Verschiedene: Die Gartenlaube (1887) | |
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wissen – wollte Gott, mein eigener Sohn hätte etwas von Ihrer Zuverlässigkeit und Charakterstärke!“
Er reichte dem Doktor die Hand und dieser beugte sich über dieselbe, verwirrt, von den widerstreitendsten Empfindungen bewegt, unfähig, ein Wort zu erwiedern. Nur das Eine wußte er mit voller Sicherheit, als er das Zimmer verließ: es war nun unmöglicher für ihn als je, mit Gabrielens Vater von seiner Neigung zu ihr zu sprechen.
Auch der Gedanke an Emil drückte ihn. Er war heute froh gewesen, daß die knappe Zeit nur die Geschäftsbesprechung ermöglichte. Was hätte er ihm sonst sagen sollen? Das Vorgefallene ruhte als ewiges Geheimniß in seiner Brust – aber er kam sich doch nicht recht aufrichtig gegen den Freund vor, dessen Bemühungen für den Grafen doch gewiß mit dem Interesse für Gabriele eng zusammenhingen.
Blätter und Blüthen.
Der Deutsche Schulverein. Als wir vor drei Jahren die Feier schilderten, welche sich an „die ordentliche Hauptversammlung des Deutschen Schulvereins“ (am 2. Juni 1884) zu Graz anschloß und dieselbe zu einem deutschen Nationalfeste, zu einem „Ehrentag aller Deutschen Oesterreichs“ erhob, an welchem das „Banner des deutschen Geistes“ und „das deutsche Lied“ ihre begeisternde Wirkung übten – da konnten wir auch schon über die Thätigkeit jenes zweiten Vereins berichten, welcher in seinem Namen seinen Zweck ausspricht, des „Allgemeinen Deutschen Schulvereins zur Erhaltung des Deutschthums im Auslande“, der in Berlin seinen Hauptsitz hat. Im August 1881 mit einer Mitgliedschaft von 1365 Mann gegründet, war zur Zeit jenes österreichischen Festes, welches 60000 Mitglieder vertrat, der Deutsche Verein bereits auf nahe an 12000 Mitglieder angewachsen. Das konnte man in Wahrheit eine That der Männer nennen, die den Verein gegründet, und vor Allem des unermüdlichen Dr. Falkenstein, der vom ersten Tage des Vereins an den Vorsitz führt. Schon seit 25 Jahren bestand der „Deutsch-böhmische Geschichtsverein“, welcher mit wissenschaftlicher Bestimmtheit aufgestellt hatte, was der Deutsche in Böhmen gegründet und geschaffen, ererbt und zu vertheidigen habe; und nun erstanden, neben dem Deutschen Schulverein, der Deutsch-böhmische Journalistenbund, der Centralverband deutscher Landwirthe in Böhmen, der Böhmerwaldbund, der Deutsche Handwerkerverein in Prag, und diesem schloß sich neuerdings der Bund der Deutschen Nordmährens an. Alle diese Vereine sind nicht zum Angriff, sondern als Abwehr und Nothwehr ins Leben gerufen; in Ab- und Nothwehr mußte man daran gehen, in deutschen Orten die tschechischen Arbeitskräfte durch deutsche Lehrlinge, Gesellen und Dienstboten zu ersetzen, deutsche Spar- und Vorschußvereine zu errichten, damit der deutsche Landmann und Gewerbtreibende nicht mehr von tschechischen Geldinstituten abhängig sei, in zahlreichen Orten deutsche Bibliotheken aufzustellen und unter die deutsche Bauernbevölkerung gute, von echt deutschem Geiste durchdrungene Schriften zu vertheilen, endlich auch deutsche gewerbliche Fachschulen zu errichten und den landwirthschaftlichen Wanderunterricht eifrigst zu pflegen.
Alle diese friedlichen Mittel werden nur durch die Art der Gegner verschärft und verbittert. Gebildete Völker sind dankbar, wenn Dichter anderer Nationen ihre Vergangenheit preisen; die deutschen Dichter Alfred Meißner, Egon Ebert, Moritz Hartmann, L. A. Frankl haben für ihre jugendlichen Verherrlichungen altslawischer Größen nur Spott geerntet, und Anastasius Grün, der den Slovenen mit außerordentlichem Eifer den Reichthum ihrer Volkslieder sammelte, erfährt den Lohn dafür, daß in seiner Vaterstadt Laibach sein Denkmal besudelt und vernichtet wird! Mit solchen Gegnern haben die Deutschen Oesterreichs um die Erhaltung deutscher Kultur zu kämpfen. Aber mit dem Kampf sind auch die Streiter gewachsen: der Deutsche Schulverein, noch immer unter der gedeihlichen Obmannschaft des Dr. Weitlof in Wien stehend, zählt jetzt über 120000 Mitglieder in 1174 Ortsgruppen.
Wenn wir berechnen, daß diese Mitgliederzahl von den über das weite Oesterreich-Ungarn zerstreuten 10 Millionen Deutschen hat aufgebracht werden müssen, so sinkt unsere Genugthuung darüber, daß unser „Allgemeiner Deutscher Schulverein“ bis jetzt auf 250 Ortsgruppen mit etwa 30000 Mitgliedern gestiegen, sehr beträchtlich, denn hinter ihm stehen weit über 40 Millionen Deutsche im Reiche beisammen.
Es sind oft Kleinigkeiten, welche der rascheren Verbreitung eines Unternehmens störend entgegentreten – und andere Kleinigkeiten üben große Förderung einer Sache aus. Vor Allem mache man die Theilnahme nicht – unbequem! Unser Aufruf lautet: „Beitrittserklärung und Zeichnung von 3 Mark Jahresbeitrag sind zu adressiren an den Allgemeinen Deutschen Schulverein für Erhaltung des Deutschthums im Ausland. Berlin N. W. Luisenstr. 45. III.“ – Jedenfalls würden die Beiträge bei den Ortsgruppen rascher und pünktlicher eingehen, wenn sie überall mittelst Sammelbüchern (wie beim Gustav Adolf-Verein) eingeholt würden. Vor Allem aber sollten die deutschen Frauen und Jungfrauen sich der Sache mehr annehmen. Hier ist ein Ehrenfeld für ihre Thätigkeit. Denn wenn die Männer von ihren Tagespflichten und ihrem Parteileben oft genug übermäßig in Anspruch genommen sind, so bleibt den Frauen die Hand frei für das versöhnende Walten, und ihr Einfluß ist um so mächtiger, je wärmer sie für eine Sache eintreten. In Oesterreich gehörten schon 1884 nicht weniger als 88 Ortsgruppen ausschließlich Frauen an, und mit Recht konnte am Grazer Fest eine Frau es aussprechen: „Unsere Kinder sollen es einst bezeugen, daß wir unsere Aufgabe ernst genommen und daß man uns den Namen nicht unverdient gegeben hat, der für uns Frauen der schönste und der größte Stolz ist, den Namen einer deutschen Frau!“
Vom Vorstand ist ein Vorschlag und Aufruf ergangen, der lautet: „Lassen Sie uns einmal auf drei Jahre eine freiwillige Umlage von 1 Mark pro Kopf und Jahr zur Vermehrung des Unterstützungs-Vermögens ausschreiben und sehen, was dabei herauskommt.“ Die dadurch gewonnene Summe nebst Sammelbuch ist am 1. August d. J. an den Schatzmeister des Vereins, Banquier Boas in Berlin N. W. Unter den Linden 59a einzusenden.
Da winkt eine That! Man vollbringe sie! Aber alle unsere Leserinnen und Leser, alle treuen Freunde der „Gartenlaube“ seien dringend gebeten, diese Worte nicht bloß zu lesen, nicht das Blatt mit dem Entschluß wegzulegen, gelegentlich auch einmal Etwas für die Sache thun zu wollen! Mit dem Blatt in der Hand eile man zu seinen Freundinnen und Freunden, um sofort zur That zu schreiten! Es gilt, neue Ortsgruppen zu gründen, die alten zu stärken und den Aufruf des Vorstandes auszuführen! Mögen die deutschen Frauen zeigen, daß sie hinter denen Oesterreichs nicht zurückstehen, wo es die heiligsten Güter des deutschen Geistes, des deutschen Herzens zu wahren gilt! Friedrich Hofmann.
Marcella Sembrich, die gefeierte Gesangskünstlerin (Portrait S. 485), ist im Jahre 1858 zu Lemberg in Galizien geboren, wo ihr Vater Musiklehrer war. Unter der Leitung desselben entwickelten sich die früh hervortretenden musikalischen Anlagen der Künstlerin so schnell, daß Marcella im Alter von 12 Jahren bereits als Klavier- und Violinspielerin öffentlich auftrat und großes Aufsehen erregte. Die weitere Ausbildung des jungen, vielversprechenden musikalischen Talentes übernahmen die Professoren Bruckmann und Stengel, beide am Konservatorium in Lemberg. Von hier begab sich Marcella nach Wien, um unter Liszt’s Anleitung sich als Klavierspielerin zu vervollkommnen. Hier in Wien war es, wo sie auf ihre wunderbaren Stimmmittel aufmerksam gemacht wurde und den Entschluß faßte, sich für das gesangliche Fach ausbilden zu lassen. Lamperti junior in Mailand, gegenwärtig am Dresdener Konservatorium als Gesanglehrer thätig, übernahm ihre Ausbildung, die in verhältnißmäßig sehr kurzer Zeit so weit vorgeschritten war, daß die junge Künstlerin am 3. Juni 1877 in Athen als Elvira in den „Puritanern“, als Lucia und Dinorah mit großem Erfolg zum ersten Male auftrat. Nach Wien zurückgekehrt, studirte sie unter Professor Levy’s Leitung das deutsche Opernrepertoire, bis sie sich 1878 in Dresden mit überraschendem Erfolg als Lucia einführte. Hier blieb die Künstlerin bis zum Jahre 1880; ihre Zerline (Don Juan), Susanna (Figaro) und Constanze (Entführung) wurden allgemein eben so sehr bewundert, wie ihre Martha, Gilda, Amina und andere ernste Partien. Nachdem sie am niederrheinischen Musikfeste im Jahre 1880 sich großer Erfolge erfreut hatte, debutirte sie in England an der Royal Italian Opera als Lucia, Amina und Margarete v. Valois und wurde auch für die folgende Saison 1881 auf 1882 angestellt. Als Dinorah und Constanze feierte sie jetzt neue, große Triumphe.
Seit dieser Zeit hat sich Marcella Sembrich durch ihre Gastspielreisen in fast allen europäischen Ländern einen Weltruf erworben und überall, wo sie sang, Publikum und Kritik enthusiasmirt. Sie ist, wenn man von Adelina Patti absieht, in unseren Tagen unbestritten die erste Vertreterin des italienischen „bel canto“. Mit einer sicheren Beherrschung aller denkbaren technischen Schwierigkeiten, welche die genannte Gesangsgattung bietet, verbindet sie deutsche Gemüthstiefe und Innigkeit in glücklichster Vereinigung; als dritter Faktor tritt ein hochbedeutendes schauspielerisches Talent hinzu und eine allseitige, gründliche musikalische Bildung. Die Stimme hat einen Umfang von 2½ Oktaven: von c bis zum dreigestrichenen f, und ist von einer Weichheit und Schönheit in allen Lagen, die an und für sich schon – ganz abgesehen von dem seelenvollen Vortrage – allgemeines Entzücken hervorruft. Sie gehört zu jenen genialen Künstlererscheinungen, die, wie eine Pasta, Franziska Pixis, Schröder-Devrient, Adelina Patti, durch ihren Gesang uns völlig über die Schalheit des italienischen Opernstiles hinwegtäuschen.
Die Familie Darner. Unter diesem Titel hat Fanny Lewald, die Patriarchin der deutschen Romanschriftstellerinnen, einen Roman (Berlin, Otto Janke) herausgegeben, welcher eine ostpreußische Familiengeschichte auf dem Hintergrunde der historischen Ereignisse der Jahre 1806 bis 1813 schildert. Fanny Lewald hat in diesem Romane ihre Jugenderinnerungen verwerthet: sie selbst ist eine Königsbergerin und in
Verschiedene: Die Gartenlaube (1887). Leipzig: Ernst Keil, 1887, Seite 499. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1887)_499.jpg&oldid=- (Version vom 23.11.2023)