, daß Eduard zu Zeiten melancholische Stimmungen hat, und daß man ihn in solchen am Besten sich selbst überläßt, wo sie dann unbeachtet immer am Leichtesten und Ehesten vorüberzugehen pflegen.“

Diesmal indeß schien dies freilich doch nicht ganz der Fall sein zu wollen, denn nachdem Graf Eduard das Haus der Majorin von Gl…n verlassen und in düsteres Brüten versunken, einen Spaziergang um die Stadt gemachte, auch draußen vor dem Thore noch einsam und allein ein Glas Wein getrunken, ging er bei hereinbrechender Dunkelheit langsam in seine Wohnung zurück, bei sich selbst fest entschlossen, seinem Vater und der Majorin noch in dieser Nacht zu schreiben, daß er sich genöthigt sehe, auf Clotilden’s Hand zu verzichten. Ist dies gethan, sagte er zu sich selbst, so habe ich dann weiter keine Rücksicht zu nehmen und kann mir das Geld durch den ersten besten Wucherer herbeischaffen lassen.

Mit solchen Plänen und Vorsätzen sein Zimmer betretend, war er überrascht sich von seinem Diener mit dem Licht zugleich einen Brief überbracht zu sehen, von welchem dieser angab, daß er ihm von einem unbekannten Frauenzimmer in der Dämmerung eingehändigt worden sei.

Als darauf der Diener sich entfernt und Graf Eduard das Couvert auseinanderschlug, fand er die gewünschten tausend Thaler in Bankscheinen, und zugleich die mit verstellter Hand gechriebenen Wort darin:

„Wenn Sie das Geld von Ihrem Vater erhalten, geben Sie die hier inliegende Summe versiegelt an Natalie Bl… zurück. Im Uebrigen Verschwiegenheit gegen Jedermann.“

Graf Eduard von B… hatte Niemand als Clotilde seine Verlegenheit mitgetheilt, also konnte nur sie das Geld gesendet haben. Mußte ihm nun freilich auch die Art auffällig sein, in der es geschehen, so grübelte er doch nicht weiter darüber nach, sondern war nur froh, sich gerettet und von extremen Schritten zurückgehalten zu sehen. Wie von garstigem Alpdrücken befreit, seufzte er auf, vor sich hinmurmelnd:

„Nun seh’ ich doch, daß sie mich liebt!“

Schon früh am andern Morgen, nachdem er das Geld zusammen gepackt, gesiegelt und auf die Post gegeben, kam er ganz leicht und vergnügt bei der Majorin an, um sich nach dem Befinden der Damen zu erkundigen, und sein gestriges, eiliges Weggehen zu entschuldigen.

Clotilde, die nicht zugegen war und sich entschuldigen ließ, weil sie meinte, ihr Verlobter komme um einen neuen Versuch sie zu überreden zu machen, hörte, nachdem dieser wieder fortgegangen, nicht ohne Befremden, daß er heiter und vergnügt gewesen und mit großer Liebe von ihr gesprochen habe.

Er wird das Geld vom Vater erhalten und damit aus aller Verlegenheit sein, dachte sie, indem sie den für den Tag sich vorgesetzten Besorgungen und Besuchen nachging.

Als am Abend Eudard wieder kam, war Visite im Hause und kein ungestörter Augenblick, der sich zu einer Erklärung gepaßt hätte, zu finden. Am zweiten und dritten Tage ging es nicht besser. Am vierten schickte ganz unerwartet seine künftige Schwiegermutter zu ihm mit der Bitte, daß er augenblicklich bei ihr vorkommen möge, weil sie eine Sache von Wichtigkeit mit ihm zu besprechen habe.

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Verschiedene: Die Gartenlaube (1855). Leipzig: Ernst Keil, 1855, Seite 153. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1855)_153.jpg&oldid=- (Version vom 18.12.2019)
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