Verschiedene: Die Gartenlaube (1892) | |
|
WS: Das Bild wurde auf der vorherigen Seite zusammengesetzt.
Form kann für den Bronzeguß nur je einmal benützt, für jedes Stück muß sie besonders hergestellt werden. Das spiegelt sich natürlich im Preise ab, und für die billigeren Lampen wendet man deshalb Zinkguß an, dem man entweder in der Lackiererwerkstatt die gewünschte Farbe oder den beabsichtigten Metallglanz giebt, oder den man auf galvanischem Wege vergoldet, versilbert, vernickelt, verstählt, verkupfert, bronziert, vielfach auch durch wiederholte Behandlung zur Annahme zweier oder dreier Metallschattierungen zwingt. Lampenkörper aus Glas, Majolika, Porzellan, die vielfach verwendet, aber in Berlin nicht erzeugt werden, kommen in großen Massen aus Böhmen und Schlesien, Ungarn und Mähren, vom Rhein und selbst aus dem weit entfernten Japan.
Bei den Monteuren vorbei, deren Obliegenheit in dem Zusammensetzen der Lampentheile besteht, kommen wir zu den Arbeitergruppen, welche sich mit der Verarbeitung der Messingbleche beschäftigen. Mit Riesenscheren oder durch „Balanciers“ (Prägewerke, durch Schleuderhebel in Bewegung zu setzen) werden die Bleche zerschnitten, Röhren der verschiedensten Durchmesser werden hergestellt, gezerrt und geglättet, um zur Anfertigung der Brenner vorbereitet zu werden, Glockenringe und Verbindungsstücke werden vorerst roh zubereitet. Sämmtliche Messingtheile gehen alsdann durch die verschiedenen Stationen der Beize, eine Reihe von Säureverbindungen, und verlassen sie, vom Schmutze gereinigt, mit schönem hellen metallischen Glanz.
Mächtige Säle enthalten die Zunft der Metalldrücker, aus deren geschickten Händen der Brenner schon in seiner wesentlichen Form hervorgeht.
Eine ebenso endlose Reihe bilden die Klempner, von denen ein jeder vor seiner Flamme, emsig löthend, sitzt; einen anderen Saal nehmen die Gürtler ein, Handwerksleute, welche mit aufmerksamem Auge jeden Messing– und Bronzetheil zu prüfen und mit der Feile nachzubearbeiten haben. Viel mechanischer ist die Thätigkeit der Schnittarbeiter, deren Balanciers das Unglaublichste an automatischer Wirksamkeit leisten: der eine stößt in eine Brennerhülle zweihundert Löcher und zwar in wechselnder Form und zweierlei Art – genau nach dem 200. Stoß bleibt er stehen, die neue Arbeit erwartend; ein anderer zackt zwei Brenner-Aufsatz-Ringe gleichzeitig und mit einem Schlage in die bekannte zierliche Form aus, ein dritter stanzt eine runde Platte aus, prägt sie von beiden Seiten, zackt zugleich den Rand und setzt endlich noch einen Stift ein.
Scharen von jungen Mädchen sind damit beschäftigt, die fertigen Lampentheile zusammenzusetzen, sie einzupacken und, mit den ihnen gebührenden Zeichen versehen, an die gehörigen Stellen zu legen: denn eine sehr sorgfältige Ordnung ist vonnöthen, will man sich bei der Ausführung der Aufträge in diesem Meer von Formen und Zusammenstellungen, von Farben und Größen zurechtfinden.
Ein Bild dieser unendlichen Vielheit giebt das Musterlager, obgleich dort nur die nothwendigsten Anhaltspunkte für den vorher schon durch Zeichnungen vorbereiteten Käufer gesammelt sind. Da erblickt man Gehänge aus Bronze, aus Zink- und Eisenguß, Tischlampen der werthvollsten und der billigsten Art, für jeden Geschmack und für jedes Land. Hier eine Gattung, die nur in China gekauft wird, dort eine, die dem Sinn der Spanier entspricht, gräcisierende hohe Säulen im Stil des Empire, für England bestimmt, welches für diese Großmuttererinnerungen besondere Vorliebe hat, daneben ein reizendes Modell nach echt hellenischem Vorbild, hohe Ständerlampen für den Salon, mit breitem oft phantastisch geschmücktem Dach, das alles ist in den Räumen zusammengedrängt. Schmucke Arbeiten nach guten Renaissancevorbildern zeigen sich neben dem Barock, das jetzt von der Mode – die auch auf diesem Gebiet herrscht – so lebhaft bevorzugt wird. Dazu kommen noch Besonderheiten aller Art, Lampen für das schwerere Solaröl, Sicherheitslampen, Studier- und hygieinische Lampen mit konzentrierter Flamme und zwiefachem Schutzcylinder – mit einem Wort, das Musterlager ist die Arche Noäh für Beleuchtungsgegenstände.
Der Kampf ums Dasein zeitigt fortwährend neue Formen, neue Erfindungen und – neue Namen. Der Weg zu den letzteren ist ungefähr folgender: Ein Fabrikant ersinnt eine neue Lampe und bringt sie unter dem Namen „Reformlampe“ in den Verkehr. Ein Konkurrent nach dem anderen sieht sich genöthigt, den Grundgedanken des neuen Brenners mit einigen Aenderungen für seine „letzte Neuheit“ zu verwerthen und jenen Vorgänger zum mindesten durch einen schöneren, stolzeren Namen zu schlagen, und auf der Leiter der Phantasie gelangt man von der "Reform" nach und nach zur "Viktoria"-, zur "Gloria", zur "Triumph-Lampe".
Verschiedene: Die Gartenlaube (1892). Leipzig: Ernst Keil, 1892, Seite 29. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1892)_029.jpg&oldid=- (Version vom 30.6.2023)