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Verschiedene: Die Gartenlaube (1887)

neben die Weinflasche, wischte den Arm über den Mund und wandte sich kichernd der Thür zu. Als sie jedoch neben Karli den Knecht in die Stube treten sah, verstummte sie und furchte die Brauen. Die Gesellschaft, die sich der Bursche mitgebracht, schien ihr aus irgend welchem Grunde nicht zu taugen. Sie schien aber auch Ursache zu haben, ihren Aerger möglichst zu verheimlichen, denn in der nächsten Sekunde lächelte sie schon wieder, und während Götz und Karli näher kamen, nickte sie ihnen freundlich zu: „So, seids schon da! Jetzt ruckts nur gleich hintern Tisch – g’rad a Glasl muß ich noch holen – und –“ damit wandte sie sich an den Pointner, „was meinst denn, Bauer, soll ich net a zweite Flaschen bringen?“

„Da hast Recht! Bring’ nur gleich a drei a vier! Heut’ laß’ ich was aufgehn! Mei’m Karli z’ lieb is mir gar nix z’ viel – aber schon gar nix!“

Hastig griff der Bauer bei diesen Worten nach der Flasche und füllte sich das geleerte Glas.

Kuni hatte schon die Stube verlassen, und während Karli bereits dem Vater gegenüber saß, stand Götz bei der dunklen Fensternische, in die er seinen Hut gelegt; auf seinem sonst so ernsten Gesichte lag noch immer das vergnügte, ein wenig spöttische Lächeln, mit dem er der Dirne nachgeblickt hatte, als sie an ihm vorübergeschritten war. Und da lachte er nun gar, wie unter lustigen Gedanken, halblaut auf.

„Ja was is denn? Was lachst denn jetzt auf amal?“ fuhr der Pointner verwundert auf. „Is denn da ’was zum lachen dran, daß ich mein’ Buben gern hab’?“

„Ah na – mich freut’s g’rad, wie sich die Kuni tummeln kann, wann’s a richtige Arbeit giebt,“ erwiederte Götz. Dann zog er das Pfeiflein aus der Joppe und näherte sich dem Tische.

Der Pointner aber streckte sich und erwiederte befriedigt: „Gelt, siehst es jetzt selber bald ein, Du Thomas, Du ungläubiger! Denn wann auch nie ’was gegen ’s Deandl g’sagt hast, ganz, mein’ ich, hat’s Dir dengerst net ’taugt. Aber natürlich, so a Heilige, die muß ja an jeden Heiden bekehren.“ Und da begann er nun Kuni’s Lob zu singen, sprach von ihrer Sauberkeit, von ihrer Ordnungsliebe, von ihrer flinken, unermüdlichen Fürsorge, führte zum Beweise jeder Behauptung stets sein eigenes, ungetrübtes Wohlbefinden an und malte in ganz grauslichen Farben das jammervolle Leben aus, das ihm in seiner „verlassenen Einschicht“ beschieden wäre, wenn ihm der liebe Herrgott nicht die Kuni ins Haus geschickt hätte.

Götz und Karli, die aus Erfahrung wußten, daß der Pointner in diesem Punkte keinen Widerspruch vertrug, ließen ihn ungestört drauf los schwatzen. Götz nickte nur manchmal; er hatte so viel mit seiner schlecht brennenden Pfeife zu schaffen. Und Karli lachte ein um das andere Mal, als fände er guten, harmlosen Spaß an der Art und Weise des Vaters. Als Kuni dann mit Glas und Flaschen die Stube betrat, fragte er sie in scherzenden Worten, ob ihr im Keller drunten nicht das Ohr geklungen hätte.

„Ja, is schon wahr! Ordentlich g’saust hat’s mir!“ erwiederte sie und schaute ihn mit blinzelnden Augen an.

„Was! Jetzt is schön! Gleich g’saust hat’s Dir?“ kreischte der Pointner in hellem Vergnügen, während er zappelnd auffuhr und die Dirne mit beiden Händen am Rocke faßte. „Jetzt sagst mir aber gleich, auf was für einer Seiten? Gleich sagst es! Auf der Stell’!“

„Auf der linken natürlich! G’wiß habt’s recht g’schimpft über mich!“

„G’schimpft! Was sagst jetzt da dazu, Karli? Natürlich g’schimpft! Gelt, Götz? Und wie g’schimpft!“ platzte der Alte los, während ihm unter Kichern und Pusten die zitternden Backen dunkelroth anliefen.

Auch Kuni lachte, indessen sie aus einer der Flaschen die vier Gläser füllte. Plötzlich aber verstummte sie, zeigte ein gar ernstes Gesicht, und während sie nach ihrem Glase griff, seufzte sie und sagte:

„Jetzt is aber g’nug mit die Dummheiten, sonst möcht’s ja schier kein Mensch net glauben, daß ’s heut’ an Abschied gilt. Geh’, Bauer, nimm Dein Glasl und stoß’ mit an auf Dei’m Buben sein Wohl, und daß ihm nach vier Wochen a g’sund’s und a glücklichs Heimkommen blüht!“

„Bravo, Kuni, bravo!“ schrie der Pointner und erhob das Glas. „Wenn Keiner ans Richtige denkt – Du hast halt allweil Dein g’scheit’s Köpferl in der Höh’! Also ang’stoßen jetzt! Da, Karli, da komm’ her – und leben sollst mir tausend Jahr’ – und gut soll’s Dir geh’n und Alles soll Dir g’rathen, was Dir einbild’st – ja, und a Heimkommen sollst haben, a g’sund’s und a glückselig’s – und – und –“

Da gingen ihm die Worte zu Ende. In ausbrechender Rührung stieß er sein Glas an die Gläser der Anderen, verschüttete dabei die Hälfte seines Weines und goß den Rest mit einem raschen Ruck in den weitgeöffneten Mund. Kuni und Karli lachten und tranken ihre Gläser leer. Götz nippte kaum von seinem Weine und schob das Glas vorsichtig in die Mitte des Tisches. Inzwischen hielt der Pointner schon wieder sein Glas der Dirne hin.

„Mach’ weiter, Kuni, und schenk’ mir ein, denn g’rad a einzig’s Glasl, das is mir fein schon z’ wenig, wann’s mei’m Buben sein Wohlsein gilt!“ Kuni nahm ihm das Glas aus der Hand, und da wandte er sich an Karli: „Gelt, Bua, das weißt, daß ich Dich gern hab’ – ja – und jetzt gehst fort, und vier Wochen lang soll ich Dich nimmer sehen! Du – das is fein a Zeit – g’wiß wahr!“

Die Stimme schlug ihm um; er schluckte und schluchzte, und dicke Thränen rannen ihm über die Backen.

„Aber, Vater!“ stotterte Karli. „Was machst denn jetzt da für G’schichten – wegen nix und wieder nix! Vier Wochen, das is doch kein’ Zeit net, daß man so an Aufheben drum macht!“ Unmuthig griff er nach seinem Glase und warf einen verlegenen Blick auf Götz, der mit gekreuzten Armen saß, an seiner Pfeife schmauchte und den dünnen Rauchwölkchen nachschaute, die er nach jedem Zuge gegen die Decke blies.

„So? Vier Wochen meinst, is gar kein’ Zeit net?“ jammerte der Pointner. „Natürlich, Du hast es lustig bei die Soldaten und bei der ganzen Manövergaudi! Aber ich – ich muß daheim sitzen in der Einschicht –“

„Aber geh’ weiter, Bauer! Da, nimm Dein Glasl und trink’!“ mahnte Kuni, während sie dem gerührten Alten das neu gefüllte Glas unter die Finger schob. „Was machst denn jetzt da Dei’m Bub’n so an traurigen Abschied her! A lustige Stund’ mußt ihm schaffen, damit ihm ’s Fortgehen schwerer ankommt und daß ’s ihn lieber wieder z’ruckzieht in sein’ liebe Hamath!“

„Ja, Kuni, ja, Du hast Recht! Du bist halt allweil die G’scheiter’! Sollst schon gleich leben auch!“ rief der Pointner, wischte sich mit der Linken die Zähren aus den Augen und führte mit der Rechten das Glas an die Lippen. „Lustig, lustig, sag’ ich – lustig is allweil besser als a Traurigkeit! Ja, Karli, ja, das mußt Dir merken! Und drum laß Dir nur nix abgeh’n die Zeit über, wo D’ fort bist. Und Geld gieb ich Dir mit, so viel als D’ magst, und wann nachher heimkommst, da kannst von mir haben, was Dir g’rad einbildst. Und wann meinst, es wär’ an der Zeit, so laß ich Dir gleich mein’ ganzen Hof zuschreiben, daß ich doch auch amal a Ruh’ und an Fried’ hab’. Und da kannst Dir nachher a G’sellin suchen, g’rad wie ’s Dir taugt – aufs Geld brauchst ja net schauen – bloß aufs G’müth – ja – such’ Dir nur eine, a recht a saubere, weißt, so eine, die so a recht a lieb’s G’sichterl hat, daß man gleich ’neinbeißen möcht’!“ Dabei streckte er die gekrümmten Finger nach Kuni’s Wange, als hätte er hierdurch bezeichnen wollen, welch eine Art von „G’sichterl“ er im Sinne hatte. Daß Kuni unwillig vor ihm zurückwich, das schien ihn nicht zu bekümmern. Behaglich ließ er sich in den Lehnstuhl zurücksinken und streckte die Füße.

Jetzt hatte auch Karli seine gute Laune wieder gefunden. Mit leuchtenden Augen saß er, lachte den Vater an und hielt ihm das volle Glas entgegen.

„Ja, gelt, jetzt kannst herheben!“ kicherte der Pointner. „Aber hast schon Recht – da komm her – jetzt stoßen wir mit einander an in Lustigkeit, und leben sollst, Du Sakra-Soldat, und g’rad freuen thut’s mich, daß ich Dich morgen wieder amal anschauen kann in der blauen Montur! Ich bin ja selber amal Soldat g’wesen – wenn auch g’rad drei Monat’ lang – weißt – bis mir mein Vater selig an Ersatzmann ’kauft hat, weil er g’meint hat, daß mir ’s Heirathen besser taugt als ’s Exerciren! Aber die drei Monat’ – Du – das war Dir fein a lustige Zeit. – Kreuzsaxen!“ Er leerte sein Glas, schnalzte mit den Lippen, und dann sprudelten ihm die schnurrigen

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Verschiedene: Die Gartenlaube (1887). Leipzig: Ernst Keil, 1887, Seite 615. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1887)_615.jpg&oldid=- (Version vom 29.12.2023)
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