verschiedene: Die Gartenlaube (1856) | |
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des gegenseitigen Mordens gemeiner Menschen und edler Thiere zu ergötzen.
Selbst auf die Gefahr hin, meine Leser durch unsere allzu lange Wanderung zu ermüden, muß ich sie doch noch bitten, mir vom Amphitheater ans außerhalb der Stadtmauern über mit Buschwerk und Maulbeerbäumen bewachsene Höhen nach der entgegengesetzten, nordwestlichen Ecke der Stadt zu folgen. Wir betreten hier eine außerhalb der Stadt gelegene Straße, die man wegen der vielen an ihren beiden Seiten errichteten Grabmäler die Gräberstraße genannt hat. Es war nämlich eine schöne Sitte des Alterthums, besonders der alten Römer, ihre Todten an den Heerstraßen zu bestatten, damit jeder vorübergehende Wanderer auf dem Denkmale den Namen des Verstorbenen lesen und ihm ein frommes „Ruhe sanft“ zurufen möge. Zwischen diesen Grabmälern, unter denen wir auch die Ruinen zweier einstmals zierlich eingerichteter und mit Malereien geschmückter Landhäuser und einiger andern Gebäude bemerken, gelangen wir zum Stadtthore, das, in seinen obern Theilen verfallen, uns einen Haupteingang, dessen Breite fast der der Straße gleichkommt, und zu beiden Seiten desselben zwei überwölbte, auf die Trottoirs der Straße führende Pförtchen zeigt. Das Ganze ist aus kleinen mit Mörtel verbundenen Steinen erbaut und mit feiner Tünche überzogen. Wir treten wieder ein in die Stadt und wandern zwischen den Ruinen unbedeutender Häuser, unter denen mehrere sich noch deutlich als Schenken und Wirthshäuser zu erkennen geben, hindurch nach einem einzeln stehenden Bogen, der den Eingang zu einer der breitesten Straßen der Stadt, welche nach der Nordseite des Marktplatzes hinführt, bildet. In dieser Straße zieht ein ausgedehntes, an seinen vier Seiten von vier Straßen begrenztes Gebäude unsere Aufmerksamkeit auf sich, das außer einer Anzahl nach den Straßen herausgehender Gemächer, die zu Kaufläden dienten, eine für eine alte Stadt eben so wie für die orientalischen Städte der Gegenwart ganz unentbehrliche Anlage enthält; ich meine die öffentlichen Bäder, die im Alterthume außer ihrer eigentlichen Bestimmung zugleich die Stelle unserer Kaffeehäuser und Kasinos vertraten. Ziemlich in der Mitte des Ganzen findet sich ein offener, zu Spaziergängen bestimmter Hof, an welchen sich dann eine Anzahl Gemächer anschließen, die mit Wölbungen verschiedener Art überdeckt, an den Wänden mit mehr oder weniger zierlichen Gemälden und erhabenen Arbeiten (Reliefs) in Stuck verziert, den verschiedenen Zwecken geselliger Unterhaltung, des Auskleidens und des Badens in kaltem und warmem Wasser dienten. In dem für das kalte Bad bestimmten Zimmer ist ein großes Bassin von weißem Marmor, in welches man auf zwei Stufen hinabsteigt, angebracht. Zu den warmen Bädern diente eine viereckige, ebenfalls aus weißem Marmor gefertigte Wanne. Alle diese Räumlichkeiten, neben denen man auch noch die Vorrichtungen zur Heizung bemerkt, waren für die Männer bestimmt; hinter ihnen befinden sich ganz ähnliche, aber etwas kleinere Gemächer zum Gebrauche der Frauen.
Doch wir sind des langen Umherwanderns und des vielen Schauens müde, und würden gern zu unserer Erquickung selbst in die viereckige Wanne steigen, wäre nicht das Wasser versiegt und das Feuer erloschen. Es bleibt uns also nichts übrig, als schleunig nach dem Wirthshause an der Eisenbahn zurückzukehren, und uns dort bis zur Ankunft des Zuges von Nocera, der uns nach Neapel zurückführen wird, in anderer Weise zu restauriren.
Brehm, in seinem vortrefflichen „Reiseskizzen aus Nord-Ostafrika“ erzählt folgendes Abenteuer: „Eines Tages landeten wir bei der Birket mit den Nilpferden und Schlangenhalsvögeln. Wir jagten dort den ganzen Tag über und wollten mit Einbruch der Dunkelheit noch einige Pelekane, von denen eine zahlreiche Gesellschaft Nachmittags angekommen war, erlegen. Ich hatte zwei Stück geschossen, Tomboldo jagte auf der anderen Seite. Mein Nachhauseweg führte mich durch ein dorniges, schon wieder von dem Urwalde in Besitz genommenes Baumwollenfeld. Einer meiner Nubier begleitete mich und trug Büchse und Beute. Wir hatten fast das Ende der Birket erreicht, als mich der Nubier auf drei dunkle, hügelartige Gegenstände aufmerksam machte, welche ich bei Tage gesehen zu haben mich nicht erinnerte. Die Nacht war so dunkel, daß ich nur Umrisse erkennen konnte. Ich hielt sie für Erdhaufen und ging sorglos auf sie zu. Das Wuthbrüllen eines Hippopotamus belehrte mich über meinen Irrthum: drei aus dem Wasser herausgetretene Nilpferde, welche wir den ganzen Tag über gereizt hatten, standen in einer Entfernung von kaum fünfzig Schritten vor mir. „Hauen aaleïna ja rabb“[1] rief der Nubier schaudernd, „flieh Effendi, rette Dich, Du bist verloren, wenn du einen Augenblick länger weilst.“ Und weg warf er die erlegten Pelekane, die Büchse und die Jagdtasche und war mit einigen Sätzen im Gebüsch verschwunden. Daß uns die Ungethüme bemerkt hatten, war augenscheinlich. Sogleich nach dem ersten Gebrüll bewegten sie sich nach uns zu; der Nubier hatte recht, es blieb uns nur die Flucht übrig! Waffen besaß ich nicht, denn meine Gewehre waren keine Waffen und ohne Waffen ist der Mann kein Mann mehr. Ich stürzte dem Nubier auf dem Fuße nach. Die Dornen der Büsche zerfetzten mir die Kleider, zerkratzten mir die Haut, die stacheligen Zweige peitschten mich in’s Gesicht, der ganze Körper schmerzte, – ich achtete es nicht! Hinter mir her stürmte das wüthende Thier, es kam näher und näher, die Todesangst lieh mir Kräfte, aber wie lange noch? Verzweifelnd eilte ich in der eingeschlagenen Richtung weiter, es gab für mich keine Hindernisse, ich sprang durch die furchtbarsten Dornhecken ohne Bedenken hindurch. Meine Lage war schauderhaft. Vor mir dunkle Nacht, dicht hinter mir mein entsetzlicher Feind, ich wußte nicht mehr, wo ich mich befand, ich wußte Nichts mehr von mir selbst. Da, Himmel! – ich stürzte! Aber ich fiel weich, ich lag im Wasser! Gottlob, ich war im Strome und wenige hundert Schritte vor mir schimmerte das freundliche Feuer unseres Schiffes. Rasch durchschwamm ich die schmale Bucht, welche mich von der Halbinsel trennte, an der unsere Barke angelegt hatte, ich betrat sie und war gerettet! Oben an dem wohl zwanzig Fuß hohen Uferrande, über welchen ich herabgestürzt war, stand das brüllende Ungeheuer. An allen Gliedern zitternd und ganz entkräftet kam ich an der Barke an.
Tomboldo kehrte später zurück und war, achtlos seinen Weg verfolgend, noch näher als ich an ein Nilpferd herangekommen und von diesem ebenfalls verfolgt worden. Er hatte, vor ihm flüchtend, dieselbe Richtung eingeschlagen als wir, war dabei aber fast in noch größere Todesgefahr gerathen. Das Nilpferd ist ihm schon bis auf wenige Schritte nahe gekommen, da bleibt er mit einem Fuße in den Dornen hängen und fällt zu Boden. Sein Gewehr entladet sich, ohne ihn zu verletzen, die ihm nachjagende Bestie stutzt einen Augenblick, er rafft sich auf und erreicht ebenfalls das Ufer. Kopfüber stürzt er sich in die Fluthen und schwimmt nach der erwähnten Halbinsel herüber. Dort angelangt, fällt es ihm ein, daß er fast aus der Scylla in die Charybdis gekommen wäre: er hatte erst vor wenig Stunden drei Riesenkrokodile in derselben Bucht, durch welche er und ich eben geschwommen waren, gesehen. In höchster Aufregung kam er bei uns an. „Brüder“, rief er den Matrosen und übrigen Dienern zu, „betet heute zwei Rakaat[2]“ mehr, danket Gott mit mir für meine Errettung! Ich will Euch, wenn ich erst mit Hülfe des Barmherzigen in Charthum angekommen sein werde, einen großen Sack voll Datteln, „Karahme“, (zum Opfer) geben. La il laha il Allah, Mahammed rassuhl Allah! Der Arm des Todes griff nach mir – aber – èl hamdu lillabi – Allah heribm! Sallah el nebbi ja achuana – Preis’t den Propheten, meine Brüder – Allah kerihm! Gott ist barmherzig!“ –
Auch eine Trauung. Vor circa vierzehn Tagen lief durch alle Zeitungen eine Notiz über die beiden österreichischen Flüchtlinge Kudlich, wovon der jüngere die Schwester Vogt’s, des bekannten Naturforschers und Parlamentsmitgliedes, geheirathet hat und später nach Amerika auswanderte. Indeß nur Wenigen dürfte das Nähere dieser Heirath bekannt sein. Hans Kudlich hatte, ziemlich entblößt, Aufnahme im Vogt’schen Hause in Bern gefunden, und verliebte sich in die Tochter Louise. Aber was hatte er? Was war er? Er hatte noch nicht einmal seine juristischen Studien beendet, und hätte er sie beendet gehabt, was hätte es ihm gefruchtet? Die Rechtswissenschaft ist an die Scholle gebunden. Er beschloß daher, sich einer kosmopolitischen Wissenschaft zuzuwenden, sattelte um, studirte Medicin an der Hochschule zu Bern und Zürich, und erwarb sich in kurzer Zeit alle medicinischen Grade. Darauf bat er um die von anderer Seite nicht unbestrittene Hand Louisens, welche ihm bewilligt wurde. Aber siehe da, es fehlten ihm alle Papiere, ohne welche auch in der Schweiz eine Trauung unmöglich ist, die blos bürgerliche so gut wie die kirchliche. So wäre er also durch seine revolutionären Sünden nicht blos zum Exil, sondern mittelbar auch zum Cölibate verdammt? – Da lud sich der Vater Vogt eine Anzahl ehrenwerther Freunde ein, nahm die Brautleute bei der Hand, legte die beiden Hände in einander und sagte: „Da habt Ihr Euch und obendrein meinen väterlichen Segen!“ – Und damit war Alles in Ordnung. In Amerika werden sie leicht nachgeholt haben, was ihnen an äußeren Formen fehlte.
Steppenbild. Nicht allein die Fieber der Regenzeit, die Musquitos, noch andere Feinde bedrohen Menschen und Thiere in den Steppen Afrika’s. Mit Sonnenuntergang hat der Nomade seine Heerden in der sicheren Serieba eingehördet. Dunkel senkt sich die Nacht auf das geräuschvolle Lager herab. Die Schafe blöcken nach ihren Jungen; die Rinder, welche bereits gemolken
verschiedene: Die Gartenlaube (1856). Ernst Keil, Leipzig 1856, Seite 15. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1856)_015.jpg&oldid=- (Version vom 4.1.2021)