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verschiedene: Die Gartenlaube (1856)

solcher Hitze in Rost verwandelt, hat es in der hindurchbrausenden Luft keinen Augenblick Ruhe, sondern wird in der geschmolzenen Masse umhergetrieben und unterstützt dadurch die Ablösung anderer fremder Bestandtheile vom Eisen. Das flüssige Eisenoxyd scheuert und wäscht namentlich das Silicium (Kiesel) des Eisens von jedem Atome ab, und reißt es in der flammend brausenden Luft mit fort. Ebenso geht’s dem Schwefel, der bei niederer Temperatur ganz besonders hartnäckig am Eisen hängt, jetzt aber von den feurigen Armen des Sauerstoffs als schwefelsaures Gas an die Luft gesetzt wird.

Dieser Lüftungsprozeß wird etwa 20 bis 30 Minuten fortgesetzt, um hämmerbares gutes Eisen zu gewinnen. Zwanzig bis dreißig Minuten! Ja, da liegt der Haken. Manchmal kömmt’s auf eine Minute an. Bei der ungeheuern Feurigkeit und Schnelligkeit der chemischen Prozesse kann eine Minute zu lange Alles verderben, und die ganze Masse in spröde, krystallinische, unbeugsame zerbrechliche Schlacke verwandeln. Das Schlimmste ist, das die rechte Zeit nicht vom besten Chronometer gemessen werden kann. Sie hängt von der Masse des Eisenbreies, der Energie der Blasebälge und deren Luftzufuhr und andern Kleinigkeiten ab. Das läßt sich jedoch von feiner Beobachtung, Wissenschaft und deren Instrumente, mit denen man Quantitäten und Qualitäten der Körper auf’s Genaueste messen und reguliren kann, Alles überwinden.[1]

Und so steht zu hoffen, daß wir „fünffaches Eichenholz“ sehr wohlfeil als Bauholz und Mauerwerk, und tausenderlei wohlfeile Werkzeuge der Freiheit über die Erde und ihre Gewalten, der Fülle und Schönheit des Lebens, aus dieser Erfindung hervorquellen sehen.

„Heiland soll das Eisen sein,“ sang ein deutscher Dichter. Und ein anderer:

„Der Gott, der Eisen wachsen ließ,
Der wollte keine Knechte!“




  1. Wie es scheint, ist bereits diese Schwierigkeit überwunden und Bessemer’s Erfindung durch eine sicherere von Uchatius in Wien, Eisenerz durch Schmelztiegel in Gußstahl zu verwandeln (in England bereits patentirt), geschlagen, um so mehr, als Bessemer’s Fegfeuer immer noch unvollkommen reinigen und namentlich Phosphor und Schwefel nicht ganz austreiben können.
    D. Redakt.


Blätter und Blüthen.



Aus Lengenfeld wird die Redaktion brieflich aufgefordert, den dortigen, so wie den im übrigen Medicinalbezirk L. wohnenden Lesern der Gartenlaube darüber Auskunft zu verschaffen, ob der Herr Bezirksarzt Dr. S. daselbst die Wissenschaft auf seiner Seite gehabt habe,

„indem er bei der Kirchenbehörde darauf angetragen hatte, daß sämmt-
„liche auf dem Friedhofe zu Lengenfeld stehende Bäume öffentlich ver-
„steigert und umgehauen werden, weil Bäume die Träger schäd-
licher Ausdünstungen seien.

Die Redaktion hat auf den Wunsch des Herrn Briefstellers dem Unterzeichneten diese Aufforderung zugefertigt, welcher hierauf Folgendes erwiedert:

„Aus dem Briefe geht hervor, daß die Bäume, etwa 20 an der Zahl, 30 bis 50jährige Linden, Kastanien und wilde Kirschbäume gewesen sind (denn dem bezirksärztlichen Gebote ist Genüge geschehen). Sie werden „die Träger“ schädlicher Ausdünstungen genannt, und damit ohne Zweifel entweder gemeint, daß die Bäume durch ihre Laubkronen das Entweichen der Fäulnißaushauchungen der Gräber, welche sich in den untern Luftschichten anhäufen, verhindern, sie gewissermaßen diese Aushauchungen in ihren Laubkronen festhalten; oder, daß die Bäume die in dem Boden durch die Wurzeln aufgesogenen Gase durch ihre Blätter in die Luft verbreiten. In einem wie im andern Falle ist die Wissenschaft anderer Meinung. Sie muß vielmehr sagen, daß die Bäume mit ihren tiefgehenden Wurzeln die Verwesungsstoffe als ihnen gedeihliche Nahrung aufnehmen, und dadurch wenigstens theilweise deren Empordringen und Mischen mit der atmosphärischen Luft verhindern. Die von den Wurzeln eingesogenen Stoffe werden aber von den Blättern nicht als solche wieder ausgehaucht, indem dieselben wesentlich blos Wasser in Gasform und Sauerstoff ausscheiden und in letzterem der Atmosphäre fortwährend das Element zuführen, welches allein das Athmen der Menschen und Thiere möglich macht (weshalb bekanntlich früher das Sauerstoffgas Lebensluft genannt wurde), während die Pflanze Kohlensäure (das Erzeugniß aller Verbrennungs- und Verwesungsvorgänge) als eins ihrer hauptsächlichsten Nahrungsmittel einsaugt, welche die Menschen und Thiere aushauchen. Dies ist das bekannte große Ausgleichungsgesetz zwischen den zwei organischen Reichen. Menschen und Thiere athmen Sauerstoff ein und hauchen Kohlensäure aus, bei den Pflanzen ist es umgekehrt. Kohlensäure ist jenen, in die Athmungswerkzeuge gebracht, tödtenden Gift, den Pflanzen ist sie gedeihliche Nahrung. – Durch Aushauchen der von den, Wurzeln aufgenommenen Gase können die Bäume also sicher nicht schaden, denn diese findet nicht statt.

Wären die Bäume unveränderliche, leblose, trockne Gebilde, wie es das erstorbene Laub, wenn es am Baume bliebe, während den Winters sein würde, so wäre es allerdings denkbar, daß in ihnen die schädlichen Aushauchungen eines Friedhofes festhaften könnten, denn die Luft besitzt in hohem Grade das Anhaftungsvermögen. Aber auch dann noch müßten wir die Luftströmungen hinwegdenken, welche nicht dulden, daß sich Gase in einem ihnen zugänglichen Raum dauernd ansammeln. Jeder Regen würde übrigens die an den todten Blättern anhaftenden Gase abwaschen, und in sich aufnehmen und als düngende Stoffe den am Boden wachsenden Pflanzen zuführen. Da wir nun obendrein wissen, daß die Pflanzen am Tage ohne Unterlaß Sauerstoff aushauchen (bei Nacht hauchen sie wie die Thiere Kohlensäure aus), der, wie es seine Eigenschaft, man könnte sagen, Leidenschaft ist, Alles zersetzt, so ist auch nicht anzunehmen, daß sich schädliche Ausdünstungen in dem Sauerstofflaboratorium, was eine Laubkrone ist, lange unverändert halten können. Ich kann deshalb die Bäume nicht für Träger solcher halten, und ist mir diese Auffassung derselben neu. In den pontinischen Sümpfen werden die Bäume als Luftreinigungsmittel angesehen.

Demnach muß ich, bis ich eines Andern belehrt werde, glauben, daß jene Bäume einer gut gemeinten, aber wissenschaftlich nicht gerechtfertigten Ansicht zum Opfer gefallen sind.

E. A. Roßmäßler.






Ein Affenstreich. Es war in schwüler Mittagsstunde unter der brennenden Sonne Indiens, als ein junger Engländer auf der Jagd zufällig an das stille Ufer eines abgelegenen Sees kam, wo seiner ein merkwürdiges Schauspiel harrte. Ein Patriarch des Urwaldes breitete seine mächtigen Aeste weit über das Wasser hinaus, und auf einem der untersten und stärksten lag in sich zusammengerollt eine Riesenschlange in sanftem Mittagsschlafe, während hoch über ihr ein kräftiger Pavian mit gespanntester Aufmerksamkeit das Nahen eines gewaltigen Krokodils beobachtete, das schlafend von der langsamen Strömung dem Baume zugetrieben wurde. In dem Augenblicke, wo das Krokodil gerade unter dem Aste durchkam, warf sich der Affe plötzlich auf die Schlange und stürzt mit ihr hinab auf den Saurier. Im Nu jedoch war er wieder am Ufer und auf dem Baume, von wo er in Sicherheit den weiteren Erfolg seines Streiches abwartete. Die beiden Ungeheuer, so heftig aus ihrem Schlafe aufgeschreckt, begannen sogleich einen Riesenkampf. Der Saurier hatte seine scharfen Zähne mitten in den Leib der Boa geschlagen, während diese den Gegner in ihren mächtigen Windungen zu erdrücken suchte und beide das bisher so stille Wasser in hohe schaum und blutbedeckte Wogen aufpeitschten. Je wilder der Kampf tobte, um so toller und freudetrunkner sprang der Affe auf dem Baume herum, kletterte herab bis dicht über die Feinde und weidete sich an dem Anblick ihrer Wuth und ihrer Schmerzen. Endlich ward es ruhig; die Schlange trieb zerrissen und leblos dahin, und auch den Krokodils Unbeweglichkeit ließ erkennen, daß es nicht minder besiegt als Sieger sei.

Mit Staunen und nicht ohne einiges Herzklopfen hatte der Jäger den ganzen Auftritt mit angesehen. Die fast teuflische List und Schadenfreude des Pavians reizte ihn jetzt, sich zum Rächer der beiden Opfer seiner Bosheit auszuwerfen und er sandte ihm daher zum Schlusse des Spieles eine Kugel zu; allein er fehlte, und höhnisch schnatternd entsprang der unverletzte Affe in den Wald. Wer weiß, ob er nicht selbst hier nur eine hochheilige Vehme an den Mördern seiner Verwandten geübt hatte?






Schuldisciplin in Dahomey. Eine der gebräuchlichsten und furchtbarsten Strafen für unfolgsame Jungen in Dahomey – dessen König einen sehr einträglichen Handel mit Weibern führt, die sammt und sonders sein Eigenthum sind – besteht darin, daß man ihnen rothem Pfeffer in die Augen reibt. Ihr Schreien und Brüllen bei dieser landesüblichen Operation übersteigt alle Vorstellung des Entsetzlichen, und es muß in der That auch Wunder nehmen, daß ihre Sehkraft nicht gänzlich dadurch zerstört wird. Doch ist kein Fall bekannt, wo ein dauernder Nachtheil aus dieser väterlichen Hinweisung auf den rechten Weg entsprungen wäre. Erwachsene Uebelthäter unterliegen zuweilen einer noch peinlichern Strafe ähnlicher Art: sie werden nämlich an Händen und Füßen unter dem Dache ihrer Hütte aufgehängt, und nun wie ein Schinken gründlich mit Pfeffer geräuchert. Das schöne Geschlecht jedoch hat keinen Anspruch auf diese Procedur, ihm ist in ganz Westafrika -ausschließlich – das Prügeln vorbehalten.

Auf diese, bei uns doch allzu kostspielige Verwendung jenes Gewürzes bezieht sich denn wohl auch der oft gehörte Wunsch, durch welchen einem Mißliebigen zu verstehen gegeben wird, er möge sich doch lieber gleich selbst nach dem gesegneten Lande begeben, wo der Pfeffer daheim ist, und ohne unbilligen Aufwand seine Besserungskraft an ihm bewahren kann.






Amerikanische Sonntagsfeier im vorigen Jahrhundert. Bekanntlich hatten die puritanischen Voreltern der Neuengländer nicht nur die sämmtlichen Vorschriften der Pharisäer über die Sabbathfeier auf den christlichen Sonntag übertragen, sondern wo möglich sie noch verschärft, bis endlich jede menschliche Regung, geistig oder leiblich, an diesem Tage mit dem schwersten Anathema belegt war. Höchst schüchtern fangen endlich die Amerikaner, wie die Engländer, an, sich von diesem, dem Geiste des Christenthumes so widersprechenden äußerlichen Formenzwang zu emancipiren, und wenigstens sind jetzt Vorfälle wie der nachstehende weder diesseits noch jenseits den atlantischen Oceans mehr zu gewärtigen.

Empfohlene Zitierweise:
verschiedene: Die Gartenlaube (1856). Ernst Keil, Leipzig 1856, Seite 675. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1856)_675.jpg&oldid=- (Version vom 5.10.2020)
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