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Verschiedene: Die Gartenlaube (1892)

Kilimandscharo, hat wenigstens in der dortigen Gegend stets nur die als var. candatus bezeichnete Form vorgefunden, bei der nicht bloß die Endquaste, sondern der ganze Schwanz weiß ist; unsere Exemplare gehören einer Abart an, die in der Monographie der Stummelaffen von Rocheprune als „occidentalis“ unterschieden wird. In diesem Spezialwerk ist noch eine ganze Anzahl Arten aus West- und Innerafrika abgebildet und beschrieben; manche, z. B. der Bärenstummelaffe (Colobus ursinus Waterh.), sehen ähnlich aus wie ein Guereza ohne Seitenmähne; andere, wie der Teufelsaffe (Colobus satanas Og.), sind ganz schwarz, wieder andere roth gezeichnet.

Von allen wissen und kennen wir außer den Bälgen und Schädeln kaum etwas; lebend kommen sie, wenn überhaupt, nur ganz ausnahmsweise einmal zu uns. So kehre ich denn um so lieber zum Guereza zurück, als er ohne Zweifel die schönste und interessanteste Art ist.

Das von mir erworbene Kleeblatt, alle drei junge, vielleicht halbwüchsige Bürschchen, zeichnete sich durch etwas Nettes, Anständiges in seinem Benehmen aus, und ähnliches hört man auch von den Beobachtern des Thieres in der Freiheit rühmen. Der Guereza gehört nicht zu den verhaßten Feldplünderern, und er wurde deshalb in Abessinien nur so lange einigermaßen verfolgt, als dort die kleinen runden Lederschilde gebräuchlich waren, die man mit seinem Felle zu zieren liebte. Seit mit der veränderten Bewaffnung auch diese Schilde abgekommen sind, wird er kaum noch behelligt und führt fern von den menschlichen Wohnungen ein friedliches Dasein. „Im Gallalande, woher Ihre Exemplare stammen,“ schreibt mir Menges, „lebt der Guereza in den dichten Wäldern, besonders in tiefen, feuchtwarmen Bergschluchten. Mit Vorliebe hält er sich auf den riesigen Sykomoren (wilde Feige) auf, deren Früchte seine Hauptnahrung bilden. Auch der 20 bis 25 Meter hohe abessinische Wachholder, der dort ganze Wälder bildet, wird viel von ihm besucht.“

Brehm preist auf Grund der übereinstimmenden Berichte, welche seit der Entdeckung des Guereza durch den Frankfurter Abessinienreisenden Rüppell erschienen sind, mit begeisterten Worten die Schönheit, Anmuth und Zierlichkeit der äußeren Erscheinung des Thieres und die Kühnheit und Gewandtheit seiner Bewegung, insbesondere seine kolossalen Sprünge, bei denen der Körper „wie von dem wallenden Mantel getragen“ erscheint. Hans Meyer schildert in Ergänzung dazu anschaulich das gemüthliche Stillleben der kleinen, vier- bis achtköpfigen Gesellschaften in der sicheren Höhe ihrer Baumwipfel und erwähnt dabei eine meines Wissens früher nicht beobachtete und sonst an Affen der alten Welt überhaupt nicht bekannte Gewohnheit, an der man schon von weitem die Anwesenheit einer Guerezabande erkennen kann: es ist dies ein eintöniges, singendes, abwechselnd anwachsendes und abnehmendes Summen, das von den müßig zusammensitzenden Familiengliedern ausgeht und allem Anschein nach der Ausdruck vollkommenen Wohlbehagens ist. Vielleicht ist das Fehlen dieses Wohlbehagens der Grund, warum ich dieses Summen von meinen Pfleglingen nie vernommen habe; sie verhielten sich für gewöhnlich ganz ruhig und pflegten nur ihren geliebten Salat mit einem eigenthümlichen, in der Klangfarbe zwischen dem Winseln der Kapuziner und dem Krähen der jungen Mandrills stehenden Geschrei zu begrüßen.

Damit wären wir am Ende unserer Betrachtungen über die beiden eigenthümlichen Affengeschlechter angekommen, die in unseren zoologischen Gärten durch lebhaftere, auffallendere – und wohlgemerkt in der Gefangenschaft haltbarere! – Genossen so ganz in den Hintergrund gedrängt werden. Was wir über ihren „alten Adel“, über ihre merkwürdigen Abstammungs- und Organisationsverhältnisse sagen konnten, wird aber hoffentlich genügend befunden, um sie einiger Aufmerksamkeit des thierfreundlichen Lesers würdig erscheinen zu lassen.


Im Norden Deutsch-Ostafrikas.

Deutsch-Ostafrika hat nach dem Ausspruche Wißmanns zwei Küsten: die eine umspült der Indische Ocean, die andere liegt an den großen mittelafrikanischen Seen, dem Victoria-Njansa, dem Tanganjika und dem Njassa. Die Sicherung der Karawanenstraße zwischen diesen beiden Küsten ist die Hauptaufgabe, welche deutsche Thätigkeit im Inneren Ostafrikas zu lösen hat.

Soweit im deutschen Schutzgebiete seßhafte ackerbautreibende Stämme in Frage kommen, ist die Befestigung der deutschen Herrschaft mit besonderen Schwierigkeiten nicht verbunden. Nachdem auch der Einfluß der Araber wesentlich gebrochen ist, droht die Hauptgefahr von Seiten der Nomadenstämme, welche sich zu beiden Seiten der Hauptkarawanenstraße zeigen. Die Unterschätzung des Hirtenvolkes der Wahehe hat uns jüngst einen Theil der Schutztruppe gekostet. Wir sollten, durch diese bittere Erfahrung belehrt, einem anderen räuberischen Hirtenstamm, der im Norden von Deutsch-Ostafrika haust, besondere Aufmerksamkeit schenken.

Es sind dies die Massai, über die wir den Reisenden Fischer, Thomson und zuletzt Carl Peters ausführlichere Berichte verdanken. Die Massai bieten vielfache Aehnlichkeit mit den Wahehe.

„Wohnhaft auf den Hochplateaus östlich der Seen,“ schreibt über sie Carl Peters in seinem Werke „Die deutsche Emin Pascha-Expedition“ (R. Oldenbourg, München und Leipzig), „wo Winter und Sommer nicht im Umkreis von 12 Monaten, sondern im Laufe von 24 Stunden jahraus, jahrein nebeneinander wohnen, wo der Winter die Nacht für sich genommen hat, die Tropenhitze bei Tage herrscht, ist der Massai abgehärtet gegen alle Unbilden der Witterung. Schnellen Fußes durcheilt er die Steppen bis in die reichen Länder der Bantu im Süden, ja bis in die Küstenplätze hinein. Entsprechend dem natürlichen Charakter seiner Art, hat er sich eine Religionsvorstellung gebildet, wonach nur die Massai Söhne der Gottheit sind und ein natürliches von Gott bestätigtes Anrecht auf alles Vieh der Erde haben. Wer als Nicht-Massai im Besitz von Vieh betroffen wird, ist des Todes schuldig, und schonungslos mordet der Massai nicht bloß die wehrhaften Männer, sondern das Kind an der Mutterbrust, Mädchen und Greisinnen.“

Den Lesern der „Gartenlaube“ sind die Sitten und Gewohnheiten dieses räuberischen Hirtenvolkes aus den anziehenden Schilderungen Fischers bekannt (vergl. Jahrg. 1885, Nr. 13). Als es sich darum handelte, Emin Pascha zu entsetzen, wurde der Weg durch das Massailand von Afrikakennern wie Wißmann, Reichard und Stanley für unmoglich gehalten. Carl Peters hat ihn gewagt und ist aus den Kämpfen mit den Massai als Sieger hervorgegangen. Aus dieser Thatsache wurde vielfach gefolgert, daß die Gefahr von seiten der Massai eine geringfügige sei, daß frühere Reisende die Bedeutung dieser Räuber übertrieben haben. Die Mittheilungen von Peters in seinem oben genannten Werke berechtigen aber keineswegs hierzu. „Ich habe versucht,“ erklärt Peters, „den Massais durch Waldbrände, durch Leuchtraketen, ja durch eine zufällig am 23. Dezember eintretende völlige Sonnenfinsterniß zu imponieren, aber ich habe gefunden, daß diesen wilden Söhnen der Steppe schließlich doch nur die Kugeln der Repetiergewehre und der Doppelbüchse, und zwar in nachdrücklicher Anwendung gegen ihren eigenen Körper, imponiert haben.“

Man hat die verhältnißmäßige Ungefährlichkeit der Massai auch damit begründen wollen, daß sie keine Flinten, sondern nur Speer und Bogen führen; aber die Schilderung, welche Peters von den Angriffen der Massai entwirft, namentlich von der Art und Weise, in welcher sie Deckung beim Angriff zu finden wissen, läßt sie nicht minder kriegsgewandt wie die amerikanischen Rothhäute erscheinen. „Von Baum zu Baum avancieren die Massai,“ berichtet Peters in seiner Beschreibung des Gefechtes im Flußwalde des Guare Gobit, „immer darauf bedacht, sich gegen die Kugeln zu decken. Ich darf sagen, daß ich in diesen nächsten Minuten mein Leben und uns alle für verloren gab und trotzdem, bei dieser tadellosen Art, anzugreifen, ein Gefühl von Bewunderung für unsere Gegner, welche ich doch zu gleicher Zeit tödlich haßte, nicht zu unterdrücken vermochte.“

Nichts berechtigt uns zu der Annahme, daß es gelingen werde, durch friedlichen Einfluß derartige Völkerstämme, welche seit Jahrhunderten Raub und Krieg als ihr vornehmstes Handwerk betrachten, für Kulturzwecke zu gewinnen. Im Gegentheil, je mehr wir Afrika kennenlernen, desto mehr drängt sich uns die Ueberzeugung auf, daß wir auch im dunklen Welttheil auf eine Art von Indianerkriegen gefaßt sein müssen.

Von ihren Hochebenen stürzen sich die Massai ebenso wie die Wahehe in die Tiefebenen herab, und wir werden schwerlich mit ihnen in absehbarer Zeit dauernden Frieden schließen können. Sie werden wohl in erster Zeit durch die Gewehre eingeschüchtert werden, aber später werden sie selbst auch zur Flinte greifen. Was wir von ihnen zu erwarten haben, das läßt sich aus der nachfolgenden Charakteristik dieses Volkes ersehen, welche Peters entwirft: „Gleich den Hunnen Attilas und anderen Nomadenvölkern haben sich auch bei ihnen die Eigenschaften der Raubsucht und Blutgier aufs äußerste entwickelt. Die stete Fleischkost, von welcher sie sich nähren, hat die natürliche Wildheit physiologisch gesteigert, und die Gefühlsverrohung, welche bei den Leuten entstehen muß, die seit Jahrhunderten darauf angewiesen sind, das Hausthier, welches sie selbst emporgezogen und gepflegt haben, dann kaltblütig abzuschlachten und zu verzehren, tritt hier mit besonderer Schärfe auf. Eine Hirtenbevölkerung, wo der Hirte nicht zugleich der Schlächter des Viehs ist, wird die sanften Empfindungen des Herzens zur Entwicklung bringen können, wie wir sie in den arkadischen Gesängen so oft ausgeführt finden. Wo aber der Hirte seit Hunderten von Generationen zugleich der Schlächter seines Viehs ist, wie dies bei den Mongolen auf den Hochplateaus von Centralasien und bei den Massai auf den centralafrikanischen Plateaus der Fall ist, da muß durch Vererbung ein fast absoluter Grad von Herzensverrohung eintreten. Dieses Gesetz hat zu allen Zeiten die Hirten der Nomadenstämme zu den wildesten Erscheinungen der menschlichen Geschichte gemacht, wie wir sie in Europa durch Gestalten wie Attila und Dschingis Chan verkörpert gesehen haben.“ *      


Empfohlene Zitierweise:
Verschiedene: Die Gartenlaube (1892). Leipzig: Ernst Keil, 1892, Seite 127. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1892)_127.jpg&oldid=- (Version vom 4.4.2024)
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