Verschiedene: Die Gartenlaube (1892) | |
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Glases immer nothwendiger, und so veranlaßte der Besitzer der Münchener königl. Glasmalerei, F. X. Zettler, die Glashütte in Schliersee, sich der Erzeugung des Antikglases nach englischer Art anzunehmen. Nach vielen Opfern und Mühen gelang es denn auch dort, ein Antikglas herzustellen, das in Bezug auf die Verschiedenartigkeit der Farben und der Textur, und namentlich in der Hauptsache, der Schattierung der Farben vom Hellen ins Dunkle bei jeder Tafel, dem englischen vollkommen die Wage hielt. Zettler sowohl als die Mayersche Kunstanstalt in München bedienen sich nur noch des Schlierseer Antikglases und haben das englische ganz aufgegeben.
Treten wir in die Hütte! Die Glasmacher sind, wie unser Vollbild zeigt, in vollster Thätigkeit, und wir erkennen alsbald, daß hier die verschiedensten Arten von Glaswaren hergestellt werden. In dreizehn Häfen brodelt, kunstgerecht gemischt, das flüssige Glas, grell beleuchtet der Feuerschein der Ofenluken den mächtigen Raum. Man sieht den flach kuppelförmig gewölbten Glasofen, der an seinem Umfang mit Arbeitsthüren versehen ist. Hinter diesen stehen die erwähnten Glashäfen – Schmelzgefäße von sehr feuerbeständigem Thone – deren Inhalt von einer rings um den Ofen laufenden Holzbühne aus mittels der Blasepfeifen leicht zu erreichen ist. Das wichtigste Werkzeug des Glasbläsers, die Pfeife, ist auf dem Bilde mehrfach in Anwendung zu sehen. Sie besteht aus einem Eisenrohr, das mit hölzerner Handhabe umkleidet ist. Wassertröge von ausgehöhlten Baumstämmen dienen zugleich zum Abkühlen des heißgewordenen Pfeifenendes und zum Absprengen des Glases von demselben.
Im Mittelgrund des Bildes nimmt einer der Glasbläser mit der Pfeife genau die vorgeschriebene Menge der flüssigen rothglühenden Masse aus dem Hafen, andere haben bereits begonnen, sie aufzublasen, der Eintragbube unten wartet mit langgestielter Gabel auf Arbeit. Vorn sind zwei Männer beschäftigt, einer bereits weit aufgeblasenen Hohlkugel die gewünschte Form zu geben. Handelt es sich um Antikglas, so wird die Kugel zur Walze gestaltet, hernach auf einer Seite der Länge nach aufgesprengt und im Streckofen zur Tafel gestreckt.
Antikglas wird in vielen Farben massiv in der Masse gefärbt; außerdem aber stellt man sogenannte Ueberfanggläser her in bestimmter Farbenzusammensetzung, so daß der Glasmaler nach Wunsch den Ueberfang durch Flußspathsäure wegätzen und diejenige Farbe im Glase hervortreten lassen kann, die er braucht.
Schreiten wir, der Hitze nicht achtend, weiter! Wir treffen zwei Arbeiter, welche mit der Anfertigung von Flaschen beschäftigt sind. Nachdem der auf der Bühne stehende Glasbläser die flüssige Masse bis zur passenden Größe aufgeblasen hat, hält sein Gehilfe eine aufklappbare, meistens metallene Form in Bereitschaft, welche eine Höhlung bildet, die der äußeren Form der herzustellenden Flasche entspricht. In diese Form wird die flüssige Glasmasse eingeführt und durch weiteres Blasen an die Wände der Form gepreßt, deren Gestalt sie nun annimmt. Ist das Glas hinreichend erstarrt, so wird die Form zurückgeklappt, und die Flasche steht der Hauptform nach fertig vor uns.
Interessant zu beobachten ist die Entstehung der farbigen Wasserkrüge. Wortlos erledigen die emsig arbeitenden Gesellen ihre vielen Handgriffe. Wie Irrlichter zucken die glühenden Glaskölbel im dunklen Raume auf, und ehe man nur recht Nachsehen kann, ist die glühende Masse schon ein fertiger Krug. Mit verblüffender Geschwindigkeit und Sicherheit geht das alles in wenigen Minuten vor sich: der Arbeiter bläst den fertigen Glasposten in die Holz- oder Eisenform, dann wird der Boden mit dem Hefteisen geheftet, der Hals knapp bei der Pfeife abgesprengt. Den frisch angewärmten, weichen Hals treibt der Glasmacher auf dem Stuhle mittels des Auftreibeisens auf und bringt das zierende Glasringel mit der Ringelschere an. Und nochmals wird der Hals erwärmt: ein Druck, und die rinnenförmige Ausgußmündung ist fertig. Unterdessen hat der Gehilfe an einem anderen Hefteisen eine genügende Menge Glas aufgenommen und an der Marbelplatte zu einem langen, massiven Stengel geformt, der für den Henkel bestimmt ist. Wenige Handgriffe, und von den beiden Enden des weichen Stengels ist das eine am Halsrand, das andere am Mittelkörper der Karaffe angedrückt und fest angeschmolzen, wobei der Meister dem so gebildeten Henkel die nöthige Schweifung giebt. Das ist alles viel schneller geschehen, als hier erzählt.
Es würde zu weit führen, wollten wir alle Fabrikationszweige des näheren schildern; doch müssen wir die Gefäße, welche wir in der Hütte haben entstehen sehen, noch etwas weiter auf ihrem Wege verfolgen.
Sind die einzelnen Stücke fertig geblasen, geformt und im Kühlofen abgekühlt, so wandern sie in die Schleiferei.
Der muntere Bergbach treibt in unermüdlichem Frondienst die Räder, die seine Kraft auf dünne Solnhofener Steinplatten von Scheibenform übertragen; sehr feiner Sand fließt aus einem Trichter auf die sich drehende Scheibe, die dem dagegen gehaltenen Glase den gewünschten Schliff geben muß. Da werden die Flaschenränder geglättet oder mannigfaltige Zierate angebracht. Unter der Scheibe befindet sich ein hölzerner Bottich, welcher den Sand auffängt und aus welchem der ausgelaufene Trichter wieder aufgefüllt wird.
Und nun sind wir am Ende. Bald wandern die fertigen Krüge, Flaschen und Gläser hinaus in die Welt, manch kühlenden Trunk den Durstigen zu spenden. Der undankbare Mensch freilich vergißt meist über dem, was er trinkt, des Gefäßes, aus dem er trinkt. Vielleicht regen aber diese Zeilen doch manchen an, dem zerbrechlichen Vermittler seiner Genüsse ein aufmerksames Auge zu schenken und einmal auch dort einzukehren, wo er ihn unter kunstverständigen fleißigen Händen aus formloser Masse entstehen sehen kann.
Verschiedene: Die Gartenlaube (1892). Leipzig: Ernst Keil, 1892, Seite 655. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1892)_655.jpg&oldid=- (Version vom 13.2.2023)