Während die Polen von der Kultur Westeuropas, welche inzwischen zu hoher Blüte gelangte, reichlich profitierten, wurde die Entwicklung der ukrainischen Kultur hintangehalten.
Die ganze Politik der polnischen führenden Kreise war vom Grundsatze der rücksichtslosesten Ausbeutung aller Schätze der Ukraine und der nationalen Bedrückung unseres Volkes getragen.
Während des ganzen jahrhundertelangen Zusammenlebens unserer ukrainischen Nation mit den Polen konnten die letzteren kein Verständnis für das ukrainische Volk und seine Interessen gewinnen und haben dadurch einen derartigen Haß in den Volksmassen gegen sich großgezogen, daß er auch noch jetzt in den breiten Volksschichten in der Ukraine lebendig ist.
Inzwischen ist Byzanz gefallen und den Erbfeinden der Ukraine, den Tataren, fließt neue Unterstützung seitens der Türken zu, von welchen sie den Islam annahmen.
Der moskowitische Staat, ein tributpflichtiger Vasalle der Tataren, wird, mit seinem tataririschen Einschlag, zu einer ansehnlichen Macht und bedroht die Ukraine von Norden her gerade zu der Zeit, als Westeuropa in seiner sozialen Entwicklung immer fortschreitet, Reichtümer anhäuft, und, der Pflege der Kultur sein Auge zuwendend, darnach strebt, die antike Kultur, wenn nicht zu überflügeln, so doch auf gleiche Stufe mit ihr zu gelangen.
Die verblutende Ukraine rafft sich nun zusammen, um den Kampf für ihre politische Freiheit wieder aufzunehmen, und diese vor dem polnischen Ansturme zu beschützen. Die Ukraine mobilisiert alle ihre Kräfte, und, nachdem sie jede Hoffnung verloren hat, in einem gemeinsamen polnischen Staate gleichberechtigtes Mitglied zu sein, zertrümmert es dieses Staatsgebilde und verkündet unter Hetman Bohdan Chmelnytzkyj
Menschen- und Völkerleben 1 (1916), Heft 6/7. Langguth, Esslingen am Neckar 1916, Seite 117. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Menschen-_und_Voelkerleben_1916_Heft_6-7.pdf/11&oldid=- (Version vom 6.5.2024)