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Verschiedene: Die Gartenlaube (1870)


Am 1. April 1682 starb dieser Bischof Franz Egon von Fürstenberg.

Sein „Heiland“ war von den Straßburgern mit eisiger Kälte aufgenommen worden; alle Bemühungen, sie auch nur zu vereinzelten Lebehochrufen zu vermögen, scheiterten; seine eigenen Soldaten mußten „Vive le roi!“ schreien. Der „große“ Ludwig verließ die Stadt in sehr übler Laune und ließ sie fühlen, was es hieß, einem so eiteln und kleinlichen Könige nicht zu schmeicheln. Zunächst wurden die Verräther belohnt. Güntzer erhielt die Stelle eines Syndicus und Canzleidirectors, „weil er bei der Unterwerfung der Stadt großen Eifer für den königlichen Dienst – und das Beste der Stadt bewiesen habe.“ Zwei andere Verräther erhielten goldene Ketten im Werthe von dreitausend Livres.

Ludwig’s Buhlerin, die Maintenon, die frömmelnd war und von den Jesuiten gelenkt wurde, brauchte keine Anstrengungen zu machen, um ihren königlichen Liebhaber zur Verkürzung der Privilegien Straßburgs zu bewegen. Auf ihren Betrieb wurden die Katholiken auf Kosten der Protestanten begünstigt, die Stadt mußte ein königliches Abonnement von hunderttausend Livres zahlen; dreihundert städtische Kanonen und für fünfzehntausend Mann Waffen wurden sammt allem Kriegsgeräthe von den Franzosen weggenommen. Auch die Weinkeller wurden von den Siegern als Eigenthum betrachtet. Gleich im Jahre 1682 strömten katholische Geistliche und Mönche in Menge herbei, namentlich Jesuiten, Kapuziner, Antoniter, Johanniter; der Bischof verlangte die Rückgabe einer Anzahl von Kirchen und Stiftern, und der protestantischen Bürgerschaft wurde die Zumuthung gestellt, am 15. August an einer katholischen Procession zu Ehren des Königs sich zu betheiligen; dadurch werde sie ihre Unterthanentreue beweisen und Seiner Majestät Huld und Gnade erwerben. Sie nahm an der Procession nicht Theil. Ludwig’s Absicht ging dahin, die ganze Stadt der evangelischen Lehre abwendig zu machen; wer zum Katholicismus übertrat, erhielt manche Begünstigungen; er war z. B drei Jahre lang von Abgaben und Truppenauflagen befreit, eben so lange durfte ihn kein Gläubiger verfolgen oder auch nur Zahlung verlangen; er wurde bei Besetzungen von Aemtern bevorzugt. Die Rechte der Stadt wurden so schamlos verletzt, daß hingegen kein evangelischer Prediger Proselyten annehmen durfte; gemischte Ehen wurden verboten, die Protestanten sahen sich gezwungen, die katholischen Festtage mit zu feiern; alle unehelichen Kinder von Protestanten mußten katholisch getauft werden; wenn ein Theil eines protestantischen Ehepaares katholisch wurde, mußten alle Kinder desselben, welche noch nicht communicirt hatten, katholisch werden. In jedem Dorfe, in welchem sich auch nur sieben katholische Familien befanden (und wo dergleichen nicht waren, schickten die Jesuiten hin, so viel als nöthig erschien), mußte ihnen das Chor der Kirche eingeräumt werden, und die Kircheneinkünfte fielen ihnen zur Hälfte zu, während die Protestanten für katholische Pfarr- und Schulhäuser sorgen mußten; endlich konnte kein Protestant im Elsaß, das doch zur überwiegenden Hälfte evangelisch war, Amtmann, Amts- oder Gerichtsschreiber, Schultheiß oder Fiscal werden. Schon 1687 befahl ein Erlaß Ludwig’s, daß in dem protestantischen Straßburg alle Stadtämter und Ehrenstellen zur Hälfte mit Katholiken besetzt werden sollten, natürlich „ohne der Gewissensfreiheit irgend Eintrag zu thun.“ Im Jahre 1686 wurden den Protestanten abermals drei Kirchen weggenommen, und die protestantischen Stiftsfrauen wurden dermaßen gepeinigt und geärgert, daß 1698 die letzte Administratorin, Henriette Vitzthum von Eckstädt, ihre Würde niederlegte, „weil sie wegen allzuviel Aergerniß dieselbe nicht mehr behalten konnte.“ Der König bedrängte den Magistrat so lange, bis derselbe ihm mit dem Frauenstift St. Stephan ein freiwilliges Geschenk machen mußte.

Der Wunsch, wieder mit Deutschland vereinigt zu werden, war dringend, aber vergeblich. Denn im Ryswicker Frieden (October 1697) wurde Straßburg vom Reiche definitiv an den französischen König abgetreten.

Die unwillkommene Ehre, aus einer Reichsstadt zu einer französischen Provinzial- und Kriegsstadt degradirt zu werden, mußte von vorne herein in jeder Beziehung sehr hoch bezahlt werden. Der Bau neuer Casernen für die Franzosen kostete 800,000 Livres, eine Wohnung für den Intendanten 60,000, ein Mehlmagazin für die Soldaten 70,000, ein Spital für die Soldaten 120,000, dem Hofe mußte ein „freiwilliges“ Geschenk (don gratuit) von 300,000 und 1694 abermals ein solches von 160,000 Livres gezahlt werden; also in wenigen Jahren anderthalb Millionen, und binnen achtzehn Jahren 3,315,000 Livres! Straßburg hatte ferner, in Folge königlichen Befehls, die Generalität, die Casernen, Spitäler, die zweiunddreißig Wachtstuben mit Holz und Licht zu versorgen, die Wälle zu unterhalten „und die vornehmsten königlichen Beamten durch ansehnliche Geschenke sich geneigt zu machen.“ Vergiß nicht, daß die Stadt ohnehin tief ausgesogen und tief verschuldet war.

Auf solche Weise ist Straßburg in französische Gewalt gekommen, und seitdem ist der Herrscher in Paris auch Gebieter am Oberrhein. Die alte deutsche Grenze läuft auf dem Kamme der Vogesen, und ehe diese für Deutschland nicht wieder gewonnen ist, kann für uns von einer Sicherstellung gegen Frankreich keine Rede sein. So lange die Franzosen das Elsaß behalten, werden sie auch nach Belgien und den Landen am mittlern und untern Rhein gieren; sobald die wirkliche natürliche Grenze, nämlich die uralte, geschichtliche, volksthümliche Sprach- und Gebirgsscheide wieder auch unsere politische Grenze wird, kann Ruhe eintreten. Erst dann ist wieder ein vernünftiges, volksrechtliches Verhältniß da.

Im heutigen Elsaß ist seit zweihundert Jahren Vieles verwälscht worden; ich glaube, daß die Elsässer, die sich nun einmal, wenn auch schwer, an Frankreich gewöhnt haben, anfangs nur widerwillig bei uns sein würden; aber darauf kommt vorerst nichts an. „Es nimmt ein Kind der Mutter Brust nicht gleich von Anfang willig an, doch bald ernährt es sich mit Lust.“ Die Sympathien finden sich von selbst, und die Rückführung natürlicher Verhältnisse trägt ihre Berechtigung in sich selbst.

Darum muß von Basel bis Emmerich über kurz oder lang der Rhein wieder auf beiden Seiten deutsch sein. Ohne das ist ein freies Deutschland mit der ihm gebührenden Machtstellung unmöglich, und von einem wirklichen Gleichgewicht kann erst dann in Europa die Rede sein, wenn die geschichtlichen Begehungs- und Unterlassungssünden unserer Vorfahren durch unsere Thatkraft wieder gut gemacht sind.

Wehrleute, haltet gute Wacht! Und Du, Alfred, wirst Deine Schuldigkeit thun!




Graf Zeppelin’s Reiterstück. (Mit Illustration auf Seite 565.) In der Geschichte „unseres Kriegs“ nehmen die Streifzüge unserer Reiterpatrouillen eine prächtige Stelle ein.

Zu den kühnsten Recognoscirungsritten dieser Art gehört der des würtembergischen Generalstabsofficiers Grafen Zeppelin aus dem Hauptquartier der dritten Armee. Als seine Begleiter werden von den verschiedenen Berichten die badischen Dragonerofficiere vom zweiten Regiment (Markgraf Max) v. Wechmar, v. Villers, v. Gayling und Winslow (Winslor, Winstoe, ein geborner Engländer, dessen Name wohl deshalb den Berichterstattern so viel Schwierigkeiten macht) und vier wohlberittene Ordonnanzdragoner genannt. Diese neun Männer ritten im ersten Morgengrauen über die Grenze auf Lauterburg los, das, obwohl nach alter Weise befestigt, von den Franzosen jetzt ohne Besatzung gelassen worden ist. Mit lautem Hurrah und gezogenen Säbeln sprengten sie mitten durch das Städtchen durch (Darstellung unserer Illustration), zum andern Thor wieder hinaus in’s Freie, rannten eine französische Lancierspatrouille nieder, nahmen zwei Mann davon und später noch einen Gensd’armen gefangen, entließen sie aber, weil sie einen wichtigern Zweck hatten, als Gefangene zu machen, und setzten ihren Ritt weit hinter die französischen Linien, immer die Deckung der Waldungen suchend, um die Aufstellung der französischen Heeresabtheilungen beobachten zu können, sechsunddreißig Stunden fort. Der Engländer hatte längere Zeit in dieser Gegend des Elsaß gelebt und als eifriger Jäger Feld und Wald genau kennen gelernt. So war Klugheit und Glück mit den Tapferen.

Zwischen Niederbronn und Wörth stießen sie endlich auf einen übermächtigen Feind. Nach dem deutschen Bericht hat eine französische Husaren-Escadron ihnen bei Neuweiler den Weg versperrt; im Kampfe fiel Winslow, die übrigen Officiere, mit Ausnahme Zeppelins, wurden sammt den Dragonern gefangen. Nach den französischen eingehenderen Berichten saßen die müden und hungerigen Männer im Scheuerlenhof beim Frühstück, als ein Detachement des zwölften Jägerregiments zu Pferde sie überraschte und nach tapferer Gegenwehr überwältigte. Zeppelin schlug sich durch; er sah nur noch, wie Wechmar, stark blutend, gegen ein Haus taumelte.

Wie wichtig dieser Ritt dem Hauptquartier war, zeigt die Vorsorge, daß Lauterburg kurz nachher sechs Stunden lang von badischen und baierischen Infanterie- und Cavallerie-Abtheilungen unter dem badischen Major Bauer besetzt war, um der kühnen Schaar den Rückzug zu decken.

Ebenso hohen Werth legten die Franzosen auf die Gefangennahme dieser Officiere. Ueber Saargemünd wurden sie nach Metz gebracht, wo Marschall Leboeuf sie an seine Tafel zog und später nach Paris schickte.

Die Siege von Weißenburg und Wörth sind der Lohn des Reiterstücks, dem sein Eichenzweig in Deutschlands Geschichte ewig grün erhalten bleiben wird.

H.

Verantwortlicher Redacteur Ernst Keil in Leipzig. – Verlag von Ernst Keil in Leipzig. – Druck von Alexander Wiede in Leipzig.
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Verschiedene: Die Gartenlaube (1870). Leipzig: Ernst Keil, 1870, Seite 568. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1870)_568.jpg&oldid=- (Version vom 9.9.2019)
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