Verschiedene: Die Gartenlaube (1887) | |
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Gastfreundschaft war also nicht zu zweifeln. Ja, es kostete Mühe, sich derselben zu entziehen; denn obwohl wir kaum Etwas von ihrer Sprache verstanden, war der Wunsch, uns dauernd unter ihnen niederzulassen, doch unverkennbar.
Als alle Ueberredungskünste nicht halfen, wurden uns Häuser, Land, Kokospalmen, Schweine und als letztes Mittel „Mädchen“ angeboten! Noch nie in meinem Leben war es mir so leicht gemacht worden, Haus und Hof, Frauen und Familie zu erwerben, mit einem Wort „Negerfürst“ zu werden! Die Wichtigkeit meiner Mission, die Küste weiter zu erforschen, ließ mich dieses Glück von der Hand weisen, sehr zum Bedauern und Verdruß der Deputation von Notabeln, die mit ihren grunzenden Schweinen und zitternden Mädchen, den mir zugedachten Prinzessinnen, wieder abziehen mußte.
Wir thaten ein Gleiches und wandten unseren Bug westwärts, mußten aber bald wegen Regens und düstern Wetters, nahe der Küste, gegenüber der kleinen Insel Guap wieder zu Anker gehen. Dieselbe ist sehr dicht bevölkert und die Bewohner zeichnen sich durch einige Besonderheiten, namentlich den originellen Kopfputz aus, wie ihn die beigegebene Skizze (S. 461) zeigt. Diese lange Röhre aus Pandanusblatt, mittelst Nadeln aus Knochen in dem dichten Haarpelze festgehalten, repräsentirt in der That die Urform des noch krempelosen Cylinders, und so waren wir um eine wichtige Entdeckung reicher. Ja! wer hätte wohl gedacht, daß unser Cylinder oder Bibi auf die Wilden Neu-Guineas zurückzuführen ist! Unter den angebotenen Tauschartikeln nahmen kleine aus Holz geschnitzte menschliche Figuren, sogenannte „Götzen“ und sonderbar bemalte Holzmasken mit langer schnabelartiger Nase die Hauptstelle ein, aber auch trefflicher Yams wurde in Menge gebracht. So entwickelte sich ein lebhafter Handel, ein Handel, der eben so ermüdend wie angreifend war; denn es ging immer nur Stück um Stück, und für Alles und Jedes wollte man Eisen haben. Da mußten denn die alten Kistenbänder herhalten, die unser „Meister“, der Maschinist, in so kurze Stückchen zerschnitt, daß Keiner das dünne Eisen zu biegen vermochte, das war der Prüfstein für das neue geschätzte Gut. Bei der Menge von Eingeborenen, welche die „Samoa“ umlagerten, hielt ich streng darauf, daß keine Eingeborenen an Bord kamen, denn Vorsicht ist in allen Fällen, auch den scheinbar friedfertigsten Eingeborenen gegenüber, nicht außer Acht zu lassen. Da schallte es plötzlich aus einem Canu längsseit: „Doktor! Doktor!“
„Herr! Du meine Güte! Dein Weltruf ist schon bis hierher gedrungen!“ dachte ich in meiner Bescheidenheit und sah mich nach den Rufern um, die lebhaft gestikulirten, als wenn sie sagen wollten. „Na! das ist wirklich nett! Heut kennt uns der ‚Doktor‘ schon nicht mehr und gestern ließ er sich noch bei uns abfüttern!“
In der That, es waren unsere biederen Freunde von Rabun, die uns nachgefolgt waren, um einen letzten Versuch zu machen, uns zur Rückkehr und zum Bleiben zu bewegen. Aber als die Dampfpfeife ertönte und die Schraube weißen Schaum aufwühlte, da stiegen sie betrübt in ihr Canu und so lange wir uns sehen konnten, winkten wir den netten Freunden zu, wie sie uns. Wir durften uns nirgends allzulange aufhalten; bei dem geringen Kohlenvorrath, welchen die „Samoa“ mit sich führte und der nur einige zwanzig Tage reichte, war „Vorwärts“ unabweislich unsere Losung.
Und so müssen wir auch zum Schluß unseres Artikels nach Berlinhafen eilen, den wir durch die Babelsbergstraße erreichen, immer im Angesicht der malerischen Küste, mit dem an 3000 Fuß hohen Torricelli-Gebirge. Berlinhafen wird von den mittelst Riff verbundenen Sainson-Inseln gebildet (Faraguet und Sainson von d’Urville gesichtet), zu denen wir noch eine kleine neue „Sanssouci“ entdeckten. Da wir die Straße zwischen Dudemain- und den Sainson-Inseln, welche d’Urville mit Riffs blokirt verzeichnet, vollkommen frei fanden, so wird Berlinhafen zu einem vollkommen geschützten Ankerplatz: eine weitere Bereicherung dieser Küste, welche für die spätere Entwickelung von großer Bedeutung ist. Wünschen wir ihr und dem neuen Hafen das Beste!
Das Vorzimmer, durch welches Doktor Reiter seinen Freund hinausbegleitet, hatte kurze Zeit leer gestanden; dann öffnete sich die Thür wieder, und in der Spalte erschien erst ein dunkler Kopf, welcher sich vorsichtig mit lebhaften Augen umsah, ehe der zu demselben gehörige Körper mit schlängelnder Bewegung nachfolgte.
Es war der Mann, dessen eben noch der junge Felsing so verachtungsvoll gedacht hatte: der Agent Treiber.
„Niemand da!“ begann er verdrießlich; „der Diener sagte mir doch, ich werde den Herrn Grafen hier treffen. Nun, ich kann warten.“
Wohl um die Zeit des Wartens abzukürzen, begab sich Treiber an das offene Fenster und schaute aufmerksam nach dem Parke hinunter. Er berechnete dabei im Kopfe, wie viele Bauplätze etwa aus demselben „herauszuschneiden“ wären und was dieselben
Verschiedene: Die Gartenlaube (1887). Leipzig: Ernst Keil, 1887, Seite 462. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1887)_462.jpg&oldid=- (Version vom 21.11.2023)