Ueber den Werth der Klystierspritze

Textdaten
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Autor: Carl Ernst Bock
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Titel: Ueber den Werth der Klystierspritze
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aus: Die Gartenlaube, Heft 21, S. 276–277
Herausgeber: Ferdinand Stolle
Auflage:
Entstehungsdatum:
Erscheinungsdatum: 1855
Verlag: Verlag von Ernst Keil
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Erscheinungsort: Leipzig
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Quelle: Scans bei Commons
Kurzbeschreibung:
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Bausteine zu einer naturgemäßen Selbstheillehre.
Ueber den Werth der Klystierspritze.

Die Klystierspritze, – eines der unentbehrlichsten und heilsamsten Instrumente, welches in keiner ordentlichen Haushaltung (zumal mit Kindern) fehlen darf und dessen Namen zu lesen und auszusprechen, nur ungebildete Zieraffen sich scheuen, – dient nicht blos zur Einführung von Materien (in flüssiger oder gasförmiger Gestalt) in den untern, dickern Theil des Darmkanales, sondern auch zur Entfernung von solchen Stoffen aus dem Darme. Ersteres geschieht so, daß man die Spritze mit den einzuführenden Stoffen füllt, in die Darmöffnung einbringt und dann durch Druck entleert. Letzteres wird dadurch bezweckt, daß die Spritze leer und geschlossen eingebracht und nun geöffnet (aufgezogen) wird, so daß sie die luftförmigen und flüssigen Stoffe des Darmes (wie ein Blasebalg die Luft) einsaugt. Beides, das Einspritzen und das Aussaugen von Stoffen, kann bei vielen und sehr verschiedenen Krankheitszuständen von der heilsamsten Wirkung sein. Aber nicht blos in den Darmkanal sondern auch in andere Organe können mit Hülfe der Klystierspritze heilsame Stoffe eingeführt werden, so daß dieses Instrument mehr als jedes andere bei krankhaften Zuständen seine Anwendung finden kann. Auch von den Aerzten wird dessen Anwendbarkeit noch nicht so ausgebeutet, als dies geschehen könnte und sollte.

Zum Selbsteinführen von Stoffen mit Hülfe einer Spritze benutzt man theils die gewöhnliche Klystierspritze, an welche entweder ein längeres (gekrümmtes) Metallrohr oder ein biegsamer (Kautschuk-)Schlauch angesetzt ist, theils die neuerlich sehr gebräuchlich gewordenen und zur Selbstapplicirung von Klystieren (Lavements) unstreitig sehr bequemen Clysopompe, von denen es sehr verschiedene Arten giebt, wie drehbare und Pumpwerke von verschiedener Gestalt. Die ersteren (s. Fig. 1) verdienen den Vorzug vor den letzteren. – Die neuesten und bequemsten Apparate, welche nicht blos zu Einspritzungen, sondern auch zu Augen-, Hals- und Nasendouchen angewendet werden können, sind die Irrigateurs (s. Fig. 2), weil diese, wie ein Uhrwerk gestaltet, wenn sie aufgezogen sind und der Hahn geöffnet wird, vermöge ihrer Spiralfeder die Flüssigkeit ganz allein ohne Zuthun der Hände forttreiben. – Der Klystierschlauch (Syphon) leitet aus einem höher stehenden, mit Wasser gefüllten Gefäße die Flüssigkeit mittels eines langen biegsamen Rohres herab, so daß dieselbe durch den Druck ihrer eigenen Schwere (wie bei einer Fontaine) in die Höhe spritzt.

Drehbares Clysopomp.
a. Dreher. b. Spritze.

Das Einführen flüssiger Stoffe in den Dickdarm wird am häufigsten zur Hebung von Verstopfung (s. Gartenl. Jahrg. III. Nr. 1) in Gebrauch gezogen; jedoch lassen sich dadurch auch gewisse Substanzen (Wasser, Arznei- und Nahrungsstoffe) vom Darme aus in das Blut schaffen, sowie ferner dadurch krankhafte Zustände des Darmes und seiner Nachbarorgane beseitigt werden können. – Wird Ausleerung von Excrementen oder Darmgasen durch das Klystier beabsichtigt, theils durch Aufweichen der harten Excremente und Schlüpfrigmachen der Darmwand, theils durch Anregung des Darmes zu kräftigeren wurmförmigen und Entleerungs-Bewegungen, dann braucht das Lavement nur aus warmem, lauem oder kaltem Wasser (10 bis 12 Unzen) zu bestehen, dem, wenn dieses allein nicht wirken sollte, etwas Seife, Salz, Essig, Honig, Zucker, Oel oder dergl. zugesetzt wird. Die kalten Klystiere sind, obschon sie [277] die Darmbewegung in stärkerem Grade erregen, als die warmen, doch weniger als diese zu empfehlen, weil die Kälte leicht Darmkatarrh und ruhrartigen Zustand (selbst Bauchfellentzündung) erzeugen, sowie eine zu heftige Reizung der Darmnerven (besonders bei reizbaren Personen) veranlassen kann. Eröffnende Klystiere sind Abführmitteln immer weit vorzuziehen, weil sie dem bei der Verstopfung schuldigen Theil, dem Dickdarme nämlich, unmittelbar zu Leibe gehen, während Abführmittel den ganz unschuldigen Magen und Dünndarm maltraitiren und, wenn sehr reizende Purganzen öfterer eingenommen werden, den Magen endlich durch chronischen Katarrh ganz ruiniren, ja sogar verhärten. Bei der Verstopfung kleiner Kinder sind Klystiere ganz unentbehrlich und Abführmittel durchaus zu vermeiden. – Wassereinspritzungen in den Dickdarm können nun auch zu dem Zwecke angewendet werden, um Wasser in das Blut des Unterleibes zu schaffen, dieses dadurch flüssiger zu machen, und so den sogenannten Pfortaderstockungen (Unterleibsbeschwerden; s. Gartenlaube Jahrg. II. Nr. 18) entgegen zu treten. Damit aber das eingespritzte Wasser auch von den Blutgefäßen aufgesogen werde, darf man nur eine kleinere Quantität (4 bis 5 Unzen) desselben, aber öfterer und von lauwarmer Temperatur einspritzen, und muß dasselbe bei sich zu behalten lernen. Bei dieser Wassereinfuhr, welche Allen zu empfehlen ist, die zu wenig Flüssiges zu sich nehmen (wollen oder können), gelangt natürlich ein Theil des Wassers auch in die Saugadern des Dickdarms und vermag so den Speisesaft flüssiger zu machen. Das Einführen von flüssigen Nahrungsstoffen (wie Milch, Fleischbrühe, Eiflüssigkeit) mittels der Spritze in den Dickdarm, damit dieselben daselbst aufgesogen werden und zur Ernährung des Blutes und Körpers dienen, wird bisweilen in den Fällen angewendet, wo die Aufnahme von Nahrung von oben durch irgend welche Umstände behindert ist. Leider ist diese Art der Ernährung des Körpers nicht hinreichend zu seinem ordentlichen Bestehen. – Arzneistoffe, im Lavement beigebracht, können manchmal von besserer Wirkung sein, als wenn man sie einnimmt. Gewöhnlich werden schmerz- und krampfstillende, oder erregende Medicamente auf diese Weise in den Körper (das Blut) gebracht. – Bei Krankheiten des Dickdarmes, besonders bei ruhrartigen Processen mit Kolik und Durchfall, sind lauwarme Klystiere anfangs von schleimigen oder öligen Flüssigkeiten (Stärke, Reis- oder Hafergrützschleim, Oel), später von heilsamen Arzneimitteln (Höllensteinlösung) ganz unentbehrlich. Ebenso wenig können sie bei Blinddarmentzündungen, Mastdarmkrankheiten, gewissen Wurmbeschwerden entbehrt werden. – Wärme oder Kälte durch Wasserklystiere zunächst auf den Dickdarm und dann mittelbar auch auf dessen Nachbarorgane applicirt, kann Hülfe bei Eiterungen, Schmerzen, Blutungen und manchen andern krankhaften Zuständen der Unterleibsorgane schaffen.

Das Einführen luftförmiger Stoffe von unten in den Darmkanal dürfte, obschon es von Seiten der Aerzte nicht gar häufig geschieht, doch in vielen örtlichen und allgemeinen Leiden von größerm Vortheile sein, als das Einnehmen von Medicamenten, die ja zunächst immer den armen, am Kranksein sehr oft ganz unschuldigen Magen turbiren. So könnte schon die eingebrachte atmosphärische Luft bei Solchen, deren Därme (Leib) wegen Gasmangel sehr zusammengefallen sind, mancherlei Beschwerden heben. Denn man bedenke, daß die Darmgase ganz nothwendig nicht nur für die Verdauung sind, sondern auch für das Athmen, für die Aufrechterhaltung des Rumpfes und für alle Entleerungsakte (wie Stuhlgang, Urinlassen, Erbrechen, Husten, Gebären). Durch sie werden nämlich die Därme in ein elastisches Luftkissen verwandelt, welches vom Zwerchfelle und den Bauchmuskeln leicht zusammen gepreßt werden und so den genannten Processen dienen kann. –

Irrigateuer.
a. Oeffnung zum zum Eingießen der Flüssigkeit.
b. Dreher zum Aufwinden des Kolbens.
c. Spitze.

Reizendere Luftarten (wie Kohlensäure, Tabaksrauch etc.) sind nicht selten schon dazu mit Glück benutzt worden, um lebensgefährliche falsche Lagerungen der Därme (wie Verwickelung, Einschiebung, Einklemmung) zu heben, indem man dieselben zu heftigern Bewegungen anregte. – Sicherlich würde auch das Einführen reiner Lebensluft (des Sauerstoff) in den Dickdarm Vortheile bieten können, z. B. eine schlechte Beschaffenheit des Blutes (zunächst natürlich des Unterleibsblutes) baldigst zu heben vermögen, zumal wenn die Thätigkeit der Lungen (die Sauerstoffaufnahme) verringert wäre. Doch hat Verf. hierüber noch nicht hinreichende Erfahrungen, und von Seite der praktischen Aerzte, die ja fest an der alten Arzneimittellehre und an Recepttaschenbüchern halten, werden nicht gern rationelle (physiologische) Versuche angestellt. – Vielleicht ließen sich auch Gase, welche man nicht ohne großen Nachtheil einathmen kann, als gute Gegengifte bei Vergiftungen in den Darm einklystieren; z. B. Chlor bei Vergiftungen mit Blausäure und Schwefelwasserstoff u. s. f.

Als An- und Aussaugungsapparat ist die Klystierspritze allerdings in weniger Fällen anwendbar, wie als Injectionsapparat. Jedoch kann sie auch als solcher dadurch heilsame Wirkung, und zwar ziemlich schnell, äußern, daß sie die übermäßige Anhäufung von Gas im Darme (also die Blähungsbeschwerden) leicht zu mindern vermag. Auch könnte die Saugkraft der Spritze noch zu manchen andern Heilzwecken verwendet werden. Kurz die Klystierpritze ist nicht nur in der Gegenwart schon als einer der besten Heilapparate anzuerkennen, ihr stände auch noch eine große Zukunft bevor, wenn nur die Heilkünstler erst weniger mit Heilmitteln in Schachteln und Flaschen heilkünsteln wollten.
(Bock.) 
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ufw 2