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Verschiedene: Die Gartenlaube (1892)

Der Klosterjäger.

Ein Hochlandsroman aus dem 14. Jahrhundert von Ludwig Ganghofer.

 (7. Fortsetzung.)


Als Gittli im Zimmer des Propstes stand, hob sie keinen Blick vom Boden und zitterte, als stünde sie fröftelnd im Schnee. Herr Heinrich faßte sie bei der Hand, zog sie an seine Seite und redete zu ihr mit herzlich tröstenden Worten. Es sei freilich ein schweres Unglück, das über den Wolfrat und die Seph’ gekommen. Allein noch dürfe man ja die Hoffnung nicht verlieren; die Seph’ werde ganz gewiß in guter Pflege wieder genesen. Aber was solle inzwischen mit ihr selbst geschehen? Sie könne doch nicht allein im Lehen bleiben. Im Klösterlein auf dem Nonnberg sei kein Platz mehr, und in der Bartholomäer Klause sei ihr nach kirchlicher Satzung sogar der Eintritt verboten.

„Und sieh’, mein Kind, da hab’ ich nun dem Wolfrat in seiner Noth gelobt, daß ich sorgen will für seine Leute. Für die Seph’ hab’ ich’s ja schon gethan.“

Ein dankbarer Blick traf ihn aus Gittlis Augen.

„Jetzt muß ich aber auch an Dich denken. Und schau, da wüßt’ ich recht ein gutes Plätzchen für Dich, in Salzburg bei den Domfrauen!“

Gittli erbleichte vor Schreck.

„Nun, was meinst Du?“

„Ich bitt’ schön, Herr,“ stammelte sie mit versagender Stimme, „lasset mich doch hier bleiben. Ich müßt’ ja sterben vor Angst, wenn ich nicht alle Tag’ hören thät’, wie’s der Schwäh’rin und dem Bruder geht!“

„Das wirst Du hören, jawohl. Es gehen doch alle Tag’ Schiffe und Karren vom Sudhaus weg nach Salzburg. Da schick’ ich Dir täglich eine Botschaft, ich versprech’ es Dir.“

„Ich bitt’, Herr, bitt’, lasset mich doch bleiben! Und wenn ich schon kein Heimathl nimmer haben soll, schauet, ich thät’ mich ja auch gern eindingen bei einem Bauer. Ich hab’ freilich recht klebere Hände und Arm’, aber ich kann deswegen doch schaffen wie eine richtige Dirn’.“

„So? Und was möchte Dein Bruder dazu sagen? Er ist ja doch kein Höriger, sondern ein freier Mann. Soll er sich jetzt in seiner Noth noch kümmern, weil seine Schwester dienen muß?“

„Schaffen ist doch keine Schand’, Herr! Er hat doch auch geschafft all seiner Lebtag’!“ Und da kam ihr plötzlich ein Gedanke, den sie in sprudelnden Worten hervorstürzte: „Herr! Und wenn es sein müßt’, aufs Almen thät’ ich mich schon auch noch verstehen und vielleicht nimmt mich der Eggebauer auf seine Alm in die Röth’ hinauf.“

„In die Röth’ hinauf?“ wiederholte Herr Heinrich mit wehmüthigem Lächeln. „Nein, mein Kind, das ist zu harte Arbeit für Dich. Und sieh, ich habe einmal Deinem Bruder versprochen, daß ich für Dich sorgen will. Oder willst Du mich zum Lügner machen? Oder hab’ ich Dir schon so viel Böses gethan, daß Du mir nicht vertrauen kannst?“

Gittli verstummte in rathloser Qual.

Gelt, nein? Und sieh, wenn ich jetzt schon sorge für Dich, will ich es so thun, daß es Dir zum Guten ausfällt, zu Deinem Glück! Ich bin Dir ja zu Dank verpflichtet, Du hast ja für meinen Jäger soviel gethan ...“

Da schlug sie die Hände vors Gesicht und brach in krampfhaftes Schluchzen aus.

Die Oberin wollte das Mädchen beruhigen. Herr Heinrich aber hielt sie zurück. „Lasset das Kind nur, es soll sich ausweinen.“

Die Stille beängstigte Gittli; sie hörte zu schluchzen auf und ließ die Hände in den Schoß sinken.

„Schau, Gittli, wer Gutes gethan hat, der muß sich auch den Dank gefallen lassen. Wenn Du Dich wehrst dagegen, da müßte der Haymo fast glauben, daß Dich wieder reut, was Du für ihn gethan hast.“

Mit zuckenden Lippen und nassen Augen blickte sie zu Herrn Heinrich auf.

„Gelt, ja? Und nun wirst Du mir auch folgen in allem?“

„Wenn es halt sein muß,“ lispelte sie, „in Gottesnam’!“

„So ist’s recht, mein Dirnlein! Und jetzt sei tapfer, Du gehst einer freundlichen Zeit entgegen. Warte nur, bis ich Dich einmal besuche, dann wirst Du lachend auf mich zukommen. Und jetzt sträube Dich auch nimmer und laß Dir die Kleider anlegen, die ich Dir geschenkt habe!“

Mit verlorenem Blick vor sich hinstarrend. nickte sie zu allem, was Herr Heinrich sagte. Sie fand auch kein Wörtlein, als er ihr glückliche Reise wünschte, und ließ sich zur Thür hinausziehen, ohne recht zu wissen, daß es geschah.

Sie waren schon auf der Straße, als die Oberin sagte: „Warte hier ein Weilchen, ich habe Herrn Heinrich noch etwas zu fragen.“

Gittli stand allein; die Knie zitterten ihr, daß sie sich kaum aufrecht zu halten vermochte; sie mußte sich auf den Eckstein neben der Thür niederlassen. Da spürte sie einen Puff an der Schulter. Erschrocken blickte sie auf ... Walti stand vor ihr.

Mit beiden Händen faßte sie ihn an der Brust. „Walti! Sag’ mir! Wo ist der Haymo?“

„Drin liegt er im Kloster. Es geht ihm wieder schiecher seit gestern. Was sagst, was das für Sachen sind! Ganz schütteln thut’s mich vor Grausen, wenn ich dran denk’!“

„Walti! Ich thu’ Dich bitten, führ’ mich nur grad zu ihm!“

„Zum Haymo? Ja bist denn närrisch? Ins Kloster darf doch keine Dirn’ hinein.“

„Aber ich muß, ich muß zu ihm!“

Walti zog die Brauen in die Höhe und schob den Hut in die Stirn. Das that er immer, wenn er schwer zu denken hatte. Dann blickte er sich forschend um und flüsterte: „Seine Stub’ geht in den Garten hinaus, und das Fenster ist gar nicht hoch. Aber ... kannst denn über die Mauer kraxeln?“

„Und wenn sie so hoch wär’ wie der Watzmann,“ stammelte sie, „ich müßt’ hinüber!“

„So komm’!“

Sie huschten um die Ecke und schlüpften durch das Gebüsch zur Klostermauer. Zwischen wirrem Gezweig kletterte Walti in die Höhe, setzte sich rittlings auf die Zinnen der Mauer und half dem Mädchen mit beiden Händen empor. Von oben sprangen sie in den Garten hinunter. Walti spähte durch das offene Fenster. „Er ist ganz alleinig!“ flüsterte er, schwang sich auf die Fensterbrüstung und zog das Mädchen nach.

Es war eine freundlich eingerichtete Zelle, in welcher Haymo auf einem mit Wildschuren überdeckten Lager ruhte.

Als der Jäger das Mädchen erblickte, hob er sich erschrocken auf und starrte Gittli an, als könnte er seinen Augen nicht trauen.

„Ich geh’ an die Thür und paß auf, ob keiner kommt,“ kicherte Walti und huschte zur Zelle hinaus.

Als Gittlis Augen dem Blick des Jägers begegneten, war es wieder zu Ende mit all’ ihrem Muth. Mit zitternder Hand strich sie sich über die Stirn. Weshalb nur war sie denn eigentlich hierher gekommen?

„Ja Gittli, bist Du’s denn wirklich?“ stotterte Haymo. „So sag’ mir doch um Herrgottswillen, was ist Dir eingefallen? Hast ja den Klosterbann gebrochen! Schau, in mir drin ist alles völlig kalt vor lauter Angst. Wenn einer käm’ und thät’ Dich finden, sie thäten Dich ausweisen aus dem Klosterland’.“

„Ich muß ja eh’ fort!“ lispelte sie mit gesenkten Augen.

Haymo schwieg und seufzte tief.

„Weißt Du’s vielleicht schon?“ fragte sie und blickte zögernd auf.

Er nickte langsam vor sich hin. „Vor einer Weil’ ist Herr Heinrich dagewesen und hat minr’s gesagt.“

Mit einem raschen Schritt trat sie auf Haymos Lager zu. Ihre Hände ballten sich, ihre Lippen wurden schmal, und ein heiß funkelnder Blick erwachte in ihren Augen. „Ich will aber nicht fort, weil ... weil ich bleiben möcht’, Haymo ... bleiben ...“

Seine Hände zitterten; er wagte nicht aufzuschauen.

Sie beugte sich flüsternd zu seinem Ohr. „Was meinst? Wenn ich davonlaufen thät’, jetzt gleich, und thät’ mich verstecken, daß mich keiner mehr findet ... und ... und Dir allein thät’ ich’s sagen, wo ich bin!“

Da griff er hastig nach ihren Händen und stammelte ihren Namen. Dann aber wieder schüttelte er den Kopf und athmete

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Verschiedene: Die Gartenlaube (1892). Leipzig: Ernst Keil, 1892, Seite 471. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1892)_471.jpg&oldid=- (Version vom 8.4.2024)
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